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Vorsorgliche Massnahme und aufschiebende Wirkung

Im Dokument Urteil vom 30. September 2021 (Seite 59-64)

IV. Prüfungsvoraussetzungen

3) Vorsorgliche Massnahme und aufschiebende Wirkung

181. Das Verhältnis zwischen der Anordnung von vorsorglichen Mass-nahmen und der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist kom-plex (Kiener, AMS-VwVG, Art. 56 Rn. 3). Denn je nach Sachverhaltskons-tellation treffen unterschiedliche Anträge verschiedener Parteien sowie unterschiedliche Gegenstände und Inhalte der Verfügung aufeinander.

Daraus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Sachverhaltskonstellatio-nen.

182. Soweit – wie im vorliegenden Fall – die Anordnung von vorsorgli-chen Massnahmen und der Entzug der aufschiebenden Wirkung Gegen-stand eines Beschwerdeverfahrens sind und sowohl ein Antrag auf Wie-derherstellung der aufschiebenden Wirkung als auch ein Antrag auf Auf-hebung der vorsorglichen Massnahme von den Verfügungsadressaten gestellt werden, sind folgende Aspekte zu beachten.

183. Grundsätzlich ist es formal möglich, zusammen mit einem Be-schwerdeantrag auf Aufhebung der angeordneten vorsorglichen Mass-nahme auch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen, weshalb in einem solchen Beschwerdeverfahren dann sowohl über diesen Antrag als auch über die vorsorgliche Massnahme zu entscheiden wäre.

184. Allerdings bedarf es nicht zwangsläufig auch getrennter Entscheide über die Anordnung der vorsorglichen Massnahme und über die Wieder-herstellung der aufschiebenden Wirkung.

185. Weil nämlich die Beurteilungskriterien für beide Entscheide iden-tisch sind, ist es zum einen inhaltlich grundsätzlich ausgeschlossen, ei-nerseits die Anforderungen der Dringlichkeit und Erforderlichkeit einer vorsorglichen Massnahme und damit die Notwendigkeit zu deren unmit-telbarer Vornahme und Durchsetzung vor Abschluss eines behördlichen Untersuchungsverfahrens zu bejahen und deswegen die vorsorgliche Massnahme gutzuheissen, und andererseits die Aussetzung und damit die fehlende Notwendigkeit einer unmittelbaren Vornahme und Durchset-zung der angeordneten Massnahme zumindest bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens während eines behördlichen Untersuchungsver-fahrens ebenfalls zu bejahen und deswegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde festzustellen.

186. Zum anderen würde in formaler Hinsicht mit einer vorgängigen Ent-scheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zwangsläufig auch bereits eine Entscheidung über die Anordnung der vorsorglichen Massnahme getroffen werden, weil die Beurteilungskriterien für beide Entscheidungen identisch sind. Solange eine Entscheidung über die Rechtmässigkeit einer Anordnung der vorsorglichen Massnahme auf-grund der notwendigen Abklärungen im Einzelfall aber nicht vorgenom-men werden kann, ist devorgenom-mentsprechend auch eine vorgängige Entschei-dung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ausge-schlossen. Aus diesem Grund hat die Entscheidung über die Wiederher-stellung der aufschiebenden Wirkung der Entscheidung über die Anord-nung der vorsorglichen Massnahme grundsätzlich nachzufolgen.

187. Dieser inhaltliche und formale Zusammenhang wird auch durch ei-ne weitere Überlegung bestätigt: Wenn eiei-ne vorsorgliche Massnahme durch eine Behörde rechtmässig angeordnet wurde, dann sind die not-wendigen Voraussetzungen zu Gunsten einer vorläufigen Durchsetzung

des öffentlich geschützten Interesses einschliesslich der Dringlichkeit, der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit der Massnahme gegeben. Da die Voraussetzungen über die Aussetzung der aufschiebenden Wirkung iden-tisch sind, kann sich infolgedessen kein positives Ergebnis zu Gunsten einer vorläufigen Durchsetzung des entgegenstehenden privaten Unter-nehmensinteresses einstellen. Die rechtmässige Anordnung einer vor-sorglichen Massnahme setzt deshalb grundsätzlich voraus, dass auch die Aufhebung der aufschiebenden Wirkung verfügt wird (BGer, 2A.142/2003, Cablecom, E. 3.2, Kiener, AMS-VwVG, Art. 56 Rn. 13). Andernfalls könnte der Zweck der vorsorglichen Massnahme von vornherein unterlaufen und damit nicht erfüllt werden, weil die aufschiebende Wirkung der Dringlich-keit und ErforderlichDringlich-keit der Massnahme entgegensteht. Demzufolge kann umgekehrt auch einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschie-benden Wirkung zum vorläufigen Schutz des entgegenstehenden priva-ten Unternehmensinteresses vor einer summarischen Prüfung der Rechtmässigkeit der vorsorglichen Massnahme nicht stattgegeben wer-den.

