• Keine Ergebnisse gefunden

Vorhersagestrategie des Fahrkontextes

Ad-Hoc local danger warning

1 Frequency regulation

5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und zeitlich verteilter Beobachtungenräumlich und zeitlich verteilter Beobachtungen

5.3.1 Vorhersagestrategie des Fahrkontextes

Wie in Kapitel 2 erläutert, ist es das Ziel, den Fahrer zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen (Kontext-) Information zu versorgen. Informationen, die für den Fahrer

keine Relevanz besitzen, müssen folglich nicht zwingend in guter Qualität vorliegen.

Eine prädiktive Inferenz der zukünftigen Fahrsituation bedingt also keine kontinu-ierliche Auswertung aller der Anwendung zur Verfügung stehenden Beobachtungen.

Die Notwendigkeit richtet sich vielmehr nach den individuellen Informationsstrategien der entsprechenden Anwendung. Anders ausgedrückt müssen die jeweiligen Kontext-aspekte lediglich dann prognostiziert werden, wenn es die Fahrerinformationsstrategie der Anwendung erfordert. So haben beispielsweise Analysen zum optimalen Warnzeit-punkt vor möglichen Gefahrenstellen ergeben, dass eine zu frühe Information nahezu wirkungslos ist, da sie vom Fahrer schnell wieder vergessen wird (siehe beispielsweise [NRR+02]). Eine zu späte Warnung wirkt sich andererseits nachteilig auf das Fahrge-schehen aus.

Generell lässt sich feststellen, dass Kontextinformationen, die eine unmittelbare Ak-tion des Systems bzw. des Fahrers auslösen sollen, wie beispielsweise schlechte Wetter-bedingungen, Unfallstellen oder ähnliches, in der Regel lediglich einige Sekunden vor Eintreten der Situation bekannt sein müssen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die aktuelle Ausprägung dieser Aspekte lediglich für Positionen prädiziert werden muss, die das Fahrzeug in wenigen Sekunden erreichen wird. Der notwendige Vorhersagehorizont beschränkt sich daher in diesen Fällen auf einige wenige hundert Meter vor der ak-tuellen Fahrzeugposition, abhängig von der akak-tuellen Geschwindigkeit. Dabei müssen jedoch mögliche unterschiedliche Fahrtrouten berücksichtigt werden. Die Anzahl der möglichen Fahrtrouten und damit die Anzahl der notwendigen Prädiktionsorte sind aber aufgrund des kurzen Vorhersagehorizonts sehr begrenzt.

Eine weitergreifende Vorhersage ist typischerweise lediglich für eine verkehrsadapti-ve Navigation nötig, da in diesem Fall der Zeitpunkt der resultierenden Handlungsent-scheidung unter Umständen sehr früh sein kann, um rechtzeitig auf eine entsprechend bessere Route ausweichen zu können. Eine verkehrsadaptive Navigation erfordert aber andererseits, dass das Fahrtziel und die Fahrtroute bekannt ist. Hierdurch können wie-derum die notwendigen Prädiktionsorte stark eingeschränkt werden.

Es ist daher ausreichend, Kontextaspekte lediglich dann auszuwerten, wenn

• eine oder mehrere Beobachtungen dieses Kontextaspektes, oder Beobachtungen von kausal abhängigen Aspekten, auf den aktuell möglichen Fahrtrouten in der Nähe des aktuellen Aufenthaltsortes existieren, oder

• eine oder mehrere Beobachtungen dieses Kontextaspektes, oder Beobachtun-gen von kausal abhängiBeobachtun-gen Aspekten, in der Umgebung der aktuell möglichen Fahrtrouten existieren und diese eine räumliche Ausdehnung aufweisen. Dies betrit typischerweise kritische Wetterbedingungen wie Starkregen oder Nebel.

In diesem Fall ist es zweckmäÿig, die Auswertung für frei gewählte Orte auf den möglichen Fahrtrouten in der Nähe der aktuellen Fahrzeugposition zu wäh-len. Da nicht zu erwarten ist, dass sich in der unmittelbaren Umgebung des prädizierten Ortes die Ausprägung dieser Kontextaspekte signikant ändert, ist es ausreichend, diese Prädiktion in regelmäÿigen Abständen mit entsprechend angepassten Prädiktionsorten zyklisch zu wiederholen. Eine kontinuierliche Be-rechnung für alle möglichen Orte auf den Fahrtrouten ist also nicht notwendig.

