3.3 Modell des Zylinders
3.3.1 W¨ arme¨ ubergangskoeffizient
Die Verwendung des Newtonschen Ansatzes zur Beschreibung des Wandw¨armestroms (siehe Gl. 3.6) impliziert bereits, dass der W¨arme¨ubergangsmechanismus im
Wesent-lichen durch erzwungene Konvektion erfolgt. Die W¨arme¨ubertragungsmechanismen Strahlung und Leitung sind gegen¨uber der erzwungenen Konvektion in der Regel gering, weshalb diese bei den ¨ublicherweise verwendeten Ans¨atzen vernachl¨assigt werden.
Auf Basis der ¨Ahnlichkeitstheorie l¨asst sich das Ph¨anomen W¨arme¨ubergang unter Ver-wendung der folgenden dimensionslosen Kenngr¨oßen beschreiben. Die Nusseltzahl
N u=α·L λc
(3.16)
als dimensionsloser W¨arme¨ubergangskoeffizient charakterisiert die Temperaturgrenz-schicht. Entsprechend beschreibt die Reynoldszahl
Re=w·L·ρ
ηv (3.17)
das Verh¨altnis aus Tr¨agheitskraft zu Reibungskraft und charakterisiert die Str¨ omungs-grenzschicht. Die Prandtlzahl
P r=νv
a =ηv·cp
λc (3.18)
stellt das Verh¨altnis zwischen dem Produkt aus dynamischer Viskosit¨atηvund spezi-fischer isobarer W¨armekapazit¨atcpzur W¨armeleitf¨ahigkeitλcdar und beschreibt die Wechselwirkungen zwischen der thermischen Grenzschicht und der Str¨ omungsgrenz-schicht [55]. F¨ur Gase kann die PrandtlzahlP rim relevanten Temperaturbereich in guter N¨aherung als konstant angenommen werden, sodass unter Verwendung des all-gemeinen Produktansatzes
N u=c·Rem·P rn (3.19)
f¨ur den W¨arme¨ubergangskoeffizientenαfolgender Ansatz formuliert werden kann [7]:
α=c′·λc·Lm−1· w·ρ
ηv
m
(3.20)
Die ¨ublicherweise verwendeten Gleichungsans¨atze nach Woschni [64], [65],
Hohen-berg [27] sowie Bargende [6] st¨utzen sich auf diesen, unterscheiden sich jedoch in der In-terpretation der charakteristischen L¨angeL, der w¨arme¨ubergangsrelevanten Geschwin-digkeitw, der Berechnung der W¨armeleitf¨ahigkeitλcund dynamischen Viskosit¨atηv
sowie der Wahl der Konstantenc′.
Um den Wandw¨armestrom ¨uber den Hochdruckprozess hinweg zu bestimmen, wird im Rahmen dieser Arbeit der von Bargende vorgeschlagene Ansatz
αi=c·VZ−0.073·Tm,i−0.477·(w·pZ)0.78·∆ (3.21)
mit
c= 27970· (1.15·r+ 2.02)
(2.57·r+ 3.55)0.78 ≈253.5
verwendet. Die charakteristische L¨ange wird als Durchmesserdeiner Kugel interpre-tiert, deren Volumen dem momentanen ZylindervolumenVZentspricht:
dm−1∼VZ−0.073 (3.22)
Die w¨arme¨ubergangsrelevante Temperatur wird als arithmetisches Mittel aus Massen-mittel- und Wandtemperatur
Tm,i=TZ+TW,i
2 (3.23)
interpretiert. Dies erscheint plausibel, da der W¨arme¨ubergang zwischen Gas und Wand innerhalb der thermischen Grenzschicht erfolgt. Sowohl die Transportkoeffizientenηv
undλcals auch die Dichteρwerden unter Ber¨ucksichtigung dieser mittleren Tempe-ratur bestimmt. Die w¨arme¨ubergangsrelevante Geschwindigkeitww¨ahrend des Hoch-druckprozesses wird in Anlehnung an Poulos und Heywood [47] unter Formulierung eines globalenk−ǫTurbulenzmodells als geometrisches Mittel der momentanen tur-bulenten Geschwindigkeitskomponente
ct=p
2/3·k (3.24)
und der momentanen Kolbengeschwindigkeit
ck=dVZ
dϕ ·
AKolben· dt dϕ
−1
(3.25)
interpretiert:
w=
"
c2t+ 1
2·ck
2#0.5
(3.26)
Die Differentialgleichung zur Berechnung der spezifischen kinetischen Energie im Brennraum
dk dt =
−2 3· k
VZ·dVZ dt −ǫDiss
L ·k1.5 + ǫQuetsch
L ·kQuetsch1.5 ϕ>ZOT
ES≤ϕ≤A ¨O
(3.27)
ber¨ucksichtigt die Dichte¨anderung w¨ahrend der Kompression, die Dissipation der spe-zifischen kinetischen Energieksowie den Einfluss der Quetschstr¨omung auf die Tur-bulenz. Die Modellkonstanten wurden von Bargende empirisch ermittelt und sind An-hang A.2 zu entnehmen. Die charakteristische Wirbell¨ange
L= 6·VZ
π 1/3
(3.28)
entspricht dem Durchmesser eines dem Zylindervolumen gleichen Kugelvolumens.
