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Die Rolle von PA und NA in Arbeit und Freizeit für das habituelle Wohlbefinden

4. Ergebnisse

4.3 Bedingungsorientierte Fragestellungen

4.3.6 Die Rolle von PA und NA in Arbeit und Freizeit für das habituelle Wohlbefinden

untersucht. Dabei zeigte sich, dass die in Bezug auf das aktuelle Wohlbefinden so auffällige asymmetrische Bedeutung von PA und NA sich im Hinblick auf das habituelle Wohlbefinden abschwächt. Bei einer Differenzierung des habituellen Wohlbefindens in eine kognitive und eine affektive Komponente zeigte sich zudem, dass sich die dominante Bedeutung von NA auf die kognitive Komponente beschränkt, während die affektive Komponente sogar aus-schliesslich mit PA zusammenhängt. Auf der andern Seite ist ein Hauptergebnis des Ab-schnitts 4.3.5, dass PA und NA in Arbeit und Freizeit höchst unterschiedlich ausgeprägt sind:

Arbeit ist gegenüber der Freizeit durch ein deutlich höheres Niveau von PA und NA charakte-risiert. Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle dem Erleben Positiver und Negativer Aktivierung in der Arbeit bzw. in der Freizeit für das habituelle Wohlbefinden zu-kommt. Haben z.B. "Arbeits-PA" und "Freizeit-PA" dieselbe Bedeutung für das Wohlbefin-den? Dieser Frage wird im folgenden ebenfalls (wie in Abschnitt 4.2.5) regressionsanalytisch nachgegangen.

Betrachtet man die Ergebnisse der entsprechenden Analysen in Tab. 3 bestätigen sich zu-nächst die allgemeinen Befunde von Abschnitt 4.2.5, dass das allgemeine habituelle Wohlbe-finden mit PA und v.a. NA, die kognitive Komponente ausschliesslich mit NA und die affek-tive Komponente ausschliesslich mit PA zusammenhängt. Es ergeben sich aber zusätzlich prägnante Differenzierungen: Das allgemeine Wohlbefinden hängt nur mit der PA in der Ar-beit (nicht aber jener in der Freizeit) und mit der NA in der Freizeit (nicht aber jener in der Freizeit) zusammen. Diese Asymmetrie der Rolle von Arbeit von PA und NA in der Arbeit bzw. in der Freizeit zeigt sich auch bei der affektiven Komponente des Wohlbefindens, wo nur der Regressionskoeffizient von PA in der Arbeit Signifikanz erreicht. Bei der kognitiven

38 Diese Untersuchung über das Naturerleben wurde eben erst abgeschlossen, und die entsprechenden Daten sind noch nicht in die in Abschnitt 3.2 beschriebene Gesamtstichprobe integriert.

Komponente trifft das Analoge für die NA in der Freizeit zu, jedoch kann der Koeffizient von NA in der Arbeit zumindest als statistische Tendenz (p < 10 %) gewichtet werden.

Tab. 3: Die Abhängigkeit des habituellen Wohlbefindens von PA und NA in Arbeit bzw.

Freizeit

Wohl- kognitive affektive

befinden Komponente Komponente

Arbeit: PA .19* .02 .26**

NA -.05 -.15T .12

Freizeit: PA .06 .06 .02

NA -.27** -.23** -.13

Anmerkungen: Angegeben sind Betas; T, *,**,***: p < 10%, 5%, 1%, 0.1%

Diese Befunde sind nun höchst bemerkenswert: Am günstigen beschreiben jene UPn ihr ha-bituelles Wohlbefinden, die einer positiv aktivierenden Arbeit nachgehen und in der Freizeit ein niedriges "Stressniveau" aufweisen. NA in der Arbeit und vor allem PA in der Freizeit scheinen dagegen weitgehend bedeutungslos zu sein. Hier ergibt sich offensichtlich ein di-rekter Bezug zu der in Abschnitt 2 dargestellten Theorie latenter Funktionen der Arbeit von Marie Jahoda. Die von der Arbeit vermittelte Positive Aktivierung, die sich im Alltagserleben wegen der gleichzeitig vorhandenen Negativen Aktivierung im momentanen Wohlbefinden nur peripher niederschlägt, erweist sich auf der Ebene des habituellen Wohlbefindens als ent-scheidend.

Auch dieser Befund bedarf natürlicher weiterer Differenzierung. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob bei Personen, die engariert Freizeittätigkeiten nachgehen (z.B. die untersuchten Hobbysportler), diese Irrelevanz der Positiven Aktivierung in der Freizeit ebenfalls festzu-stellen ist. Ferner stellt sich die Frage nach der Situation der Arbeitslosen, der im Rahmen des Projekts von Karin Graf nachgegangen wurde. In Abschnitt 4.3.2 wurde erwähnt, dass sich das Durchschnittsbefinden der erwerbslosen und der erwerbstätigen Personen nicht signifikant unterscheidet. Was jedoch bei einer entsprechenden Analyse auffällt, ist, dass bei der Gruppe der Arbeitslosen der Zusammenhang zwischen PA und habituellem Wohlbefinden sehr viel stärker ausgeprägt ist als es gemäss Abschnitt 4.2.5 in der Gesamtstichprobe der Fall ist. Dies ist auf dem Hintergrund von Tab. 3 sehr verständlich: Für die Befindlichkeit einer erwerbslo-sen Person ist ganz entscheidend, ob sie in ihrer "Freizeit" über Tätigkeiten verfügt, die posi-tiv akposi-tivierend sind – etwas, was für eine erwerbstätige Person mit der Arbeit (zumindest im Durchschnitt) sozusagen automatisch "mitgeliefert" wird.