Verfügt das Fahrzeug über keine digitale Karte kann als Ausweichstrategie auch eine Extrapolation der Fahrzeugposition auf Basis der aktuellen Geschwindigkeit und Fahrtrichtung dienen.

Kapitel 5 5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und

zeitlich verteilter Beobachtungen 5.3.2 Abbildung räumlicher Zusammenhänge in Bayesschen Netze

Relative räumliche kausale Zusammenhänge können nicht per se mit Bayesschen Netzen abgebildet werden. Jede Hypothese des Netzes bezieht sich letztlich auf eine feste Posi-tion und einen x denierten Zeitpunkt im Modellraum. Eine kontinuierliche lückenlose Abdeckung des Modellraums durch Einzelhypothesen hinsichtlich der relevanten Kon-textaspekte führt zu einer unendlichen Anzahl an Hypothesen und ist daher in dieser Weise nicht möglich. Allerdings ist dies in der Praxis auch nicht notwendig. Entschei-dend für die Wirksamkeit der prädiktiven Situationseinschätzung ist wie beschrieben lediglich der Bereich in dem sich das Fahrzeug in (naher) Zukunft aufhalten wird. Statt des gesamten Modellraums muss also nur ein räumlich und zeitlich begrenzter, diskret aufgelöster, und daher niter Ausschnitt des Modellraums betrachtet werden. Zudem ist keine kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsverteilung erforderlich. Eine diskrete Be-rechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten im Verlauf der wahrscheinlichen zukünftigen Fahrtrouten ist aus pragmatischen Gesichtspunkten ausreichend. Die Auswertung der relevanten Hypothesen kann folglich im Hinblick auf wenige diskrete Positionen auf den möglichen zukünftigen Fahrtrouten erfolgen.

Wie eben beschrieben müssen für bestimmte Orte auf den wahrscheinlichen Fahrt-routen räumlich abhängige Hypothesen auch dann ausgewertet werden, wenn im räum-lichen (und zeiträum-lichen) Wirkbereich dieser Hypothesen entsprechende Beobachtungen desselben oder kausal korrelierter Kontextaspekte bekannt sind. Abbildung 5.10 zeigt beispielhaft die mögliche räumliche Beeinussung von Beobachtungen auf die Hypothe-se an einem ausgewählten Ort auf der eigenen möglichen Fahrtroute, für die Hypothe-selbst keine weitere Beobachtung vorliegt. Auf der wahrscheinlichen Fahrtroute des abgebildeten

Abbildung 5.10: Räumlicher Einuss von Beobachtungen

Fahrzeugs (im Beispiel geradeaus Richtung Norden) existieren keine vorangegangenen Beobachtungen anderer Fahrzeuge. Jedoch liegen dem Fahrzeug vier Beobachtungen hinsichtlich einer Sichteinschränkung aufgrund starken Nebels vor, die alle auf anderen Straÿenabschnitten beobachtet wurden. Aufgrund der möglichen räumlichen Ausdeh-nung ist es trotzdem wahrscheinlicher, dass auch auf der eigenen Route eine Sichtein-schränkung zu erwarten ist, die dem Fahrer im Vorfeld signalisiert werden sollte. Der konkrete Einuss hängt dabei von der relativen räumlichen und zeitlichen Lage der

Beobachtungen zueinander ab. Dabei repräsentiert der schraerte Kreis im Beispiel den vom Fahrzeug gewählten Auswerteort der Hypothese hinsichtlich des Grades der Sichteinschränkung.

Eine enge zeitliche Korrelation angenommen, erhöhen die beiden weiÿ dargestellten Beobachtungen die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Sichteinschränkung auf der Fahrt-route deutlich mehr, als die beiden schwarz dargestellten. Erstere deuten aufgrund ihrer gegenseitigen Lage im Vergleich zur eigenen Fahrtroute eher darauf hin, dass auch auf der Fahrtroute Nebel herrscht. Letztere hingegen enthalten mehr Unsicherheit über das Auftreten der Sichtbehinderung. Insbesondere erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Sichteinschränkung lediglich auf das Areal links des Fahrzeugs beschränkt.

