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II. Tropismen und exzentrisches Dickenwachstum der Laubhölzer

1. Wuchsformen der Laubhölzer an steilen Berghängen

243

Wie schon bemerkt, habe ich den ersten Impuls zu meinen Studien am steilen Hang des Bürgenberges erhalten, wo mir die äußere Erscheinung und das Dickenwachstum der Bäume auffiel. Was ich dort gesehen, fand ich später an hundert andern Orten bestätigt.

a) G.estalt und Richtungsbewegungen der Stämme.

Entgegen der herrschenden Meinung stehen die Bäume an steilen Hängen lange nicht immer vertikal. Die Laubhölzer weichen sogar meistens und Föhre und Lärche häufig von der vertikalen Stellung ab.

Die Bilder 7 und 8 zeigen in schematischer Darstellung die Form von Laubholzstämmen in geschlossenen, gleichalterigen Beständen an Hängen. An der Stammbasis ist eine starke Krümmung vorhanden;

dann folgt der ziemlich gerade, aber geneigte Hauptteil des astreinen Schaftes, der sich etwa beim Kronenansatze wieder stärker nach der Talseite zu biegen beginnt. Die Krone ist gegen die Talseite immer stärker entwickelt, was größtenteils auch für die Wurzel zutrifft, was in Anbetracht des Geotropismus, des Wachstums und der Nährstoff-aufnahme der Wurzeln, sowie aus statischen Gründen begreiflich erscheint. Die Pfahlwurzel junger Buchen ist ungefähr parallel zum mit-leren Teil des oberirdischen Sprosses gerichtet, so daß Stengel und Wurzel zusammen bajonettartige Gestalt annehme.n. (siehe Bild 9).

Die durch die Bilder dargestellte Baumform ist von Buchenauf-schlag bis zum Altholz zu konstatieren, insbesondere wenn der Bestand

· wenig durchforstet wurde. In Tab. 3 sind für mehrere Bestände die Mittel der von mir gemessenen Winkel der Baumstämme mit der Vertikalen zusammengestellt. Als Winkelmeßinstrument benutzte ich, wie, für alle andern Messungen, einen großen Zelluloid-Transporteur, in dessen Mittel-punkt ich an einem Seidenfaden ein Lot befestigte.

Den Kolonnen 7 bis 9 der Tab. 3 ist zu entnehmen, daß die Ab-weichung der Stammaxen von der Lotlinie überall eine ganz beträchtliche ist; im obersten Stammteil ist sie am größten, int mittlern am kleinsten.

An Süd- und West-Hängen mit großer Lichtintensität neigen sich die Bäume im allgemeinen mehr nach der Talseite und ihre Kronen sind nach dieser Richtung ebenfalls viel stärker entwickelt als an Nord- und Osthängen.

244

Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Stämme kronenfreier, vorwüchsiger, etwa durch die Bestandes-pflege begünstigter Bäume weisen an der Stammbasis in der Regel nur schwache Krümmungen auf und weichen weniger von der Lotlinie ab als die Stämme beherrschter und unterdrückter Bäume.

Welches sind nun die Ursachen dieser Wuchsform der Laubhölzer?

Es können nur Schwerkraft und Licht sein, die beiden Kräfte, die in gleichaltrigen, geschlossenen

Hochwald-beständen an steilen Hängen.

Bild 8. Schematische Darstellung der helio-tropischen und geohelio-tropischen Krümmungen an steilen Hängen aufwachsender Laubholzstämme.

und deren waldbauliche Bedeutung 245 überall von der Keimung des Samens an ununterbrochen auf die Pflanze wirken.

An steilen Hängen ist die Beleuchtung naturgemäß eine einseitige.

Auf steile südöstliche bis südwestliche Hänge treffen die Sonnenstrahlen

,:,j

246 Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Tabelle 3

Stellung und Form der Laubhölzer an steilen Hängen

Nei- Alter Zahl Mittlere Neigung der

Ex- des der Stämme z. Vertikalen

und deren waldbauliche Bedeutung 247 während des größten Teils der Vegetationszeit annähernd senkrecht, und Nordexpositrbnen erhalten den größten Teil des diffusen Lichtes vom nördlichen Himmel. Während auf horizontaler Fläche die Pflanzen das Licht hauptsächlich aus dem Zenit empfangen und die mittlere Richtung des Lichtes der Vertikalen entspricht, weicht an Hängen je nach ihrer Neigung und Exposition die Hauptlichtrichtung mehr oder weniger von der Vertikalen ab. Dazu kommt, daß an Hängen jeder Baum von den höher stehenden Nachbarn überragt wird, wodurch das seitliche, schief auffallende Licht noch grössere Bedeutung erlangt. Die Kräfte Schwere und Licht wirken also an Hängen nicht in gleicher Richtung auf die Pflanzen.

