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Zentrale Stellschraube: Der Betriebsbegriff

Im Dokument Betriebsratswahl 2022 (Seite 21-25)

Betrieb

− Ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist „eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“. Dabei müssen die vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

− Ein „Betrieb“ kann gleichbedeutend mit einem Standort sein. Ein Betrieb kann allerdings auch mehrere Standorte erfassen. Gleichzeitig kann es Situationen geben, in denen an einem Standort mehrere Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bestehen. Ebenso können (und müssen) Mitarbeiter im Home-Office einem Betrieb zugeordnet werden.

− Bestehen an einem Standort mehrere Bereiche, die jeweils für sich einen eigenen Zweck verfolgen und deren Mitarbeiter einem eigenen Leitungsapparat unterstellt sind, spricht dies für das Bestehen mehrerer Betriebe an einem Standort.

− Besteht hingegen ein einheitlicher Leitungsapparat für mehrere Standorte, die räumlich nicht weit voneinander entfernt liegen (20-80 km, je nach Verkehrsanbindung), spricht einiges für das Bestehen eines sich über mehrere Standorte erstreckenden Betriebes.

Praxistipp

Besteht Uneinigkeit über den Betriebsbegriff, d. h. über die Reichweite der anstehenden Betriebsratswahl, ist eine gerichtliche Vorabklärung gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG im Wege des Beschlussverfahrens möglich und ratsam.

Alternativ besteht die Möglichkeit der Anfechtung der Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG wegen Verkennung des Betriebsbegriffs binnen 2 Wochen nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.

Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen

− Ein Betrieb ist nicht zwangsläufig auf ein Unternehmen beschränkt. Das Bestehen eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen wird gesetzlich vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke Betriebsmittel und Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden.

− Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen kann auch bewusst herbeigeführt werden, indem zwischen den Unternehmen eine Führungsvereinbarung abgeschlossen wird, der zufolge ein einheitlicher Leitungsapparat die Arbeitgeberbefugnisse gegenüber allen Arbeitnehmern übernimmt.

Abweichende Regelungen zur Betriebsorganisation nach § 3 BetrVG

− § 3 BetrVG erlaubt eine von den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes abweichende Regelung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs. Erforderlich ist hierfür eine tarifvertragliche Regelung, außerhalb tariflicher Strukturen reicht eine Betriebsvereinbarung aus.

− Die Regelungsmöglichkeiten sind kaum abschließend aufzuzählen. Möglich sind bspw.

unternehmenseinheitliche Betriebsräte, Spartenbetriebsräte oder Regionalbetriebsräte. Die Möglichkeit vom gesetzlichen Regelfall abweichender Arbeitnehmervertretungsstrukturen gilt allerdings nicht schrankenlos; im Falle einer gerichtlichen Überprüfung sind entsprechende Regelungen daran zu messen, ob sie eine wirksame und zweckmäßige Vertretung der Arbeitnehmerinteressen auch wirklich ermöglichen.

Praxistipp

Arbeitgeber sollten sich der Optionen nach § 3 BetrVG bewusst sein und hiervon nach Möglichkeit Gebrauch machen. Auch hierdurch kann die Anzahl der Betriebsratsmitglieder erheblich reduziert werden, jedoch ist das Einverständnis des Betriebsrats bzw. der Abschluss eines Tarifvertrages erforderlich.

Ein diesbezüglicher Tarifvertrag muss nicht zwingend statische Vorgaben enthalten. Er kann in Grenzen auch dynamisch ausgestaltet sein, um bei arbeitgeberseitigen Änderungen der Organisationsstruktur eine flexible Anpassung zu ermöglichen, ohne sein Substrat zu verlieren.

Begrifflichkeiten

Wahlberechtigte Arbeitnehmer (aktives Wahlrecht), § 7 BetrVG

Wahlberechtigung bedeutet, bei der Wahl des Betriebsrats aktiv mitwählen zu dürfen (aktives Wahlrecht).

Es bedeutet nicht, sich zur Wahl stellen zu dürfen (passives Wahlrecht).

− Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben.

− Wahlberechtigt sind bspw.: Im Betrieb tätige Auszubildende, in Heimarbeit/ Home Office/ alternierender Telearbeit Beschäftigte, Beamte, Teilzeitbeschäftigte, Arbeitnehmer in Arbeit auf Abruf, Aushilfskräfte, langzeiterkrankte Arbeitnehmer (über Zeiträume der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hinaus), Arbeitnehmer während eines „Sabbaticals“, infolge von Beschäftigungsverboten arbeitsbefreite Arbeitnehmer (z. B. Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz), Arbeitnehmer in Kurzarbeit (auch in Kurzarbeit „Null“),

− Nicht nur temporär eingesetzte Leiharbeitnehmer sind dabei auch bei der Bestimmung der Betriebsgröße zu berücksichtigen. Die für die Größe des Betriebsrats maßgebliche Anzahl der Arbeitnehmer ist unter Einbeziehung der in der Regel beschäftigten Leiharbeitnehmer zu bestimmen. Entscheidend ist nicht die Person des Leiharbeitnehmers, sondern der Arbeitsplatz im Betrieb, der regelmäßig – d. h. nach dem BAG

„normalerweise während des größten Teils des Jahres“ – mit Leiharbeitnehmern besetzt ist.

− In Matrixstrukturen beschäftigte Arbeitnehmer sind zunächst im Betrieb ihres Vertragsarbeitgebers wahlberechtigt. Eine zusätzliche Wahlberechtigung im Einsatzbetrieb besteht bei einem dortigen Einsatz, der länger als 3 Monate dauert. Eine physische Präsenz im Einsatzbetrieb ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn der Arbeitnehmer für den Betrieb tätig wird. Für die Größe des Betriebsrats im Einsatzbetrieb sind Arbeitnehmer in Matrixstrukturen dann zu berücksichtigen, wenn sie dort regelmäßig, d. h. während des größten Teils des Jahres, eingesetzt werden.

