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2.2.1 Taxonomie

Das Virus der vesikulären Stomatitis ist dem Genus Vesiculovirus innerhalb der Familie Rhabdoviridae zugeordnet. Die Familie Rhabdoviridae (Tabelle 2) umfasst weiterhin die Genera Lyssavirus, Ephemerovirus, Nukleorhabdovirus und Cytorhabdovirus.

Serologisch lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden. Die Prototypen dieser beiden Serogruppen sind der Stamm Indiana und der Stamm New Jersey. Beide Stämme wurden bei einem Krankheitsausbruch 1925 und 1926 aus Rindern isoliert.

Aus Insekten, Maultieren und einem Opossum wurden weitere Viren isoliert, die serologisch mit VSV verwandt sind (RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

Tabelle 2: Familie Rhabdoviridae

Familie: Rhabdoviridae

2.2.2 Morphologie und Genomstruktur

Die VS-Viruspartikel haben ein geschossförmiges Aussehen bei einer Größe von 70 x 180 nm (Abbildung 3). Das helikale Nukleokapsid setzt sich aus den Proteinen N, P und L sowie dem viralen Genom zusammmen. Das Matrix-Protein M ist mit dem Nukleokapsid assoziiert und liegt der Membranhülle des Virions von innen an. In die Virusmembran ist das Glycoprotein G integriert, welches in trimerer Form ausgebildet ist.

Abbildung 3: Schematische Darstellung eines VS-Viruspartikels

Das virale Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA mit negativer Polarität.

Das Genom ist ca. 11 kb lang und besitzt fünf offene Leserahmen in der Reihenfolge N-P-M-G-L (Abbildung 4). Innerhalb des P-Gens sind zwei weitere kleine Proteine, C und C‘, in einem zweiten Leserahmen kodiert. Die kodierenden Bereiche des Genoms werden am 3‘-Ende von einer 47 Basen langen Leader-Sequenz und am 5‘-Ende von einer 57 Basen langen Trailer-Sequenz flankiert. Beide Sequenzen

Lipid-hülle

P

RNA N

L

M

G

enthalten Informationen, die für die Transkription und Replikation im Cytoplasma essentiell sind. Zwischen den einzelnen Genen befinden sich intergenische Abschnitte. Die einzelnen Gene besitzen an ihren 3‘- und 5‘ Enden konservierte Gen-Start- und Gen-Stop-Sequenzen (ROSE u. WHITT, 2001; RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Virusgenoms von VSV mit den entsprechenden Bezeichnungen für die kodierten Proteine

2.2.3 Proteine

N: Das N-Protein umschließt die virale RNA und ist essentiell für die Transkription und Replikation.

P: Dieses Protein ist stark phosphoryliert und ein Bestandteil des viralen Polymerasekomplexes. Es vermittelt die Bindung des L-Proteins an die virale RNA.

M: Das M-Protein ist das kleinste, aber auch das am häufigsten vorkommende virale Protein. Es ist mit der viralen Hüllmembran assoziiert, induziert die Trimerisierung des G-Proteins und spielt eine Rolle bei der Regulation der viralen Transkription.

G: Das G-Protein stellt das glycosylierte Membranprotein dar, welches die gesamte Virusoberfläche als Trimer bedeckt. Mit einer hydrophoben Transmembrandomäne ist es in der Membran verankert. Es vermittelt das Eindringen des Virions in die Zelle und den späteren Budding-Prozess. Neutralisierende Antikörper sind gegen das G-Protein gerichtet.

L: Das L-Protein ist ein multifunktionales Enzym. Es fungiert als Polymerase und übernimmt weitere wichtige Funktionen bei der viralen Replikation, wie z. B die Methylierung und das capping (RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

5‘

3‘ N P M G L

2.2.4 Infektion und Klinik Infektion

Rinder, Pferde und Schweine werden durch den Biss/Stich infizierter Insekten mit VSV infiziert. Eine direkte Übertragung von Tier zu Tier scheint nur möglich zu sein, wenn Verletzungen der Haut vorliegen, über die das Virus dann in den neuen Wirt eindringt. Dieser Übertragungsweg spielt bei den Haussäugetieren unter natürlichen Bedingungen allerdings keine Rolle. Gelegentlich treten auch VSV-Infektionen beim Menschen auf; betroffen sind insbesondere Tierärzte und Laborpersonal. Sie infizieren sich mit VSV durch das Eindringen des Erregers über Hautverletzungen oder durch das Einatmen von virushaltigem Aerosol.

