• Keine Ergebnisse gefunden

VI Rettet den (Wissenschafts‐)Journalismus!

Im Dokument Öffentliche Vernunft? (Seite 66-70)

Doch wie man diese Aufgabe bewältigt, wie also das künftige Ökosystem der öf-fentlichen Kläranlagen für Argumente aussehen wird, ist derzeit offen. Noch wird

 Ebd.

 Zit. nach Franco Zotta,„Ist jeder selbst dafür verantwortlich, was er trinkt?“, 2018, Abs. 3, https://www.meta-magazin.org/2018/03/22/ist-jeder-selbst-dafuer-verantwortlich-was-er-trinkt/, besucht am 20.06.2019.

eher über den Ist-Zustand der Medien diskutiert, nur langsam kommen erste Lösungsansätze ins Spiel.

„Die Diversifizierung der Medienlandschaft verstärkt aber nicht nur den Wettbewerb um die öffentliche Aufmerksamkeit und um Werbeerlöse. Sie fordert auch die Identität des Journalismus heraus“²², schreiben die Kommunikations-wissenschaftlerinnen Birte Fähnrich und Therese Hein.

Das Herauslösen einzelner Beiträge aus ihrem publizistischen Kontext, also etwa das Posten und Teilen eines Artikels auf sozialen Medien (…), macht es Nutzerinnen und Nutzern schwerer, journalistische Profile eindeutig zu erkennen.²³

Medien können von der zusätzlichen Distribution durchaus profitieren und im besten Fall neue Zielgruppen für ihre Angebote gewinnen, doch diese kontextfreie Kommunikation könne für die Bekanntheit und die Reputation von Medienmar-ken auch nachteilig sein, so Fähnrich und Hein. Wenn zudem die Grenzen zwi-schen Journalismus und Laienkommunikation verwizwi-schen, wie etwa in Blogs, ist Journalismus im Internet oft nicht mehr eindeutig erkennbar. Das kann durchaus eine Herausforderung für seine gesellschaftliche Legitimation darstellen.

Erste Projekte, etwa die sogenannten„Indie-Startups“, die sich dieser und den anderen genannten Herausforderungen stellen, definieren Journalismus neu, bürgernäher und transparenter. „In der Wahrnehmung der meisten Menschen besteht unser Mediensystem aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einerseits und den etablierten Verlagen andererseits. Weniger bekannt ist die langsam wachsende dritte Säule: Indie-Startups. Sie haben keinen großen Verlag im Rü-cken und verbiegen sich nicht für Werbekunden“²⁴, beschrieb Journalist Frederik Fischer die Szene. Umso wichtiger sei der Beitrag dieser Startups zu einer divers informierten Gesellschaft.„Im zunehmend harten Kampf um Aufmerksamkeit im Netz können sie sich mit ihren beschränkten Mitteln allerdings nur schwer durchsetzen“²⁵ (Hinweis: Auch die Autorin dieses Beitrags ist mit MedWatch.de Mitgründerin eines solchen Startups). Aber, ein erster Schritt ist mit ihnen ge-macht.

 Birte Fähnrich,Therese Hein,„Journalismus im digitalen Zeitalter“, 2019, Abs. 6, https://www.

wissenschaftskommunikation.de/journalismus-im-digitalen-zeitalter-22617/, besucht am 22.06.

2019.

 Ebd.

 Frederik Fischer,„#Netzwende: Indie-Startups suchen (und finden) neue Wege im Journa-lismus“, 2018, Abs. 1, https://medium.com/@FrederikFischer/netzwende-indie-startups-suchen-und-finden-neue-wege-im-journalismus-2b6738469ea9, besucht am 22.06.2019.

 Fischer, a.a.O., Abs. 2.

Frederik Fischer startete eine erste Sammlung derartiger Unternehmungen, die Liste umfasst aktuell 19 Indie-Startups. Darunter Zwei-Mann-Teams wie

„Übermedien“, die über die Irrungen und Wirrungen der Medienbranche be-richten, oderPerspektive daily, eine Plattform für konstruktiven Journalismus. Im Vordergrund stehen in den Geschichten nicht Probleme und Skandale, sondern Lösungsansätze. Fischer nennt auch wissenschaftsjournalistische Projekte wie RiffReporter.Dieses ist eine Genossenschaft und bietet online nicht nur Inhalte von renommierten Journalistinnen und Journalisten, sondern stellt (freien) Wis-senschaftsjournalisten gleichzeitig eine Infrastruktur, um eben jene Autoren in ihrer Unabhängigkeit zu unterstützen. Das Projekt beschreibt es so:„Freie Jour-nalisten leiden besonders unter den schwierigen Branchenbedingungen. Auf RiffReporterkönnen sie zukünftig für ihre Arbeit um Unterstützer werben.“²⁶