Zwar erhöht sich oensichtlich die Eintrittswahrscheinlichkeit auf der eigenen Fahrt-route aufgrund der räumlichen Nähe noch immer, im Vergleich mit den weiÿ markierten Beobachtungen fällt dieser Eekt jedoch geringer aus.

Die unterschiedliche Einussnahme aufgrund unterschiedlicher Distanz und Lage erfordert eine weitere Strukturierung des Bayesschen Netzes. Eine mögliche weitere räumlich korrelierte Strukturierung des Netzes, die es ermöglicht, auch die relative räumliche Lage von Beobachtungen und Hypothesen mit zu berücksichtigen, ist in Ab-bildung 5.11 dargestellt. Dabei werden diskretisierte Beobachtungen aus

unterschiedli-Abbildung 5.11: Räumliche Strukturierung eines Bayesschen Netzes zur Modellierung räum-lichen Einusses zwischen Beobachtungen und Hypothesen

chen Richtungen und mit unterschiedlicher Entfernung einer vorgegebenen Hypothese mit dedizierten relativen Orten assoziiert. Im Beispiel werden acht Einussrichtungen angenommen, sowie drei unterschiedliche Einussdistanzen. Existierende Beobachtun-gen anderer Fahrzeuge werden anhand ihrer geographischen Position einem der resultie-renden 24 kreisförmig angeordneten Hypothesenorte zugeordnet. Auf diese Weise kann näherungsweise der Einuss der relativen Lage und Distanz von entfernten Hypothesen

Kapitel 5 5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und

zeitlich verteilter Beobachtungen

mittels Bayesscher Netze abgebildet werden. Nachteilig wirkt sich hingegen die signi-kant höhere Komplexität des resultierenden Bayesschen Netzes aus, das entsprechend um Faktor 24 an Gröÿe zunimmt. Zusammen mit der aufgrund zeitlicher Wirkzusam-menhänge notwendigen zusätzlichen zeitlichen Entfaltung sind die resultierenden Netze aufgrund ihrer Gröÿe praktisch nicht mehr einsetzbar, da sich die Komplexität noch-mals um den Faktor der eingesetzten Zeitscheiben vergröÿert (siehe Abbildung 5.12).

Räumliche Einussfaktoren, insbesondere die relative Distanz oder Lage zweier

Beob-BN

Zeitscheibe 3 BN

Zeitscheibe 1 BN

Zeitscheibe 2

Netzwerkknoten mit Evidenz (Beobachtung) Netzwerkknoten

Abbildung 5.12: Zeitliche Entfaltung Bayesscher Netze

achtungen sowie die Form und Bewegung eines Gefahrenpotenzials, können mit Hilfe Bayesscher Netze also nur unzureichend abgebildet werden. Gerade räumliche Einüs-se sind zudem wie im Beispiel von Nebel gegenEinüs-seitiger Natur, das heiÿt zwei räumlich und zeitlich nahe zusammenliegende Nebelbeobachtungen stützen sich gegenseitig in ihrer Hypothese. Bayessche Netze bilden jedoch lediglich einen gerichteten einseitigen kausalen Zusammenhang ab. Eine gegenseitige Beeinussung würde unmittelbar zu ei-nem unerlaubten Zyklus führen (siehe Abbildung 5.13). Um dies zu vermeiden kann

Netzwerkknoten mit Evidenz (Beobachtung) Netzwerkknoten

Zyklus!

Zyklus!

Abbildung 5.13: Zyklenbildung bei Abbildung eines gegenseitigen räumlichen Einusses zwi-schen Beobachtungen und Hypothesen

entweder lediglich eine Wirkrichtung technisch abgebildet werden. Da der Satz von Bayes auch Rückschlüsse von der Konsequenz zur Antezedenz zulässt, ist dies vor dem Hintergrund empirisch gewonnener Zusammenhänge zulässig, wobei sinniger Weise vor-handene Beobachtungen räumlich korrelierte Hypothesen bedingen, für die noch keine Evidenz vorliegt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine zusätzliche künstliche Hypothese einzuführen, die von beiden Beobachtungen gleichermaÿen beeinusst wird.

