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Die wesentlichen kausalen Zusammenhänge der Fahrsituation

Ad-Hoc local danger warning

1 Frequency regulation

5.2 Individuelle Inferenz der Fahrsituationen mittels probabilistischer Netze auf Basis eigenerprobabilistischer Netze auf Basis eigener

5.2.2 Die wesentlichen kausalen Zusammenhänge der Fahrsituation

Im Folgenden sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit die wesentlichen kausalen Ab-hängigkeiten exemplarisch auf Basis Bayesscher Netze modelliert werden. In Anlehnung an die drei im PReVENT / WillWarn [PRe06b] charakterisierten Gefahrenpotenziale reduced friction, reduced visibility und obstacle sollen drei Kernszenarien näher be-schrieben werden, nämlich

• Starkregen

• Aquaplaning

• Nebel

Dabei stellen die ersten beiden Szenarien Teilprobleme der Erkennung einer vermin-derten Traktion des Fahrzeugs (reduced friction) dar, und letzteres ein Teilproblem der verminderten Sicht (reduced visibility). Alle Gefahrenpotenziale sollen dem Fah-rer letztlich rechtzeitig vor Erreichen bekannt gemacht werden. Der Einuss auf das Fahrgeschehen besteht demzufolge entsprechend der in Abschnitt 2.3.3 eingeführten Klassikation in einer gezielten Beeinussung der Aufmerksamkeit des Fahrers.

Starkregen

Es existiert aktuell kein Sensorsystem, das unmittelbar die aktuelle Niederschlagsmenge an der Fahrzeugposition bestimmen kann. Zwar sind sog. Regensensoren zur automa-tischen Steuerung der Scheibenwischanlage inzwischen weit verbreitet, gemessen wird jedoch nicht direkt die Niederschlagsmenge, sondern die Feuchtigkeit auf der Oberäche eines kleinen Bereichs der Frontscheibe. Diese hängt neben der tatsächlichen Nieder-schlagsmenge auch von der aktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit ab, sowie von weiteren Aspekten wie hohen Luftfeuchtigkeitswerten in Nebelbänken. Für die Steuerung der Scheibenwischanlage ist dies sinnvoll, da das resultierende Verhalten unabhängig von der Art des Niederschlags bzw. der Ursache der Nässe der Frontscheibe (Regen, Schnee, Hagel, Nebel oder Scheibenreinigungsanlange) ist und sich einzig an der Feuchtigkeit der Scheibe bemisst. Für eine zielgerichtete vorausschauende Fahrerinformation ist eine Unterscheidung der Ursachen jedoch von Bedeutung. Eine sichere Unterscheidung der einzelnen Niederschlagsarten ist jedoch auf Basis der üblichen Sensorik nicht möglich.

Jedoch ergeben sich auf Basis weiterer möglicher Beobachtungen wie beispielsweise der Temperatur in vielen Fällen deutliche statistische Evidenzen für die einzelnen Hypothe-sen. Verfügt das Fahrzeug über keinen Regensensor, so ist auch auf Basis der aktuellen manuellen Steuerung der Wischanlage eine probabilistische Aussage hinsichtlich der wahrscheinlichen Niederschlagsmenge möglich. Die Aussagekraft der Schlussfolgerung verringert sich jedoch. Abbildung 5.3 zeigt die Graphenstruktur des resultierenden Bayessches Netzes.

Geschwindigkeit

Wischerstatus Regensensor

Niederschlags-menge

Temperatur

Niederschlags-art

Abbildung 5.3: Qualitativen kausalen Zusammenhänge zur Detektion von (starkem) Regen Dabei hat die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit Einuss auf die Niederschlagsmenge auf der Frontscheibe pro festgelegtem Zeitintervall, und damit wiederum auf die auto-matische oder manuelle Steuerung der Scheibenwischanlage und - falls vorhanden - die

Kapitel 5 5.2 Individuelle Inferenz der Fahrsituationen mittels probabilistischer