Die spezifische kinetische Energie der Quetschstr¨omung
kQuetsch=w2Quetsch
2 = 1
18·
"
wr·
1 +dM ulde
dZ
+wa·
dM ulde
dZ
2#2
(3.29)
wird unter Verwendung der radialen Geschwindigkeitskomponente
wr=dV
dt · VM ulde
VZ·(VZ−VM ulde)·d2Z−d2M ulde 4·dM ulde
(3.30)
sowie der axialen Komponente
wa=dVZ
dt ·sM ulde
VZ
(3.31)
bestimmt. Zu diesem Zweck wird eine topff¨ormige Mulde mit dem DurchmesserdM ulde, dem VolumenVM uldeund der MuldentiefesM uldedefiniert, welche in guter N¨aherung den realen Verh¨altnissen entspricht [6]. Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt ha-ben, erfolgt das Einstr¨omen des Gases vor ZOT im Gegensatz zum Ausstr¨omen aus der Mulde in den Quetschspalt nach ZOT relativ gerichtet, sodass die Quetschstr¨omung lediglich nach ZOT ber¨ucksichtigt wird [6]. Der Startwert der spezifischen kinetischen Energie bei Einlass schließt
kES=1 8·
"
cm·d2Z·λL
nEV ·dEV ·hEV ·sin (π/4)
#2
(3.32)
h¨angt im wesentlichen von der in den Zylinder einstr¨omenden Luft ab und wird in An-lehnung an Noske [44] unter Verwendung der mittleren Kolbengeschwindigkeitcm, der ZylinderbohrungdZ, des auf den Zustand vor den Ventilen bezogenen LiefergradsλL sowie der Anzahl nEV, des Durchmessers dEV und des maximalen Hubs hEV der Einlassventile berechnet.
Der Einfluss der Verbrennung auf den W¨arme¨ubergang wird in Abh¨angigkeit der Tem-peraturen im Unverbrannten TU V und VerbranntenTV sowie des normierten Sum-menbrennverlaufsX durch den Verbrennungsterm
∆ =
X·Tv
TZ·Tv−TW,i
TZ−TW,i
+ (1−X)·Tuv
Tz ·Tuv−TW,i
TZ−TW,i
2
(3.33)
beschrieben. Erfolgt die Berechnung der innermotorischen Vorg¨ange einzonig, so wird keine Aufteilung in eine verbrannte und unverbrannte Zone vorgenommen. Von Bar-gende [6] wird f¨ur diesen Fall vorgeschlagen, die Temperatur im Unverbrannten unter Annahme einer polytropen Verdichtung
Tuv=TZ,V B· pZ
pZ,V B
(n−1)/n
(3.34)
zu bestimmen und auf Basis dieser die Temperatur im Verbrannten
Tv= 1
X ·TZ+X−1
X ·Tuv (3.35)
zu berechnen, siehe Abb.3.5.
