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3 Entwicklung des Versuchsplans

3.6 Die abhängige Variable: Informationssuche

3.6.4 Voruntersuchung Zwei: Laien- und Expertenbefragung

Es waren zwei Durchführungen der Voruntersuchung Zwei notwendig für die eindeutige Zuordnung der Fragen als konsistent oder relativierend in Bezug auf ein Prinzip der

Verteilungsgerechtigkeit, bzw. als irrelevant für ein Gerechtigkeitsurteil. Zunächst wird hier die Laienbefragung vorgestellt und die Schwierigkeit, die auftraten, dargelegt. Im Anschluss wird die ExpertInnenbefragung beschrieben, die schließlich die Zuordnung der Fragen

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3.6.4.1 Laienbefragung

Sind Fragen auch nach dem Verständnis von Versuchspersonen eindeutig zu klassifizieren, ob sie ausschließlich zu einem Gerechtigkeitsprinzip gehören oder zu einem anderen? Zur Beantwortung dieser Frage sollten Versuchspersonen die Relevanz von Fragen beurteilen, wenn es darum geht, eine Verteilung nur nach einem bestimmten Prinzip vorzunehmen.

Die Aufgabe war, für jede einzelne Frage zu beurteilen, wie relevant es ist, sie zu stellen, wenn Geld nach einem vorgegebenen Prinzip verteilt werden muss. Je nach Bedingung wurde entweder das Leistungsprinzip oder das Bedürftigkeitsprinzip vorgegeben und erläutert. Es wurde darauf hingewiesen, dass es nicht um das eigene subjektive Gerechtigkeitsempfinden ging, sondern ausschließlich um Verteilung nach dem vorgegebenen Prinzip. Die Relevanz der Fragen sollte auf einer 6-stufigen Likertskala eingeschätzt werden (von 0 = „überhaupt nicht relevant“ bis 5 = „sehr relevant“).

Es gab zwei Listen à 36 Fragen. Die Fragenlisten sind – wie schon erläutert – für die Hauptuntersuchung auf den jeweiligen Kontext (Firma, Wohnheim) abgestimmt. In der Instruktion wurde die Aufgabe der Versuchspersonen in Bezug auf den Kontext, zu dem die Fragen gehörten, konkretisiert. Bei der Hälfte der Befragten ging es um die Verteilung von Geld in einer Firma (erwerbsorientierter Kontext), bei der anderen Hälfte in einem sozialen Wohnheim (fürsorgeorientierten Kontext). Der Kontext sollte jedoch keinen Einfluss auf die Einschätzung der Relevanz der Fragen haben.

Jede Liste enthielt 12 Bedürftigkeitsitems, 12 Leistungsitems und 12 irrelevante Items. Es wurde erwartet, dass nur wenige Fragen für beide Prinzipien als relevant eingeschätzt werden würden. Fragen, die Überlappung der Beurteilung zeigen, müssten ausgeschlossen werden.

Fragen, die für die Anwendung eines Prinzips entworfen wurden und für dieses, aber nicht für das andere als relevant eingeschätzt werden, sind konsistente Fragen. Relativierende Fragen sind Fragen, die zu dem anderen Gerechtigkeitsprinzip konsistent sind. Irrelevante Fragen sollten bei keinem Gerechtigkeitsprinzip als relevant eingeschätzt werden.

Die Fragenlisten wurden 18 freiwilligen Versuchspersonen vorgelegt, die sich zufällig an einem Junitag 2003 in einem Trierer Park aufhielten.

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Die Ergebnisse wurden auf deskriptiver Ebene betrachtet. Es wurden arithmetische Mittel, Minima, Maxima und Standardabweichungen getrennt für jede Frage unter jeder Bedingung betrachtet. Es wurde erwartet, dass die Mittelwerte hoch sein würden bei Fragen, die der Bedingung entsprechen: Fragen, die sich darauf beziehen, wie viel jemand in wiefern geleistet hat, sollen unter der Bedingung als relevant eingeschätzt werden, dass eine Verteilung nach dem Leistungsprinzip vorzunehmen ist. Andererseits soll der Mittelwert niedrig sein, wenn die Frage nicht der Bedingung entspricht. Irrelevante Fragen sollen in allen Bedingungen niedrige Mittelwerte aufweisen. Die Standardabweichungen sollten überall möglichst gering sein. Von Minima und Maxima wurde erwartet, dass sie für ein Item in dieselbe Richtung weisen (0 bis 2 in Richtung irrelevant, 3 bis 5 in Richtung relevant). So sollte die Übereinstimmung der Versuchspersonen festgestellt werden. Bei nur einer

abweichenden Beurteilung sollte ein Item allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Eine inferenzstatistische Auswertung schien nicht notwendig oder hilfreich, vor allem da die Kontextbedingungen nicht als zwei Ausprägungen eines Faktors vergleichbar sind, weil die Fragen kontextspezifisch formuliert sind.