Netze auf Basis eigener Beobachtungen

konkrete Beobachtung eines Regensensors. Die Auÿentemperatur hat zudem entschei-denden Einuss auf die mögliche Niederschlagsart. Der Einuss ist jedoch beispiels-weise in einem Übergangsbereich zwischen Regen und Schnee nicht immer eindeutig sicher bestimmbar, weshalb keine sichere logische Deduktion möglich ist. Gleiches gilt für die Bestimmung der Regenmenge lediglich auf Basis der manuellen Steuerung der Wischanlage, da sich diese individuell und subjektiv unterscheidet. Die hier vorgestell-te Devorgestell-tektionsmöglichkeit von Regen ohne speziellen Regensensor ist daher hinsicht-lich der Klassikation aus Abschnitt 2.3.2 zwar fahrzeugkongurationsunabhängig, je-doch nicht-deterministisch, da individuelle Eigenschaften des Fahrers das Resultat der Schlussfolgerung beeinussen. Ist ein Regensensor verfügbar, so führt die Berücksichti-gung der Fahrzeuggeschwindigkeit jedoch in diesem Sinne zu einem deterministischen Detektionsverhalten.

Eine weitere Verbesserung der Inferenzergebnisse ist durch die Hinzunahme externer Datenquellen zu erwarten, wie diese beispielsweise von Wetter- oder Telematikdienstlei-stern angeboten werden. Dies kann strukturell durch einfache Hinzunahme entsprechen-der Hypothesen erfolgen. Abbildung 5.4 zeigt dies exemplarisch. Wesentlichen Einuss auf die Regenmenge, die pro Zeiteinheit auf die Windschutzscheibe trit, hat zudem das von den voraus fahrenden Fahrzeugen aufgewirbelte Spritzwasser [Hub01]. Daraus resultiert, dass auch Kenntnisse über die Beschaenheit der Fahrbahn, die Regenmenge der nahen Vergangenheit, sowie der Typ des Fahrzeugs und die Distanz zum voraus-fahrenden Fahrzeug die Ergebnisqualität deutlich verbessern. Sofern vorhanden, kann dies wiederum in das Bayessche Netz mit einbezogen werden. An dieser Stelle sei da-her darauf hingewiesen, dass die isolierte Betrachtung der Scheibenwiscda-hersteuerung, unabhängig davon ob diese manuell oder automatisch vorgenommen wird, letztlich für die Sichtbehinderung ein besseres Maÿ darstellt als für die tatsächliche Niederschlags-intensität.

Niederschlags-menge

Wetterdienst BMW Assist

Abbildung 5.4: Integration externer Datenquellen

Wie beschrieben müssen auf Basis der qualitativen Struktur auch die bedingten probabilistischen Abhängigkeiten der Hypothesen beschrieben werden. Dies bedingt aus Komplexitätsgründen eine Diskretisierung der kontinuierlichen Wertebereiche der erforderlichen abhängigen Kontextaspekte. Eine sinnvolle Diskretisierung ergibt sich dabei aus der Analyse der jeweiligen Auswirkungen der einzelnen Hypothesen unter-einander, sowie auf das Fahrgeschehen. Eine validierbare Bestimmung der Quantität der bedingten Abhängigkeiten erfordert hingegen eine belastbare Kenntnis der stati-stischen Zusammenhänge und daher eine ausreichend groÿe Anzahl an repräsentativen Vergleichsmessungen unter Realbedingungen. Unter der Annahme, dass ein solcher Da-tensatz vorliegt, können die bedingten Wahrscheinlichkeiten auf Basis unterschiedlicher Verfahren automatisch berechnet werden (siehe beispielsweise [Rei06a, Sch07, SG91, CBL97, HTF01, MK96]). Aus technischen Gründen war dies im Rahmen dieser Arbeit

jedoch leider nicht möglich. Abbildung 5.5 zeigt daher ohne Einschränkung der Ver-allgemeinerbarkeit exemplarisch mögliche quantitative Zusammenhänge auf, wobei die spezischen Werte nicht empirisch validiert sind.

