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Vertiefung und Anwendung

Im Dokument Verständnis für fremde Kulturen (Seite 51-54)

Verständnis für fremde / andere Kulturen bzw. für deren Verhalten und

3.4. Didaktische Konzeption des Modell-Unterrichts

3.4.3. Vertiefung und Anwendung

Die Schüler sollen die Bilder, die sie über Afrika haben, kritisch reflektieren. Sie sollen die Fähigkeit der isomorphen Attribution vertiefen und einüben und somit ein Überlegenheitsgefühl, das sie gegenüber Menschen aus sog. Entwicklungsländern haben, abbauen.

In den beiden folgenden Stunden liegt der Schwerpunkt auf dem Vertiefen und Einüben von isomorpher Attribution. Die Schüler sollen sich zunächst Gedanken über mögliche unterschiedliche Kulturstandards anhand verschiedener Beispiele aus Ländern Afrikas machen und versuchen, diese fremden Handlungsschemata mit ihren eigenen zu koordinieren. Es ist in zwei Stunden keinesfalls zu leisten, „afrikanische Kulturstandards“ zu lernen, zumal man überhaupt nicht von gemeinsamen Kulturstandards in ganz Afrika sprechen kann. Es ist auch nicht das Ziel dieser Unterrichtseinheit, sämtliche Normen, Werthaltungen, Einstellungen, Überzeugungen,... die in Afrika bzw. verschiedenen Teilen Afrikas vorherrschen zu vermitteln. Vielmehr soll den Schülern der Anstoß dazu gegeben werden, voreilige Beurteilungen von Menschen generell zu hinterfragen.

Dazu ist es notwendig, dass sich die Schüler zunächst das Bild, das sie selbst und andere über Menschen aus Afrika besitzen, bewusst machen. Aus Zeitgründen muss jedoch darauf verzichtet werden, dieses Bild ausführlich zu erarbeiten. Es werden vielmehr verschiedene

„Bilder“ aus Voruntersuchungen diskutiert (M12-14). Wie bereits erwähnt, zielen diese alle auf eine sehr negativ besetzte Vorstellung ab: Krankheiten, Hunger, Armut, Katastrophen, Hilflosigkeit, Faulheit, Leben nur in Hütten auf dem Land ... . Diesen Bildern werden Darstellungen gegenübergestellt, die Länder Afrikas und deren Menschen in einem ganz anderen Licht zeigen (M15-17). In diesen Materialien beschreiben Jugendliche aus Ländern Schwarzafrikas, wie sie sich und ihr Leben sehen. Diese Materialien werden bewusst sehr positiv und aus dem städtischen Leben gewählt, das dem der deutschen Schüler sehr ähnelt und den deutschen Vorstellungen von Afrika widerspricht. In einem Unterrichtsgespräch werden mögliche Ursachen für diese konträren Bilder erarbeitet. Es wird in diesem Zusammenhang zunächst auf die Darstellung Afrikas in Medien und Schulbüchern eingegangen (M18, M19). Die beiden Materialien verdeutlichen, wie Afrika in deutschen Schulbüchern dargestellt wird. Beim ersten Beispiel, aus einem Erdkundebuch aus dem Jahr 1930 wird den Schülern verdeutlicht, wie auffällig die Geringschätzung der Einwohner ist. Sie werden unverhohlen als „diebisch“ und „lügnerisch“ bezeichnet (STEINRUCK, 1930, S. 235).

In neueren Schulbüchern wird dieses Überlegenheitsgefühl sehr viel subtiler und

unterschwelliger verpackt. Hier kommt es vor allem auf die Darstellung und die Sichtweise an, die nicht selten eine Abwertung impliziert (M19).

Ebenso wird während der Diskussion auf die Auswirkungen der Kolonialisierung, des Imperialismus, der Sklavenhaltung in den USA und der damit zusammenhängenden Geringschätzung von Afrikanern eingegangen (M20-22).