Liegen die verfügbaren Beobachtungen nicht auf den möglichen Fahrtrouten, so ist dies nach obigen Überlegungen jedoch ohnehin notwendig.

5.3.3 Das Konzept der Wahrscheinlichkeitsgebirge: Abbildung räumlich-zeitlicher Einussfaktoren

Aufgrund der aufgezeigten Nachteile bei der Modellierung räumlicher und zeitlicher Zusammenhänge durch Bayessche Netze ist ein unmittelbarer Einsatz wie er eben be-schrieben wurde im Automobil praktisch nicht realisierbar. Eine einfache Möglichkeit zur angemessenen Abbildung der räumlichen und zeitlichen Einüsse eines Kontextas-pektes ist darüber hinaus, die verfügbaren Beobachtungen zu inter- bzw. extrapolieren.

Ausgehend von den verfügbaren Beobachtungen anderer Fahrzeuge, sowie den eigenen Beobachtungen an der aktuellen Fahrzeugposition, kann so in Abhängigkeit der jewei-ligen räumlichen Entfernung zum Beobachtungsort, sowie der seit dem Zeitpunkt der Beobachtung vergangenen Zeit, für jeden beliebigen Ort des Modellraums ein gewich-teter interpolierter Wert des beschriebenen Kontextaspektes berechnet werden. Dabei wird die übliche räumliche Interpolation in gleicher Weise um eine zeitliche Dimen-sion erweitert. Die räumlich und zeitlich verteilten verfügbaren Beobachtungen des

y Intensität

x

Abbildung 5.14: Räumliches Wahrscheinlichkeitsgebirge

gleichen Kontextaspektes der anderen Fahrzeuge bilden bildlich gesprochen einen Ge-birgszug über dem Modellraum (siehe Abbildung 5.14). Das abgebildete Beispiel zeigt exemplarisch (aus Darstellungsgründen ohne Berücksichtigung des zeitlichen Aspekts) Beobachtungen hinsichtlich der Existenz von Regen. Die verteilten Beobachtungsorte werden durch die Balken symbolisiert, wobei die Höhe der Balken mit der an dieser Stel-le beobachteten Regenintensität korreliert. Hierbei wird auch die aktuelStel-le Beobachtung

Kapitel 5 5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und

zeitlich verteilter Beobachtungen

dieses Kontextaspekts am eigenen Aufenthaltsort mit einbezogen. Diese Beobachtun-gen haben einen räumlichen und zeitlichen Einuss auf das angrenzende Gebiet. Der konkrete Einuss variiert dabei entsprechend der spezischen Charakteristika des Kon-textaspekts und bemisst sich neben der räumlichen und zeitlichen Distanz zudem auf Basis der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Vertrauens in die Richtigkeit der Beob-achtung. Entscheidend für den räumlichen und zeitlichen Einuss ist dabei nicht die beobachtete Intensität des Kontextaspekts, sondern vielmehr die Qualität der Beob-achtung. Eine Beobachtung, die aktuell 4 Liter Regen pro Quadratmeter pro Stunde, mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 80% zusichert, sollte demzufolge beispiels-weise stärker in das interpolierte Schlieÿergebnis eingehen als eine Beobachtung, deren Beobachtungsort in etwa gleich weit entfernt ist, jedoch lediglich mit 10%iger Eintritts-wahrscheinlichkeit zusichert, dass dort aktuell 1 Liter Niederschlag pro Quadratmeter pro Stunde aufritt.

