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Das also ist nach Weinhandl das eigentliche Grundprinzip, .,daß eine ganz bestimmte größere Wirklichkeit zum unverrückbaren Ausgangspunkt ge-macht ist." Das heißt also, d&ß dieser unverrückbare Ausgangspunkt die naturhaft gegebene Wirklichkeit ist. Was somit geschieht, geschehe naturhaft.

.. Wenn wir mit Lenard von einer ,deutschen' Phy-sik sprechen, so heißt das natürlich nicht, daß da andere Gesetze gelten als sonstwo in der Physik, aber es ist auch damit gesagt, daß für das germa-nische Naturgefühl und für die schließlich im Raume des nordischen Menschen entstandene exakte Naturwissenschaft nicht beliebig wählbare physika-lische Begriffe und Axiomensysteme mit ihren endlosen, ins Spielerische ausartenden Relati-vismen, sondern die ursprünglich gegebene an-schauliche Natur das Erste ist. __ ,,

So löst sich die auf dem Boden des Nationalsozia-lismus erwachsene Wissenschaft endgültig von den Bindungslosigkeiten des Relativismus, der eine frei-schwebende Autonomie der Wissenschaft prokla-miert. .. Für uns geht alle Wissenschaft nicht nur von der Wirklichkeit des Lebens aus, sie bleibt in allen ihren Resultaten wieder auf sich bezogen." Das ist der Grundgedanke, der den vagen Begriff der Wirk-lichkeit des Lebens naturhaft werden läßt und das Geschick des auserwählten nordischen Volkes als in Naturwüchsiges deutet. Auch wird gesagt, daß jede Rasse die Wirklichkeit nach anderen Richtungen sieht, aber es ergibt sich aus dieser Erkenntnistheo-rie des Physiognomischen Sehens klar, daß eine Rasse auch die richtige Sicht hat. Der Wirklich-keitsbegriff, der hier verwendet wird, erschließt sich uns erst in seinem vollen Sinn, wenn wir betrachten, wie er aufgefüllt wird, denn in diesem Begriff der Wirklichkeit der Anschaulichkeit wird Goethes Erbe so gedeutet: .. ln einem abstrakten Universalistischen Wirklichkeitsbild haben die Begriffe Blut und Boden keinen Platz. Für die Natur, von deren ewigen Geset-zen das Leben der Menschen und die Zukunft der Völker abhängt, sind sie Grundbegriffe und Urphäno-mene geworden."12 Das also wird in einem dialekti-schen Sprung Wirklichkeit genannt, was Natur in dem Sinne ist, daß sie Blut und Boden als anschauliche Urphänomene verkörpert.

Weinhandl, der in dieser Wiener Rede vom ,,Wie-ner Kreis" wörtlich sagt, daß er sich .. zu Unrecht ,Wiener Kreis' nannte", rüstet diese neue Wirklich-keitssieht mit Hinweisen auf Aristoteles, Goethe, Meinong und Christian von Ehrenfels aus und schließt schließlich mit der beruhigenden Feststel-lung, daß der Anschluß auch für das philosophische Denken einen Wendepunkt gebracht hat, insoferne die Trennung der Österreichischen Philosophie von der Kantischen und idealistischen Tradition aufgeho-ben worden sei. Brentanos .. Trennung vom katholi-schen Dogma hatte Brentano nicht zu Kant, sondern zum Positivismus geführt. Der 12. März 1938 erst hat auch hier die Wende gebracht und zwei große Ströme deutschen Denkensohne alle sonstige Rück-sichten vereinigt: die große deutsche und die große Österreichische philosophische Tradition."13

Ich möchte nun doch zeigen, wie eine bestimmte zunächst neutrale philosophische Einsicht miß-braucht, zum Werkzeug politischer Meinung ver-bogen wird.

Ausgehend von der Frage, wie Verschiedenheit im Gegenstandsbereich der Erfahrung erfaßt wird, hatte Alexius Meinong, gestorben 1920, ein Prinzip der .,Prärogative der Verschiedenheit" eingeführt, das besagen soll, daß von zwei Wahrnehmenden der-jenige normalerweise etwas richtig erfaßt, der, unter sonst gleichen Umständen, Verschiedenheit gegen-über Gleichheit bemerkt.14

Aus dieser Meinogschen Beobachtung, die zwei-felsohne etwas Richtiges trifft, zieht nun Weinhandl die Konsequenz, daß der Kampfwert dieses Prinzips des physiognomischen Sehens noch nicht aus-geschöpft ist: Wir, die wir die wahre Wirklichkeit sehen, sehen mehr und daher haben wir recht. Wört-lich: .. Das Sein, die Wirklichkeit ist immer reicher an Unterschieden, als ein grobschlächtiges und gleich-machendes Denken meint. So setzt der National-sozialismus dem Dogma der internationalen Univer-salistischen Wissenschaft des Liberalismus von der Gleichheit aller Menschen die Einsicht von der Ver-schiedenheit der Rassen entgegen. Er hat damit den Blick geschärft auch für die feineren physiognomi-schen Unterschiede vom Bild der Welt."15

Weinhandls Vorgänger in Graz war der hochbe-gabte Nachfolger von Meinong, Ernst Mally, der Be-gründer der Normenlogik16, der in den Dreißiger Jah-ren mehr und mehr zu einer Philosophie .des Er-lebens, der Strebungen und schließlich der Wirklich-keit gelangt. Auf weite Strecken zeigt er die Disziplin des Denkens. Aber dann beginnt, was politische D ok-trin geworden war, philosophischer Satz zu werden.