188. Eine andere rechtliche Einschätzung ergibt sich immer dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die eine Differenzierung in einer Weise erfordern oder ermöglichen, dass spezifische Gründe eine sofortige Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bis zu einem Entscheid der Rechtsmittelinstanz über die Anordnung der vorsorglichen Massnahme rechtfertigen, selbst wenn letzterer deren Rechtmässigkeit bestätigen sollte. Dies gilt etwa für den Fall stetig ansteigender Gefähr-dungslagen, bei denen die Dringlichkeit der vorsorglichen Massnahme jedenfalls bis zum Abschluss einer notwendigen Abklärung der konkreten Sachverhaltskonstellation eingetreten sein wird, während deren Vorliegen zum Zeitpunkt der Verfügung und der Beschwerde aber noch unsicher sein mag. Derartige Gründe müssen sich allerdings gegenüber den sons-tigen Aspekten, die im öffentlichen Sicherstellungs- und Erhaltungsinte-resse oder im privaten VerwirklichungsinteErhaltungsinte-resse jeweils für oder gegen eine unmittelbare Vornahme und Durchsetzung der vorsorglichen Mass-nahme sprechen, abheben und sie sind als solche auch zu bezeichnen und zu behandeln.

189. Ein entsprechender Anwendungsfall ist vorliegend nicht gegeben.

Weder sind für das Gericht Anhaltspunkte für die sachliche Möglichkeit einer solchen Differenzierung ersichtlich noch hat die Beschwerdeführerin entsprechende substantiierte Gründe für eine solche Differenzierung vor-getragen.

190. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederherstellung der auf-schiebenden Wirkung ist somit nicht begründet, weshalb vorab nicht über ihn zu entscheiden war. Mit dem vorliegenden Urteil zur vorsorglichen Massnahme ist er zudem gegenstandslos geworden und als gegen-standslos geworden abzuschreiben.

191. Aus diesem Grund ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, es liege ein Verstoss gegen die Rechtsweggarantie vor, weil das Gericht trotz der «eindeutigen Rechtslage» zu Gunsten von Swisscom nicht un-verzüglich einen Entscheid zumindest über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung getroffen habe, unbegründet.

192. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des tatsächli-chen prozessualen Verhaltens der Beschwerdeführerin, das durch mehr-fache Änderungen des Beschwerdeinhalts und ein ständiges Vortragen von neuen Tatsachenbehauptungen gekennzeichnet ist.

193. Nachdem die Beschwerdeführerin noch in ihrer Beschwerde vom 13. Januar 2021 die von der Vorinstanz propagierte Farbentbündelung als völlig untaugliche Alternative gegeisselt hatte, reichte sie am 24. März 2021 – einen Tag vor der Instruktions- und Vergleichsverhandlung – einen Schriftsatz ein, mit dem sie nunmehr die Möglichkeit einer Umsetzung der Farbentbündelung einräumte und hierfür mit C-ALO ein Produkt entwarf, welches auf der Farbentbündelung basiert. Darüber hinaus hat Swisscom dieses Produkt auch auf dem Markt eingeführt, ungeachtet dessen, dass an der Instruktions- und Vergleichsverhandlung von allen Parteien über-einstimmend festgestellt worden war, dass die Farbentbündelung jeden-falls zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht massenmarkttauglich sei. Auch der Umstand, dass das Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und die Vorinstanz im Rahmen des Hauptverfahrens erst noch über die rechtliche Zulässigkeit der Farbentbündelung als Alternative zum Glasfa-serstandard zu entscheiden hatte, spielte dabei offensichtlich keine Rolle.

194. Einen Monat später am 29. April 2021 informierte die Beschwerde-führerin das Gericht, dass Swisscom am gleichen Tag eine Glasfaser-partnerschaft mit Salt öffentlich bekannt gegeben habe. Darüber hinaus machte sie geltend, dass mit dieser Glasfaserpartnerschaft für die ande-ren Fernmeldeunternehmen nunmehr eine Zugangsmöglichkeit vorhan-den sei, welche die Bedingungen eines Layer 1-Zugangs erfülle, weshalb schon deshalb die vorsorgliche Massnahme aufzuheben sei. Die umfang-reiche Dokumentation zur Glasfaserpartnerschaft wurde von ihr aber

nicht bei Gericht, sondern lediglich mit Schreiben vom 14. Mai 2021 bei der Vorinstanz eingereicht, welche diese Unterlagen dann wiederum am 18. Mai 2021 an das Gericht weitergeleitet hat. Selbstredend musste der Vorinstanz auch ausreichend Gelegenheit eingeräumt werden, zu dieser Entwicklung inhaltlich Stellung nehmen zu können. Im Übrigen lancierte Swisscom auch mit der Glasfaserpartnerschaft ein Produkt am Markt, über dessen Zulässigkeit erst das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz-verfahren und die Vorinstanz im HauptRechtsschutz-verfahren zu entscheiden hat.