Dabei wirkt das Vertrauen in eine Beobachtung als zusätzlicher Hebel. Das Ver-trauen spiegelt unter anderem die Anzahl und Qualität der einer Beobachtung zu-grunde liegenden Sensorsysteme wider. Ein weiterer Faktor, der das Vertrauen in die Beobachtungen anderer Fahrzeuge beeinusst, kann zudem deren Reputation sein (eine weiterführende Beschreibung des Einsatzes von Reputationsverfahren in automobilen Ad-hoc Netzen ndet sich beispielsweise in [Mag04]). So ist es beispielsweise mög-lich, Beobachtungen unterschiedlicher Fahrzeugklassen oder -hersteller, oder externer Informationsanbieter, unterschiedliches Gewicht im Schlieÿverfahren zu gewähren. Be-reits extern verizierte Informationen können so privilegiert in den Schlieÿprozess mit einbezogen werden. Beispielsweise besitzen manuell von autorisierten Einsatzkräften verbreitete Beobachtungen in der Regel uneingeschränktes Vertrauen.

Aus diesem Grund ist es nicht möglich, eine einfache Interpolation zwischen den jeweils nächstgelegenen Beobachtungsorten durchzuführen. Zudem kann nicht ausge-schlossen werden, dass an einem Ort widersprüchliche Aussagen hinsichtlich eines Kon-textaspektes existieren, welche zwar gleiches Vertrauen und gleiche Wahrscheinlichkeit aufweisen, jedoch eine unterschiedliche Ausprägung. Dies führt zu vergleichsweise stei-len Flanken, die das Interpolationsergebnis bei widersprüchlichen Beobachtungen ein-seitig negativ beeinussen. Statt einer klassischen Interpolation soll daher, ähnlich der sogenannten Multi Attribute Utility Theory (MAUT) [KM02, Kra03] eine gewichtete Durchschnittssumme sowohl zur Berechnung der erwarteten Ausprägung eines Kon-textaspektes an einer beliebigen Position im Modellraum, als auch der zu erwartenden resultierenden Eintrittswahrscheinlichkeit dienen.

Bezeichne daher wiederum wie in Abschnitt 3.1.2

• X¯jdie Menge der verfügbaren Beobachtungen des Kontextaspektesxj,

• ¯xij∈X¯jeine Beobachtung des Kontextaspektesxj∈Xb,

• ˆxij den Parameterwert der Beobachtung x¯ij mit der höchsten Eintrittswahr-scheinlichkeit, sowie

• pxˆ

i j

∆δ die Eintrittswahrscheinlichkeit der wahrscheinlichsten Ausprägungxˆij von xjauf Basis der Beobachtungx¯ij.

Bezeichne ferner

• rel(¯xij)das Vertrauen in die Richtigkeit einer Beobachtung,

• distxAj :R+→[0,1]die aspektspezische Abbildung des Einusses der räumli-chen Distanz auf die Aussagekraft der Beobachtung,

• distxTj :R+ →[0,1]die aspektspezische Abbildung des Einusses des Beob-achtungsalters (zeitliche Distanz) auf die Aussagekraft der Beobachtung,

• ∆pos(¯xij)die (logische) räumliche Distanz des Beobachtungsortes vonx¯ij zum Auswerteort,

• ∆time(¯xij)das Alter der Beobachtungx¯ij,

• inf(¯xij)die konsolidierte Aussagekraft einer Beobachtung, sowie

• ˆ˜xjdie erwartete wahrscheinlichste Ausprägung des interpolierten Kontextaspek-tesxj.

Die erwartete wahrscheinlichste Ausprägungxˆ˜j des interpolierten Kontextaspektesxj

an einem beliebigen OrtP oIdes Modellraums berechnet sich entsprechend dieser Über-legungen, sowie unter Berücksichtigung der Vorüberlegungen aus Abschnitt 3.1.2, durch das normalisierte gewichtete Produkt der konsolidierten Aussagekraft aller verfügbaren Beobachtungenx¯ij∈X¯j. Es gilt somit:

ˆ˜

xj= 1

X

¯ xijX¯j

inf(¯xij)

· X

¯ xijX¯j

inf(¯xij)·xˆij, mit

inf(¯xij) =rel(¯xij)·pxˆ

i j

∆δ·distxAj(∆pos(¯xij))·distxTj(∆time(¯xij)).

Dabei können sowohl Beobachtungen statischer als auch dynamischer Kontextaspekte in gleicher einheitlicher Weise miteinander verrechnet werden. Bei statischen Kontext-aspekten, wie beispielsweise einer gemeldeten und später von anderen Fahrzeugen be-stätigten Unfallstelle, kann angenommen werden, dass keine räumliche Distanz vorliegt.