Die Wissenschaftspressekonferenz bringt eine weitere Idee ins Spiel: Der Verband schlägt vor, eine Stiftung für Wissenschaftsjournalismus aufzubauen, um den Transformationsprozess zu gestalten, in dem sich derzeit Journalisten in Zeiten der Medienkrise befinden. Denkbar wäre etwa eine Anschubfinanzierung für journalistische Start-ups, die Förderung von Rechercheprojekten sowie die Finanzierung sogenannter Intermediäre nach dem Vorbild des Science Media Centers. Entscheidend für die WPK bleibt, dass die journalistische Unabhängig-keit gewahrt bleibt–das gelte für private Geldgeber genauso wie für staatliche Mittel. Vorbild könnten zum Beispiel Forschungs- und Filmförderung oder auch Kulturstiftungen sein.

Es wird sich erweisen, welcher Weg der richtige sein wird, den Wissen-schaftsjournalismus auf die nächste Stufe zu heben.

 Zit. nach Fischer, a.a.O., Abs. 21.

Wer nach der Beziehung von Wissenschaft und demokratischer Öffentlichkeit fragt, rückt damit unweigerlich auch die Beziehung der Wissenschaft zu den Medien in den Fokus. Sucht man unter den oftmals sehr weit gefassten wissen-schaftlichen Definitionen des Medienbegriffs nach dem, was wir im Alltag mit dem Ausdruck„Medien“bezeichnen, dann wird man dort fündig,wo Medien über die Funktion definiert werden, Öffentlichkeit herzustellen. Wenn sich aber die klassischen Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen sowie das Internet wesentlich durch ihren Beitrag zur Herstellung von Öffentlichkeit auszeichnen, dann muss die öffentliche Rolle der Wissenschaft in der Demokratie zu einem beträchtlichen Teil von der Vermittlungsrolle der Medien abhängig sein, also von dem, was die Medien in ihrer Rolle als Vermittler zwischen Wissenschaft und Bürgerschaft zum Thema machen.

So trivial diese Feststellung sein mag: Sie erfordert bereits eine wichtige Einschränkung. Das Bild von den Medien alsVermittlernzwischen Wissenschaft und demokratischer Bevölkerung ist in der jüngeren Zeit zunehmend unter Be-schuss geraten. Wie sowohl Medienschaffende als auch Kommunikationswis-senschaftler betonen, erschöpft sich die Rolle der Massenmedien, und die Funktion des Wissenschaftsjournalismus im Besonderen, nicht im‚Transfer‘von wissenschaftlichen Ergebnissen an ein breites Publikum. Die Aufgabe der me-dialen Beschäftigung mit der Wissenschaft bestehe stattdessen auch, und sogar vorrangig, darin, die Wissenschaft und ihre Protagonisten kritisch zu begleiten und eine Art von Kontrollfunktion auszuüben (zur Rolle des Wissenschaftsjour-nalismus siehe auch den Beitrag von Nicola Kuhrt in diesem Band, S. 49–60).

Im Folgenden soll dieses (Selbst‐)Verständnis des Wissenschaftsjournalismus genauer unter die Lupe genommen werden, zu dem es, wie mir scheint, in einer demokratischen Gesellschaft keine plausible Alternative gibt. So berechtigt die skizzierte Sicht auf das Verhältnis von Medien und Wissenschaft auch sein mag:

Sie wirft eine Reihe von Fragen auf, etwa welche Konsequenzen ein primär auf Kritik und Kontrolle ausgerichteter Wissenschaftsjournalismus längerfristig für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Journalisten hat und ob es für eine dezidiert kritische Wissenschaftsberichterstattung überhaupt ein Publikum gibt.

Weitere Fragen lauten, welche Kompetenzen Wissenschaftsjournalisten benöti-gen, um die ihnen zugedachte Rolle erfolgreich ausüben zu können, und ob ihre gegenwärtige Ausbildung diese Kompetenzen ausreichend vermittelt. Vor allem aber ist zu klären, welche Rolle die Wissenschaft ihrerseits gegenüber den Mas-senmedien einnehmen sollte und ob mit Blick auf diese Frage nicht ganz ähnliche

Dieses Werk ist lizenziert OpenAccess. © 2020 Daniel Eggers, publiziert von De Gruyter.

unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0.

https://doi.org/10.1515/9783110614244-007

Überlegungen greifen, wie sie zur Begründung der Kontrollfunktion der Medien gegenüber der Wissenschaft ins Feld geführt werden.

Im Dokument Öffentliche Vernunft? (Seite 66-70)