Der am Hange stehende Baum ist in Bezug auf seine Stellung ähnlich dem Aste des Baumes dem Einfluß der beiden Kräfte unter-worfen. Die einzelnen Teile des Baumschaftes nehmen gewissermassen die Richtung der Resultierenden der Kräfte Schwere und Licht an.

Der verschiedenen Wirkung dieser Kräfte auf die einzelnen Teile des Baumes entspricht deren Lage zur Lotlinie. Für die Richtung der Endtriebe und für die Krone überhaupt ist vor allem die Lichtrichtung maßgebend, und der ganze innerhalb der Krone befindliche Schaftteil steht, wie die Bilder 7, 8 und 9 und Kolonne 9 der Tabelle 3 zeigen, vorwiegend unter dem Einfluß des Heliotropismus. Der unter-halb der Krone liegende Schaftteil entfernt sich dagegen weniger von der . Vertikalen, denn bei ihm überwiegt die Wirkung des Schwer-kraftreizes. Die unterste starke Aufkrümmung des Stammes aber rührt von den geotropischen Krümmungen her, die der Baum im Verlaufe seines Lebens ausführt.

In Bild 8 sind die Richtungsänderungen eines am Berghang aufwachsenden Laubholzstammes schematisch dargestellt. Es sind 6 Stadien unterschieden. Die Vertikale V und die Lichtrichtung L sind durch Linien bezeichnet. Der Gipfel 1 der jugendlichen Pflanze gelangt später durch geotropische Aufkrümmung des Schaftes nach 1' und noch später wieder zurück nach l ". Das im Lebensstadium 2 erreichte Gipfel-stück bewegt sich allmählich nach 2', Punkt 3 nach Punkt 3' und Punkt 5 erreicht endlich die Lage von 5'. Das Stadium 6 soll die Stellung des Baumes im Lichtstande bei völliger Kronenfreiheit veranschaulichen.

Begünstigte, wuchskräftige Bäume vermögen sich nämlich selbst in höherem Alter solchermaßen aufzukrümmen, daß sich ihr Stamm der Vertikalen bis auf wenige Grade nähert.

248 Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Die starke Krümmung des unt.ersten Stammteils wird durch Bild 8 ebenfalls erklärt. Mit zunehmendem Alter müssen notwendig auch etwas höher gelegene Stammpartien die geotropische Krümmung mitmachen, die in der Jugend des Baumes nicht daran teilnahmen. Der unterste, krumme Teil des Stammes, unmittelbar über dem Wurzelstock, bildet sozusagen das Hauptgelenk des Baumes, das bei den meisten aktiven Bewegungen seiner Axe in Tätigkeit gesetzt wird. Es ist klar, daß die mittelst der 6 Stadien angedeuteten Bewegungen nicht ruckweise, sondern während der aufeinander folgenden Vegetations-perioden stetig vor sich gehen; immerhin kann, wie ich im Sihlwald nach scharf geführten Besamungs- und Lichtschlägen beobachtete, der 'Übergang von Stellung 5 in Stellung 6 in wenigen Jahren voll-zogen sein.

Die beschriebenen Richtungsänderungen der Laubholzstämme im Bergwald beweisen mehr als alles andere, welche große allgemeine Bedeutung der geotropischen Aufkrümmung alter verholzter Sprosse im

Baumleben zukommt. '

Nicht unerwähnt darf der Vorteil bleiben, den die starke Krüm-mung des basalen Stammstückes in statischer Hinsicht bietet. Die Be-lastung der Hangbäume ist zufolge ihrer Stellung und Gestalt eine ein-seitige und deshalb die Gefahr groß, daß sie bei heftigen Winden oder unzeitigen Schneefällen gebrochen oder entwurzelt werden.