Und so sehen wir M ally 1938 ein .. Argument" entwick-eln, welches aus dem alten Topos, daß der Mensch ein zoon politikon ist, den neuen gebiert, daß er in einer Volksgemeinschaft mit bestimmter rassischer Anlage lebt. Da dem .,Folge Deinem Gewissen" der allgemein verbindenden Ethik aber eine besondere Ethik gegenüberstehe, eine rassisch-volkliche, muß die allgemeine auch Platz für eine spezielle lassen:

.,Sie macht aus dieser das bestimmte Gebot: Das Artgemäße, das in der besonderen Gestalt des per-sönlichen Charakters ausgeprägt ist, in allem Tun und Verhalten aufs reinste zur Geltung zu bringen ...

Was allen Gliedern eines Volkes einheitlich vor-geschrieben werden muß, ist die Erfüllung des Volk-lich-Artgemäßen ... Das Recht dieser Forderung er-gibt sich aus der Naturtatsache der rassisch-volklich bedingten Grundlage des Menschen."17

Hier findet Sie nun die Begründung dafür, daß die konkrete, die wirkliche Ethik eben die des Artgemä-ßen ist, dem das Entartete entgegensteht. Konse-quent findet sich sogleich auch die Anwendung auf die Kunst: .. Gesunde Kunst ist ein Ausdruck gesun-den Volkstums, verderbte eines entarteten."1s Und auch das Führerprinzip wird moralisch rassisch-volk-lich begründet: 1) .. Zur Sinnerfüllung bedarf es einer Ordnung des Gemeinschaftslebens", 2) .. Die Füh-rung eines Volkes ... darf nicht ein außersittlicher

Mechanismus der Abstimmung sein. Sie muß per-sönlich sein. Nicht Entscheidung durch Mehrheit ...

sondern ein Führer des Volkes und Staates als per-sonhafter Träger des Volkstums und seines Wil-lens."19 Das war die voraussehbare Konklusion.

Ich glaube, Zitate sind nötig, um die Bedeutung des Gesagten klar zu erkennen. Aber ich will und muß es dabei belassen. Werner Sauer2o hat in sei-nem Beitrag zur Gegenfestschrift anläßlich von 400 Jahren Universität Graz insbesondere auch auf den G razer Pädagogen Otto Tumlirz aufmerksam ge-macht, der in aller Schamlosigkeit die Ausschaltung der Minderwertigen von der Fortpflanzung fordert, die Reinhaltung der Rasse als ein Naturgesetz an-sieht und alle bekannten Doktrinen Rosenbergscher Art in eine wissenschaftliche Psychologie einbaut.

Und natürlich wundert es dann nicht, wenn man hört, daß "der 0 rientale Freud mit starkem Triebleben ...

und semitischer Neugierde ... eine semitische Eigen-weit" beschreibt. Genug. Man erforsche diese Zeit-zeugen gründlich und verschweige nicht, daß sie aufs Neue in der Zweiten Republik, unserer Republik zu wirken begannen und wirkten, solange sie konn-ten. Und da z.B. für Weinhandl kein Platz mehr frei war unter den Philosophischen Lehrkanzeln, gab man ihm die vereinte Psychologie und Pädagogik.

Ich hätte vielleicht auch nicht diesen Autor, der über die Goethe-Universität Frankfurt nach Graz zu-rückkam in Erinnerung gerufen, begegneten uns nicht bei ihm erstens die charakteristischen Züge jener Wirklichkeitsphilosophie, die wir mit anderem ideologischen Hintergrund als die vorherr-schende Philosophie des Österreichs der Fünfziger Jahre kennen lernen können. Und in derTat waren es ja auch dieselben Philosophen, die jetzt in neuem Gewande mit den alten, vagen metaphysischen 0 bs-kurantismen die Gehirne der Studenten aufs neue füllten. Und in der Tat haben sie auch Jahrzehnte ein Vordringen der analytischen Philosophie in Öster-reich verhindert oder zu verhindern versucht und dadurch den Abstand zur Forschung in den anglo-amerikanischen Universitäten, in Australien oder Skandinavien, der seit der Diktatur der Dreißiger Jahre im Wachsen war, zementiert. Dies herauszu-stellen ist wichtig.