Geschwindigkeit

> 90 60 30 Wischerstatus 0

Aus Intervall Normal Schnell

Regensensor Kein gering mäßig stark

Niederschlags-menge Kein gering mäßig stark

Temperatur

< -10 -5

0 5

> 10

Niederschlags-art Regen Schnee

Niederschlags-menge Kein gering mäßig stark

Abbildung 5.5: Vereinfachte quantitative kausale Zusammenhänge zur Detektion von Stark-regen

Die Niederschlagsintensität ändert sich entsprechend der eingeführten Terminologie aus Abschnitt 2.3.2 stetig. Aus diesem Grund hat zu den bisher genannten Einussfak-toren auch der Zustand der Aspekte aus der jüngsten Vergangenheit Einuss auf die Inferenz der Niederschlagsmenge. Regnet es beispielsweise seit längerer Zeit, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Regen plötzlich aufhört, vergleichsweise gering. Wahr-scheinlicher ist eine kontinuierliche Abnahme der Niederschlagsintensität über die Zeit.

Wissen über die nahe Vergangenheit beeinusst also auch die aktuelle Einschätzung.

Dies wird in Abbildung 5.5 durch den gestrichelten Niederschlagsknoten repräsentiert.

Dieses Verhalten lässt sich wie in Abschnitt 5.1.2 beschrieben in einfacher Weise über diskrete kausale Zeitscheiben im Sinne dynamischer Bayesscher Netze abbilden. Statt einer initialen a-priori Wahrscheinlichkeitsverteilung liegt dem Schlieÿprozess für die erforderlichen Hypothesen bereits eine gegebenenfalls angepasste Verteilung auf Ba-sis zeitlich zurück liegender Beobachtungen vor. Wie in Abschnitt 5.1.4, erhöht eine derartige zeitliche Entfaltung jedoch die resultierende Netzkomplexität deutlich.

Bayessche Netze bilden die tatsächlichen realen kausalen Abhängigkeiten zwischen den Hypothesen ab. Dies ist für die meisten Anwendungsdomänen notwendig und sinn-voll, da zumeist sowohl jede der Hypothesen potentiell von Interesse ist, als auch für

Kapitel 5 5.2 Individuelle Inferenz der Fahrsituationen mittels probabilistischer

Netze auf Basis eigener Beobachtungen

jede Hypothese möglicherweise Evidenz für einen bestimmten Zustand existiert. Im Falle der Deduktion fahrbezogener Aspekte des Fahrzeugkontextes aus im Fahrzeug vorhandenen Sensorsystemen kann das Bayessche Netz jedoch zugunsten einer bes-seren Performanz auf einen nicht notwendigerweise vollständigen bipartiten Graphen reduziert werden. Dabei werden die Hypothesen, welche mögliche Gefahrenpotenziale repräsentieren, direkt mit den Hypothesen aller beeinussenden Sensoren verbunden.

Diese Sensoren tragen sowohl Evidenzen hinsichtlich der Ursachen, als auch hinsicht-lich der Auswirkungen bei. Während beispielsweise ein Regensensor Hinweise auf die Ursache verminderter Traktion liefert, signalisieren die Raddrehzahlsensoren eine un-mittelbare Auswirkung. Aus diesem Grund bildet das resultierende bipartite Bayessche Netz keine realen kausalen Abhängigkeiten ab. Werden die bedingten Wahrscheinlich-keiten jedoch automatisch aus einem groÿen realen Testdatensatz auf Basis dieser vor-gegebenen Struktur erzeugt, so ändert sich die Aussagekraft der Inferenz gegenüber dem auf Basis realer kausaler Abhängigkeiten strukturierten Netzes nicht. Abbildung 5.6 zeigt exemplarisch die generische Struktur eines solchen bipartiten Bayesschen Net-zes, das nicht die realen kausalen Abhängigkeiten abbildet, sondern jeden relevanten Kontextaspekt in direkter Abhängigkeit der beeinussenden Sensoren.

Aufgrund der wechselseitigen Beeinussung spielt dabei die Einussrichtung tech-nisch keine Rolle auf das Ergebnis des Rückschlusses. Es muss jedoch beachtet werden, dass sich die Propagation von Evidenzen in Abhängigkeit der Einussrichtung unter-schiedlich verhält. Evidenzen liegen ausschlieÿlich für die sensorisch unmittelbar beob-achtbaren Kontextaspekte vor. Im Falle einer Beeinussung von Seiten der Sensorik hin zu den nicht direkt beobachtbaren relevanten Kontextaspekten ergibt sich eine einfa-che einschichtige (eigentlich kausale) Propagation der Evidenzen. Da keine Evidenz an den nicht-beobachtbaren Hypothesen anliegt, d-separiert dieser Knoten alle anderen.