Das Eigengewicht der Krone und das Gewicht des sich etwa auf ihr_ lagernden Schnees sei P (Bild 7) und der Angriffspunkt dieser Last in a. Das statische Moment M für den Stammquerschnitt bei c ist dann

M

=

P. 1

Nimmt man an, der Stamm sei vom Wurzelstock an bis zum Kronen-ansatz gerade, so wäre das statische Moment M' für den Querschnitt in c'

M'

=

P. l' Da aber 1'

>

1 , so ist auch

M'

>

M.

Das will sagen, daß der Baum bei gleicher Belastung eine größere mechanische Beanspruchung auszuhalten hätte, wenn sein Stamm ge-rade wäre. Durch die basale Krümmung wird der Stamm elastischer;

er verhält sich ähnlich einer Feder. Diese für die Bruchsicherheit der-maßen geneigter und einseitig belasteter Bäume wichtige Eigenschaft wird häufig durch die später zu erörternde Form des Stammquerschnittes noch erhöht.

und deren waldbauliche Bedeutung 249 b) Das Dickenwachstum der Stämme.

Da die Bäume talwärts geneigt und auf dieser Seite auch stärker beastet sind, wäre zu erwarten, daß ihre Stämme analog schiefstehen-den oder einseitig beasteten Nadelhölzern auf der Unterseite mehr in die Dicke wachsen als auf der Bergseite. Dem ist aber nicht ganz so, indem wenigstens an der Stammbasis das Dickenwachstum bergwärts regelmäßig wesentlich größer ist als auf der Talseite.

Diese Beobachtung habe ich an sehr vielen Orten an Hunderten von Stöcken, an Hunderten von frischgeschlagenen Buchen-, Eichen-, Eschen- und Ahornstämmen und zwar an Bäumen jeden Alters gemacht.

Die junge 2-4 jährige Buchenpflanze zeigt auf dem über dem Boden geführten Querschnitt durch den Stengel diese Exzentrizität des Dicken-wachstums ebensogut wie der hiebsreife hundertjährige Baum. Aus-nahmen von dieser Regel kommen bei Stockausschlägen, Verletzungen durch Steinschlag etc. vor.

Dieselbe Exzentrizität des Dickenwachstums nimmt man an Alpen-erlen (Alnus viridis DC) an steilen Hängen regelmäßig wahr.

Nun aber ist das Dickenwachstum auf der Bergseite gewöhnlich noch weiter stammaufwärts gefördert. Nach den Aufnahmen unserer forstlichen Versuchsanstalt sind bei 73

°/o

der an steilen Hängen unter-suchten Buchen-Probestämme die Jahrringe in 1,3 m ü. B. auf der Berg-seite breiter als talwärts.

Ferner zeigen zahlreiche Stammanalystm, die ich im Bürgenberg-Wald der Korporation Stans, im Sihlwald und im Eschenberg der Stadt Winterthur vornahm und die in Tab. 4 zusammengestellt sind, sowie die an der forstlichen Versuchsanstalt aufbewahrten Stammscheiben der Esche No. 7 Bürgenberg und der Buche No. 1 Sihlwald, daß das größere Dickenwachstum auf der Bergseite bei der Mehrzahl der untersuchten Bäume bedeutend über die · Brusthöhe des Stammes hinaus geht und oft sogar bis zum Wipfel reicht. Indessen gibt es auch Stämme, die, abgesehen von der Basis, auf der Talseite mehr in die Dicke ge-wachsen sind, oder die in höhern Stammteilen einen Wechsel in der Wachstumsförderung von Berg- und Talseite aufweisen.

Wie ist nun die bergseitige Förderung des Dickenwachstums zu erklären?

Die Zugspannungen auf der Oberseite der Stämme können nicht die Ursache dieser Wachstumsförderung sein, sonst müßte sie sich auf der Oberseite aller schiefstehenden Stämme bis zum Wipfel verfolgen

250 Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Tabelle 4

Ergebnisse

von Stammanalysen über das Dickenwachstum an Hängen.

A. ßürgenberg-Wald der Korporation Stans (Kt. Nidwalden).

450--850 m ü. M.; SO-Exposition; Neigung ca. 34°. Aufgenommen im September 1899.

Nr. 2, Buche. Beherrscht. Krone stark nach einer Lücke gebogen, aber gegen den Zenit noch frei. Höhe 18,30 m; Durchmesser in 1,3 m 17,50 cm;

Alter 71 Jahre. Winkel des Stammes mit der Lotlinie: Unten 250 30', Mitte 22° 30', oben 54°.

