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Wissen bedeutet Macht und Macht Wissen

Im Dokument Die Politik des Waldes (Seite 45-49)

1. Abschnitt  : Die Politik des Waldes im globalen Kontext  :

1.6 Der Nutzen einer Foucault’schen Diskursanalyse

1.6.3 Wissen bedeutet Macht und Macht Wissen

Wurde am Beginn des Kapitels festgestellt, dass Sprache, Macht und Wissen sich gegenseitig bedingen, so gilt es zu klären, wie diese Verbindung aussieht. In der all-täglichen Verwendung dieser beiden Begriffe – Macht und Wissen – würde man sagen, „Wissen bedeutet Macht“. Diese Begrifflichkeit wird von Foucault erweitert, indem er behauptet, dass Macht auch Wissen ist oder, um dies mit seinen Worten auszudrücken :

20 Als anderer möglicher Kontext wäre ein moralischer Diskurs denkbar, der den „Ausgleich“ der Ein-kommensdisparitäten zwischen Nord und Süd befürwortet.

Der Nutzen einer Foucault’schen Diskursanalyse

„… es [gibt] keine Machtbeziehung […], ohne dass sich ein entsprechendes Wissens-feld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraus-setzt und konstituiert“ (Foucault, 1994 [1975] : 39).

Macht und Wissen stehen in einem korrelativen Verhältnis zueinander und nicht, wie man erwarten könnte, in einem kausalen Verhältnis. Macht erzeugt also Wissen durch Sprache. Damit erweitert Foucault unser Verständnis der Beziehung zwischen Macht und Wissen, da er beispielsweise mit seiner Untersuchung über die Gefäng-nisse nachweist, dass nicht nur Wissen Macht hervorbringt (vgl. Foucault, 1994 [1975]). So muss man feststellen, dass das „Wissen, welches ein Diskurs produziert, […] eine Art von Macht [konstituiert], die über jene ausgeübt wird, über die etwas gewußt wird“ (Eblinghaus/Stickler, 1996 : 18).

Allerdings ist der Diskurs nicht nur mit Macht verknüpft, sondern er stellt selbst ein „System“ dar, das von Macht durchströmt wird. Wissen und diskursive Praktiken stellen kritische Dimensionen im Machtkampf dar. Der Machtkampf wird innerhalb des Diskurses genauso wie über den Diskurs geführt. Damit ist gemeint, dass die Macht im sozialen System verstreut ist und nicht innegehabt wird. Foucault zeigt, dass Macht durch die Menschen hindurchströmt und nicht nur offen auf jene ausge-übt wird. Die Wissensproduktion wird als Teil der diskursiven Praktiken betrachtet, die zur Gestaltung von Regeln beitragen und Objekte bzw. Subjekte formen und definieren. Daher gehört die politische Macht nicht mehr dem Staat allein oder wird von ihm aufgrund von Gesetzen ausgeübt, sondern Macht wird als ubiquitär – all-gegenwärtig – und von allen Seiten kommend verstanden (Foucault, 1994 [1975]).

Diese Machtbeziehungen sind folglich nicht hierarchisch strukturiert. Subjekte schließlich nehmen die Techniken und Praktiken auf, die Macht und soziale Kont-rolle fern von den Zentren der Regierungsgewalt verstreuen :

“As the agents of expert discourse, professionals embody techniques and practices that disperse power and social control away from the formal centres of governance”

(Fischer, 2003 : 40).

Die Foucault’sche Macht existiert demzufolge nicht als Macht, die ausgeübt wird, sondern sie stellt ein komplexes Netzwerk der „micro power“ dar, das alle sozialen Lebensaspekte durchdringt. So schreibt Foucault :

„Die Macht kommt von unten, d. h. sie beruht nicht auf der allgemeinen Matrix einer globalen Zweiteilung, die Beherrscher und Beherrschte einander entgegensetzt und von oben nach unten auf immer beschränktere Gruppen und bis in die letzten Tiefen

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des Gesellschaftskörpers ausstrahlt. Man muß vielmehr davon ausgehen, daß die viel-fältigen Kräfteverhältnisse, die sich in den Produktionsapparaten, in den Familien, in den einzelnen Gruppen und Institutionen ausbilden und auswirken, als Basis für weit-reichende und den gesamten Gesellschaftskörper durchlaufende Spaltungen dienen“

(Foucault, 1983 : 115).