Diese sind in Folge aus Sicht des Schlieÿprozesses unabhängig (für eine ausführliche-re Betrachtung siehe beispielsweise [Nea04]). Aus anwendungstechnischer Sicht ergibt sich für jeden relevanten Kontextaspekt eine funktionale Abbildung der Eintrittswahr-scheinlichkeit eines Zustands in Abhängigkeit des Zustands der beeinussenden Sen-soren. Unter der Annahme einer umgekehrten Richtung der Beeinussung ändern sich auch die Wahrscheinlichkeiten der direkt sensorisch beobachtbaren Hypothesen, sofern aktuell keine eigenen Evidenzen vorliegen, da hier die nicht beeinussenden Hypothesen nicht d-separierend wirken. Es ergeben sich strukturbedingt Abhängigkeiten zwischen den beobachtbaren Kontextaspekten, wobei deren konkrete Auswertung letztlich nicht notwendig wäre.

Niederschlags-menge

Wetterdienst BMW Assist

Sensor 1 Sensor 2 Sensor 3

Relevanter Kontextaspekt

Relevanter Kontextaspekt

Abbildung 5.6: Bipartite Struktur technischer, nicht kausaler Abhängigkeiten Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die Rechenkomplexität der Pro-pagation neuer Evidenz deutlich geringer ist, da weniger ProPro-pagationsschritte

erfor-derlich sind. Zudem wird es ermöglicht, die einzelnen relevanten Aspekte, die für die Unterstützung des Fahrers von Bedeutung sind, einzeln und unabhängig voneinander zu betrachten. Liegen beispielsweise keine Hinweise auf eine Sichtbeeinträchtigung vor, so ist es nicht notwendig, im Speicher ein entsprechendes Netz vorzuhalten oder fort-laufend neue Sensorevidenzen darin zu propagieren. Sofern gleichzeitig Hinweise auf verschiedene relevante Aspekte existieren, ergeben sich andererseits jedoch Redundan-zen, falls jeder Aspekt unabhängig voneinander betrachtet wird. Dies resultiert daraus, dass die Aspekte zumeist von vielen Sensoren beeinusst werden und sich die Mengen der beeinussenden Sensoren daher relativ stark überschneiden. Dies gilt insbesondere immer dann, wenn sowohl Ursache als auch Wirkung einen relevanten Aspekt darstel-len, wie dies beispielsweise bei Starkregen und Aquaplaning der Fall ist. In Abschnitt 5.5.2 wird in diesem Zusammenhang noch aufgezeigt werden, wie situationsabhängig einzelnen Aspekte in einem gemeinschaftlichen Netz zusammengefügt werden können, um diese Redundanzen zu minimieren.

Zudem werden aufgrund der vielen beeinussenden Hypothesen die resultierenden Abhängigkeitstabellen der bedingten Wahrscheinlichkeiten sehr groÿ, da diese wie be-schrieben jede Kombinationsmöglichkeit von allen beeinussenden Einzelhypothesen abbilden müssen. Ein weiterer Nachteil dieser technisch pragmatischen Vorgehensweise ist, dass alle Abhängigkeitsverteilungen aller relevanten Kontextaspekte neu berechnet werden müssen, sobald in der Menge der beeinussenden Sensoren eine Veränderung auftritt. In diesem Fall müsste erneut ein umfangreicher realer Testdatenbestand er-zeugt werden, um die statistischen Abhängigkeiten wiederum automatisch daraus ab-leiten zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn zusätzlich externe Datenquellen wie Wetter- oder Telematikdienste mit eingebunden sind oder werden sollen. Während sich die im Fahrzeug verbauten Sensoren während des Lebenszykluses eines Fahrzeugs nicht ändern, ist dies für externe Dienste aufgrund des langen Einsatzzeitraums hinge-gen wahrscheinlich.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass diese Vorgehensweise in vielen Anwendungs-domänen nicht möglich ist, da keine vollständige übergeordnete Datenbasis hierfür existiert bzw. erstellt werden kann. Im Bereich medizinischer Expertensysteme existie-ren beispielsweise lediglich Studien über bestimmte spezische Zusammenhänge und Wechselwirkungen. Die gegebenen Ab- und Unabhängigkeiten müssen daher in diesen Fällen weiter explizit modelliert werden.