195. Nachdem die Beschwerdeführerin das Verlangen der Vorinstanz nach konkreten Kostenberechnungen unter Hinweis auf die Notwendig-keit der blossen Glaubhaftmachung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst mit dem Hinweis auf entsprechend überrissene Anforderungen vehement abgelehnt hatte, wurden von ihr in den weiteren Rechtsschriften diverse Erläuterungen zum Beleg der Unverhältnismäs-sigkeit der anfallenden Kosten einschliesslich einer Darlegung der ge-samten Mehrkosten eingereicht. Mit Schriftsatz vom 3. August 2021 wur-de von wur-der Beschwerwur-deführerin schliesslich sogar eine komplett neue Be-rechnung für die Ermittlung des gesamten Mehraufwands eingereicht, welche sich mit einem Minderbetrag von 24% deutlich von der vorgängig vorgelegten Berechnung unterscheidet.

196. Die Beschwerdeführerin hat fünf Schriftsätze mit insgesamt 135 Seiten im vorliegenden Verfahren und bislang zwei Schriftsätze mit insgesamt 40 Seiten im Parallelverfahren mit wechselseitiger Bezugnah-me auf die jeweiligen Inhalte eingereicht. Dabei waren die Schriftsätze im Gegensatz zu diesem Urteil eng beschrieben und wiesen umfangreiche Beilagen auf. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerde-führerin im Hinblick auf die Zeitdauer rügt, dass trotz der Dringlichkeit ein mehrfacher Schriftenwechsel durchgeführt worden sei. Denn das Gericht hat weder die Beschwerdeführerin noch die Vorinstanz zur Einreichung von weiteren umfangreichen Schriftsätzen aufgefordert.

197. Mit jedem Schriftsatz hat die Beschwerdeführerin zudem neue As-pekte für die Beurteilung der Angelegenheit und Einwände gegen die an-gefochtene Verfügung vorgebracht. Insgesamt wurden über 100 Einwän-de gegen die angefochtene Verfügung geltend gemacht. Ungeachtet ei-nes Entscheids im Rahmen eiei-nes summarischen Verfahrens musste je-der dieser Einwände angesichts je-der von je-der Beschwerdeführerin ange-führten immensen Bedeutung und des enormen Schadenspotentials für Swisscom und die gesamte schweizerische Volkswirtschaft behandelt

werden. Die hierfür notwendigen Abklärungen und Würdigungen wurden dabei ganz wesentlich erschwert durch die mehrfache Widersprüchlich-keit der vorgetragenen Behauptungen.

198. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass von Seiten der Beschwerdeführerin zum einen regelmässig formelle Mängel gerügt wer-den, wenn ein vorgebrachter Aspekt nicht im Sinne der Beschwerdeführe-rin beurteilt wird, und zum anderen ausdrücklich die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen angekündigt wurde. Daher bedurfte es trotz der grundsätzlich nur summarischen Prüfungsdichte sowohl mit Bezug auf die Bedeutung der Angelegenheit als auch im Hinblick auf allfällige Rechtsmittel- und Staatshaftungsverfahren grösster Sorgfalt bei der Aus-arbeitung der Begründung dieses Urteils.

199. Vor dem Hintergrund eines derartigen Prozessverhaltens ist die Zeitdauer für den Erlass dieses Urteils auch im Rahmen eines summari-schen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu beanstan-den, weil die Beschwerdeführerin selbst einräumt, dass vorliegend eine Komplexität technischer und ökonomischer Zusammenhänge gegeben und eine Beantwortung schwieriger und zum Teil präjudizieller Rechtsfra-gen vorzunehmen ist.

200. Angesichts aller vorstehend dargelegten Aspekte können auch die von der Beschwerdeführerin mehrfach vorgetragenen Hinweise auf die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen einschliesslich der hier-zu ausdrücklich erklärten Vorbehalte hinsichtlich sämtlicher Rechte keine andere Einschätzung der Rechtslage herbeiführen.

Im Dokument Urteil vom 30. September 2021 (Seite 59-64)