Macht bildet also so eine Art Netz, das das Handeln, d. h. alle sozialen Aktivitäten, und das Denken durchdringt, indem es, ohne bemerkt zu werden, darübergelegt wird (Nienhüser, 2003 : 36).

Im Unterschied zu anderen Machtverständnissen gehen wir hier nicht von der Macht des Souveräns aus, sondern in der Foucault’schen Machtanalyse wird Macht als relationaler Machtbegriff aufgefasst, der sich durch Praktiken durchsetzt. Das Foucault’sche Machtkonzept steht in Opposition zu anderen Machtkonzepten. Da sich die Foucault’sche „Analytik der Macht“ (vgl. dazu Dreyfus/Rabinow, 1994 : 216–

237) grundlegend von den anderen Machtkonzeptionen unterscheidet, erscheint es sinnvoll, hier auf diese kurz einzugehen :

Dahls Machtkonzept gleicht dem Weber’schen Machtbegriff, indem er davon ausging, dass AkteurIn A Macht über AkteurIn B ausübt, indem A B gegen seinen/

ihren Willen dazu veranlasst, etwas zu tun, das B sonst nicht tun würde (vgl. Dahl 1957 : 202f. in : Digeser, 1992 : 978). Dahls Konzeption von Macht wurde von Bach-rach und Baratz (1962, 1963, 1977) heftig kritisiert, da es ihrer Meinung nach nur „ein Gesicht von Macht“ darstellt. Sie zeigten ein „zweites Gesicht der Macht“ auf, in-dem sie behaupteten, dass auch dann Macht ausgeübt wird, wenn A neben seinen/

ihren politischen und sozialen Wertvorstellungen auch seine/ihre Vorstellungen des institutionellen Handelns im politischen Feld durchsetzt und damit B daran hindert, in dessen/deren Interesse liegende politische Probleme auf die jeweilige Agenda zu setzen (vgl. Bachrach/Baratz, 1977 : 46). Kurz gesagt, A übt Macht über B aus, in-dem A B darin hindert, das zu tun, was B möchte. Diese ersten beiden Gesichter der Macht erscheinen analytisch relevant, weil sie die Betonung auf die Handlung bzw.

die unterlassene Handlung der AkteurInnen legen. Digeser (1992 : 979) fügt dem hinzu, dass diese beiden Gesichter der Macht im Grunde genommen eine konflikt-behaftete bzw. konfliktlose Beziehung der AkteurInnen beschreiben und sich die selbst definierten Eigeninteressen von AkteurIn A und AkteurIn B gegenüberste-hen. Er bezeichnet diese beiden Machtkonzeptionen daher als „liberal conception of power“.

Lukes (1974) fügte diesen beiden oben genannten „Gesichtern der Macht“ ein

„drittes Gesicht der Macht“ hinzu, indem er darauf hinwies, dass B auch Macht aus-übt, indem B etwas ausführt, das von A verlangt wird. Im Grunde genommen würde

Der Nutzen einer Foucault’schen Diskursanalyse 1 das bedeuten, dass B etwas tut, wovon A möchte, dass B es ausführt. Es gibt also keinen Interessenkonflikt, da B das von A Gewollte freiwillig ausführt (vgl. Digeser, 1992 : 979). Lukes’ Machtkonzeption geht davon aus, dass Macht nicht nur dann ausgeübt wird, wenn gegen die eigenen Interessen gehandelt wird. Der/Die mani-pulierte B nimmt die „wahren und objektiven“ Interessen nicht mehr wahr, sondern fügt sich As Anweisungen. Lukes meint dazu : „… the first two faces are blind to a form of power in which the very desires and wants of B are manipulated“ (Lukes, 1974 : 23, zitiert nach Digeser, 1992 : 979). Dieses Gesicht legt sein Gewicht auf die Bildung von Wünschen (formation of desires) und Prioritäten. Allerdings muss die-ses Machtkonzept als normativ bezeichnet werden, da der Policy-Analyst die Objek-tivität der Interessen der AkteurInnen einschätzen muss. Dieses dritte Gesicht der Macht umschreibt Digeser (1992 : 979) als „radical conception of power“. All diese drei Machtkonzepte nehmen AkteurInnen und Strukturen als gegeben an.

