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Wasserstoffbrückenbindungen

4.1 Wasserstoffbrücken in Polyolen

In dieser Arbeit werden stereoselektiv synthetisierte Polyole untersucht, die in Abbil-dung 4.5 dargestellt sind. Sie stellen ModellverbinAbbil-dungen mit bekannter Länge und Konformation für eindimensional wasserstoffverbrückte Systeme dar. Die Bezeichnung des Alkohols ist abhängig von der Hydroxylgruppenanzahl: Sind zwei OH-Gruppen im Molekül vorhanden, ist n = 1 und es wird als Diol bezeichnet. Ein Tetrol besitzt vier OH-Gruppen (n = 2) und ein Hexol sechs (n = 3). Die Syndiotaktizität des Kohlen-stoffgerüsts dient zur Stabilisierung der Polyolkonformation. Für den Syntheseweg, der auf einer Bor-vermittelten iterativen Aldolkondensation beruht, sind sowohl die in al-len Moleküal-len vorhandenen Etherfunktionen als auch der Benzylring notwendig (vgl.

Abschnitt 3.5.1).

Die all-syn-Konformation der Hydroxylgruppen ist schematisch in Abbildung 4.5 auf der linken Seite gezeigt. Die Hydroxylgruppen befinden sich in dieser Anordnung auf derselben Seite des Kohlenstoffrückgrats und können so über H-Brückenbindungen mit-einander in Wechselwirkung treten.

Auf der rechten Seite der Abbildung 4.5 ist die Struktur der anti-Polyole gezeigt, in der benachbarte Hydroxylgruppen auf entgegengesetzter Seite des Kohlenstoffrückgrats liegen. Damit wird ein größtmöglicher Abstand zwischen den OH-Gruppen realisiert.

Erkennbar anhand einer gegenüber derδ-Spezi blauverschobenen Absorption im transienten Spektrum bei Beobachtungszeiten größer als 5 ps.104

Die Methylgruppen stehen in der syndiotaktischen Anordnung in anti-Stellung zu ihren jeweils nächsten Methylgruppen. Diese Konformation wird aus sterischen Gründen (Abstoßung der raumbeanspruchen-den Methylgruppen) aufrechterhalten und bestimmt so die Anordnung der OH-Gruppen untereinander.

O

OH OH n O

OH OH n

Abbildung 4.5: Struktur der Polyole: all-syn-Konformation (links), all-anti-Konforma-tion (rechts) der Hydroxylgruppen

Neben der Stereochemie besteht scheinbar der Unterschied zwischen anti- und syn-Anordnung in der Möglichkeit H-Brückenbindungen auszubilden.

Für syn- und anti-Tetrol wurden von Vöhringer81 dichtefunktionaltheoretische Rech-nungen58 (DFT-Rechnungen) auf dem Niveau von RI-DFT unter Verwendung des TZVPP-Basissatzes und dem Becke-Perdew-Funktional87,88 (BP86) durchgeführt. Die Anwendung der sogenannten RI-Näherung116 für den Coulombterm der Elektronen-abstoßung verkürzt die Rechenzeit erheblich und wurde durch Verwendung des Hilfs-basissatzes TZV/J aus der TURBOMOL117-Bibliothek ermöglicht. Diese Rechnungen wurden mit dem von Neese entwickelten ORCA-Programmpaket118,119 durchgeführt und lieferten energieoptimierte Strukturen, die in den Abbildungen 4.6 und 4.7 gezeigt sind.

In Abbildung 4.6 ist ein ausgedehntes, nahezu lineares H-Brückennetzwerk des syn-Tetrols zu erkennen. Alle vier Hydroxylgruppen weisen in Richtung des Ethersauer-stoffs. Auch sind H-Brückenabstände (OH··O) und OHO-Winkel im syn-Tetrol nahezu identisch.

Die, in Abbildung 4.7 dargestellte, energieoptimierte Struktur von anti-Tetrol zeigt überraschenderweise ebenfalls eine Ausbildung von H-Brücken. OHO-Winkel und (OH··O)-Abstände variieren im anti-Tetrol. Die H-Brückenabstände im anti-Tetrol sind im Mittel größer als im syn-Tetrol. Das heißt, im anti-Tetrol liegt kein ausgedehntes H-Brückennetzwerk wie im syn-Tetrol vor, sondern es treten nur schwache H-Brücken zwischen benachbarten OH-Gruppen auf.

