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6WDWLVWLVFKH%HWUDFKWXQJ5HDNWLRQVNDQlOH

Um die Erklärung für die selektive Bildung des Epoxidkomplexes zu finden, ist es notwendig, die während der Reaktion herrschenden Bedingungen genauer zu betrachten. Die Co-Kondensation der beiden Edukte fand bei sehr niedrigen Drücken statt. Die mittlere freie Weglänge der Moleküle kann mit Gleichung [4.1] auf 2-3 cm geschätzt werden.

σ

Darin ist λ die mittlere freie Weglänge, Y steht für die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen, ] ist die Stoßzahl, N% ist die Boltzmann-Konstante, 7 ist die Temperatur (ca. 293 K), µ steht für die reduzierte Masse (bei je einem Molekül MnO3Cl und Tetramethylethylen ist µ 52.3⋅1.66056⋅10-27 kg), S ist der Druck, der im inneren des Teilchenstrahls auf 10-3 mbar = 10-1 N/m2 geschätzt wurde, und σ steht für den Stoßquerschnitt (hier wurde ein relativ großer Wert von 1 nm2 = 10-18 m2 angenommen; im Vergleich dazu beträgt σ für Benzol 0.88 nm2[86]). Da die gesamte gemeinsame Weglänge der Edukte von der Düse bis zum CsI-Fenster nur 2 cm betrug, konnte es zwischen den Molekülen bei einer mittleren freien Weglänge im Bereich von 2-3 cm statistisch nur zu 1-2 Stößen in der Gasphase kommen, bevor sie in der Argon-Matrix kondensierten. Die beiden Düsen, aus denen die Edukte

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ausströmten, waren parallel angeordnet. Daher muss man davon ausgehen, dass auch die Gasströme weitgehend parallel verliefen und somit der Großteil der Stöße ineffektiv war und zu keiner Reaktion führen konnte.

Wie beschrieben, wurde das Vorratsgefäß während der Matrixisolationsexperimente auf -65°C gekühlt. Dies führte möglicherweise dazu, dass die MnO3Cl-Moleküle bis zum Kondensationsprozess noch die dieser Temperatur entsprechende kinetische Energie innehatten. Vermutlich kam es daher erst während des Kondensationsprozesses auf dem CsI-Fenster zu den entscheidenden Stößen zwischen den Molekülen, die zur Produktbildung führten, obwohl die Edukte hier bereits einen Teil ihrer thermischen Energie verloren hatten.

Diese, zunächst paradox erscheinende Aussage, lässt sich wie folgt erklären: Nach dem Aufprall auf dem CsI-Fenster bleiben die Moleküle nicht sofort auf der Oberfläche hängen, sondern werden zunächst in die entgegengesetzte Richtung zurückgestossen. Erst dadurch ist es möglich, dass die verschiedenartigen Moleküle GLUHNW aufeinanderstoßen und nun trotz einer geringeren kinetischen Energie miteinander reagieren. Das bedeutet, dass die Aktivierungsenergie für die Reaktion sehr niedrig sein muss, vermutlich noch niedriger, als die in der vorliegenden Arbeit berechneten. Es muss betont werden, dass die hier berechneten Reaktionsenergien nicht den Anspruch erheben, absolute Energiedifferenzen exakt wiederzugeben. Von Bedeutung für diese Arbeit sind in erster Linie UHODWLYH Energiedifferenzen. Für ein mögliches Überschätzen der Aktivierungsenergien durch die Berechnungen kann es unterschiedliche Gründe geben. Zum einen kann dies mit möglichen Ungenauigkeiten der ausgewählten Methode bzw. des Basissatzes zusammen hängen (hier:

B3LYP/6-311G(d)). Würde man andere Funktionale bzw. Basissätze verwenden, erhielte man sicherlich geringfügig andere Energiedifferenzen, was jedoch nichts an der grundsätzlichen Aussage der Ergebnisse ändern würde. Eine weitere Fehlerquelle sind die für die Berechnung der thermodynamischen Größen verwendeten frei wählbaren Größen Temperatur und Druck.

Der Druck wurde auf 10-6 atm (≈10-3 mbar), die Temperatur auf 293.15 K (20°C), also jene der nicht gekühlten Teile der Matrixisolationsapparatur und der im Messraum herrschenden Temperatur, geschätzt. Da die Temperatur ja ein Maß für die mittlere kinetische Energie der Teilchen ist, und diese Teilchen wie beschrieben aus einem bei -65°C gekühlten Gefäß entstammten, fand die Reaktion möglicherweise bei einer anderen, tieferen Temperatur statt.

Die Verwendung einer tieferen Temperatur zur Berechnung der thermodynamischen Größen würde allerdings nichts an der relativen energetischen Lage der diversen Spezies zueinander

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− und genau GLHVH ist hier entscheidend – verändern. Es bleibt schließlich festzuhalten, dass die hier berechnete relative Lage der verschiedenen Cycloadditionsprodukte zueinander sicherlich ein der Realität entsprechendes Bild abgibt.

