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Gegenüber

jener älteren ärztlichen Auffassung, welche die

Enuresis

für ein körperliches Leiden hält

und

sie als solclies behandelt,

be-gegnen

wir der

Auffassung

der

Angehörigen

des Kindes, die das Bett-nässen als „schlechte

Gewohnheil"

werten, hinler welcher sich

Trotz und

feindliche

Tendenz

verstecken

und Erziehungsmaßnahmen

in

Form

von

Strenge, Strafe

und Beschämung

nötig njacheii.

Diese volkstümliche

Auffassung

soll hier niclit weiter diskutiert werden; die Darstellung einiger ärztlicher Ansichten ist aber nötig, weil sie teils zur analytischen

Auffassung

hinüberleiten, teils schon den Einfluß der Psychoanalyse auf das ärztlielie

Denken

verraten.

An

einigen Beispielen sollen

dann

jene feineren

Mechanismen

beschrieben werden, die bei Entstehung von Enuresis mitspielen; daraus lassen sich

dann

einige Schlußfolgerungen für die

Vorbeugung und Behandlung

des Bettnässens ableiten.

I.

Sowohl

in der ärztlichen als in der heilpädagogischen Literatur finden wir in

Bezug

auf die Ätiologie der Enuresis die verschieden-sten Auffassungen: die

vom

extrem organischen

sowohl

als auch die

vom

extrem

psychogenen

Ursprung.

Zapper

t') behandelt sie als

Symplom

der Blasen-Neurose

und

sondert sie damit schon

von dem

unwillkürlichen Harnlassen, das die organischen

Erkrankungen

begleitet, ab (Inkontinenz). Zappert hält die

Fuchs'sche

Theorie, nach welcher

Entwicklungs-Anomalien

in der

Verknöcherung

des

Rückgrates

(Spina bifida) die

Ursache

der Enuresis sind, für nicht

genügend

begründet, da bei 25 Prozent der Klnderenuresis der

Röntgenbefund

nornml ist.

Homburger^)

meint, daß Spina bifida

und

Enuresis äußere Degenerationszeichen seien, welche miteinander vergesellschaftet oder jedes für sich in

Erscheinung

treten können.

Für

die Enuresis als Degenerationszeichen spreche auch, daß sie eine fast unausbleibliche Begleiterscheinung schwerer Schwachsinnsfälle ist.

Marcuse*)

ist geneigt, sogar die mit Enuresis

einhergehenden

ij J. Zappert: EDureeis. ErpielmieRn der inntrpn Mmti/.iii und Kinderlicilkundt?, Bd. XVITI.

2) Aug. Huiuljurger: I'Hydinpnlhulugio di-B Kindesiiltprs, Bi'rliii. SpiiiiKBr 192C.

.!'''} A. Marcnee; Höndwürlerbuch der SexualwiesenBoliifl, >

Vom

Bettnässeti des Kiiules

179

organischen

Veränderungen

als biologisches Substrat

psychogener

Funktionsstörungen zu betrachten.

Neben

dieser Ätiologie unter-scheidet er jedoch uoch die essentielle, d. h, die jedes organischen

Untergrundes

bare

Form

der Enuresis nocturna, die er als sexuelles Äquivalent betrachtet.

Zu erwähnen

ist hier noch, daß

Adler

seine „Organminderwertig-keitstheorie"

von dem

Urethralapparat ableitet

und

die Enuresis der mangelhaften,

embryonalen Funktion

dieses in seiner

Gänze

minder-wertigen

Organs

zuschreibt.

Nach Freud*)

entspricht die Enuresis nocturna,

„wo

sie nicht einen epileptischen Anfall darstellt, einer Pollution".

Anatomische und

physiologische

Untersuchungen und Krankenbeobachiungen haben

die relative Identität

von

Pollution

und

Enuresis gleichfalls bestätigt (M.

Porosz,

L. K.

Müller).