Eine weitere anwendungsdomänenspezische Strukturierung ermöglicht eine zusätz-liche Reduzierung der Netzkomplexität für Kontextaspekte mit stetiger dynamischer Änderung hinweg über die Zeit. Statt die historische Beeinussung über Zeitscheiben in einem dynamischen Bayesschen Netz abzubilden, ist es auch möglich, den Einuss der Veränderung in einem bestimmten Zeitintervall direkt über eine zusätzliche beeinus-sende Hypothese abzubilden. Diese Hypothesen repräsentieren nicht den Zustand eines beobachtbaren Kontextaspekts direkt, sondern dessen relevante zeitliche Entwicklung, oder anders ausgedrückt die erste Ableitung der Zeitreihenentwicklung der Sensorbe-obachtungen. So kann beispielsweise in einfacher Weise die Hypothese hinsichtlich eines Stauendes unterstützt werden, sofern sich die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs deutlich reduziert.

Kapitel 5 5.2 Individuelle Inferenz der Fahrsituationen mittels probabilistischer

Netze auf Basis eigener Beobachtungen Nebel

Zur Detektion von Nebel existieren in aktuellen Fahrzeugen wiederum keine dedizierten Sensorsysteme. Anders als für die Niederschlagsmenge existiert zudem kein System, das einen vergleichsweise starken Rückschluss darauf zulässt. In Analogie zum Regensensor wäre zur Detektion von Nebel ein Sensor zur Erkennung der Sichtweite wünschenswert.

Jedoch gibt es auch für die Detektion von Nebel unterschiedliche Hinweise und Indi-zien, die sensorisch erfassbar sind und die das Auftreten von Nebel wahrscheinlicher machen. Der stärkste Hinweis ist in vielen Fällen die manuelle Aktivierung der Ne-belschlussleuchte. Im Gegensatz zu Nebelscheinwerfern, welche ebenfalls einen Hinweis auf das Auftreten von Nebel liefern, wird die Nebelschlussleuchte in den meisten Fäl-len in etwa vorschriftsmäÿig von den Fahrern eingesetzt, nämlich (in Deutschland) bei Sichtweiten unter 50m und auÿerhalb geschlossener Ortschaften. Nebelscheinwerfer werden hingegen regional unterschiedlich von einigen Fahrern auch sichtweitenunab-hängig eingesetzt. Die Nebelneigung und damit auch eine Sichtweiteneinschränkung lieÿe sich auch auf Basis der aktuellen Luftfeuchtigkeit und Temperatur abschätzen, je-doch verfügen die wenigsten Fahrzeuge über ein entsprechendes Hygrometer. Auch die Aktivierung des Abblendlichtes unter Tags liefert weitere Hinweise auf eine mögliche Sichteinschränkung, sofern nicht gesetzlich ohnehin vorgeschrieben. Sofern verfügbar, kann die Nebelhypothese zudem auf Basis der Jahreszeit, Wetterdaten, Wettervorher-sage oder örtlicher Nebelneigung verfeinert werden. Aufgrund der subjektiven Hand-habung der vorhandenen Lichtanlagen des Fahrzeugs protiert die Nebelerkennung im Speziellen von einer Individualisierung der Abhängigkeiten.