Kurbelwinkelϕ[◦KW nOT]
TemperaturT[K]
v
T Tuv
Tv
-90 -60 -30 0 30 60 90 120
400 800 1200 1600 2000 2400
Abbildung 3.5: Temperatur im Unverbrannten und Verbrannten berechnet nach Gl. 3.34 bzw. Gl. 3.35 (n= 2000 1/min,pmi= 13.15bar)
Gerade bei niedrigen Einspritzdr¨ucken und den f¨ur hohe Leistungsdichten erforderli-chen großen hydrauliserforderli-chen Durchfl¨ussen stellt die Luftbewegung einen wichtigen Faktor der Gemischbildung dar. Die Einlasskan¨ale von Dieselmotoren werden daher h¨aufig als Drallkan¨ale gestaltet, die eine Rotation der Gasmasse um die Zylinderachse erzwingen.
Da der Gleichungsansatz nach Bargende die ¨Anderung der spezifischen kinetischen Energiekaufgrund dieser Drallstr¨omung bisher nicht ber¨ucksichtigt, wird das Turbu-lenzmodell in Anlehnung an Koˇzuch [33] um den Produktionsterm
dkDrall
dt =ǫDrall·k1.5Drall
L (3.36)
erweitert. V¨ollig analog ließe sich der Beitrag der Drallstr¨omung zur turbulenten kineti-schen Energiekauch dem Startwert bei Einlass schließt zuschlagen [18]. Die spezifische
kinetische Energie der Drallstr¨omung
kDrall=1 2·
cu
ca ·cm
2
(3.37)
wird in Abh¨angigkeit der Drallzahl cu/ca sowie der mittleren Kolbengeschwindig-keit cm bestimmt. Es wird angenommen, dass der Beitrag der Drallstr¨omung im gefeuerten Motor dem des geschleppten Motors entspricht. F¨ur die Drallzahl cu/ca
wird die nach Tippelmann mit Hilfe eines Messgleichrichters ermittelte integrale Drall-zahlDrzU Tim unteren Totpunkt eingesetzt. Wie Abb. 3.6 zeigt, kann diese in guter N¨aherung in Abh¨angigkeit der Stellung ϕDrall des Drallniveauklappenstellers abge-sch¨atzt werden.
ϕDrall
DrzUT
offen geschlossen
gesch¨atzt gemessen
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 2.5
3 3.5 4 4.5 5 5.5
Abbildung 3.6: Integrale DrallzahlDrzU Tim unteren Totpunkt nach Tippelmann
Um die Konstanten desk−ǫTurbulenzmodells zu bestimmen, werden die mit Hilfe von Gl. 3.27 und Gl. 3.36 ermittelten Verl¨aufe der spezifischen kinetischen Energiekmit Ergebnissen der bei der Daimler AG durchgef¨uhrten 3D-CFD Rechnung abgeglichen, siehe Abb. 3.7.
n=1200 1/min
ϕ[◦KW nOT] k[m2/s2]
n=2000 1/min
ϕ[◦KW nOT] k[m2/s2]
Bargende CFD-Rechnung Bargende modifiziert
n=3800 1/min
ϕ[◦KW nOT] k[m2/s2]
n=4000 1/min
ϕ[◦KW nOT] k[m2/s2]
-90 -60 -30 0 30 60 90 -90 -60 -30 0 30 60 90
-90 -60 -30 0 30 60 90 -90 -60 -30 0 30 60 90
0 25 50 75 100 125 150 175 200
0 25 50 75 100 125 150 175 200
0 2550 75 100 125 150 175 200
0 25 50
75 100 125 150 175 200
Abbildung 3.7: Verl¨aufe der spezifischen kinetischen Energiekbei verschiedenen Drehzahlenn
Zur Berechnung der spezifischen kinetischen Energie im Zylinder bei Einlass schließt kES wird Gl. 3.32 in Anlehnung an Grill [22] um einen ParameterCkerweitert, der ebenfalls anhand der Simulationsergebnisse abgestimmt wurde:
kES=Ck·1 8·
"
cm·d2Z·λL