Die Erektion des männlichen Säug-lings bei

Beginn

des Urinierens deutet ebenfalls auf die ursprüng-liche

Zusammengehörigkeit

des Urethral-

und

Genitalapparates, deren

Trennung

sich erst in der Pubertät vollzieht

und

in der getrennten

Absonderung von Urin und

von

Sperma

sich

bemerkbar

macht.

Das

ist

auch

die

Erklärung

jener, dou

Pädagogen

bekannten Erscheinung, daß die Pubertät oft der bis dahin allen

Erziehungsmaßnahmen

trotzenden essentiellen Enuresis ohne weiteres ein

Ende

bereitet.

Diese

Beobachtimg

konnte leicht dazu verleiten, als

Ursache

des Auf-hörens der Enuresis die seelische

Umstellung

der Puberltit

anzu-nehmen,

wie dies z. B.

Homburger

auch tut.

Es

handelt sieh aber

offenbar

um

koordinierte psychische

Entwicklungsmomente.

;

Bekannt

sind die für die Psychoanalyse grundlegenden Feststel-lungen

Freuds, daß

die genitale Sexualität des

Erwachsenen

aus der

Summierung von

Partialtrieben entsteht

und

daß in

verschiede-nen

Abschnitten des Kindesalters eine zeitweilige Alleinherrschaft dieser Partialtriebo zu beobachten ist.

Wir

sehen den Säugling in der

Phase

der oralen Libido, wir sehen das Kleinkind in seinen

Urethral-und

Analfunktionen Befriedigung finden. Diese Partialtriebe

müßten

in der Genital-Zone,

nachdem

diese zur

Entwicklung und

Vorherr-schaft gelangt ist, restlos

aufgegangen

sein. Die

Erfahrung

zeigte jedoch,

daß

dort,

wo

ein Partialtrieb zu stark betont war, diese ideale

Verschmelzung

nicht zustande

kommt. Man

könnte sagen, die

Ver-schmelzung

gehe

dann

mit einer Narbenbildung einher; es entwickeln sich Eeaktionsbildungen

und

Charaktereigenschaften, die den über-betonten Partialtrieben entgegenwirken. In diesem Sinne

kann man von

oralen, analen

und

urethralen Cliarakteren sprechen"). Oft

wird

*) Sjgm. Freud: Drei Abliandlmigen Kiir RcxunlÜinurie. ]9(Ü. Gcs, Pchrirteil Bd. V, ,

3) Vgl. Karl Abraham: Psydioanalylisfiia Ptuilien zur Chnrakterliildung. 192ü. ^i

180 Rata Levjr

der überbeLonte PartiaUi-Leb

im Laufe

der sexuellen iOntwicklung

fixiert, so daß das Individiiuiii

im

späteren Leben, z. B. unter der

Ein-wirkung

eines psychischen

Traumas von

der späteren auf die frühere Stufe zu regredieren geneigt ist.

Sadger") widmet

der Holle der Urethralerotik eine

grundlegende

Ötudie,

und

weist nachdrücklich darauf hin, welche

Bedeutung

die Urethralerotik des Kindesalters für das ganze, spätere sexuelle

Leben bekommen

kann. Ist die Urethralerotik überstark, so

kann

sie sich auch in irgend einer Störung der Harnfunktion

bemerkbar machen.

Sie

kann

als

Folge

individueller oder Familiendisposition betrachtet

werden

oder durch eine Überbetonung, eventuell andere Erziehungs-fehler verursacht sein.

Wenn

z. B. das Urinieren bei

einem Kind

mit gesteigerter Urethralerotik ein Lustgefühl ausliist, so wird das

Kind

seine Blase nicht auf einmal entleeren, in der Absieht, öfters

zum Genuß

zu

kommen. Auf

diesem

Wege kann

Pollakisurie (häufiges Harnlassen) entstehen.