Schließlich werden dann unterschiedliche Werthaltungen, Einstellungen, Überzeugungen, Normen, also unterschiedliche Kulturstandards diskutiert. Mit diesem Schritt soll die zweite Stufe interkulturellen Lernens nach WINTER erklommen werden, nämlich kulturfremde Orientierungssysteme zu erfassen. Hier soll jedoch noch einmal darauf hingewiesen werden, dass nicht, so wie bei klassischen interkulturellen Trainings, sämtliche Kulturstandards erlernt werden sollen, sondern dass die Schüler ein Bewusstsein für unterschiedliche Kulturstandards bekommen und so vorschnelles Urteilen vermeiden. Als Unterrichtsmaterial hierzu dienen Texte, die für die Schüler befremdliche Situationen und Verhaltensweisen darstellen (M23-24). Die Schüler sollen wiederum in Gruppenarbeit erörtern und diskutieren, welche möglichen Werte, Normen, Einstellungen oder sonstige Bedingungen hinter den auf sie fremd wirkenden Situationen stehen könnten. Als Beispiel sei auf die Bedeutung von Mitbringsel verwiesen.

Auch hier werden in einer Diskussion im Plenum die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen zusammengetragen.

Ein kurzer Ausschnitt aus dem Film „Kunst-Stücke / Das Fest des Huhnes“ (ORF, 12.6.1992) soll die isomorphe Attribution vertiefen. Methodisch dient hier das Mittel der Situationsumkehr. In diesem Film wird Österreich, das gleich zu Beginn mit Süddeutschland gleichgesetzt wird, aus Sicht einer afrikanischen Ethnologen-Gruppe erlebt, beschrieben und vor allem das Leben und Handeln der Einwohner („Ureinwohner“, „Eingeborenen“) bewertet und interpretiert. Durch die teilweise befremdliche und humorvolle Interpretation von für uns Alltäglichem aus afrikanischer Sicht, werden die Schüler dazu angeregt, den Perspektivenwechsel nachzuvollziehen und kulturdivergente Handlungsschemata zu koordinieren, so wie es die dritte Stufe interkulturellen Lernens nach WINTER vorschlägt.

Gleichzeitig soll durch diesen Filmausschnitt auch das eigenkulturelle Orientierungssystem reflektiert werden. Wenn es die Zeit erlaubt, ist es möglich, einen Teil des Filmausschnittes zunächst ohne Ton zu zeigen und von den Schülern vertonen zu lassen. Da dies aus deutscher Perspektive erfolgt, ist der Vergleich mit dem Originalton umso interessanter.

Die Szene beginnt mit einer Aufnahme von Gartenzwergen in einem Vorgarten, die als Darstellung von Menschen aus früheren Zeiten gesehen wird, beschreibt dann u.a. die Gartenzäune als Zeichen des Individualismus, einen Zeltplatz als Relikt nomadischer

Vergangenheit, wo die Menschen augenscheinlich glücklicher und zufriedener wirken als in ihren „festen Behausungen“ und erklärt Umzüge in uniformen Trachten als „Urlaub vom anstrengenden Individualismus und den im tiefsten Inneren vorhandenem Drang zum Leben in der Gemeinschaft.“

Die vierte Stufe nach WINTER, nämlich die generelle Fähigkeit, fremde Kulturen zu verstehen, bzw. sich in jeder fremden Kultur schnell und effektiv zurechtzufinden, kann im Rahmen dieser Unterrichtseinheit noch nicht erwartet werden. Man könnte sich jedoch durchaus vorstellen, sich diesem Ziel zu nähern, wenn Kulturstandards wiederholt im Erdkundeunterricht thematisiert und vertieft werden.

Abbildung 6 stellt den Unterricht noch einmal im Überblick zusammen. Abbildung 7 zeigt das Tafelbild, das in den ersten beiden Stunden, also im allgemeinen Teil erstellt wird.

1. + 2. Stunde

Im Dokument Verständnis für fremde Kulturen (Seite 51-54)