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3. Ethik

3.4 Über die Pflichtenethik Kants

3.4.3 Grundsätze des menschlichen Willens

Bevor erläutert wird, wie der Kategorische Imperativ als übergeordnete Handlungsvor-schrift wirkt, soll Bezug darauf genommen werden, welche praktischen Grundsätze das menschliche Handeln ebenso beeinflussen, wonach Personen Handlungen ausführen.

Nach Untersuchungen Kants lässt sich hierbei unterscheiden zwischen Maximen (sub-jektive Grundsätze des Handelns), hypothetischen Imperativen (ob(sub-jektive Grundsätze mit genauem Bezug auf ein bestimmtes Ziel) und schließlich dem kategorischen Imperativ (als allgemeingültiges Handlungsprinzip) (vgl. Gebauer/Kres/Moisel 2014, S. 95-97).

Maximen sind in diesem theoretischen Zusammenhang „weitgefasste Lebensführungs-regeln wie die, immer auf die Gesundheit zu achten, niemanden zu betrügen, oder immer den eigenen Vorteil zum Ziel zu erheben. Sie garantieren die Beständigkeit des Charak-ters und die Berechenbarkeit der Person im sozialen Umgang auch unter sich ständig wandelnden sinnlichen Bedürfnissen und äußeren Situationen“ (Gerlach 2011, S. 96).

Möchte man nun prüfen, ob Handlungen auf Grundlage dieser Maxime moralisch sind, so sollen sich die Handelnden fragen, ob sie wollen können, dass diese Maxime in ver-gleichbaren Situationen für alle Menschen gelten, ob sie also verallgemeinerbar sind und einen allgemeingültigen Grundsatz zum Handeln darstellen können. Diejenigen Maxi-men, die sich auf diese Weise verallgemeinern lassen, seien dann jene, die moralisch zulässig und sogar geboten sind (vgl. Frey/Schmalzried 2013, S. 80). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass solche Handlungsmaximen, die nicht verallgemeinerbar sind (bei-spielsweise da wir mit Hilfe unserer Vernunft einsehen, dass nicht alle Menschen so han-deln sollten), verworfen werden müssen, da diese von Kant als pflichtwidrige Maxime bezeichnet werden, weil moralisches Handeln eine Pflicht des Menschen sei (vgl. ebd.).

Neben diesen Maximen identifiziert Kant hypothetische Imperative, welche ein bestimm-tes Verhalten nicht schlechthin gebieten, sondern nur dann, wenn eine explizite Bedin-gung vorliegt (vgl. Gerlach 2011, S. 95), stets dem Schema ‚Wenn du X erreichen möch-test, musst du Y tun‘ folgend. Ihnen wird also ein hypothetischer Charakter zugeschrie-ben, „da sie immer auf eine mögliche, d.h. hypothetische Absicht reagieren“

(Frey/Schmalzried 2013, S. 86). Dabei betont Kant in Bezug auf moralisches Handeln, dass man, sofern man ein Ziel erreichen will und die Zielerreichung umsetzt, auch die Mittel zur Verwirklichung akzeptiert. Lehnt man das Mittel jedoch ab und es gibt kein an-deres Mittel zur Zielerreichung, so muss man auch die Absicht, dieses Ziel zur verwirkli-chen, aufgeben (vgl. ebd.). Absichten im Besonderen beschreiben stets, mit welcher In-tention jemand eine Handlung ausführt und Kant führt an, dass es keine Absichten gibt,

„die wir allen Menschen gleichermaßen zuschreiben können“ (ebd.), sodass daraus ge-schlussfolgert werden kann, dass hypothetische Imperative nicht das geeignete Mittel sind, um zu bestimmen, wie wir moralisch handeln können.

Kant definiert daher einen unbedingten Leitsatz, der frei von subjektiven Neigungen und Erfahrungswerten sein muss: Diesen benennt er als kategorischen Imperativ, den er aus-giebig in seinen Werken zur Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und der Kritik der praktischen Vernunft erläutert und untermauert. Dieser kategorische Imperativ „sagt nichts darüber aus, was man konkret tun soll, er gibt keine konkreten Ziele unseres Han-delns an, keine konkreten Güter, die man erstreben soll usw.“ (Gebauer/Kres/Moisel 2014, S. 97), da all dies nicht nur vom Handelnden selbst abhängt, sondern auch von seinem Umfeld etc. Kant wendet sich jedoch von dieser Heteronomie ab und sucht „nach einem autonomen, rein aus der Vernunft entwickelten Prinzip, das nicht inhaltlich be-stimmt sein kann, sondern rein formal sein muss“ (ebd., S. 98). Diese Voraussetzungen sieht er im kategorischen Imperativ erfüllt. Er definiert damit eine oberste unbedingte Handlungsmaxime, die auch als Grundformel bzw. Universalisierungsformel bekannt ist, und fährt fort mit drei Unterformeln, mit denen er das Prinzip der Sittlichkeit erläutert (vgl.