Radien und Durchmesser in Centimetern

Nr. Senkrecht

der Höhe Hangrichtung zur Hangrichtung Bemerkungen

Scheibe

Nr. 4, Buche. Mitherrschend. Höhe 22,20m; Durchmesser in 1,3m 17 cm; Alter 83Jahre.

Winkel mit der Lotlinie: Unten bis 2,50 m 13°, Mitte 91/2°, oben 250.

1. 0,10 10,2 8,9 19,1 10,6 10,1 20,7 Einer der am meisten aufge-II. 1,30 7,2 6,9 14,1 8,8 6,7 15,5 richteten Bäume.

III. 5,3° 6,2 6,3 12,5 7,5 6,1 13,6

IV. 10,30 4,8 6,5 11,3 6,1 5,3 II,4

Nr. 5, Bu ehe. Vollständig unterdrückt, schwach, gebogen, überhängend. Höhe 18,05 m, Durchmesser in 1,3 m 15,4 cm; Alter 95 Jahre. Winkel zur Lotlinie:

und deren waldbauliche Bedeutung 251

Tabelle 4 Fortsetzung

Nr. 6, Buche. Mitherrschend. Höhe 23,60 m; Durchmesser in 1,3 m 18,0 cm; Alter 95 Jahre. Winkel zur Lotlinie: Unten 181/2° bis 1,5 m, Mitte 8°, oben 11°.

Radien und Durchmesser in Centimetern

Nr. Senkrecht

der Höhe Hangrichtung zur Hangrichtung Bemerkungen Scheibe berg-wärts 1 tal- / Durch- ! 1

Durch-1

wärts i

1 messer sw 1 NO messer

m NW so 1 1

1 2 3 4 5 6 7 8 9

I. o,oo 15,5 5,7 21,2 10,3 12,5 22,8 Stärkste Aufkrümmung 1,50 m

II. 1,30 9,4 6,9 16,3 7,9 8,4 16,3 über Bci<len.

III. 6,30 6,5 6,5 13,0 6,5 6,5 13,0 IV. l 1,30 6,2 5,7 II,9 5,0 7,1 12,1 V. 16,60 4,6 3,6 8,2 4,2 4,2 8,4

Nr. 7, Esche. Beherrscht, Krone frei, hat sich früher heliotropisch nach einer Lücke gekrümmt, daher starke Abwärtskrümmung in der Mitte. Höhe 23,50 m;

Durchmesser in 1,3 m 16,5 cm; Alter 88 Jahre. Winkel mit der Lot-linie: Unten 18°, Mitte 23°, oben 30°.

I. 0,05 23,90 4,80 28,70 9,85 7,55 17,40 Bergwärts überwallte Steinschlag-II. 1,30 10,30 5,4° 15,70 7,15 6,65 13,80 Wtinden.

Oebtrcpischer Reiz offenbar vor-III. 5,3° 8,40 5,45 13,85 5,55 7,40 12,95 handen, aber an der Aufrichtung

IV. I 1,30 7,30 5,7° 13,00 5,45 5,65 II1l0 des Stammes verhindert.

V. 14,50 5,65 4,55 10,20 5, 15 4,45 9,60 VI. 17,50 4,10 4,05 8,15 4,55 3,80 8,35

Nr. 8, Buche. Beherrscht, stark gebogen, Gipfel frei, Aste auf der Oberseite geo-tropisch aufgerichtet. Höhe 20,30 m; Durchmesser in 1,3 m 12,0 cm;

Alter 88 Jahre. Winkel mit der Lotlinie: Unten bis 2,5 m 41°, Mitte 30°, oben 80°.

I.

II. 1,30 6,90 4,65 l 1,55 5,20 5,5° 10,70 Bei der Fällung zersplittert.

Oeo-III. 5,80 5,90 2,90 8,80 3,5° 5,3° 8,80 tropischer Reiz offenbar vor-handen, aber Aufrichtung

ge-IV. 9,80 4,35 2,90 7, 25 2,85 4,80 7,65 hemmt.

V. 14,30 3,65 2,80 6,45 2,60 3,25 5,85 VI. 16,80 2,60 2,20 4,80 2,25 2,50 4,75

252 Heliotropismus uud Geotropismus der Bäume

Fortsetzung Tabelle 4

Ergebnisse

von Stammanalysen über das Dickenwachstum an Hängen.

