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Einstellungen zu rechtsextremer Gewalt

4 Interviews mit Rechtsextremen

4.5 Einstellungen zu rechtsextremer Gewalt

Die Frage, ob Gewalt ihrer Meinung nach ein legitimes Mittel ist, um politische Überzeugun-gen durchzusetzen, verneinen alle vier und rechtfertiÜberzeugun-gen den Einsatz von Gewalt nur in Notsituationen zur Selbstverteidigung.

"Nein, Gewalt ist einfach sinnlos. Gewalt hat für mich erst einen Sinn, wenn ein guter Kollege oder die Familie in Gefahr ist. Aber vorher nicht. Oder wenn mein Leben davon abhängt." (P1, 139:139)

"Es kommt auf die Situation an. Grundsätzlich lehne ich Gewalt ab." (P4, 13:13)

"Ich denke nicht, ausser wenn Krieg ist. Aber im Normalfall möchte ich nicht auf so ein tiefes Niveau sinken.

Deshalb haben wir keinen Konflikt mit Rechtsextremismus, weil die anderen auch Ruhige sind." (P2/3, 29:29)

Für die beiden Sympathisanten stellt ihre Distanz zu Gewalt einen wichtigen Grund dafür dar, dass sie sich der rechten Szene in Liechtenstein nicht anschliessen wollen. Sie beschränken sich auf rechte Freunde, welche ebenfalls gewaltabstinent sind und sich ruhig verhalten.

"Demo würde ich schon gehen, aber nicht an ein Konzert, da ist das Gewaltpotenzial grösser, und ich will keine Schwierigkeiten bekommen." (P2, 150:150)

Wenn man tiefer in der rechten Szene verankert ist, wie der "Aussteiger", dann kann die latente Gewaltbereitschaft mehrere Funktionen erfüllen: Zum einen wird Angst verbreitet,

woraus eine gewisse Genugtuung gezogen wird, zum anderen gewährleistet die Konstruktion von Feindbildern und konkreten Gegnern den Zusammenhalt der Gruppe.

"Ja, das war halt schon ein schönes Gefühl, weil früher ist man verspottet worden und jetzt traute sich niemand mehr, weichen einem aus und gehen weg. Nicht nur, weil ich rechts war, sondern weil sie auch 'huere' viel gehört haben, was ich so gemacht habe." (P1, 18:185)

Das vorhandene Gewaltpotenzial kann sich aber auch gegen eigene Gruppenmitglieder rich-ten, wenn sie etwas "Falsches" sagen. Der "Aussteiger" merkt jedoch an, dass diese Art von Gewalt nach innen nur bei rechtsextremen Organisationen wie "Blood & Honour" besteht, nicht aber in der rechten Szene in Liechtenstein.

"Also, als Liechtensteiner muss man keine Angst vor den Rechten haben, wenn man nicht so tief drin ist, man darf einfach keine 'dumme Schnurre' haben, und du musst es nicht den Falschen sagen." (P1, 215:216) Innerhalb von "Blood & Honour" sind Aggressivität und Gewaltbereitschaft stark ausgeprägt, was sie von anderen rechtsextremen Gruppierungen abhebt. Hier werden auch schwere Körperverletzung und Totschlag in Kauf genommen.

"Sie wissen es eben gar nicht, dass sie das ganze Risiko auf sich nehmen, (…) und teilst Schläge aus, nur weil dich vielleicht einer schief angeschaut hat. Halt sinnlos. Bei 'Blood & Honour' ist halt der Unterschied – bei den Rechten geht es einfach darum, sich zu prügeln, – aber dort geht es darum, jemanden behindert oder totzuschlagen, gar nicht nur auf so boxen." (P1, 220:221)

Häufig genügt ein geringer Anlass, ein falscher Blick, ein Spruch oder eine Geste, dass jemand zum Ziel von Gewalt wird. Solche Machtdemonstrationen, bei denen auch Stahlruten und Stahlkappenschuhe eingesetzt werden, dienen vermutlich der Einschüchterung der anderen Mitglieder. In der Tat befürchtet der "Aussteiger" massive Gewalt, falls "Blood & Honour"

von seinen Ausstiegsplänen erfahren sollte.

"Wenn sie jetzt draufkommen würden, dass ich nicht mehr rechts bin, dann hätte ich immer noch ein As im Ärmel. Dass sie mir nichts tun, dass ich dann sagen kann, dass ich zur Polizei gehen würde, und dann würde eine Person von ihnen neun Jahre bekommen." (P1, 223:223)

Als Mitwisser schwerer Gewalttaten verfügt er über eine gewisse Macht, die er aber nur bei einer konkreten Bedrohung einsetzen würde. Denn der Status des "Verräters" würde ihm, wie er vermutet, zusätzliche Schwierigkeiten und Gewaltandrohungen bescheren. Er berichtet, dass er schon den Fall eines anderen Liechtensteiners, der aussteigen wollte und den eine solche Strafaktion getroffen hat, miterlebt hat.