Höffe 2012, S. 108) und die dieses oberste Prinzip ergänzen. Die Grundformel „Handle so, daß [sic!] die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ (Kant 2011, S. 42; Änderung: S.H.) hält Handelnde zu der Überprüfung an, ob die Handlung, die durchgeführt werden soll, und die Maxime, auf der sie beruht, verallgemeinerbar wären (identisch der Vorgehensweise zur Prüfung von Ma-ximen unter moralischen Aspekten). Dabei ist die wichtige Eigenart dieses Leitprinzips darin zu sehen, dass es an keine Bedingungen geknüpft ist. Der Kategorische Imperativ ist verpflichtend für alle und muss nach Kant rigoros und ausschließlich durch den Ge-brauch des Verstandes (und ohne Berücksichtigung individueller Neigungen) angewen-det werden.

Diese Richtlinie, an der Handelnde ihr Verhalten ausrichten sollen, wird ergänzt durch drei weitere Formeln, von welcher die erste, die sogenannte Naturgesetzformel, besagt:

„[Handle] so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte“ (Kant 2013, S. 33; Änderung: S.H.). Kant bestärkt hier noch einmal die Rigorosität der Formel und führt dem Handelnden vor Augen, wie wichtig es

ist sich vorzustellen, „die Maxime des eigenen Handelns werde zu einem Naturgesetz, zu einem Gesetz also, das keine einzige Ausnahme zulässt“ (Gebauer/Kres/Moisel 2014, S. 99). Es verstärkt noch einmal den Anspruch der Verallgemeinerbarkeit, den bereits die Grundformel erhebt.

Die zweite ergänzende Formel, die sogenannte Zweckformel, nimmt einen wichtigen Ar-gumentationspfeiler Kants gesamter Ethik in sich auf: „Handle so, daß [sic!] du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchtest“ (Kant 2013, S. 39; Änderung:

S.H.). In dieser Formel findet also das Instrumentalisierungsgebot Anerkennung, welches auf der Grundlage fußt, dass rationale Wesen Zwecke an sich selbst sind, wodurch ihnen eine innere Würde zukommt. Würden wir Menschen, ihres Zeichens rationale Wesen, also als Mittel zur Erreichung einer Absicht/eines Zwecks/eines Ziels nutzen, so würden wir sie instrumentalisieren (vgl. Frey/Schmalzried 2013, S. 93f.). Nach Kant bleibt es zwar nicht aus, dass andere Menschen als Mittel für ein Ziel eingesetzt werden, jedoch darf ein Mensch nicht ausschließlich instrumentalisiert werden (vgl. ebd., S. 93). Vielmehr muss er stets auch als Selbstzweck betrachtet und im Umgang mit ihm sein absoluter Wert immer berücksichtigt werden (vgl. Gerlach 2011, S. 106).

Die dritte und letzte ergänzende Formel, die sogenannte Reich-der-Zwecke-Formel, be-sagt: „Demnach muß [sic!] ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre“

(Kant 2013, S. 47; Änderung: S.H.). Ein Leben im Reich der Zwecke wird wie folgt be-schrieben: „Wenn jeder andere Mensch einen absoluten Zweck an sich hat, so muss auch ich mein Möglichstes dazu beitragen, dass der andere diesen seinen Zweck ver-wirklichen kann, d.h. dass er menschenwürdig und ohne (angesichts meiner Hilfsmög-lichkeiten) überflüssiges Leid leben kann“ (Gebauer(Kres/Moisel 2014, S. 101). Dabei ist das Reich der Zwecke „die Vorstellung der übereinstimmenden Gesetzgebung (und -be-folgung) aller für alle und aller ihrer Zwecke als Zwecke von allen“ (Gerlach 2011, S. 107), sodass hier Kants Idee einer egalitären Moral Betonung findet. Alle Menschen sind dem-nach an die moralische Gesetzgebung durch den kategorischen Imperativ gebunden, al-lerdings gibt es keine gesetzerlassenden Autoritäten, da jeder Mensch selbst gesetzge-bend ist und sich diesem Gesetz, nach Kant dem sogenannten Sittengesetz, aufgrund seiner Einsicht unterwirft. Frey und Schmalzried resümieren: „Die Idee der Selbstgesetz-gebung vereint in sich also den anscheinend paradoxen Gedanken, dass wir autonom und zugleich verpflichtet sind. Der Schlüssel liegt darin, dass wir uns selbst verpflichten“

(Frey/Schmalzried 2013, S. 94). Dies ist besonders deswegen wichtig, da moralische Handlungen sich noch nicht dadurch auszeichnen, dass sie dem kategorischen Imperativ gemäß sind, sondern dadurch, dass Handlungen „um der Erfüllung des Anspruchs des Imperativs willen vollzogen werden“ (Gerlach 2011, S. 111), oder anders formuliert, aus Achtung vor dem Sittengesetz, welches sich in Form des kategorischen Imperativs ma-nifestiert.