Nach Sadger

tritt auch Enuresis

nur

dort

.auf,

wo

gesteigertes Lustgefühl

vorhanden

ist, welches

entweder

durch den

Akt

des Urinierens selbst oder durch das

Benässen

des eigenen

Körpers

hervorgerufen sein kann. In letzterem Falle

wäre

die Erogeneität der Hautoberfläche, die

Badger

bei

Enuretikern

gesteigert fand, determinierend.

Nach Sadger

offenbaren sich in

sexuellen Störungen des Mannesaltei's Störungen der

Harnfunktion im

Kindesalter: so betrachtet er die psychische Impotenz

und

die Ketentio urinae als zusammengehörig'). Als wahrscheinlichen

Grund

der

Re-tention

kann man annehmen,

daß das Iiintleeren der Blase nach

vor-hergehendem

Zurückhalten ein gesteigertes Jjustgefühl hervorruft.

Die Neigung

zu Penis-Exhibition ist auch oft auf die

im

Kindesalter

empfundene

Befriedigung über die vollbrachte Leistung des Urinie-rens zurückzuführen.

Dem

Kinde, das noch keine andere geschlecht-liche

Ausscheidung

kennt, bedeutet der

Harn

ein geschlechtliches Produkt. E.S ist eine typische kindliche

VorsleUung

des Koitus,

daß

der Vater in die Mutter uriniert oder sie honäßt.

Der Wunsch

dies

nachzuahmen, kann

auch Enuresis verursachen.

Sadger

berichtet

von

einigen interessanten diesbezüglichen Fällen.

Es

ist klar, daß, je

lebhafter die Sexualität des Kindes ist, es

umso

später

zimmer-rein wird.

Wenn

die Urethralerotik vorherrscht

und darum

die Genitalzone

auch

später

im

Erwachsenenalter nicht die ihr

zukonmiende

führende

KoUe

erlangt, also das

Kind

in seiner Libidoentwicklung urethral

fixiert wurde, so

kann

als typische Störung des Sexuallebens:

E

ja-8) Sadger: Über Urethra1f,rotik. .I.ilirb. f- psa a l.sy.'liopatl.. Fjjrechunßon. 1910. 2/11.

7J Auch FBrenc Ki und Jonaa woieen auf dioBO Zueamnionliange nia.

Vom

Bettuässen des Kindeä 181

culatio praecox eintreten. Die Verwandtschaft dieser Störung mit der Enuresis des Kindesalters hat

Abraham")

festgestellt.

Nach

seiner Ansicht

kann

die Ejaculatio praecox als eine

Verquickung

zweier Prozesse aufgefaßt werdent „Hinsichtlieh des entleerten Stoffes ist sie eine Ejakulation, hinsichtlich des

Modus

der

Ausstoßung dagegen

eine Miktion'* (Blasenentleerung).

Die Anamnese

der an Ejaculatio praecox

Leidenden

zeigt, daß sie

im

Kindesalter

an

Enuresis gelitten

und

dabei auf beinahe jeden Eeiz mit

Harndrang

reagiert haben.

In

den

angeführten Fällen

von Harnstörungen

sowohl,

wie

bei Ejaculatio praecox haben

wir

es daher mit

dem

Persistieren eines Partialtriebes, der Urethralerotik, zu tun. Die

Bedeutung

der Urethral-erotik

im

Geschlechtsleben des

erwachsenen Mannes

würdigt

Reich

in seinem

Buch

„Die

Funktion

des

Orgasmus".

Kitsch mann«)

fand

Symptome

von Urethralerotik bei

Zwangs-neurotikern, die lange Zeit

an

Enuresis gelitten hatten oder noch sporadisch Bettnässer

waren

oder

Träume

von Pollution

m

Verbin-dung

mit Bettnässen hatten. Bei

manchen

dieser

Personen

weist das

Symptom

des

Waschzwanges

auch auf den

Znsammenhang

zwischen