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Zugehörigkeit zur rechten Szene

4 Interviews mit Rechtsextremen

4.4 Zugehörigkeit zur rechten Szene

Die vier Interviewpartner waren zwischen 13 und 15 Jahre alt, als sie erste Kontakte zur rechtsradikalen Szene knüpften, d.h., sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer Phase der

Selbstfindung und der politischen Orientierung. Als wichtigster Anschlussgrund werden schlechte Erfahrungen mit ausländischen Jugendlichen angegeben.

"Ich war ca.15, als man sich dafür zu interessieren begann. (…) Bei mir war es so, dass ich mit meinem engeren Freundeskreis aus der Schule gemeinsam in die 'Szene' kam. Es waren die Probleme, welche wir mit anderen Mitmenschen hatten und welche uns dazu bewegten, so zu werden, wie wir sind." (P4, 3:3)

Als die "Sympathisanten" mit etwa 13 Jahren begannen, sich als Rechte mit dem entsprechen-den Outfit in der Öffentlichkeit zu zeigen, wurentsprechen-den Rekrutierungsversuche von Szenemitglie-dern unternommen. Denen widerstanden die Jugendlichen jedoch, weil ihnen diese Leute suspekt waren, die mit Autos vor das Schulhaus vorfuhren und sie ansprachen.

"Früher, als wir noch mit der Jacke rausgingen, da sind gleich ein paar Ältere gekommen, die uns da überre-den wollten, aber wir sind nicht auf sie eingegangen." (P2/3, 26:26)

Auch der "Aussteiger" hat schon mit 13 Jahren begonnen, sich für die rechte Szene zu interes-sieren und ist dann durch neue Bekanntschaften mit rechten Jugendlichen in die Szene hinein-geraten. Ihm imponierte deren provokantes "Anderssein".

"Da war ich halt noch jung und hab das noch gut gefunden. Da war ich so 13, 14. Die von der Gruppe waren zum Teil noch in der Oberstufe oder auch schon draussen, am arbeiten. Ich habe dann mitgemacht und habe immer mehr und mehr von ihnen kennengelernt." (P1, 35:37)

Von diesem Anschluss erhoffte er sich auch Schutz vor ausländischen Gruppen. Er berichtet, dass er mehrfach von ausländischen Jugendlichen zusammengeschlagen worden ist und keine Hilfe von aussen erhalten hat. Auch wurde er weder von seinem Vater noch von seinen Lehrern unterstützt, als er ihnen von seinen Opfererfahrungen erzählte.

"Und ich wollte einfach anders sein. Ich wurde oft von anderen gehänselt und die Rechten wollten einfach Beschützer spielen, aber eigentlich ist es gar nicht so." (P1, 32:32)

Zu diesem Zeitpunkt hatte er kaum noch Freunde ausserhalb der rechten Szene, und die wenigen, die er noch hatte, verlor er allmählich, weil ihnen seine extremen Haltungen und seine Gewaltbereitschaft nicht entsprachen und sie selbst nicht in den Sog der Stigmatisierung geraten wollten.

"Als ich da reingeraten bin, hatte ich schon noch Freunde ausserhalb, aber dann mit der Zeit gar keine mehr ausserhalb. Es schliessen sich eben auch alle ab, so quasi: Mit dem will ich doch nichts zu tun haben." (P1, 194:195)

Im Alter von etwa 17 Jahren stiess der Interviewte zu der rechtsextremen Organisation

"Blood & Honour" (in Österreich), die er an Treffen und Konzerten kennengelernt hatte und deren Auftreten ihm imponierte. Für rechtsextreme Inhalte hatte er sich schon früh zu inte-ressieren begonnen und als er dann in die rechte Szene hineingeriet, tauchte er ganz in deren Denken ein. Er verbrachte viel Zeit mit der neuen Peergroup und setzte sich mit deren Ge-dankengut auseinander.