Eine entsprechende Vorverarbeitung der Beobachtungsorte, die aufgrund von Messun-genauigkeiten etwas voneinander abweichen, wird durch die gewichtete Mittelwertbil-dung automatisch ausgeglichen. Es muss jedoch weiterhin sicher gestellt werden, dass keine eigentlich unabhängigen Ereignisse wie beispielsweise zwei unterschiedliche Un-fallstellen miteinander verrechnet werden. Gleiches gilt für sich bewegende Kontextas-pekte wie beispielsweise sich sehr langsam bewegende Fahrzeuge auf Autobahnen (z.B.

Schwertransporter). Hier unterstützt die zusätzliche zeitliche Gewichtung die Bewe-gungstendenz, wobei ohne gezielte Vorverarbeitung die resultierende wahrscheinlichste Position immer etwas hinter der tatsächlichen Position nachläuft, da ältere Beobach-tungen zu einer geringen verfälschenden Ausmittelung des aktuellsten Beobachtungs-orts führen. Diejenigen Beobachtungen, deren Einuss beispielsweise aufgrund einer zu groÿen räumlichen Distanz unter praktischen Gesichtspunkten keinen Einuss auf das

Kapitel 5 5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und

zeitlich verteilter Beobachtungen

Ergebnis haben, können dabei unberücksichtigt bleiben. Die beiden Gewichtungsfunk-tionendistxAj und distxTj spezizieren den kontextaspektspezischen räumlichen und zeitlichen Einuss.

Dieser kann prinzipiell einen beliebigen, jedoch üblicherweise stetigen, Funktions-verlauf aufweisen. In den in Abschnitt 5.6 beschrieben Simulationen haben sich sowohl lineare als auch sigmoidale Funktionstypen als vielversprechend erwiesen, wie diese beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Betrachtung der Entwicklung des In-formationsnutzens von Kosch [Kos04a] bereits beschrieben wurden (siehe hierzu auch die Erläuterungen hinsichtlich der Nutzendierenzierung in Abschnitt 6.3.2). Dabei sei angemerkt, dass die räumliche Distanz nicht zwingend der Euklidischen Distanz im Mo-dellraum entspricht. Vielmehr kann die räumliche Distanz auch auf Basis einer logischen Geometrie berechnet werden, die beispielsweise verschiedene Fahrspuren oder bauliche Maÿnahmen zur Fahrtrichtungstrennung mit berücksichtigt. Ein Unfall auf einer Auto-bahn hat beispielsweise keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Gegenverkehr. Die logische räumliche Distanz lässt sich hier auf Basis der minimalen Fahrtstrecke bis zur Unfallstelle bemessen. Für Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn, oder Fahrzeuge, die die Unfallstelle bereits passiert haben, entspricht diese Distanz der Distanz bis zur näch-sten Umkehrmöglichkeit und zurück. Sie ist daher deutlich gröÿer als die Euklidische Distanz. Bei wetterbedingten Kontextaspekten wie Starkregen gilt dies oensichtlich nicht. Da die mögliche räumliche Ausdehnung unabhängig vom Straÿenverlauf ist, be-misst sich die räumliche Wirkung folglich anhand der Euklidischen Distanz.

Schwieriger gestaltet sich indes die weitere Einschätzung der Eintrittswahrschein-lichkeit px∆δˆ˜j dieser wahrscheinlichsten Ausprägungˆ˜xj. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich unabhängige ähnliche Beobachtungen gegenseitig stützen. Umgekehrt sinkt jedoch die Eintrittswahrscheinlichkeit, falls sich widersprechende Beobachtungen vorlie-gen. Zur Quantizierung der Eintrittswahrscheinlichkeit muss daher auf gleicher Basis zudem auch ein Maÿ für die Widersprüchlichkeit der Beobachtungen mit berücksich-tigt werden. Je gröÿer dabei die Widersprüchlichkeit der Beobachtungen ausfällt, desto geringer ist die resultierende Eintrittswahrscheinlichkeit des interpolierten Kontextas-pektes. Eine naheliegende Metrik aus der Statistik ist in diesem Zusammenhang die Varianz, welche die Streuung einer Zufallsvariable quantiziert. Dies ist in sehr ähnli-cher Form für die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit übertragbar, wobei dem Erwartungswert in diesem Falle oensichtlich genauxˆ˜jentspricht. Auch hier gilt, dass die Aussagekraft einer Beobachtung mit zunehmender Distanz und zunehmendem Al-ter geringer wird. Daher muss auch eine mögliche Abweichung alAl-ter und weit entfernAl-ter Beobachtungen entsprechend abgeschwächt in das Varianzmaÿ einbezogen werden.