Geeignete Rückkopplungsmechanismen vorausgesetzt, können diese Abhängigkeiten sukzessive während der Laufzeit des Fahrzeugs auf die jeweiligen Eigenschaften der Fahrer angepasst und so die Aussagekraft des Rückschlusses erhöht werden. Eine wei-tere Möglichkeit der Individualisierung stellt die Integration einer weiwei-teren Hypothese dar, welche den Einuss verschiedener Fahrertypen mit berücksichtigt. Dies setzt al-lerdings die Existenz einer hierfür gültigen Charakterisierung der Fahrer voraus. Ein weiteres hilfreiches Indiz ist zudem die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit in Verbin-dung mit Kenntnis über die an dieser Stelle üblicherweise gefahrenen Geschwindigkei-ten, da bei Nebel die Geschwindigkeit des Fahrzeugs in Abhängigkeit der Sichtweite in der Regel angepasst wird. Hierfür ist weiterhin Kenntnis über die aktuell gülti-ge Geschwindigkeitsbeschränkung notwendig, sowie gülti-gegülti-gebenenfalls der Straÿentyp und wiederum die individuelle Fahrweise des Fahrers. Auch in diesem Punkt kann also eine Individualisierung des Netzes die Ergebnisqualität verbessern. Auch wenn viele dieser beeinussenden Aspekte nicht bekannt sind, so ist zumindest bei vergleichswei-se hohen Geschwindigkeiten eine Sichtbehinderung unwahrscheinlich. Die vorgestellte Nebelerkennung ist also wieder im Sinne der Klassikation aus Abschnitt 2.3.2 fahr-zeugkongurationsunabhängig und aufgrund der subjektiven Beeinussung durch den Fahrer nicht-deterministisch.

In Abbildung 5.7 sind die wesentlichen qualitativen Abhängigkeiten nochmals gra-phisch dargestellt. Die Quantizierung der bedingten Abhängigkeiten kann wiederum auf Basis eines umfangreichen realen Testdatenbestandes erfolgen, welche, wie beschrie-ben, idealer Weise später individuell verfeinert werden. Ebenso wie die Detektion für Starkregen kann auch die Hypothese bezüglich der Nebelwahrscheinlichkeit technisch als nicht kausales bipartites Netz dargestellt und der zeitliche Einuss aufgrund der ste-tigen Veränderlichkeit auf Basis diskreter Zeitscheiben abgebildet werden. Auch hierbei

Helligkeit

Lichtautomatik Sichtweite

Nebel

Niederschlags-menge

Nebelschluss-leuchte

Nebel-scheinwerfer

Rauch Gischt

Luftfeuchte Temperatur

Abblendlicht

Beschleunigung Geschwindigkeit

Straßentyp

Helligkeit

Luftfeuchte

Niederschlags-menge Temperatur

Abbildung 5.7: Qualitative kausale Zusammenhänge zur Detektion von Sichtbehinderung auf-grund von Nebel

ist eine spätere individuelle Anpassung zur Laufzeit möglich.

Abbildung 5.8 zeigt nochmals eine bipartite technische Strukturierung eines Bayes-schen Netzes zur Inferenz von Nebel, das zudem implizit eine zeitlich dynamische In-tegration der Veränderung der Fahrzeuggeschwindigkeit mit einschlieÿt.

Aquaplaning

Aquaplaning ist aktuell von keinem dediziertes Sensorsystem im Fahrzeug direkt beob-achtbar. Fahrzeuge, mit elektronischen Fahrdynamikstabilisatoren (DSC/ESP/ASC/

TC/ASR/ABS) verfügen über Raddrehzahlsensoren und Beschleunigungsmesser, wel-che zusammen mit der Aktivierung der regelnden Stabilitätsprogramme Hinweise auf ein mögliches Aufschwimmen der Räder bieten. Diese greifen jedoch auch in vielen an-deren Fahrsituationen regelnd ein, weshalb weitere Beobachtungen notwendig sind, um die ursächliche Hypothese des Auftretens von Aquaplaning besser eingrenzen zu kön-nen. Mit zunehmender Geschwindigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Wasser unter dem Reifen nicht mehr vollständig verdrängt werden kann. Andererseits wird die Geschwindigkeit wiederum von den aktuellen Sichtbedingungen beeinusst. Im

Gegen-Kapitel 5 5.2 Individuelle Inferenz der Fahrsituationen mittels probabilistischer