Wahlberechtigt sind nicht: Ein-Euro-Jobber, Mitarbeiter in Transfergesellschaften, Auszubildende in reinen Ausbildungsbetrieben, leitende Angestellte, Arbeitnehmer in Altersteilzeit im Blockmodell in der Freistellungsphase, gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist (auch bei erhobener Kündigungsschutzklage) und im Betrieb auf Werk- oder Dienstvertragsbasis eingesetzte Fremdarbeitnehmer.

Wählbarkeit (passives Wahlrecht), § 8 BetrVG

− Wählbar sind alle wahlberechtigten Arbeitnehmer, die mindestens 18 Jahre alt sind und dem betreffenden Betrieb mindestens 6 Monate angehören. Zeiten, während der ein Arbeitnehmer unmittelbar vorher bei einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb des Konzerns tätig war, werden angerechnet.

− Ebenso werden Zeiten angerechnet, die ein Arbeitnehmer im unmittelbaren Vorhinein zu seiner Anstellung als Leiharbeitnehmer in dem betreffenden Betrieb verbracht hat.

− Auch für in Matrixstrukturen beschäftigte Arbeitnehmer kommt neben der Wählbarkeit im Betrieb ihres Vertragsarbeitgebers eine zusätzliche Wählbarkeit im Einsatzbetrieb in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, wie für die Berücksichtigung bei der Größe des Betriebsrats, eine länger dauernde Tätigkeit für den Eingliederungsbetrieb.

Leiharbeitnehmer sind nur aktiv, nicht aber passiv wahlberechtigt. Ausnahmen gelten allerdings, wenn es sich bei ihnen um Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes handelt, die im Rahmen eines Gestellungsvertrages an einen Privatbetrieb überlassen sind.

Wählerliste

− Die Wählerliste enthält sämtliche wahlberechtigten Arbeitnehmer unter Angabe des Familiennamens, Vornamens, des Geburtsdatums und des Geschlechts.

− Die Wählerliste ist vom Wahlvorstand aufzustellen, der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand hierfür die erforderlichen Informationen und Unterlagen zu überlassen. Der Arbeitgeber darf daher keine eigene Vorauswahl treffen und Arbeitnehmer, die nach seiner Auffassung nicht aktiv und/oder passiv wahlberechtigt

sind, eigenständig von der Liste nehmen, sondern hat diese Mitarbeiter mitzuteilen, ggfs. mit einem entsprechenden Hinweis, dass und warum die Mitarbeiter nach seiner Auffassung die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Wahl nicht erfüllen. Dies kommt etwa in Betracht bei gerade erst eingestellten Arbeitnehmern, die dem Betrieb am Tag der Wahl noch nicht mindestens 6 Monate angehören.

Leiharbeitnehmer, die zwar aktiv, aber nicht passiv wahlberechtigt sind, sind gesondert zu kennzeichnen.

− Bei Betrieben mit mehreren Standorten sind die jeweiligen Arbeitsorte der Arbeitnehmer mitzuteilen, um dem Wahlvorstand die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang eine Briefwahl durchzuführen ist.

− Nur die in der Wählerliste aufgeführten Arbeitnehmer können ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben. Die Wählerliste ist daher von besonderer Bedeutung für das gesamte Wahlverfahren.

− Eine Kopie der Wählerliste, die die Geburtsdaten der Wahlberechtigten nicht enthalten soll, und eine Kopie der Wahlordnung sind ab dem Tag des Erlasses des Wahlausschreibens bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen. Eine Bekanntmachung mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik (z. B. Intranet) ist grundsätzlich nur ergänzend möglich. Eine Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form darf nur erfolgen, wenn alle Arbeitnehmer von der elektronischen Bekanntmachung Kenntnis erlangen können, d. h. im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugriff auf das Intranet haben und zusätzlich Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können.

− Der Wahlvorstand hat dafür zu sorgen, dass ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden.

Auf entsprechende Mitarbeiter und Mitarbeitergruppen sollte der Wahlvorstand ausdrücklich hingewiesen werden.

− Binnen 2 Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens kann gegen die Richtigkeit der Wählerliste Einspruch eingelegt werden. Einspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs. Der Arbeitgeber und im Betrieb vertretene Gewerkschaften sind nicht einspruchsberechtigt. Einsprüche sind schriftlich beim Wahlvorstand einzulegen. Auch der Wahlvorstand hat von Amts wegen das Recht und die Pflicht zur jederzeitigen Überprüfung der Wählerliste auf ihre Richtigkeit.

Wahlausschreiben

− Mit dem Erlass (Aushang) des Wahlausschreibens wird die Betriebsratswahl offiziell eingeleitet.

Das Wahlausschreiben muss eine Vielzahl an Informationen enthalten, bspw. wo die Wählerliste ausliegen wird, dass nur in der Wählerliste aufgeführten Arbeitnehmern ein aktives und passives Wahlrecht zusteht und unter welchen Bedingungen gegen die Wählerliste Einspruch eingelegt werden kann, die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, Einzelheiten zum Prozedere der Wahlvorschläge, Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe, etc. (der genaue Inhalt ist unter § 3 Abs. 2 WO aufgeführt).

− Das Wahlausschreiben ist vom Tag seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einem gut

Im Dokument Betriebsratswahl 2022 (Seite 21-25)