Die maÿgebliche Varianz hängt dabei neben der Streuung der Beobachtungen auch von der Anzahl der unabhängigen Beobachtungen und dem höchsten Vertrauen in ei-ne Einzelbeobachtung ab. Je mehr Beobachtungen vorliegen, desto wahrscheinlicher liegt die reale Ausprägung tatsächlich zwischen den vorliegenden Beobachtungswerten.

In ähnlicher Weise erhöht sich die Aussagekraft auch in Abhängigkeit der maxima-len Aussagekraft einer der zugrunde liegenden Beobachtungen. Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, wird die Varianz in Abhängigkeit dieser beiden Faktoren konso-lidiert. Bezeichne

• |X¯j|die Anzahl der verfügbaren Beobachtungen des Kontextaspektesxj,

• infXmax¯

j die maximale konsolidierte Aussagekraft einer Beobachtungx¯ijdes

Kon-textaspektesxj,

• σ2¯

Xj die gewichtete Varianz der |X¯j|Beobachtungen des Kontextaspektes xj, sowie

• conxj :N+×[0; 1]→R+ eine aspektspezische Konsolidierung der Varianz auf Basis der Anzahl der Beobachtungen, sowie der maximalen konsolidierten Aus-sagekraft der Beobachtungen. Typischerweise weist eine derartige Konsolidie-rung die Formconxj(|X¯j|, infmax¯

Xj ) =|X¯a

j|· b

infmax¯ Xj

−b

!

auf. Die Parameter aundbcharakterisieren dabei die aspektspezische asymptotische Näherung in Abhängigkeit der Anzahl an Beobachtungen (a) sowie der maximalen konsoli-dierten Aussagekraft (b). Abbildung 5.15 zeigt einen exemplarischen Kurvenver-lauf der Varianzkonsolidierung. Da die Anzahl der Beobachtungen ganzzahlig ist, ergibt sich in dieser Dimension implizit ein diskreter Charakter. Unter der Annahme einer weiteren angemessenen Diskretisierung der zweiten Dimension kann die Funktion im Hinblick auf die Ressourcenbeschränkung eingebetteter Fahrzeugsysteme über einfache Tabellenabgleiche erfolgen. Die Zahl der Tabel-len entspricht dabei der maximal zu erwartenden bzw. maximal hilfreichen Zahl der Beobachtungen.

0 0.2

0.4 0.6

0.8 1 0

5 10

15 20 0

0.5 1 1.5 2 2.5 3

Anzahl Beobachtungen Maximale Aussagekraft

Konsolidierungsfaktor

Abbildung 5.15: Aspektspezische Konsolidierung der Varianz auf Basis der Anzahl der Be-obachtungen, sowie der maximalen konsolidierten Aussagekraft der Beobachtungen Dann gilt:

σ2X¯j =conxj

|X¯j|, infXmax¯

j

· 0 B@ X

¯ xijX¯j

ˆ xij−xˆ˜ij

2

·inf(¯xij) 1 CA.

