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Verortung des Ethikbegriffs in der Philosophie

3. Ethik

3.1 Verortung des Ethikbegriffs in der Philosophie

Als eine Disziplin der Philosophie befasst sich Ethik mit „der Praxis von uns Menschen, also mit unseren Handlungen, mit unserem tatsächlichen Handeln, aber auch mit dem möglichen, dem gebotenen oder erlaubten Handeln sowie mit seinem Gegenteil, also dem verbotenen Handeln, […] ebenso wie mit Handlungsabsichten, -zielen und -metho-den, mit den zu diesen gehörigen Handlungsregeln und mit den aus den Handlungen hervorgehenden, intersubjektiv verfassten Institutionen des Handelns“ (Lutz-Bachmann

2013, S. 13; Auslassung: S.H.) und begründet somit das Teilgebiet der praktischen Phi-losophie. Präzisiert fragt die philosophische Ethik danach, ob diese und weitere Aspekte

„als moralisch richtig oder moralisch falsch, als gut oder schlecht, als gerecht(fertigt) oder ungerecht(fertigt), als moralisch legitim oder illegitim bezeichnet werden können oder ob sie gegebenenfalls gar nicht moralisch relevant sind und in diesem Sinn als nicht morali-sche Handlungen […] keinen zentralen Platz in den Debatten der Ethik haben“ (Lutz-Bachmann 2013, S. 14f.; Auslassung: S.H.). In diesem Sinne ist Ethik „die Frage nach dem Guten, Moral ist die historische und kulturell geformte Antwort auf diese Frage“

(Krainz 2006, S. 187). Zugunsten einer Nachvollziehbarkeit werden im Folgenden die Wortherkunft und -bedeutung des Ethikbegriffs und der Moral in Abgrenzung zur Moralität erläutert.

3.1.1 Wortbedeutung und Wortherkunft

Bereits Aristoteles beschäftigte sich mit den Fragen guten Handelns (vgl. Kapitel 3.2) und verwendete zu seiner Zeit bereits den Begriff der Ethik. Dieser lässt sich vom griechi-schen Begriff ethos herleiten, welcher wiederum in zweierlei Ausführungen vorkommt:

Als ἔθος und als ἦθος. Dabei kann ἔθος sinngemäß mit Brauch, Gewohnheit und Sitte übersetzt werden und bezieht sich auf folgenden Kontext: „Wer durch Erziehung daran gewöhnt worden ist, was im antiken Stadtstaat, in der Polis Geltung hat und sich daher ziemt, auszurichten, der handelt ‚ethisch‘, insofern er die Normen des allgemein aner-kannten ‚Moralkodex‘ befolgt“ (Pieper 2007, S. 25f.). Ethos im Sinne von ἔθος kann also verstanden werden als Konformität gegenüber einem von der Allgemeinheit anerkannten Regelkodex, unabhängig von seiner impliziten oder expliziten Formulierung, durchaus abhängig jedoch von der Gemeinschaft, in der ein/e Handelnde/r lebt.

Ethos im Sinne von ἦθος hingegen kann als Konkretisierung und Erweiterung des Begriffs gleichermaßen verstanden werden. So schreibt Pieper: „Im engeren und eigentlichen Sinn ethisch handelt jedoch derjenige, der überlieferten Handlungsregeln und Wertmaß-stäben nicht fraglos folgt, sondern es sich zur Gewohnheit macht, aus Einsicht und Über-legung das jeweils erforderliche Gute zu tun: Das ἔθος wird dann zum ἦθος im Sinne von Charakter; es verfestigt sich zur Grundhaltung der Tugend“ (Pieper 2007, S. 26).

Das lateinische Wort mos fasst beide Bedeutungen und bezieht folglich Sitte (was den Begriffsgehalt von ἔθος auffasst) und Charakter (im Sinne von ἦθος) mit ein. Von mos leitet sich das deutsche Wort Moral ab (vgl. Pieper 2007, S. 26). Die nachstehende Grafik verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der griechischen Wortherkunft des Ethik-Be-griffs, seinen lateinischen Wurzeln und seiner Untergliederung in Moral/Sitte und Morali-tät/Sittlichkeit.

