Je nachdem wie weit der Beratungsprozess bereits fort
geschritten ist, kann eine (Weiter-)Vermittlung von Klient_
innen entweder bedeuten, dass auf eine andere Stelle ver
wiesen wird, da diese (noch) stärker die gewünschte Unter
stützung im fraglichen Themenbereichen leisten kann, oder aber für eine bestimmte Thematik bei anderen Stellen auf Beratung und Expertise zurückgegriffen wird.
In der Praxis kann sich beispielsweise im Kontext einer Beratung zu einer Diskriminierungserfahrung auf dem Job
center herausstellen, dass leistungsrechtliche Fragen zu klä
ren sind, für die entweder eine spezialisierte Beratungsstel
le oder eine Anwältin einzuschalten ist. Im weiteren Ver
lauf kann der/die Klient_in zu der Entscheidung kommen, diesen Bereich als ihr Hauptanliegen zu verfolgen und die Diskriminierungskomponente nur noch peripher oder gar nicht mehr mit in das Vorgehen einzubeziehen.
Wird in der Beratung deutlich, dass Klient_innen eine Unterstützung wünschen, die über das hinausgeht, was die Antidiskriminierungsberatungsstelle leisten kann, gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, diese zugänglich zu machen. Wenn die Beratungsstelle über Kontakte zu ent
sprechenden Stellen verfügt, dann können Berater_innen Klient_innen direkt dorthin verweisen und z.B. Ansprech
personen benennen.
Häufig wird im Beratungsprozess für die (weitergehende) rechtliche Beratung zu Diskriminierungen, aber auch zu an
deren rechtlichen Fragen an Rechtsanwält_innen vermittelt.
Viele Klient_innen haben wenig oder keine Erfahrung mit Rechtsanwält_innen und gerichtlichen Auseinandersetzun
gen und begegnen dem wie die meisten Menschen mit einer gewissen Unsicherheit und Angst. Viele erleben es als hilf
reich, wenn die Beratungsstelle bereits von positiven Erfah
rungen mit Rechtsanwältinnen berichten und diese als dis
kriminierungssensibel und im Antidiskriminierungsrecht Erfahrene empfehlen. Dabei gilt es den rechtlichen Rahmen zu beachten. Da Rechtsanwält_innen gesetzlich eine Einzel
fallwerbung – auch wenn diese durch Dritte geschieht – ver
boten ist, sollte man grundsätzlich auf die freie Wahl von Anwält_innen hinweisen und mehrere empfehlen bzw. auf eine Liste von Anwält_innen verweisen, mit denen man be
reits gute Erfahrung gemacht hat und die im entsprechen
den Fachgebiet spezialisiert sind.
05 Vermittlung in der Antidiskriminierungsberatung
Manchmal macht es mehr Sinn, Klient_innen direkt zu anderen Stellen zu begleiten, etwa im Falle einer Überset
zung z.B. von der juristischen in eine allgemein verständ
liche Sprache –, oder aber im Falle einer besonderen Belas
tung oder Unsicherheit seitens der Klient_innen, diese Ein
richtung oder Anlaufstelle aufzusuchen.1
Auch macht es Sinn, andere Stellen wie z.B. die Sozialbe
ratung hinzuzuziehen, um eine neue Wohnung zu bekom
men und das aktuell diskriminierende Wohnumfeld zu ver
lassen. Für andere Klient_innen kann es wiederum stim
miger sein, wenn sie sich selbst auf die Suche nach weite
ren Einrichtungen machen – unter Umständen mit Unter
stützung der Antidiskriminierungsberatungsstelle – und so ihr Anliegen selbst in der Hand behalten, also ganz und gar ihre eigene „Case Managerin“ bleiben. Dies ist jeweils mit den Klient_innen individuell abzustimmen.
Fallbeispiel:
Eine Familie mit Kind berichtet, dass sie seit über ei
nem Jahr erfolglos eine Wohnung suchen. Zurzeit woh
nen sie in einem kleinen Zimmer bei Freund_innen.
Immer wieder werden sie als Mieter_innen abgewiesen.
In einem konkreten Fall ergeben sich Hinweise darauf, dass die Ablehnung rassistisch motiviert war. Dies wol
len sie nicht hinnehmen. Nach eingehender Beratung über ihre rechtlichen Möglichkeiten und dem erfolglo
sen Versuch der Beraterin, in einem telefonischen Ge
spräch eine Klärung mit dem Vermieter herbeizufüh
ren, machen sie ihre Ansprüche nach dem AGG geltend, um sich den Klageweg zunächst offen zu halten. Ihr vor
derstes Anliegen ist es jedoch, so schnell wie möglich eine Wohnung zu finden. Sie wissen aber nicht mehr weiter. Die Beratungsstelle recherchiert nach passenden Einrichtungen und vermittelt nach vorherigem Anruf dort den Kontakt an die Familie.