nEV ·dEV ·hEV ·sin (π/4)
#2
(3.38)
Die so ermittelten Parameter sind dem Anhang (Tab. A.2) zu entnehmen. Die Plau-sibilit¨at des Gleichungsansatzes, respektive des modifiziertenk−ǫTurbulenzmodells, wird anhand der Bilanzsumme
Bilanz= QB,max
mB·Hu·100 (3.39)
¨uberpr¨uft. Diese liegt f¨ur Drehzahlen gr¨oßern=2000 1/minzwischen 98 % und 102 %, f¨allt jedoch zu kleineren Drehzahlennhin ab. Auch die Druckverlaufsanalyse des ge-schleppten Motors zeigt, dass der W¨arme¨ubergangskoeffizientαzu kleineren Drehzah-lennhin zu niedrig berechnet wird. Dieses Ph¨anomen tritt sowohl bei der Verwendung des modifizierten Turbulenzmodells als auch bei der Verwendung des Turbulenzmodells in seiner urspr¨unglichen Form auf. Die Modifikation tr¨agt jedoch in weiten Teilberei-chen des Kennfelds zu einer wesentliTeilberei-chen Verbesserung der Bilanzsumme bei. Der zeitli-che Verlauf der spezifiszeitli-chen kinetiszeitli-chen Energiekerscheint ¨uber s¨amtliche Drehzahlen hinweg plausibel. Abb. 3.8 zeigt exemplarisch die Auswirkungen der Modifikationen auf den Brennverlauf dQB/dϕ, bzw. den W¨arme¨ubergangskoeffizienten α bei einer Drehzahlnvon 2000 1/minund einem indizierten Mitteldruckpmivon 13.15bar.
ϕ[◦KW nOT] dQB/dϕ[J/◦KW]
ϕ[◦KW nOT] α[W/m2/K]
Bargende
Bargende modifiziert
-90 -60 -30 0 30 60 90 120 -90 -60 -30 0 30 60 90 120 0
1000 2000 3000 4000
0 10 20 30 40
50 60 70 80 90
Abbildung 3.8: Einfluss der Modifikationen auf den W¨arme¨ ubergangskoeffizien-tenαbzw. auf den BrennverlaufdQB/dϕ(n = 2000 1/min, pmi= 13.15bar)
F¨ur den Ladungswechsel wird auf den Gleichungsansatz nach Woschni [65] zur¨ uckge-griffen:
α=c0·d−0.2Z ·TZ−0.53·p0.8Z ·w0.8 (3.40)
Als charakteristische L¨ange wird die Zylinderbohrung dZ gew¨ahlt. Die w¨arme¨
uber-gangsrelevante Geschwindigkeit
w=c1·cm+ ∆ (3.41)
wird in Abh¨angigkeit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, der drallabh¨angigen Konstantec1sowie des Verbrenungsterms
∆ =c2· Vh·TES
pES·VES · pZ−pSchlepp
(3.42)
bestimmt. Die w¨arme¨ubergangsrelevante Temperatur wird als Massenmitteltempera-tur
TZ= pZ·VZ
mZ·R (3.43)
interpretiert. Der Koeffizientc1wird im Rahmen dieser Arbeit unter Ber¨ucksichtigung der Modifikation nach Gerstle [21] berechnet, da diese die besten Ergebnisse lieferte.
Bis zum ¨Offnen des Einlassventils wird der von Woschni f¨ur den Hochdruckprozess ermittelte Wert f¨ur die Konstante
c1= 2.28 + 0.308·cu
cm
(3.44)
verwendet und bei ge¨offnetem Einlassventil um den Faktora0 multiplikativ angeho-ben:
c1=a0·
2.28 + 0.308·cu
cm
(3.45)
Die Umfangsgeschwindigkeitcu=dF l·π·nF lwird mit der auf dem station¨aren Durch-flusspr¨ufstand bestimmten DrehzahlnF leines Fl¨ugelradanemometers vom Durchmes-ser 0.7·dZbestimmt [65]. Die gemessene mittlere axiale Str¨omungsgeschwindigkeitca
wird der mittleren Kolbengeschwindigkeitcmgleichgesetzt [41].