"Ja, dass ich Schläge bekäme, weil das ist so bei 'Blood and Honour', sagt Ihnen das etwas? Weil ich hatte dummerweise Kontakt mit denen und kenne einen hier, der da dabei war und ihnen sagte, dass er nicht mehr mitmache, und da haben sie ihn verfolgt. Und der wurde dann mit Drogen…"

– Du weisst also, was passieren könnte, und bist deshalb vorsichtig? –

"Ich denke einfach, wenn ich mich lang nicht mehr melde und eines Tages die Telefonnummer wechsle, dass sie mich dann vergessen, sozusagen. Dass es dann ein bisschen besser für mich ausfällt." (P1, 16:17)

Deshalb verhält er sich vorsichtig, sagt seinen neuen ausländischen Freunden, die er bei der Arbeit auf dem Bau kennengelernt hat, dass sie ihn auf der Strasse nicht grüssen und nicht auf ihn zukommen sollen, da "Blood & Honour" dies schnell mitbekommen würde. Auch mit dem Handy ist er vorsichtig, da er von anderen weiss, dass sie von "Blood & Honour" bespit-zelt und abgehört wurden.

"Wenn du plötzlich einen Anruf von einem Kollegen bekommst, dein Natel werde abgehört, 'Blood &

Honour' lässt grüssen, da musst du aufpassen, was du am Telefon sagst." (P1, 275:275)

Ausstieg, so unser Interviewpartner, bedeutet in dieser Organisation Hochverrat an der ge-meinsamen, aber geheimen Idee des Jüngsten Gerichts und eines Dritten Weltkriegs, die von der Leitung geplant werden. Wenn da jemand zur Polizei gehen würde, um dies öffentlich zu machen, dann würde das die Bewegung zwanzig Jahre zurückwerfen, so wurde ihm "einge-trichtert". In diesem Zusammenhang werden auch Todesdrohungen ausgesprochen und man wird gezwungen, Strafaktionen gegen Ausstiegswillige beizuwohnen.

"Ja, und du schaust halt auch zu [betroffen]."

– Wie andere drankommen? –

"Ja, und wenn du dann eben siehst, wie da einer am Boden liegt und das Blut strömt… [Kneift sich die Lippen und schaut sichtlich belastet weg]."

Auf die Frage, ob er sie denn nicht bei der Polizei anzeigen oder bei der Polizei zumindest Unterstützung suchen kann, meinte er, dass er, für den Fall, dass er bedroht wird, sein Wissen als Druckmittel behalten will. Wenn er aber zur Polizei geht und Anzeige erstattet, dann muss er mit massiver Gewalt rechnen bzw. untertauchen.

"Wenn ich jetzt nicht bei 'Blood & Honour' gewesen wäre, dann bekommst du vielleicht ein paar Mal Schläge und ein paar dumme Sprüche hintendrein, aber bei 'Blood & Honour'…" (P1, 280:280)

Auf das Angebot der Vermittlung einer Ausstiegshilfe will er nicht eingehen, er will es zuerst einmal allein versuchen. Er will sich immer weniger zeigen, dann seine Natelnummer wechseln und sich so sukzessive von der Organisation entfernen. Sein Ziel ist es, auszusteigen, sich aber nicht dem Vorwurf des "Verrats" auszusetzen.

"Verspottet werden sie halt, also nicht gerade verspottet, aber von den Schweizern, von den Vorarlbergern vor allem, muss ich sagen, aber auch von den Österreichern werden sie einfach ausgelacht, sozusagen, weil sie

"Luusbuebe" seien, weil sie vielleicht so drei, vier Schlägereien im Monat haben, und sie haben vier, fünf Schlägereien jeden Tag. Und sie suchen es halt und hier gibt es viele, die das nicht so suchen und auch nicht so auffallen wollen. Also bei den Deutschen heisst es sogar, die Liechtensteiner seien Verräter."

– Das ist ein harter Vorwurf! –

"Ja, weil sie zu wenig unternehmen, weil sie sich nicht trauen. Wenn dich einer hier schief anschaut, dann schaust du zurück, oder lachst noch. Die Deutschen würden schon lange mit den Fäusten dreinschlagen, darauf einschlagen." (P1, 250:253)

Im Ausland hingegen sind die liechtensteinischen Rechtsextremen eher gewaltbereit, vor allem wenn sie mit den Österreichern oder den Vorarlbergern unterwegs sind, aber auch in Italien.

Heutzutage ist es aber vor allem aufgrund der internationalen Zusammenarbeit der Polizei schwieriger geworden, sich der Strafverfolgung durch Ausweichen in andere Staaten zu ent-ziehen.