B. Sihlwald der Stadt Zürich

500-700 m ü. M.; NO-Exposition. Aufgenommen im November 1899.

Nr. 5, Buche. Unterdrückt, mit Wasserreisern, Neigung des Bodens 19°. Höhe 24,0 m, Durchmesser in 1,3 m 20 cm; Kronenansatz bei 14,70 m; Alter 90 Jahre. Stamm wenig geneigt, geradschaftig, unten bis 2 m 8°, dann 4°.

Radien und Durchmesser in Centimetern Nr. Höhe Hangrichtung Senkrecht

der zur Hangrichtung Bemerkungen

Scheibe

Durchmesser in 1,3 m 22,0 cm; Kronenansatz 19,90 m; Alter 100 Jahre.

Winkel mit der Lotlinie: Unten bis 1,50 m 9°, dann 51;20.

Tabelle 4

und deren waldbauliche Bedeutung

C. Eschenberg der Stadt Winterthur (Kt. Zürich).

Radien und Durchmesser in Centimetern

Nr. Senkrecht

der Höhe Hangrichtung zur Hangrichtung Bemerkungen

Scheibe

254 Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

lassen und gerade in den obersten, am meisten talwärts gebogenen Stammteilen verhältnismäßig am größten sein. Da übrigens bei den Na-delhölzern das Dickenwachstum durch Zugspannungen nicht gefördert·

wird, so ist dies umso weniger bei den Laubhölzern, die noch zug-festeres Holz besitzen als jene, zu erwarten.

Da wir, wie ich nachwies, zur Annahme gezwungen sind, daß die Krümmungen des Baumschaftes durch den negativen Geotropismus zu-stande kommen, so muß geschlossen werden, daß das größere Dicken-·

wachstum auf der Bergseite, also auf der Aufkrümmungsseite, mit dem Geotropismus zusammenhängt. Die angeführten Tatsachen zwingen uns, die Zunahme der Jahrringbreite auf der Bergseite der Stämme·

ebenso als eine Reaktion auf den Schwerkraftreiz anzusehen wie die Aufbiegung des Stammes. Das vermehrte Dickenwachstum auf der Berg-seite ist eine Begleiterscheinung des Geotropismus, und ich habe daher das Holz der Oberseite geotrophes Holz genannt.

Am Stammfuße mögen zur Wirkung des Geotropismus noch Druck-spannungen infolge der Aufkrümmung kommen, so daß auch hier, wie bei den Nadelhölzern, die Wirkung des Schwerkraftreizes und des mechanischen Längsdruckes nicht bestimmt auseinander zu halten sind;

dagegen kann das in den höhern, talwärts gebogenen Stammteilen auf ihrer konvexen Oberseite auftretende größere Dickenwachstum niemals durch Druckreiz verursacht sein, weil an diesen Teilen des Stammes Längsdruckspannungen vollständig ausgeschlossen sind. Es muß dies hier ausdrücklich hervorgehoben werden.

Schließlich fragt es sich noch, warum, wie schon erwähnt, die Erhöhung des Dickenwachstums bald auf der Ober-, bald auf der Unter-seite talwärts geneigter oder gebogener Buchenstämme auftritt. Die in Tab. 4 verzeichneten Stammanalysen lehren uns, daß es herrschende und mitherrschende Bäume sind (Buchen No. 3, 4 und 6 Bürgen-berg, Nr. 6 Sihlwald und No. 3 Eschenberg), die auf der Bergseite bis in bedeutende Höhen (Buche No. 3 Bürgenberg bis 18,80 m) stärkeres Dickenwachstum aufweisen. Die schiefe heliotropische Stellung ihrer Höhentriebe mußte notwendig von einer entsprechend energischen geo-tropischen Aufkrümmung begleitet sein. Starke heliotropische Reaktion bedingt kräftige Wirkung der antagonistischen Schwerkraft.

Aber auch bei beherrschten Bäumen mit noch freiem Gipfel (Buche Nr. 2 und 8 und Esche Nr. 7 Bürgenberg, sowie Buche Nr. 8 und Berg-ahorn Nr. 7 Sihlwald) ist das Dickenwachstum bergwärts weit stammaufwärts

und deren waldbauliche Bedeutung

255

gefördert. Bei den unterdrückten Buchen Nr. 5 Bürgenberg und Nr. 5 Sihlwald, deren Kronen verkümmert sind, ist das Dickenwachstum, die Stammbasis ausgenommen, auf der Talseite größer.