Wir finden heute dieUmrisse der philosophischen Entwicklung von den Zwanziger Jahren bis zu unse-rer Zeit dargestellt. Auf verschiedenen Symposien, zu verschiedenen Gelegenheiten wurde der Wiener Kreis und seine Diaspora behandelt. Auch die Philo-sophie der Fünfziger Jahre wurde im Ansatz darge-stellt. Was uns bis heute fehlt, ist eine Geschichte der Philosophie in Österreich, keine kleine Ge-schichte der Österreichischen Philosophie, die uns vorgaukelt, Mare Aurel, Nikolaus Cusanus und Leib-niz gehörten dazu, sondern eine, die die Lücken aus-füllt und durch eine genaue Erforschung der Ur-sachen des Glaubenswandels in verschiedenen phi-losophischen Schulen jene Dialektik bloßlegt, die von einem rational einleuchtenden philosophischen Theorem zur Philosophie der Untaten führt.

Ich glaube, daß der Begriff der Veränderung nicht ausreicht, diesen Wandel und diese Verwandlungen von Werkzeugen zu Waffen zu decken.

Denn das eine sind die sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen, die solchen Geist er-möglichen, wie er in der Zeit von diktatorischen Regi-mes sich zeigt und durchsetzt.

Das andere sind die verdeckten und offenen Un-terdrückungen in einer freien Gesellschaft, die nicht die Entschuldigung parat haben kann, daß man -außer unter dem Zwang des Gesetzes- seine Pflicht tun muß. Beim einen wie beim anderen kann man mitwirken, mehr aktiv oder mehr passiv und beides gehört bloßgestellt, indem es zunächst dargestellt, ausgesprochen und analysiert werde. Was aber mit allen Mitteln zu bekämpfen ist, ist der lebendige Keim des Unterdrückens in einer Gesellschaft, die dafür keine, aber schon keine Entschuldigung vor-zubringen hat.

Anmerkungen:

Platon, Politeia 473d, Der Staat, dtsch. von K. Vretska, Rec-lam, p. 277

2 H. Reichenbach, "ln eigener Sache.", in: Erkenntnis 4 (1934), p. 76

3 Vgl. R. Haller, Studien zur Österreichischen Philosophie, Amsterdam, Rodopi, 1979

4 M. Dummett, Ursprünge der analytischen Philosophie, dtsch.

von J. Schulte, Frankfurt, Suhrkamp, 1988

5 R. Haller, "Die philosophische Entwicklung im Österreich der Fünfziger Jahre", in: MANUSKRIPTE 23, 80 (1983), 57- 68;

wiederabgedruckt in: R. Haller, Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur Österreichischen Philosophie, Amsterdam, Rodopi, 1986, sowie Hrsg. F. Stadler, Kontinuität und Bruch 1938-1945-1955, Beiträge zur Österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Wien Verlag Jugend und Volk, 1988, p. 157-179

6 E. Heintel, "Metabiologie und Wirklichkeitsphilosophie", Leip-zig, Verlag J.A. Barth, 1944, p. 55

7 E. Heintel, Nietzsches "System" in seinen Grundbegriffen.

Leipzig, 1939, pp. 31 ff.

8 E. Heintel, "Metabiologie und Wirklichkeitsphilosophie", p. 23 9 F. Weinhandl, Philosophie - Werkzeug und Waffe,

Neumün-ster, Karl Wachholtz Verlag, 1940 10 F. Weinhandl, ebd. p. 1.f.

11 F. Weinhandl, ebd. p. 2 12 F. Weinhandl, ebd.

13 F. Weinhandl, ebd. p. 8

14 A. Meinong, Über die Erfahrungsgrundlage unseres Wissens, 1906, p. 100 ff.

15 F. Weinhandl, "Philosophie als Waffe", in: F. Weinhandl, Philo-sophie - Werkzeug und Waffe, p. 32

16 E. Mally, Grundgesetze des Sollens. Graz, Leuschner &

Lubenski, 1926; E. Mally, Erlebnis und Wirklichkeit. Einleitung zur Philosophie der Natürlichen Weltauffassung. Leipzig, J.

Klinkhardt 1935

17 E. Mally, Anfangsgründe der Philosophie. Leitfaden für den philosophischen Einführungsunterricht an höheren Schulen.

Wien-Leipzig, Hölder-Pichler-Tempsky, 1938, p. 28f.

18 E. Mally, Anfangsgründe der Philosophie. p. 22 19 E. Mally, Anfangsgründe, p. 31

Vgl. E. Mally, "Wesen und Dasein des Volkes.", in: Volksspiegel, Zeitschrift für deutsche Soziologie und Volkswissenschaft, 2. Jg. Heft 2

20 W. Sauer, "Akademischer Rassismus in Graz." in: Grenzfeste Deutscher Wissenschaft. Über Faschismus und Vergangen-heitsbewältigung an der Universität Graz. Hrsg. Steierische Gesellschaft für Kulturpolitik, 1985, p. 81 f.