Klinik

Die meisten Infektionen mit VSV verlaufen vermutlich subklinisch. Kommt es allerdings zum Krankheitsausbruch, so sind bläschenartige Hautläsionen im Bereich der Zunge, Lippen, Maulschleimhaut, Zitzen und am Kronsaum typische Kennzeichen einer VSV-Infektion bei Rind, Pferd und Schwein. Die Tiere sind apathisch, haben Fieber, zeigen Lahmheiten und speicheln stark. Häufig kommt es im weiteren Krankheitsverlauf zum Gewichtsverlust und ggf. auch zum Milchrückgang, der durch eine Mastitis hervorgerufen wird.

Infizieren sich Menschen mit VSV, so können grippeähnliche Symptome mit Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Schüttelfrost beobachtet werden (RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

2.2.5 Pathologie und Immunologie Pathologie

Typisch für diese Erkrankung ist die Bläschenbildung an Lippen, Zunge, Maulschleimhaut, Zitzen und Kronsaum. Zuerst verfärbt sich die Haut im Bereich der entstehenden Bläschen heller, bis sich schließlich das Epithel vom Stratum basale abhebt und ein Vesikel mit klarer, gelblicher Flüssigkeit entsteht. Diese Vesikel

reißen dann auf und heilen, ohne Besiedlung mit Sekundärerregern, nach 1-2 Wochen ab.

Immunologie

Über die Immunantwort der Haussäugetiere bei einer VSV-Infektion ist relativ wenig bekannt. Wesentlich besser ist die Immunantwort bei Labortieren untersucht. Bei einer Infektion wird die unspezifische Immunantwort mit dem Interferonsystem aktiviert. Für einen Schutz gegenüber einer VSV-Infektion sind außerdem die humorale und die zelluläre Immunantwort von großer Bedeutung. In Gebieten, in denen VSV endemisch vorkommt, besitzt die Mehrzahl der Rinder, Pferde und Schweine Antikörper gegen VSV (RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

2.2.6 Epidemiologie und Bedeutung

Infektionen mit VSV sind zur Zeit nur in Nord-, Mittel- und Südamerika beschrieben, wobei Mittelamerika am stärksten betroffen ist. Zwischen den klinischen Ausbrüchen der Vesikulären Stomatitis können zum Teil über 10 Jahre liegen. Unklarheit besteht über das natürliche Reservoir des Virus. In endemischen Gebieten zählen z. B.

Ratten, Mäuse, Fledermäuse, Brüllaffen, Hirsche und Wildschweine zu den natürlichen Wirten. Aber auch in Fliegen, Mücken, Milben und Gnitzen wurde VSV nachgewiesen. Da es sich in Insekten gut vermehrt, transovariell übertragbar ist und ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Insekten und den VS-Ausbrüchen besteht, werden die Insekten als Reservoir und Überträger von VSV angenommen.

In den endemischen Gebieten kommt es durch den Leistungsrückgang der Tiere zu wirtschaftlichen Verlusten, obwohl nur sehr selten Tiere aufgrund einer VSV-Infektion verenden. Da sich die klinischen Symptome der Vesikulären Stomatitis nicht von den klinischen Symptomen der Maul- und Klauenseuche unterscheiden, ist diese Erkrankung differentialdiagnostisch von großer Bedeutung (RODRIGUEZ u.

NICHOL, 1999). In Deutschland zählt die Vesikuläre Stomatitis zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen.

2.2.7 Bekämpfung / Impfung

Besteht der Verdacht, dass es sich um die Vesikuläre Stomatitis handelt, so ist dies durch eine Labordiagnose zu verifizieren. Für die Untersuchung eignen sich besonders die flüssigkeitsgefüllten Bläschen, die sehr viel Virusmaterial enthalten.

