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Wissen angehender Lehrkräfte für die Gestaltung nachhaltiger Landnutzung

6. Synthese

6.3. Wissen angehender Lehrkräfte für die Gestaltung nachhaltiger Landnutzung

Die exemplarische Präsentation zum konzeptuellen Wissen des Insekten- und Bestäubungs-kontextes (Richter-Beuschel et al., 2018a) ergab erste Hinweise, dass der Ausbildungsfort-schritt der Studierenden das Wissen beeinflusst. So hat sich gezeigt, dass Personen, die ihr Lehramtsstudium kürzlich abgeschlossen haben, mehr Aufgaben korrekt gelöst haben als Per-sonen, die sich noch im Studium befinden. In der quantitativen Vor- und Hauptstudie wurde

die Zielgruppe ausschließlich auf studierende Personen beschränkt. Zudem deutete sich in der Vorstudie an, dass das Studienfach das Wissen der Testpersonen beeinflusst. Ausbildungsfort-schritt und Studienfach waren damit Variablen, deren Einfluss auf das Wissen in der Hauptstu-die näher betrachtet werden sollte.

6.3.1. Prozedurales Wissen – Auswertung und Ergebnisse

Zunächst wurde anhand einer Teilstichprobe der Hauptstudie das prozedurale Wissen näher untersucht (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020a). Das prozedurale Wissen der angehenden Lehrkräfte ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wert des zuvor generierten Experten-maßstabes und der Effektivitätseinschätzung der Studierenden (jeweils pro Item) (Richter-Beu-schel & Bögeholz, 2020a; Kap. 6.2.3.). Weiterhin wurde die Gesamtstichprobe (N = 314) für eine Rasch-Modellierung der Aufgaben des prozeduralen Wissens herangezogen (Richter-Beu-schel & Bögeholz, 2020b).

Die Ergebnisse der klassischen statistischen Analyse zeigten hohe Abweichungen in den Effektivitätseinschätzungen von Expert*innen und Studierenden und damit auch abweichendes prozedurales Wissen (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020a). Dies wird im Rasch-Modell an-hand vergleichsweise hoher Aufgabeschwierigkeiten im prozeduralen Wissen bestätigt (Rich-ter-Beuschel & Bögeholz, 2020b). Auch frühere Studien zeigten Diskrepanzen im Vergleich von Einschätzungen von Lehramtsstudierenden beziehungsweise Lehrer*innen mit dem wis-senschaftlichen Konsens oder Daten hinsichtlich Klimawandel und Biodiversität. So wählten bei der Frage nach dem Anteil an der globalen Erwärmung, den Wissenschaftler dem Menschen zuschreiben, nur 37,5 % der befragten US-amerikanischen Science Education Lehrkräfte die korrekte Antwortoption mit 81 bis 100 % (Plutzer et al., 2016). Grund dafür kann beispielsweise sein, dass Lehrpläne und Lehrbücher Zweifel am wissenschaftlichen Konsens über den vom Menschen verursachten Klimawandel und den Trend der globalen Erwärmung aufkommen las-sen (Wynes & Nicholas, 2019). Hinsichtlich der Biodiversität konnte gezeigt werden, dass Ein-schätzungen von Lehramtsstudierenden die Bedrohung von Pflanzenarten gegenüber wissen-schaftlichen Daten deutlich überschätzen (Fiebelkorn & Menzel, 2019). Eine Erklärung hierfür kann die hohe erforderliche kognitive Leistung sein, um die Gesamtzahl der Pflanzen gegen die Anzahl der bedrohten Pflanzen abzuwägen (Fiebelkorn & Menzel, 2019).

In der klassischen statistischen Analyse zeigten sich Unterschiede im prozeduralen Wissen im Vergleich der Handlungsfelder: Sowohl Bachelor- als auch Master-Studierende wiesen die höchsten Abweichungen zur Experteneinschätzung – und damit das geringste prozedurale Wis-sen – im Bereich der Ökosystemdienstleistungen und die geringsten Abweichungen im Bereich Klima- und Biodiversitätsschutz auf (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020a). Im Gegensatz

dazu zeigten die Aufgabeschwierigkeiten in der Rasch-Modellierung zum prozeduralen Wissen einen anderen Trend: die höchste Aufgabenschwierigkeit liegt im Handlungsfeld Biodiversi-täts- und Klimaschutz, gefolgt von Ökosystemdienstleistungen und nachhaltiger Landnutzung mit gleicher Schwierigkeit. Jedoch unterscheiden sich die Schwierigkeiten zwischen den Hand-lungsfeldern nicht signifikant (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020b).

Bei Gegenüberstellung der klassischen und der IRT-Analyse müssen jedoch einige Ände-rungen berücksichtigt werden, die die Ergebnisse maßgeblich beeinflussen können: So wurde in der Rasch-Modellierung – statt einer Teilstichprobe (nur Lehramt Gymnasium/integrierte Gesamtschule im Bachelor/Master-System) – die gesamte Stichprobe (N = 314) berücksichtigt.