"Also, auch wenn ich früher so Filme angeschaut habe, von Hitler und so. Und auch vom Hörensagen, weil ich war ja früher beinahe jeden Tage bei denen, und da hört man einiges." (P1, 27:27)

Die beiden "Sympathisanten" hingegen grenzen sich von der rechten Szene Liechtensteins ab und fühlen sich weder zugehörig noch mit ihr verbunden ("Gar nicht zugehörig, kenn dort nieman-den, der uns entspricht" (P2, 124:124)). Einer der beiden Jugendlichen ist eher zurückgezogen. Er verbringt seine Freizeit meist zu Hause und beschäftigt sich selbst; sein Freund verbringt dagegen mehr Zeit mit anderen Jugendlichen, die sich ebenfalls nicht der rechten Szene zurechnen.

"Ich bin schon manchmal unterwegs, aber dann sind wir meist zu zweit oder zu dritt." (P3, 22:22)

"Sonst die Freunde, die wir haben, würden sich nicht als rechts bezeichnen, haben aber zum Teil ähnliche Meinungen." (P3, 125:125)

Die Frage, ob sie mit der Nendeler-Gruppe im Unterland in Kontakt sind, verneinen sie, weil sie zwar mit deren Haltungen, aber nicht mit ihrem Auftreten übereinstimmen und befürch-ten, stigmatisiert zu werden oder die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu ziehen, sollten sie in deren Aktivitäten verwickelt werden.

"Wir gehen nicht dorthin. Wir haben zwar schon die gleiche Einstellung, aber die machen halt so Sachen, die wir nicht wollen, sonst haben wir nur Probleme mit Polizei oder Eltern. Die sind auf dem gleichen Niveau wie die Ausländer. Wir können ihnen das nicht ausreden, also halten wir eher Distanz." (P2/3, 25:25)

Der "Politskin" fühlt sich der rechten Szene nur lose zugehörig und spricht von einem Freun-deskreis mit ähnlichen Einstellungen. Doch unterhält er auch Kontakte zu Leuten ausserhalb der Szene, auch zu ausländischen Freunden, denn: "Es gibt diese und jene." (P4, 22:2)

"Ich weiss nicht, ob ich mich einer 'mediengebildeten braunen Bruderschaft' zugehörig fühle. Ich habe einfach meine Freunde, welche meist derselben Meinung sind. Mein Freundeskreis besteht nicht nur aus Leuten aus der 'Szene'. Ich verkehre auch in anderen Kreisen." (P4, 19:19)

Er berichtet diesbezüglich von einer gezielten Vermeidung der rechtsextremen Szene, in Liechtenstein negativ aufzufallen, und dass Zuwiderhandlungen Reaktionen anderer Szene-mitglieder zur Folge haben.

"Wir bemühen uns eigentlich, nicht negativ aufzufallen, gelingt aber in seltenen Ausnahmen nicht. Ich kann mir vorstellen, dass die rechte 'Szene' bei den Menschen im Land nicht allzu negativ dasteht. Jedoch könnte man auf die schlechte Propaganda der Medien gern verzichten. Denn eigentlich sind wir ganz umgängliche Leute." (P4, 30:30)

An diesem "Sympathiefaktor" in der Bevölkerung scheint den Interviewten viel zu liegen. Sie betrachten sich als Teil der Gesellschaft und wollen ihre Integration nicht aufs Spiel setzen.

Dies gilt jedoch nicht für rechtsextreme Organisationen wie "Blood & Honour", welche ihre menschenverachtenden Haltungen und ihre Gewaltbereitschaft offen zum Ausdruck bringen.

"Ich habe dann mitgemacht und habe immer mehr und mehr von ihnen kennengelernt. 'Blood & Honour' sind auch weltweit vernetzt, ausser Liechtenstein. Also Rechte hat es in Liechtenstein schon, aber 'Blood & Ho-nour' nicht." (P1, 37:37)

"Blood & Honour" ist gekennzeichnet durch eine straffe Organisation und eine klare Hierar-chie. Unter den Mitgliedern und insbesondere im Leitungsgremium gibt es auch ältere Er-wachsene, die sozial und beruflich anerkannt sind.