Bei einem Ausbruch sollten erkrankte Tiere isoliert werden, damit sie nicht zu einer weiteren Verbreitung beitragen. Melkgeschirre, Futtertröge, Tränken und weitere unbelebte Vektoren sollten desinfiziert werden. Soweit dieses möglich ist, stellt eine Kontrolle bzw. Reduktion der Insekten in betroffenen Gebieten eine sinnvolle, präventive Maßnahme dar.

Mehrere Totimpfstoffe beider Serotypen sind in Süd- und Mittelamerika im Einsatz.

Ansätze mit Subunit-Vakzinen bzw. G-Protein exprimierende Vaccina-Virus-Vektor-vakzinen haben sich in Tierversuchen nicht bewährt (RODRIGUEZ u. NICHOL, 1999).

2.2.8 VSV als Vektorsystem

1995 ist es gelungen, die vollständige Nukleinsäuresequenz von VSV zu klonieren und mit Hilfe dieser cDNA infektiöse Viren zu erhalten. Bei diesem System wurden BHK-Zellen mit cDNA des VSV-Genoms und N-,P- und L-Expressionsplasmiden transfiziert. Zusätzlich wurde den Zellen durch Infektion mit rekombinantem Vacciniavirus die T7-RNA-Polymerase zur Verfügung gestellt (LAWSON et al., 1995;

WHELAN et al., 1995).

In den folgenden Jahren wurde dieses rebombinante VSV-System als viraler Vektor zur Expression von Fremdgenen genutzt. So wurden das CD4-Gen (SCHNELL et al., 1996), die gag- und env-Gene des humanen Immundefizienzvirus (JOHNSON et al., 1997; ROSE et al., 2000, 2001; HAGLUND et al., 2000, 2002), das Hämagglutinin-und Neuraminidase-Gen des Influenza-A-Virus (KRETZSCHMAR et al., 1997;

ROBERTS et al., 1998, 1999), das Hämagglutinin- und Fusions-Gen des Masern-Virus (SCHNELL et al., 1996; SCHLERETH et al., 2000), das Fusions- und Attachment-Gen des humanen respiratorischen Synzytialvirus (KAHN et al., 1999), das E2-Gen von BVDV (GRIGERA et al., 2000) und die Gene der drei

Strukturproteine des Hepatitis-C-Virus (EZELLE et al., 2002) in das VSV-Genom eingesetzt und exprimiert.

Vorteile des VSV-Vektorsystems sind die große Toleranz von VSV gegenüber genetischen Veränderungen, die relativ einfache Genomorganisation mit nur fünf Genen und das Fehlen einer Rekombination. Da sich VSV zu sehr hohen Titern vermehrt, kommt es auch zu einer starken Expression des jeweiligen Fremdproteins.

Infektionen mit VSV induzieren eine starke humorale und zelluläre Immunantwort, wobei sowohl eine systemische als auch eine Schleimhautimmunität ausgebildet wird (EZELLE et al., 2002).

Ein Problem bei der Vakzination mit einem viralen Vektor ist die Antikörperbildung gegen den Vektor selbst. Bei einer anschließenden Booster-Impfung kann das Fremdprotein nicht mehr ausreichend exprimiert werden, da der virale Vektor durch die zuvor gebildeten Antikörper gehemmt wird. Für VSV wurde ein Ansatz gewählt, bei dem das G-Protein des zuerst verwendeten VSV-Vektors gegen das G-Protein eines anderen Serotyps ausgetauscht wurde. Da es keine Kreuzneutralisation zwischen beiden Serotypen gibt, führte auch die Booster-Impfung zu einer starken Fremdproteinexpression (ROSE et al., 2000).

Häufig kommt es zur Inkorporation von Fremdproteinen in die VS-Virionen. Dabei muss es sich nicht um chimäre Fremdproteine handeln, die Anteile des G-Proteins besitzen, sondern es werden auch Proteine ohne diese Anteile in die Virionen eingebaut (SCHNELL et al., 1996; GRIGERA et al., 2000). Durch diese Fremdproteininkorporation kann das Immunsystem zusätzlich stimuliert werden.