Kapitel 5 5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis räumlich und

zeitlich verteilter Beobachtungen

Unter der Annahme einer Normalverteilung fehlerhafter Beobachtungen ergibt sich auf Basis der Beobachtungsvarianz schlieÿlich ein Maÿ für die Eintrittswahrscheinlichkeit der gemittelten erwarteten Ausprägung des Kontextaspektes. Analog der in Abschnitt 3.1.2 erläuterten Wahrscheinlichkeit pxˆ

i j

∆δ dafür, dass der beobachtete Wert ˆxj nicht weiter als eine denierte Distanz∆δvom realen Parameterwert abweicht, ergibt sich für die Wahrscheinlichkeitpx∆δˆ˜j des gewichteten Mittelwertsxˆ˜j:

px∆δˆ˜j = Z xˆ˜j+∆δ

ˆ˜ xj−∆δ

N ˆ˜ xj, σX2¯

j

= Z xˆ˜j+∆δ

ˆ˜ xj−∆δ

q 1 2π·σ2¯

Xj

·e

12·

0 B@sx−ˆxj˜

σ2 Xj¯

1 CA 2

dx.

Je gröÿer die Varianz der Beobachtungen ist, desto gröÿer ist bei gleicher Wahrschein-lichkeit das Kondenzintervall 2·∆δ und desto geringer ist in Folge auch die resul-tierende Aussagekraft des gewichteten Mittelwerts. Die Eintrittswahrscheinlichkeit gilt in gleicher Weise auch für Kontextaspekte mit diskretem oder binären Wertebereich.

Unter der Annahme einer linearen Ordnung der diskreten Zustandswerte und einer bijektiven Abbildung in eine nite Teilmenge der natürlichen Zahlen gilt, dass die Ein-trittswahrscheinlichkeit eines Zustands dem Integral über dem Intervall zwischen zwei Zuständen entspricht, d.h.∆δ= 0,5. An den Intervallgrenzen des Wertebereiches der bijektiven Abbildung gilt das Integral von−∞bzw. bis∞. Abbildung 5.16 zeigt diesen Sachverhalt exemplarisch am Beispiel einer vierstugen Diskretisierung der Regenin-tensität (0=kein Regen, 1=wenig Regen, 2=mittelstarker Regen, 3=starker Regen).

p

0 = kein 2 = mittel 3 = stark

0,5 1,5 2,5

1 = wenig

Abbildung 5.16: Eintrittswahrscheinlichkeit von Regen auf Basis einer vier-stugen Diskreti-sierung der Regenintensität

Die Repräsentation als sogenanntes Wahrscheinlichkeitsgebirge bietet im Hinblick

auf die inhärente Situationsdynamik den Vorteil, dass sie sich automatisch und nahtlos an beobachtete Veränderungen anpassen kann. Erhält ein Fahrzeug neue Beobach-tungen, so wird ein neuer Stützpunkt des Wahrscheinlichkeitsgebirges eingefügt. Stütz-punkte können entsprechend auch wieder entfernt werden, wenn beispielsweise aufgrund des Alters kein oder ein nur sehr geringes Vertrauen in die Richtigkeit der Beobachtung existiert. Existieren viele, räumlich nahe gelegene, ähnliche und sich daher verstärken-de Beobachtungen zu einem Kontextaspekt, so können diese zusammengefasst werverstärken-den, um die Rechenkomplexität weiter zu reduzieren. Das Resultat der Zusammenfassung entspricht dabei dem Durchschnitt an Intensität, Wahrscheinlichkeit und Vertrauen in die Beobachtung. Um eine Untergewichtung der Menge von Beobachtungen bei der gewichteten Interpolation zu vermeiden, muss jedoch hierbei die Anzahl der zusam-mengefassten Beobachtungen bei der Summenbildung mit berücksichtigt werden. Die Gröÿe des Gebietes, in dem ähnliche Beobachtungen zusammengefasst werden kön-nen, kann dabei wiederum mit zunehmender Distanz zur aktuellen Fahrzeugposition vergröÿert werden. Die durchschnittsbildende Zusammenfassung vermindert jedoch die Genauigkeit des Interpolationsergebnisses. Es gilt andererseits, dass mit zunehmender Entfernung zur Fahrzeugposition die notwendige Genauigkeit der Situationsinferenz ab-nimmt. Auf Basis der in Abschnitt 3 vorgestellten möglichen generischen Datenhaltung, welche diese Eigenschaft bereits bei der lokalen Speicherung der verteilten Beobach-tungen berücksichtigt, ergibt sich implizit eine dynamische räumliche Strukturierung zum Zusammenfassen ähnlicher Beobachtungen.