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Zur Methodik und Strategie der Datenauswertung

3. Untersuchungskonzeption und -durchführung, Untersuchungsstichproben und

3.4 Zur Methodik und Strategie der Datenauswertung

Wie bereits in Abschnitt 1 angedeutet, haben ESM-Daten eine spezielle Struktur. Diese Struktur ist hierarchisch: Auf einer oberen Ebene bilden die Personen die Einheiten. Von je-der dieser Personen liegen – neben konventionellen Personendaten (SFB) – jedoch auch An-gaben zu verschiedenen, signalkontingenten Zeitpunkten (ESF) vor, die damit auf einer der

"Personebene" hierarchisch untergeordneten "Zeitpunktebene" zu lokalisieren sind. Die Daten dieser Zeitpunktebene (alle ESF aller UPn) sind dadurch charakterisiert, dass sie in Subgrup-pen abhängiger Messungen ( = alle ESF je einer Person) zerfallen.5 Naturgemäss stellt die statistische Aufarbeitung solcher Daten spezielle Probleme, für deren Lösung verschiedene Verfahren mit spezifischen Vor- und Nachteilen beigezogen werden können:

Konventionelle Lösungen (vgl. z.B. die Darstellung in Larson & Delespaul, 1992) entschei-den sich für die eine oder andere Ebene. Wird auf der Zeitpunktebene ausgewertet, werentschei-den die ESF-Daten vorgängig oft individuell z-standardisiert, um die personbedingte Varianz zu eli-minieren. Wird auf der Personebene gearbeitet, müssen anderseits vorgängig aus den ESF-Variablen Personvariablen (z.B. Durchschnittsbefinden bei der Arbeit) gebildet werden (durch Aggregation der Zeitpunktdaten). Die spezifischen Vor- und Nachteile beider Vorgehenswei-sen werden vor allem in der Literatur zu den sog. "hierarchischen linearen Modellen" disku-tiert (z.B. Ditton, 1998) – eine Methodenfamilie, die erlaubt, in der Auswertung von hierar-chischen Daten gleichzeitig mehrere Ebenen zu berücksichtigen ("Mehrebenenanalyse") und damit gegenüber den konventionellen Vorgehensweisen entscheidende Vorteile aufweist. Ein wichtiger Nachteil der Mehrebenenanalyse ist aber, dass sie (noch) nicht für alle Strukturen von Forschungsfragen Lösungen anbietet, sodass manchmal auf konventionelle Verfahren oder andere Möglichkeiten ausgewichen werden muss. Beispiele sind etwa faktorenanalyti-sche Fragen oder Fragen, bei denen es um den Zeitreihencharakter der Zeitpunktdaten geht.

Zudem sind die Ergebnisse von Mehrebenenanalysen derart komplex, dass sie nur mit eini-gem Aufwand zu kommunizieren sind.

Von den in jüngster Zeit vorgeschlagenen weiteren Auswertungsverfahren sei hier lediglich noch die Technik der Metaanalyse genannt. Sie besticht nicht nur durch ihre relativ einfach zu durchschauende Struktur und praktisch unbeschränkte Anwendbarkeit, sondern auch aus me-thodologischen Gründen. Entwickelt wurde sie, um mehrere empirische Untersuchungen zum gleichen Thema integrativ auszuwerten (z.B. Hunter & Schmidt 1990). Eine ESM-Untersu-chung kann man ebenfalls als eine Menge von (Einzelfall-) UntersuESM-Untersu-chungen zum gleichen

5 Bei komplexen Forschungsfragen lassen sich weitere Ebenen einfügen, z.B. zwischen Person- und Zeit-punktebene (beispielsweise die Ebene Arbeit vs. Freizeit) oder oberhalb der Personebene (z.B. Männer vs.

Frauen).