Angesichts der Vielzahl an Themen, die im Kontext von Diskriminierung auftreten können bzw. angesichts der vie
len Kontexte, in denen Diskriminierung zum Thema wer
den kann, kommen für eine Vermittlung verschiedenste Stellen infrage: Hierzu gehören u.a. Rechtsanwält_innen, Ärzt_innen, Psycholog_innen, Psychotherapeut_innen, spezialisierte Beratungsstellen (Schuldner_innenberatung, psychologische Beratung, Mobbingberatung, Schulbera
tung, Erziehungs- und Familienberatung etc.), Selbsthilfe
gruppen, Selbstorganisationen, Interessenverbände, Ver
braucher_innenschutzberatung, niedrigschwellige Tages
stätten (Kontakt- und Beratungsstellen, Nachbarschaftszen
tren) und viele andere mehr.
In der Praxis haben sich der Aufbau und die Pflege von Netzwerken bewährt, um kurze Wege zu ermöglichen und Synergien zwischen verschiedenen Stellen zu ermöglichen.
Zudem sichert der kontinuierliche Kontakt und Austausch der verschiedenen Beratungseinrichtungen die Qualität der Zusammenarbeit. Dabei kann gemeinsam reflektiert wer
den, ob die Vermittlung gelungen ist und wo noch Bedarf besteht für Veränderungen in der Zusammenarbeit.
Es kann auch sinnvoll sein, staatliche Antidiskriminie
rungsstellen hinzuziehen, beispielsweise wenn die Diskri
minierung auf behördlicher Ebene stattgefunden hat.
Fallbeispiel:
Eine Klientin berichtet der Antidiskriminierungs
beratungsstelle, dass sie im Auswahlverfahren für den mittleren Dienst in der Verwaltung benachteiligt wur
de. Anders als bei einer anderen Bewerberin wurde ihre Bewerbung wegen einer nicht fristgerecht eingereichten Bescheinigung nicht mehr zugelassen, worin sie eine rassistische Diskriminierung vermutet, da es für die un
terschiedliche Behandlung aus ihrer Sicht keine sachli
chen Gründe gäbe. Ihr Anliegen ist es, weiter im Bewer
bungsprozess zu bleiben. Mit der Beraterin bespricht sie, wie dies am besten gelingen kann, und entscheidet sich dafür, die staatliche Antidiskriminierungsstelle ih
res Bundeslandes darüber zu informieren und sich von dieser unterstützen zu lassen. Davon erhofft sie sich, dass über den „kurzen“ internen und damit auch schnel
leren Weg in der Personalabteilung nachgefragt werden kann, inwiefern ihre Bewerbung aus diskriminierenden Gründen ausgeschlossen wurde und ob der Ausschluss rückgängig gemacht werden kann. Nach vorheriger Be
sprechung mit der zuständigen Mitarbeiterin der Lan
des-Antidiskriminierungsstelle wird sie dorthin vermit
telt.
An diesen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass eine gute Beratungsarbeit (Weiter-)Vermittlungsmög
lichkeiten und damit Kontakte zu bzw. Netzwerke mit an
deren Stellen und Organisationen braucht. Je nach Einrich
tung können diese Netzwerk mehr oder weniger formali
siert gestaltet sein, entweder als regelmäßige Arbeitstreffen oder eher über informelle Kontaktpflege.
1 vgl. Kapitel „Klage und Beistand
schaft nach dem AGG“
In jedem Fall sind alle diese Kontakte auch für die Ver
mittlung von Klient_innen an die Antidiskriminierungs
beratungsstelle selbst von großer Bedeutung, wie die Be
ratungspraxis zeigt. Damit die Vermittlung an eine Bera
tungsstelle gelingt, müssen die weitervermittelnden Stel
len genau über die Handlungsfelder und -möglichkeiten der Beratungsstelle informiert sein. Im Netzwerk kann dies im konkreten Einzelfall durch eine Kontaktaufnah
me zwischen vermittelnder Organisation und Beratungs
stelle oder aber auf grundsätzlicher Ebene durch eine Fest
legung der allgemeinen Vermittlungsmodalitäten gesichert werden. Andernfalls kann eine Weitervermittlung falsche Erwartungen wecken und dadurch zu Enttäuschung und Frust bei den Ratsuchenden führen, aber auch unnötige Mehrarbeit und Erklärungsnot bei den Beratungsstellen verursachen.
06 Testings als Instrument der Antidiskriminierungsberatung