Aus DFT-Rechnungen werden Schwingungsfrequenzen der optimierten Strukturen er-halten. Nach Neugebauer et al. ist ein Korrekturfaktor von 1.005 zu verwenden, um die Anharmonizität der Schwingungen zu berücksichtigen.120 Für syn-Tetrol sind

In-Abbildung 4.6: Mit DFT-Rechnungen optimierte Struktur des syn-Tetrols: Auf- und Seitenansicht sowie Bindungsparameter des H-Brückennetzwerks

Abbildung 4.7: Mit DFT-Rechnungen optimierte Struktur des anti-Tetrols: Auf- und Seitenansicht sowie Bindungsparameter des H-Brückennetzwerks

Intensität/w.E.

Frequenz / 103cm-1 syn-Tetrol

anti-Tetrol

Abbildung 4.8: Berechnete Schwingungsspektren von syn- und anti-Tetrol in der Gas-phase; Histogramm: Anzahl der Häufigkeit einer Frequenz; schwarzes Spektrum: Faltung des Histogramms mit einer Lorentzfunktion mit ei-ner Halbwertsbreite von 20 cm1.

tensitäten der Schwingungsfrequenzen als Histogramm in Abbildung 4.8 blau und für anti-Tetrol rot dargestellt. Berechnete Schwingungsspektren sind schwarz dargestellt und werden durch Faltung des Histogramms mit einem Lorentzprofil mit einer Halb-wertsbreite von 20 cm1 erhalten. Die Schwingungsspektren können grundsätzlich in drei Bereiche unterteilt werden:

• Zwischen 3300 und 3600 cm1 liegen OH-Streckschwingungen,

• zwischen 2700 und 3200 cm1 sind CH-Streckschwingungen zu finden,

• zwischen 1250 und 1700 cm1 absorbieren CH- und OH-Biegeschwingungen sowie CC-Streckschwingungen.

Die im Folgenden diskutierten Experimente und Ergebnisse beziehen sich auf den Be-reich der OH-Streckschwingung, da dieser indirekt Auskunft über Wasserstoffbrücken-bindungen gibt (vgl. Abschnitt 2.1).

In den berechneten Histogrammen von syn- und anti-Tetrol, gezeigt in Abbildung 4.8, finden sich vier verschiedene OH-Streckschwingungen. Im syn-Tetrol besitzt die Schwin-gung mit der kleinsten Frequenz die größte Intensität. Entsprechend ähnlichen Abstände und Winkel im syn-Molekül liegen alle vier Streckschwingungen im Vergleich zum anti-Tetrol relativ nah beieinander.

Die DFT-Rechnungen ergeben vier Normalmoden für Schwingungen der OH-Gruppen im syn-Tetrol, die bei 3404 cm1, 3459 cm1, 3488 cm1 und 3494 cm1 liegen.17 Die Normalmoden setzen sich aus Linearkombinationen der vier einzelnen OH-Streck-schwingungen zusammen und sind in Abbildung 4.9 dargestellt. Bei allen Normalmoden sind die Wasserstoffe der Hydroxyle zum Ethersauerstoff hin ausgerichtet.

Die kleinste Schwingungsfrequenz gehört zu einer Normalmode, in der alle OH-Gruppen in Phase schwingen. Sie ist gleichzeitig die Mode mit der größten Intensität im berech-neten Schwingungsspektrum. Die energiereichste Mode, die gleichzeitig die geringste Intensität im Schwingunsspektrum besitzt, liegt bei 3494 cm1. In dieser Mode schwin-gen alle OH-Gruppen geschwin-genphasig und bilden somit drei Knotenpunkte. Entsprechend besitzt die Normalmode bei 3459 cm1 einen und die bei 3488 cm1 zwei Knoten.

Die Schwingungsanalyse des anti-Tetrols liefert vier OH-Streckschwingungen, die im Vergleich zum syn-Diastereomer erhöhten Lokalmodencharakter besitzen. Ihre

Frequen-3404 cm-1 (++++)

3459 cm-1 (++--) 3494 cm-1 (-+-+) 3488 cm-1 (-++-)

Abbildung 4.9: Berechnete Normalmoden des syn-Tetrols in der Gasphase.

zen hängen von der Position der OH-Gruppe im Molekül ab. Die Schwingung mit einer Frequenz von 3550 cm1 gehört zu der OH-Gruppe, die ein Wasserstoffatom in die H-Brücke zum Ethersauerstoff einbringt. Die dazu benachbarte OH-Gruppe schwingt mit einer Frequenz von 3469 cm1. Die beiden verbleibenden OH-Oszillatoren besitzen Schwingungsfrequenzen von 3379 und 3442 cm1, die als phasengleiche und gegenpha-sige Streckschwingung beider OH-Gruppen betrachtet werden können.