Durch diese Tatsachen ist die Erklärung gegeben. Ist der Gipfeltrieb noch befähigt, den Schwerereiz zu per-zipieren, so tritt die Reaktion in den unteren Stammteilen ein; ist dies nicht der Fall, so fällt die geotropische Reizwirkung weg, und es gelangt der mechanische Längsdruck auf das Kam-bium zur Wirkung.

Jedenfalls zeigt schon das Dicken-wachstum der Laubhölzer an Berg-hängen, daß bei ihnen der geotropische Reiz den der mechanischen Längsdruck-spannungen auf das Dickenwachstum überwiegt.

Die folgenden Beispiele sollen weiterhin beweisen, daß bei den

Laub-hölzern exzentrisches Dickenwachstum 6,5.J

m 0

durch Druckreiz auf das Kambium und durch den Schwerereiz verursacht sein kann.

Buche Nr. 4 Sihlwald (Bild 10, Tab. 5) ist ein auf horizontaler Fläche lotrecht stehender Baum mit vielen Stammkrümmungen in der Südwest-N ordost-Richtung. Über die Ursachen dieser Krümmungen ist nichts bekannt.

Das überall auf den konkaven symmetri-scher Krone. Die Kreise rechts zeigen schematisch die Exzentrizität des Dickenwachstums. Dasselbe ist

über-all auf der konkaven Seite.

256

Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Tabelle 5

Querschnittflächen der Buche Nr. 4, Sihlwald

Flächenwachstum auf den konvexen und konkaven Stammseiten, links und rechts des NW-SO-Durchmessers.

Fläche der

und deren waldbauliche Bedeutung 257 Stammseite auf Druck und demgemäß einseitig erhöh-tes Dickenwachstum. Bei Buche Nr. 9 Sihlwald (Tab. 7) treten im mittleren und höheren Schaftteil in-folge der Neigung nach NNO

Bild 11. Buche Nr, 2, Eschenberg, Winterthur. Geneigter Baum, der sich in 6,00 m und 14,00 m Höhe geotropisch auf-krümmte. Die Exzentrizität d. Dickenwachstums in verschiedenen Stammhöhen zeigen die K:reise mit Mark rechts (vgl. Tab. 8).

258

Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Tabelle 6

Querschnittsflächen der Buche Nr. 1, Eschenberg

Flächenwachstum auf der Ober- und Unterseite des horizontalen, durch das Mark gehenden NW-SO-Durchmessers.

Fläche der schlagreifen Bestandes. Der Stamm weist zwei deutlich wahrnehmbare Krümmungen auf, eine untere in 6,00 m und eine obere in 14,00 m Höhe. Aus der Analyse des Stammes ist zu schließen, daß der Baum schon von früher Jugend an schief gegen SO gewachsen war. Ums Jahr 1840, also etwa im 40. Altersjahr, erhielt der Baum mehr Licht von Nordwesten, und er krümmte sich der günstigeren Lebenslage entsprechend nach dieser Seite hin geotropisch und vielleicht auch heliotropisch auf. In mechanisch sehr zweckmäßiger Weise k(ümmte

und deren waldbauliche Bedeutung 259

Tabelle 7

Buche Nr. 9, Sihlwald. Gefällt im November 1899. Am Albishornweg stehend, gegen diesen in der NNO-Richtung sich neigend. Gegen SSW geschlossener Buchenbestand. Stamm gekrümmt.

Alter 38 Jahre; Baumhöhe 14,70 m; Kronenansatz 5,0 m; Durchmesser in 1,3 m 15,0 cm. Gegen· den Weg stärker beastet.