4.3.7 Bilanz und Ausblick

Der Abschnitt 4.3 war der Frage nach Bedingungen – oder wegen der oft nicht entscheidbaren Kausalitätsfrage vorsichtiger ausgedrückt – nach Korrelaten des aktuellen Befindens gewid-met. Dazu wurde zunächst (Abschnitt 4.3.1) ein Bezugsrahmen eingeführt, in dem die Vielfalt verschiedener Kategorien von Korrelaten aufgelistet und systematisiert wurde. Parallel zur Unterscheidung von "personbedingter" und "situationsbedingter" Varianz in Abschnitt 4.2.2 lassen sich insbesondere "personkorrelierte" und "aktuelle" Korrelate des aktuellen Befindens unterscheiden. Die geprüften personkorrelierten Korrelate (soziobiographische Merkmale, Merkmale der subjektiven Lebenssituation und Persönlichkeit im persönlichkeitspsychologi-schen Sinne) zeigen substantielle Beziehungen zum aktuellen Befinden (Abschnitt 4.3.2).

Dasselbe gilt für aktuelle Korrelate, was v.a. am Beispiel der Zeit (Wochentag, Tageszeit) und der gerade ausgeübten Tätigkeit illustriert wurde (Abschnitt 4.3.3). Abschnitt 4.3.4 befasst sich dann mit der Erlebnisqualität "Flow", der in den theoretischen Vorüberlegungen zum Projekt ein besonderer Stellenwert zukam (vgl. Abschnitt 2). Die verschiedenen Untersu-chungen, die dazu durchgeführt wurden, weisen alle darauf hin, dass – wie erwartet – das Spezifische dieser Erlebnisqualität in einer starken Positiven Aktivierung besteht. Die Bezie-hung zur Negativen Aktivierung ist hingegen noch nicht ganz klar. Es scheint, dass unter die-sem Aspekt verschiedene Typen von flowähnlichen Zuständen zu unterscheiden sind. Wie ebenfalls erwartet, gibt es schliesslich massive Unterschiede im Befinden in Arbeit und Frei-zeit (Abschnitt 4.3.5), die erlauben, das sogenannte Paradox der Arbeit neu zu formulieren:

Arbeit ist im Alltag der Hauptlieferant Positiver Gefühle im Sinne von PA, gleichzeitig aber auch die Hauptquelle negativer Gefühle im Sinne von NA. Es ist daher bereits aus dieser Er-lebnisrealität heraus zu verstehen, warum im Alltag die Freizeit der Arbeit vorgezogen wird.

Es braucht keinen Rekurs auf ein soziokulturelles Vorurteil gegen Arbeit, das uns den Blick auf die Erlebnisrealität verstellt, wie es von Csikszentmihalyi vorgeschlagen wird (vgl. Ab-schnitt 2). Der genannte Befund hat aber eine Kehrseite, die in einem analogen, konträr strukturierten Paradox der Freizeit besteht: Das Erleben der Freizeit ist nicht uneingeschränkt positiv. Es fehlt ihr (im Durchschnitt) an Positiver Aktivierung. In Abschnitt 4.3.6 schliesslich wurde auf diesem Hintergrund gefragt, wie sich PA und NA in der Arbeit bzw. in der Freizeit zum habituellen Wohlbefinden verhalten. Bemerkenswerterweise ist das allgemeine Wohlbe-finden lediglich von der Positiven Aktivierung in der Arbeit und (mit umgekehrtem Vorzei-chen) der Negativen Aktivierung in der Freizeit abhängig. NA in der Arbeit und PA in der Freizeit sind hingegen praktisch bedeutungslos! Entsprechend zeigt sich, dass das Wohlbefin-den von erwerbslosen Personen eine ganz zentrale Quelle darin hat, ob ein analog positiv ak-tivierendes Substitut für die Berufsarbeit verfügbar ist. Damit wird aber auch – wie in Ab-schnitt 2 vermutet – eine genuin psychologische Erklärung für zumindest eine der latenten Funktionen der Berufsarbeit im Sinne von Marie Jahoda sichtbar: Arbeit wird zwar wegen der durchschnittlich damit verbundenen Negativen Aktivierung im Alltag als deutlich

unange-nehmer erlebt als Freizeit. Sie stellt aber gleichzeitig die zentrale Quelle der für das habituelle Wohlbefinden notwendigen Positiven Aktivierung dar.

Natürlich werfen auch die in Abschnitt 4.3 besprochenen Themen viele Folgefragen auf. Sie wurden zum Teil schon angesprochen und sollen hier nicht im einzelnen wiederholt werden.

Eine ganz zentrale Frage betrifft jene nach den Bedingungen Positiver und Negativer Aktivie-rung. Warum ist eine bestimmte Tätigkeit positiv und/oder negativ aktivierend? Sind bei Ar-beits- und Freizeittätigkeiten dieselben Bedingungen von Bedeutung, und kommt der Unter-schied zwischen Arbeit und Freizeit nur deswegen zustande, weil (dieselben) Bedingungen in Arbeit und Freizeit in unterschiedlichem Ausmass auftreten? Oder resultiert der Befindens-unterschied zwischen Arbeit und Freizeit aus qualitativ verschiedenen "Gesetzmässigkeiten"?

Offensichtlich handelt es sich bei diesen Fragen bzw. den entsprechenden Antworten um den Schlüssel für ein tieferes Verständnis der Rolle von Arbeit und Freizeit, sei es auf der Ebene des aktuellen, sei es auf der Ebene des habituellen Wohlbefindens – aber auch um den Schlüs-sel für anwendungsorientierte Folgeprobleme. Diese Fragen bilden einen zentralen Fokus lau-fender Auswertungen.