"'Blood & Honour' ist nicht so, die anderen Rechten vielleicht schon. Die sind anders, wie soll ich sagen, so wie früher die SS war. Da hat es auch ältere dabei, auch bis über 50 und auch Banker und so." (P1, 18:19) Als Mitglied in den "unteren Rängen" fühlte er sich wiederholt ausgenutzt und hat dies auch bei anderen jüngeren Anhängern festgestellt. Die jüngeren Mitglieder wurden zu kriminellen Akten angestiftet und es wurde bedingungsloser Einsatz für die Organisation verlangt. Die

"höhere Garde" schützt sich vor solcher "Drecksarbeit" und unterstützt die Kameraden auch nicht, wenn sie eine Haftstrafe absitzen müssen.

"Man muss sagen, 'Blood & Honour' ist mehr im Hintergrund, das ist wie mit dem Chef und den Arbeitern.

Da sind die Höheren, und die lehnen sich zurück, während die anderen, die Arbeiter, an der Front sind und z.B. Vorstrafen auf sich nehmen und Strafen absitzen. Das sind wie die Läufer im Schach. Und sie planen alles und kriegen auch Geld dafür, wie z.B. von Marlboro – kennen Sie das? Die gehört dem Ku-Klux-Klan." (P1, 218:218)

Nachdem er sich dieser Instrumentalisierung bewusst geworden war und auch die brutale Gewalt innerhalb der Organisation nicht mehr unterstützen wollte, distanzierte er sich zuerst innerlich und dann sukzessive auch äusserlich, indem er den Kontakt immer weiter ein-schränkte.

Auf den Zusammenhalt und Freundschaften in der rechten Szene angesprochen, meinten die beiden "Sympathisanten", dass man nicht von einem starken Zusammenhalt sprechen kann und die Szene innerhalb Liechtensteins regional fragmentiert ist.

"Glaube nicht, dass es da einen guten Zusammenhalt gibt, jeder spricht schlecht über den anderen." (P2, 147:147)

Auch der "Politskin" meint nur einige wenige Freunde, die zu ihm halten, wenn er sagt: "Ich kann mich nicht beklagen. Es sind wahre Freunde darunter." (P4, 26:26)

Der "Aussteiger" beurteilt die Freundschaften innerhalb der Szene und insbesondere bei

"Blood & Honour" sehr kritisch. Er bezeichnet einen linken Skinhead als seinen einzigen wirklichen Freund, mit dem er über alles sprechen kann. Er berichtet, dass ihm anfänglich sehr viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde und er im Gruppenverband viele positive Erlebnisse gehabt hat, dass dann jedoch immer mehr negative Erfahrungen dazugekommen sind und sein Glaube an die Kameradschaft herb enttäuscht wurde.

"Weil ich halt nicht mehr der Neue war. Weil sie am Anfang nett sind. Ja, dann bemühen sie sich um dich, bis du nicht mehr rauskommst. Und dann interessiert sich niemand mehr für dich."

– Also keine echte Kameradschaft? –

"Nein, nur bei zwei oder eigentlich nur einer einzigen Person von all denen, die ich gekannt habe, aber jetzt nicht mehr kennen möchte." (P1, 232:237)

Aufgrund seiner Erfahrungen beschloss er, sich von "Blood & Honour" abzuwenden. Er meinte auch, dass ihm Zweifel an der Verlässlichkeit der Beziehungen gekommen sind, als er Hilfe brauchte und die Freunde zum Beispiel zu betrunken waren, um für ihn da zu sein.

Was die Vernetzung der rechten Szene ins Ausland betrifft, so geben der "Politskin" und der

"Aussteiger" an, dass nur lose Verbindungen bestehen.

"Der grösste Teil von uns hat nichts mit dem Ausland zu tun, ausser man besucht ein Konzert. Man kennt einige Leute von da und da, jedoch eher von Veranstaltungen. (…) Die 'Szene' setzt sich aus diversen Freun-deskreisen, meist in Regionen geteilt, zusammen. Sozusagen ein grosser Kollegenkreis." (P4, 29:29)

"Nein, aber hier kennt jeder jeden. Die in Liechtenstein kennen auch viele aus Österreich und der Schweiz."

(P1, 29:29)

Solche Kontakte ergeben sich meist bei Treffen, Demonstrationen und Konzerten im nahen Ausland. Alle vier Befragten geben an, dass sie sich an solchen Aktivitäten beteiligen oder beteiligt haben, doch halten die beiden Sympathisanten fest, dass sie keine Verbindungen ins Ausland unterhalten.