Netze auf Basis eigener Beobachtungen

Nebel kein mittel stark

Nebel-Scheinwerfer an aus

Beschleunigung

< -2 -1 0 1 2

Straßentyp Innerorts Außerorts Bundestr Autobahn Geschwindigkeit

> 90 60 30 0 Nebel-Schlussleuchte an aus

Abbildung 5.8: Bipartite technische Strukturierung eines Bayesschen Netzes zur Inferenz von Nebel

satz zu den zuvor vorgestellten Aspekten Starkregen und Nebel, die jeweils inhärent auch zu einer Sichteinschränkung führen, beeinussen sich die Hypothesen Aquaplaning und Sichtweite nicht. Jedoch beeinusst die aktuelle Niederschlagsmenge, sowie die Nie-derschlagsmenge in der nahen Vergangenheit sehr wohl die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Aquaplaning. Gleiches gilt für die Temperatur, welche einen wichtigen Unterscheidungsfaktor im Hinblick auf einen ebenso nahezu totalen Haftungsverlust der Räder aufgrund von Eisglätte darstellt. Reibwertverminderungen aufgrund von Fahrbahnverschmutzungen oder Laub führen hingegen nicht zu einem vollständigen Haftungsverlust, was wiederum zur Unterscheidung zwischen diesen Ursachen heran-geführt werden kann. Abbildung 5.9 zeigt die wesentlichen kausalen Zusammenhänge im Überblick.

Die eindeutige Erkennung wird jedoch dadurch erschwert, dass der Rückschluss auf einer erkennbaren Beeinträchtigung der Fahrstabilität beruht. Auch unter der Annah-me gleichbleibender UmweltparaAnnah-meter wie beispielsweise der Wassertiefe auf der Fahr-bahn, variiert die resultierende spezische Beeinträchtigung der betroenen Fahrzeuge stark. Grund hierfür sind sensorisch nicht beobachtbare oder dem System nicht be-kannte Aspekte der konkreten Fahrzeugkonguration, wie beispielsweise der Reifen-typ bzw. -Zustand. Darüber hinaus hat auch die Beladung und Gewichtsverteilung des Fahrzeugs sowie die Antriebsart (Front-, Heck-, Allradantrieb) Auswirkungen auf die fahrdynamischen Eigenschaften des Fahrzeuges. Die vorgestellte Schlieÿmöglichkeit hinsichtlich der Existenz von Aquaplaning ist aufgrund der notwendigen fahrdynami-schen Destabilisation des Fahrzeugs im Sinne der Klassizierung aus Abschnitt 2.3.2 sowohl fahrzeugkongurationsabhängig als auch nicht-deterministisch. Im Hinblick auf eine frühzeitige kooperative Situationseinschätzung erschwert dies die Überprüfbarkeit vorausgegangener Beobachtungen. Gleiches gilt für die Erstellung hinreichend umfang-reicher realer Testdaten zur automatischen Bestimmung der probabilistischen Abhän-gigkeiten. Tritt eine fahrdynamische Destabilisation eines Fahrzeugs auf, ist zwar eine qualizierende Evaluierung hinsichtlich der möglichen Ursachen möglich. Ist dies nicht der Fall, so kann daraus im Umkehrschluss jedoch nicht zwingend auf die Nichtexi-stenz eines möglichen Gefahrenpotenzials geschlossen werden. Anders ausgedrückt: die gleichen Umweltbedingungen führen zu individuell spezischen Auswirkungen auf die

Niederschlags-art

Regensensor

Helligkeit

Lichtautomatik Sichtweite

Nebel

Niederschlags-menge

Gischt

Rauch Luftfeuchte

Temperatur

Abblendlicht Beschleunigung Geschwindigkeit

Helligkeit

Luftfeuchte

Temperatur

Aquaplaning

Eis / Schnee Reibwert

Wischerstatus

Straßentyp Straßenzustand

Nebelschluss-leuchte

Nebel-scheinwerfer

Niederschlags-menge

Abbildung 5.9: Qualitative kausale Zusammenhänge zur Detektion von Aquaplaning

Fahrstabilität der Fahrzeuge, was eine Validierung der Beobachtungen erschwert.

5.3 Kooperative Inferenz der Fahrsituationen auf Basis