Sie ist diverser, da sie zudem Studierende mit dem Ziel anderer Schulformen als Gymna-sium/Integrierte Gesamtschule sowie Staatsexamen-Studiengänge umfasst. Weiterhin erfolgte im Rahmen der eindimensionalen Rasch-Modellierung des prozeduralen Wissens eine Reduk-tion von 51 auf 32 Items. Damit sind auch die Kontexte und Handlungsfelder nicht mehr in gleichen Anteilen wie zuvor repräsentiert. Die 32 Items (13 Insekten und Bestäubung, 18 Moornutzung) enthalten acht Items zu nachhaltiger Landnutzung, 14 Items zu Ökosys-temdienstleistung und zehn Items zu Biodiversitäts- und Klimaschutz. So kommt es zu Abwei-chungen der Schwierigkeiten auf Ebene der Handlungsfelder zwischen den beiden Analyseva-rianten zum prozeduralen Wissen. Ein eindimensionales Rasch-Modell, in dem alle Items der klassischen Analyse erhalten werden, zeigt in der Aufgabenschwierigkeit den gleichen Trend wie die klassische Analyse (Biodiversitäts- und Klimaschutz: 0,25, nachhaltige Landnutzung:

0,33, Ökosystemdienstleistung: 0,43). Als dritter und letzter bedeutsamer Aspekt wurde das prozedurale Wissen in der IRT-Modellierung dichotom kodiert (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020b) und nicht wie zuvor als genaue Abweichung zu den Expert*innen (Richter-Beuschel &

Bögeholz, 2020a). Die dichotome Behandlung basiert auf einer Datenreduktion (alle Abwei-chungen von einer Antwortstufe und mehr wurden als „0“ kodiert) sowie auf einer Unschärfe (Rundung der durchschnittlichen Expertenratings, die sich aus Effektivitätseinschätzung und Sicherheitseinschätzung zusammensetzen, auf Ganzzahl).

6.3.2. Gruppen von Lehramtsstudierenden und Unterschiede in den Dimensionen situatio-nal/konzeptuelles und prozedurales Wissen

Anhand diverser Angaben, zu denen die Testpersonen neben der Beantwortung der Aufga-ben gebeten wurden, konnten erste Aussagen über mögliche Einflussfaktoren auf das Wissen zu Themen nachhaltiger Landnutzung angehender Lehrkräfte getroffen werden. Insgesamt konnten hinsichtlich des prozeduralen Wissens nur geringe Unterschiede in Abhängigkeit des Ausbildungsfortschritts (Bachelor/Master) festgestellt werden. In der klassischen Analyse

zeigten Master-Studierende lediglich im Handlungsfeld nachhaltige Landnutzung signifikant höheres Wissen als Bachelor-Studierende (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020a). Auch die Rasch-Modellierung des prozeduralen Wissens zeigte keinen Unterschied in der Personenfä-higkeit zwischen Studierenden auf Bachelor- und Masterlevel (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020b). Ebenso berichten Koch et al. (2013) abweichende Einschätzungen von Studierenden und Expert*innen in Hinblick auf die Effektivität von Lösungsstrategien zu Ressourcennut-zungsproblemen in Indonesien. Sie stellten dabei kein signifikant höheres Wissen bei Studie-renden im siebten im Vergleich zu StudieStudie-renden im dritten Studiensemester fest (Koch et al., 2013).

Im Gegensatz zur prozeduralen Dimension wurde in der situational/konzeptuellen Dimen-sion signifikant höheres Wissen von Studierenden auf Master- als von Studierenden auf Ba-chelor-Level erfasst (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020b). Bisherige Studien, die über höhe-res Wissen in höheren Ausbildungsleveln berichten, erfassen meist Faktenwissen (z.B. Effeney

& Davis, 2013; Zwickle et al., 2014), welches eher dem situational/konzeptuellen Wissen gleichzusetzen ist.

Beiden Analysen zum prozeduralen Wissen ist gemeinsam, dass die untersuchten BNE-re-levanten Studienfächer Biologie, Geographie und Politik kaum Unterschiede im prozeduralen Wissen der Lehramtsstudierenden bedingen. So zeigte die klassische Analyse, dass alle Fächer den gleichen Trend mit höchstem prozeduralem Wissen im Bereich Biodiversitäts- und Klima-schutz aufweisen und das geringste prozedurale Wissen im Bereich Ökosystemdienstleistungen zeigten (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020a). Im Rahmen der Rasch-Modellierung konnten sowohl im prozeduralen als auch im situational/konzeptuellen Wissen keine Unterschiede in der Personenfähigkeit für die Studierenden unterschiedlicher Fächer nachgewiesen werden (Richter-Beuschel & Bögeholz, 2020b).

Im Rahmen der IRT-Analysen hat sich gezeigt, dass die angestrebte Schulform (Gymna-sium/integrierte Gesamtschule oder andere Schulformen) das situational/konzeptuelle aber nicht das prozedurale Wissen beeinflusst. Gleiches gilt für die Abiturnote (Richter-Beuschel &

Bögeholz, 2020b). Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass Schüler*innen mit einer schlechteren Abiturnote häufig ein Studium anderer Schulformen als Gymnasium/Integrierte Gesamtschule wählen und zudem Lehramtsstudierende anderer Schulformen geringeres fachli-ches Interesse aufweisen als Studierende mit dem Fokus Gymnasium/Integrierte Gesamtschule (Neugebauer, 2013; Retelsdorf & Möller, 2012).

Bei Betrachtung der Anzahl BNE-relevanter Kurse („ESD in university“: Produkt aus der Anzahl der Kurse mit BNE-Bezug und dem prozentualen Anteil an BNE), die die Testpersonen

angaben während ihres Studiums besucht zu haben, ergibt sich ein umgekehrtes Bild: die Per-sonenfähigkeit im prozeduralen Wissen wächst mit steigender Anzahl BNE-relevanter Kurse („ESD in university“), im situational/konzeptuellen Wissen hingegen nicht (Richter-Beuschel

& Bögeholz, 2020b). Dennoch ist das situational/konzeptuelle Wissen auf Master-Level höher als das auf Bachelor-Level. Dies kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass Fak-tenwissen zu Biodiversität und Klimawandel ‒ insbesondere in den fachwissenschaftlichen Kursen, die Lehramtsstudierende besuchen ‒ vermittelt wird. Diese werden eventuell von den Studierenden nicht als BNE-relevant eingestuft.