Nr. Höhe Rich- Radien und Durchmesser in Centimetern

der in tung im Jahre Bemerkungen

Sehei- der

m

1865 [ 1870 [ 1815 J 188011335 [ 1890 J 1895 J 1399

be Radien

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

I o,oo ssw 0,35 1,00 r,75 2,95 4,25 5,45 6,70 8,35 NNO 0,30 ,

_ _

1,65 -,95 4,20 5,55 - 8,60 Dm 0,65 1,90 3,40 5,9° 8,45 1 r,oo 13,90 16,95

i

II 1,90 ssw 0,40 1,50 2,35 3,45 4,30 1 5,55 7,00 Stamm gegen NNO ,

__

0,95 ·,35 3,4° 4, 5,80 7, Weg konvex

Dm 0,70 2,45 4,70 6,85 8,90 I 1,35 14,00

III 3,10 ssw 0,85 1,75 2,90 4,85 5,20 6,65 NNO 0,80 1,80 , _

~ t 1~

6,20

Dm 1,65 3,55 5,7° 8,70 10,10 12,85

IV 4,30 ssw 0,30 1,10 1,95 2,65 3,55 4,65 Stamm gegen NNO - - 1,55 - 3,10 4,90 ,

__

8,45 Weg konkav

Dm 0,65 2,65 5,05 7,55 10,40 13,10

V 5,5° ssw 0,55 1,55 2,30 3,10 4,30 Stamm gegen

NNO 0,50 2, 3,7 5,75 7,60 Weg konkav

Dm 1,05 3,65 6,oo 8,85 11,90

VI 6,40 ssw 0,20 1,05 2,00 3,25 4,70

NNO - - I, I 5 ·,5 4,05 5,45

Dm 0,35 2,20 4,5° 7,3° 10,15

VII 9,00 ssw 0,10 0,95 2,40 3,3°

NNO o, 5

' ·,55 3,9°

Dm 0,25 1,95 4,95 7,20

260 Heliotropismus und Geotropismus der Bäume

Tabelle S

Querschnittflächen der Buche Nr. 2, Eschenberg

Flächenwachstum auf der Seite der Druckspannungen und der geotropischen Aufkrümmung, links und rechts des SW-NO-Durchmessers.

Nr. Höhe Lage Fläche der

der in der Querschnitte

Bemerkungen Scheibe m Querschnittshälfte

cm2

1

O/o

1 2 3 5 6

II 1,30 NW-Hälfte 377,1 43,7 Druck auf SO-Seite

SO-Hälfte 485,6 56,3 Total 862,7 100,0

III 6,oo NW-Hälfte 386,8 55,3 Aufkrümmung von

so

SO-Hälfte 313,1 44,7 nach NW Total 699,9 100,0

IV 10,00 NW-Hälfte 246,6 43,3 Druck auf SO-Seite

SO-Hälfte 323,0 56,7 Total 569,6 100,0

V 14,00 NW-Hälfte 310,7 65,2 Aufkrümmung von SO

SO-Hälfte 165,5 34,8 nach NW Total 476,2 100,0

sich der Stamm zuerst in 14 m Höhe und dann später erst unten in 6 m Höhe über dem Boden auf.

An den beiden Aufkrümmungsstellen (Scheiben III und V) hat sich das größere Dickenwachstum auf der nordwestlichen Stammseite bis ans Lebensende des Baumes erhalten. Die Zuwachsförderung auf der Nordwest-Seite ist streng an die beiden Stellen der geotropischen Aufrichtung gebunden und kann daher in der Hauptsache nur eine Begleiterscheinung des Geotropismus sein, was umsomehr ein-leuchtet, als der Gipfel des Baumes die etwas schiefe Stellung bis an sein Lebensende beibehielt und infolgedessen die Wirkung des Schwerkraftreizes ebenso lange andauerte. Der größere Zuwachs auf allen andern Querschnitten ist dagegen der Neigung des Stammes nach SO entsprechend dem größeren Längsdruckreiz infolge einseitiger stärkerer Belastung zuzuschreiben.

und deren waldbauliche Bedeutung 261 Lehrreiche Aufschlüsse über das Dickenwachstum gaben einige Birken und Eschen im Degenriedwald der Stadt Zürich, die vom Spätschnee vom 23./24. Mai 1908 krummgedrückt wurden, und einige Pappeln (Populus monilifera Aiton) vom Adlisberg-Garten, die infolge Über-schirmung seitwärts gewachsen waren. Für nähere Angaben und Bilder

und deren waldbauliche Bedeutung 261 Lehrreiche Aufschlüsse über das Dickenwachstum gaben einige Birken und Eschen im Degenriedwald der Stadt Zürich, die vom Spätschnee vom 23./24. Mai 1908 krummgedrückt wurden, und einige Pappeln (Populus monilifera Aiton) vom Adlisberg-Garten, die infolge Über-schirmung seitwärts gewachsen waren. Für nähere Angaben und Bilder