Der Foucault’sche Machtbegriff unterscheidet sich grundlegend von den drei be-sprochenen Machtkonzepten. Einerseits hat er eine unterschiedliche Subjektvorstel-lung (oder, wenn man so will, AkteurInnenvorstelSubjektvorstel-lung) inne, und andererseits wer-den der Ort und die Ausübung von Macht anders festgelegt. Nicht die Beziehung von A und B wird auf Machtstrukturen untersucht, sondern im Gegensatz zu den anderen Machtkonzeptionen werden die Identitäten der AkteurInnen infrage gestellt. Das be-deutet, dass die AkteurInnen des politischen Feldes nicht als solche angenommen werden, sondern sie erst mit der Entstehung des politischen Feldes sichtbar werden und sich um das Feld strukturieren. Die Interessen der AkteurInnen A und B wer-den daher ebenfalls nicht als gegeben angenommen, sondern sind das Ergebnis der Machtausübung. In den Worten Digesers (1992 : 980f.) bedeutet das : „Subjects are understood as social constructions, whose formation can be historically described.“

Macht ist überall und wird nicht an einem Ort, d. h. in einer Institution oder bei einem/einer AkteurIn festgemacht und ist daher nicht als Eigentum, sondern als Strategie aufzufassen, wie Foucault betont :

„… Macht ist nicht so sehr etwas, was jemand besitzt, sondern vielmehr etwas, was sich entfaltet ; nicht so sehr das erworbene oder bewahrte ‚Privileg‘ der herrschen-den Klasse, sondern vielmehr die Gesamtwirkung ihrer strategischen Positionen […].

Andererseits richtet sich diese Macht nicht einfach als Verpflichtung oder Verbot an diejenigen, welche ‚sie nicht haben‘ ; sie sind ja von der Macht eingesetzt, die Macht verläuft über sie und durch sie hindurch“ (Foucault. 1994 [1975] : 38).

Foucault fragt also nicht nach der Bedeutung von Macht (was ist Macht ?), auch nicht nach der Person, die Macht innehat (wer hat Macht ?), noch interessiert ihn,

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woher die Macht kommt. Vielmehr steht die Frage „Wie wird Macht ausgeübt ?“ im Zentrum seines Interesses (vgl. Nienhüser, 2003 : 37).

Strukturen und AkteurInnen werden als Teil der diskursiven Ordnung verstanden, die dem antagonistischen Kampf (Laclau/Mouffe, 1991 : 105) um die Bedeutungszu-weisung entspringen. Dieser Machtansatz widerspricht also eindeutig dem Machtan-spruch des Souveräns. Macht soll nicht als Fähigkeit, etwas zu tun oder jemanden zu beherrschen, verstanden werden, da Macht im Foucault’schen Sinn nicht an Akteu-rInnen gebunden oder in Strukturen verhangen ist. Macht soll nicht als repressiv und negativ verstanden werden, sondern Foucault schafft es ähnlich wie Parsons (1967), eine positive Form der Macht zu beschreiben, die in „normalizing“ and „disciplining technologies“ (Sorensen/Torfing, 2000 : o. S.), Regeln und Normen wieder auftritt.

Die Disziplinarmacht (Foucault, 1994 [1975]) ist produktiv und beschreibt das, was normal ist und was nicht normal ist. Daher wird eine Erzählung, die die domi-nanten Ideen des Diskurses nicht verinnerlicht hat, nicht als wahr betrachtet. Die Produktion von Wahrheit erfolgt in Form der Produktion von Bedeutungen. Wie schon vormals angedeutet wurde, gehe ich davon aus, dass die Bedeutungskonstruk-tion hauptsächlich an die ProdukBedeutungskonstruk-tion der Diskurse und Policy-Narrative gebunden ist, dass aber auch AkteurInnen daran teilhaben können, weil nicht alle Macht der Disziplinarmacht ähneln muss. Ich stelle auch nicht in Abrede, dass AkteurInnen Interessen und Anschauungen (beliefs) haben. Vielmehr gehe ich davon aus, dass diese vormals durch dominante bzw. hegemonische (Laclau/Mouffe, 1991) Diskurse gestaltet wurden.

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