Bereits die unmittelbaren Reaktionen der Versuchspersonen beim Ausfüllen der Fragebögen wiesen auf Schwierigkeiten der Voruntersuchung hin. Nachfragen und wiederholtes Lesen der Instruktionen zeigten, dass die Aufgabe schwierig zu verstehen war. Die

Versuchspersonen nahmen es als problematisch wahr, ihr eigenes Gerechtigkeitsempfinden beiseite zu lassen. Zum Beispiel wurde gesagt: „Ich akzeptiere das Antezedens nicht“ oder einfach „Das ist aber nicht gerecht.“ Die irrelevanten Fragen wurden als störend empfunden („Das hat nichts mit der Verteilung zu tun“). Es wurde der Versuchsleiterin sogar geraten, die Untersuchung noch einmal zu überarbeiten.

Die quantitativen Ergebnisse zeigen schließlich Abhängigkeit der eingeschätzten Relevanz vom Kontext: Im Erwerbskontext bewerten die Vpn durchgängig Leistungsitems auch in der Bedürftigkeitsbedingung als relevant. Im fürsorgeorientierten Kontext wiederum werden auch in der Leistungsbedingung Bedürftigkeitsitems als relevant eingestuft. Dies legt die

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Die Ergebnisse der Laienbefragung scheinen nun insofern nutzbar, als dass es innerhalb der Gruppen von Leistungs- und Bedürftigkeitsitems Unterschiede der Bewertung gibt. So zeigt zum Beispiel ein Item („Sind die Mitbewohnerinnen besser ausgebildet als Frau Kobes?“), das als Leistungsitem im fürsorgeorientierten Kontext konstruiert war, eine höhere

Bewertung in der Bedürftigkeitsbedingung als in der Leistungsbedingung. Da die

Versuchspersonen im fürsorgeorientierten Kontext sonst generell keine Probleme zeigten, das Leistungsprinzip auszublenden, wenn Geld nach dem Bedürftigkeitsprinzip verteilt wurde, legt dieses spezielle Ergebnis einen Ausschluss des Items nahe. Ein weiteres Beispiel ist ein als zum Bedürftigkeitsprinzip gehörig konstruiertes Item („Sind viele KollegInnen

Alleinstehende im Gegensatz zu Herrn Kobes?“), das jedoch in beiden Bedingungen als irrelevant bewertet wurde. Items mit derartigen Unstimmigkeiten werden umformuliert oder ersetzt.

3.6.4.2 Befragung von Experten und Expertinnen

Die Voruntersuchung wurde also wiederholt, wobei dieses Mal ausschließlich Psychologiestudierende aus höheren Semestern befragt wurden, die alle mit der

Gerechtigkeitspsychologie vertraut sind. Insofern handelt es sich um eine Befragung von Experten und Expertinnen.

Fragestellung und Erwartungen sowie deskriptive Auswertung der Ergebnisse wurden beibehalten. Die Aufgabe und das Material blieben – bis auf die bereits ausgetauschten oder umformulierten Items – die gleichen. Die Instruktionen wurde ergänzt um einen Hinweis auf den Status als Experte oder Expertin und die Erläuterung, dass es um eine inhaltliche

Zuordnung ginge und keine Meinungsumfrage sei. Außerdem wurde jeder Person aus ökonomischen Gründen sowohl die Items des Erwerbskontexts wie die des

fürsorgeorientierten Kontexts vorgelegt, so dass jede Person 2 x 36 Fragen in ihrer Relevanz für ein vorgegebenes Prinzip zu beurteilen hatte. Acht Expertinnen und Experten wurden befragt. Die Erwartungen bestätigten sich bei der Mehrzahl der Items. Die Schwierigkeiten der Laienbefragung traten nicht auf.

Zehn Fragen wurden aufgrund der Ergebnisse umformuliert oder gänzlich ersetzt. Außerdem wurden zusätzlich 24 neue Fragen formuliert als Reaktion auf die Befürchtung, dass durch zu kurze Fragenlisten in der Hauptuntersuchung Deckeneffekte auftreten könnten, wenn alle

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Versuchspersonen alle Fragen wählen. Zur eindeutigen Zuordnung dieser Fragen zu einem Gerechtigkeitsprinzip wurden noch einmal sechs Experten und Expertinnen befragt. Hier bestätigten sich die Erwartungen für alle Items, so dass die Voruntersuchung erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Eine Auswahl der in der Hauptuntersuchung verwendeten Fragen mit ihren Ergebnissen der Expertenbefragung findet sich im Anhang 4.

3.6.5 Berechnung der abhängigen Variable und ihr Zusammenhang