Um zu erklären, dass bei der Umsetzung von MnO3Cl mit Tetramethylethylen entstand, welches gegenüber dem [3+2]-Cycloadditionsprodukt thermodynamisch instabil ist, wurden die elektronischen Aktivierungsbarrieren berechnet, und mithilfe der Korrekturwerte, die aus der Frequenzrechnung resultierten, wurden schließlich die Freien Aktivierungsenthalpien ∆G erhalten. Auf diese Art und Weise angenäherte Freie Aktivierungsenthalpien ∆G stimmen aber nicht notwendigerweise mit den experimentell bestimmbaren übereinstimmen. Sämtliche hier angegebenen Werte für Aktivierungsenthalpien beziehen sich auf definierte zweidimensionale Reaktionsprofile, denn die oben abgebildeten intrinsischen Reaktionskoordinaten verlaufen entlang des Vektors einer imaginären Normalschwingung. Die reale Freie Aktivierungsenthalpie ∆G wird allerdings durch eine dreidimensionale Potentialhyperfläche bestimmt, wo zusätzliche, in den durchgeführten Berechnungen nicht berücksichtigte Entropieeffekte eine entscheidende Rolle spielen können. So kann es beispielsweise von Bedeutung sein, aus wie vielen Richtungen zwei Moleküle aufeinander prallen können, damit es zu einer Reaktion kommt. Im Folgenden werden daher die 5HDNWLRQVNDQlOH betrachtet, die zum Epoxidkomplex bzw. zum Glycolat 5 führen.

Zur Bildung von 5 kann es nur kommen, wenn sich das Olefin symmetrisch innerhalb einer Ebene einer MnO2-Einheit des MnO3Cl annähert. Die Einflugschneise für eine erfolgreiche [3+2]-Cycloadditions-Reaktion ist damit sehr eng. Das MnO3Cl-Molekül bietet mit seiner C3v -Symmetrie dem Olefin drei solcher Schneisen an. Diese sind in Abbildung 4.33 dargestellt.

Cl

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Wie wir aus der berechneten Reaktionskoordinaten für die Reaktion mit Ethylen wissen, ist die Reaktion, die zur Bildung des Epoxid-Komplexes führt, keine konzertierte Reaktion. Das Ethylen-Molekül greift eine Mn=O-Einheit unsymmetrisch an und es kommt zur Bildung eines radikalischen Intermediates. Die entscheidende Orbitalwechselwirkung für diese Reaktion ist eine vier-Elektronen/vier-Orbital-Wechselwirkung. Die Oxidation beinhaltet die Grenzorbitale (HOMO und LUMO) beider Eduktmoleküle. Das HOMO von MnO3Cl entspricht im wesentlichen einem freien Elektronenpaar am Sauerstoffatom.[178] Damit stellt der in Abbildung 4.33 dargestellte Übergangszustand nur HLQH Möglichkeit unter vielen dar, die zur Epoxidierung führen kann. Eine weitere wäre die, dass das Ethylen-Molekül von oben angreift.

In beiden Fällen kann entweder das eine oder das andere C-Atom angreifen. Zusätzlich ist während der Reaktion eine freie Rotation um die entstehende C−O-Bindung möglich.

Die Reaktionskanäle, die zur Bildung des Epoxid-Komplexes führen, sind somit viel breiter als diejenigen, die zum [3+2]-Cycloadditionsprodukt führen (siehe Abbildung 4.33). Zur Glycolat-Bildung kommt es vermutlich nur dann, wenn die Edukte frontal aufeinander prallen, während Epoxide auch bei einem weniger direkten Stoß gebildet werden sollten. Der Verlauf der Epoxidierung lässt sich mit dem sogenannten +DUSXQHQ0HFKDQLVPXV vergleichen.[86] Das Olefin-Molekül nähert sich dem MnO3Cl-Molekül, und wenn der Abstand genügend klein geworden ist, springt ein Elektron auf letzteres über. Wie an einer Harpune hängend bleibt das organische Radikal nun in der Nähe, und es kommt schließlich zur Ausbildung des Epoxids.

Der Harpunen-Mechanismus führt so zu einer Vergrößerung des reaktiven Wirkungsquerschnittes.

Abschließend lässt sich feststellen, dass die Epoxidierung gegenüber der Glycolat-Bildung VWDWLVWLVFK bevorzugt ist, was zumindest teilweise ein Grund für die selektive Bildung von sein muss.

Vergleicht man jetzt die Reaktivitäten von MnO3Cl und MnO4- miteinander, so stellt man fest, dass der Austausch von Cl- gegen O2- zum einen die relative Stabilität der Singulett- und Triplett-Zustände zueinander beeinflusst. Während für den Verlauf der Olefinoxidation mit MnO4- ausschließlich eine Reaktion auf der Singulett-Potentialhyperfläche in Betracht gezogen wird, haben die Reaktionsprodukte bei der Reaktion mit MnO3Cl einen Triplett-Grundzustand.

Des weiteren bringt der Austausch von Cl- gegen O2- eine negative Ladung in das System ein.

Diese führt dazu, dass die Epoxidierung von Ethylen mit MnO4-, wie Kontrollrechnungen mit

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der Methode B3LYP/6-311G(d) ergaben, endotherm verläuft, während die [3+2]-Cycloadditionsreaktion stark exotherm ist. Dieses Resultat bestätigt eindeutig das seit langer Zeit in der präparativen Chemie bekannte Produktspektrum dieses Reaktionstyps: es gibt keinerlei Hinweise, die auf epoxidierte Verbindungen hindeuten. Die negative Ladung scheint darüber hinaus zu einer höheren Aktivierungsbarriere zu führen, denn die Aktivierungsbarriere für die [3+2]-Cycloaddition von MnO4- und Ethylen ist (wie K. N. Houk und T. Strassner durch DFT-Rechnungen zeigen konnten[63]) mit 167 kJ/mol deutlich höher als die hier für entsprechende Reaktionen mit MnO3Cl gefundenen. Damit führt die negative Ladung von MnO4- zu einer kinetischen Reaktionskontrolle, wodurch bei Umsetzungen von diesem mit Olefinen die [3+2]-Cycloadditionsreaktion begünstigt wird.