Abb. 1: Ethik – Wortherkunft und Bedeutung (nach: Pieper 2007, S. 27)

Als ein interessanter Aspekt ist zu beurteilen, dass die heute geläufigen Wörter mora-lisch/sittlich die Wortbedeutung beider Stränge in sich aufnehmen und es (beispielsweise in einem Dialogkontext) ohne weitere Nachfragen nicht nachvollziehbar wäre, ob der Be-griff der Moral oder der Moralität Gegenstand der Aussage wäre, wenn jemand einen Satz wie ‚Dies ist moralisch nicht vertretbar‘ in eine Ethik-Diskussion einbringt. Wenn eine Handlung mit dieser Doppeldeutigkeit kommentiert wird, kann dies einerseits heißen, dass sie den Regeln einer anerkannten Moral/Sitte folgt, aber auch, dass sie ihren Grund in der Moralität bzw. Sittlichkeit des Handelnden hat (vgl. Pieper 2007, S. 27). Nicht auf eine Handlung, sondern auf eine Person an sich bezogen, beschreibt Pieper: „Wenn ich von jemandem sage, er sei ein unmoralischer Mensch, so meine ich entweder, sein Ver-halten entspreche nicht dem von den meisten anerkannten Moralkodex, oder aber, er habe einen verdorbenen Charakter“ (Pieper 2007, S. 27).

3.1.2 Moral und Moralität / Sitte und Sittlichkeit

Die Moral, welche vom Bedeutungsgehalt am meisten dem von ἔθος entspricht, kann wie folgt definiert werden: „Zur Moral oder Sitte werden jene – aus wechselseitigen Anerken-nungsprozessen in einer Gemeinschaft von Menschen hervorgegangenen und als allge-mein verbindlich ausgezeichneten Handlungsmuster zusammengefaßt [sic!], denen nor-mative Geltung zugesprochen wird. Die Ausdrücke Moral und Sitte bezeichnen mithin Ordnungsgebilde, die gewachsene Lebensformen repräsentieren, Lebensformen, die die Wert- und Sinnvorstellungen einer Handlungsgemeinschaft widerspiegeln“ (Pieper 2007, S. 26). Dies ist relevant und herauszustellen, da die Begriffsklärung von Moralität (sinn-gemäß angelehnt an ἦθος) nicht möglich wäre, würde dies außen vor gelassen. Moralität baut in diesem Sinne auf den Begriff der Moral auf, denn mit dem Gebrauch von Moralität

ist auch „ein Anspruch auf moralische Richtigkeit von Handlungen und Handlungsabsich-ten, Handlungsregeln oder Handlungskomplexen verbunden, den die Handelnden zu-nächst selbst für ihr eigenes Tun oder Unterlassen behaupten, sei es explizit oder auch nur implizit“ (Lutz-Bachmann 2013, S. 20). Dabei soll hinsichtlich des Stellenwerts der Moralität festgehalten werden, dass der Begriff einen normativen als auch einen evalua-tiven Charakter vereint: „Er bewertet und schätzt, er erlaubt, empfiehlt und gebietet be-stimmte Handlungen. Indem er Handlungen bewertet (evaluiert), stellt er deren Richtig-keit oder UnrichtigRichtig-keit entweder im Sinne einer Empfehlung und eines Ratschlags oder im Sinne eines Vorbilds heraus. Normative Stellungnahmen im engeren Sinn sind Hand-lungsaufforderungen, die die Adressaten zu einer mehr oder weniger verbindlichen, einer bedingten (hypothetischen) oder unbedingten (kategorischen) Regelkonformität anhal-ten“ (Lutz-Bachmann 2013, S. 21). Es ist Handelnden also nicht nur möglich, ziele und geeignete Zielerreichungsmaßnahmen zu wählen, sondern auch Handlungs-empfehlungen und normative Vorgaben kritisch zu prüfen, sich ihrer anzunehmen oder sie zu verwerfen (vgl. Bender 1991, S. 89). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets die Annahme einer „moralischen Autonomie“ (Lutz-Bachmann 2013, S. 22), andernfalls „wird

‚Moralität‘ zu einem Konzept objektiv vorgestellter Richtigkeit, an das sich die Menschen, wenn sie moralisch sein wollen, nur anpassen können“ (ebd., S. 26).

Neben diesen grundlegenden (und oftmals verbindenden) Annahmen in der Ethikdiskus-sion bestehen signifikante Unterschiede in verschiedenen Positionen zum Ethik-Ver-ständnis. Auf die Frage, was ethisches Handeln auszeichnet, würden sie alle unter-schiedlich antworten, einige nur in Nuancen, andere mit größerer Abweichung. Drei die-ser schulbildenden Positionen werden im Folgenden erläutert und hinsichtlich diedie-ser Frage beleuchtet.

3.2 Über die Tugendethik nach Aristoteles