Thema betrachten. Eine metaanalytische Auswertung impliziert dann zwei Schritte: 1.) die Auswertung der Zeitpunktdaten pro Person und 2.) die Integration der bei diesen (im Projekt:

271) Auswertungen gewonnenen Ergebnisse mittels metaanalytischer Techniken. Methodolo-gisch entspricht dieses Vorgehen exakt dem sog. "ideographisch-aggregierenden" Ansatz, der in der modernen Ideographik-Nomothetik-Diskussion bei vielen psychologischen Fragen als optimale Vorgehensweise betrachtet wird (vgl. auch die Bemerkung zur Technik der Überprü-fung intraindividuell gemeinter Aussagen durch interindividuelle Daten in Abschnitt 1).

Im Projekt kamen und kommen – neben anderen – alle genannten Verfahren zum Einsatz. Bei der Wahl des Verfahrens ist meist die Struktur der Forschungsfrage ausschlaggebend. In meh-reren Auswertungen wurden aber auch gleichzeitig verschiedene Methoden angewandt und deren Ergebnisse verglichen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die konventionellen Vor-gehensweisen oft nicht zu wesentlich anderen inhaltlichen Schlüssen führen als komplexere Verfahren. Das "oft" impliziert, dass trotzdem – wenn durch die Forschungsfrage induziert und wenn vorhanden – die komplexeren Verfahren vorzuziehen sind.

Im Rahmen dieses Berichts ist vor allem von drei der genannten Auswertungstypen die Rede.

Da der damit verbundene Wechsel in der Betrachtungsweise für Personen, die keine Erfah-rung im Umgang mit Zeitstichprobendaten haben, sehr irritierend sein kann, seien sie noch-mals zusammengestellt:

1.) Auswertungen auf der "Zeitpunktebene": Sie beziehen sich direkt auf alle ESM-Daten aller Personen, wobei in diesen Fällen vorgängig immer eine individuelle z-Standardisierung vorgenommen wird, um – im Hinblick auf Aussagen über Situationen im weiten Sinne des Wortes – die personbedingte Varianz zu eliminieren.

2.) Auswertungen auf der "Personebene": Hier bilden die Personen die Untersuchungseinhei-ten, wobei ihre ESM-Daten in aggregierter Form einfliessen. Ob die ESM-Daten dabei vor-gängig indidviduell z-standardisiert werden (müssen), hängt von der spezifischen Fragestel-lung ab. In jedem Fall werden aber der Anschaulichkeit der Befunde halber die Befindens-werte als z-Werte ausgedrückt.

3.) Metaanalytische Auswertungen: Sie umfassen zwei Schritte: In einem ersten Schritt wird der interessierende Sachverhalt "pro Person" (also individuell) abgeklärt. In einem zweiten Schritt werden dann die pro Person gefundenen Ergebnisse statistisch weiterverarbeitet. Da hier die jeweils entscheidenden Auswertungen pro Person durchgeführt werden (sich also nur auf die intraindividuelle Varianz beziehen), ist keine vorgängige individuelle z-Standardisie-rung notwendig.

Eine letzte Bemerkung zur Auswertungsmethodik betrifft eher die strategische Ebene: In Ab-schnitt 3.2 wurde angemerkt, dass die Untersuchungsstichprobe des Projekts hinsichtlich so-zialstatistischer Variablen gewisse Verzerrungen aufweist (vgl. dazu auch Abschnitt 4.1.1).

Damit stellt sich die Frage nach der Generalisierbarkeit der gefundenen Ergebnisse. Im Pro-jekt wurde und wird diese Frage (wenn virulent) so angegangen, dass Gruppen in

verschiede-nen objektiven Lebenssituatioverschiede-nen (z.B. Ordensleute, Erwerbslose, Berufstätige auf verschie-denen Hierarchiestufen) getrennt analysiert und die Ergebnisse dieser Analysen verglichen werden. Lässt sich ein Befund über alle Gruppen ganz oder tendentiell replizieren, dann ist dies ein sehr starker Hinweis auf dessen Generalisierbarkeit – wohl sogar ein stärkerer Hin-weis, als wenn er aus einer in sozioökonomischer Hinsicht exakt repräsentativen Stichprobe stammen würde.

4. Ergebnisse