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Verletzungen der Knochen des Schädels

Im Dokument DEUTSCHE CHIRURGIE (Seite 90-200)

Cap. V I I I .

Hiebwunden des Schädels.

§. 45. Die Schärfe der Klingen bestimmt die Reinheit der Knochenwunden. Je schneidiger das Instrument ist, welches den Schädel verwundet, desto glatter sind die Ränder des Knochenspaltes?

je stumpfer dagegen und kantiger es ist, je massiver der Keil ist, de*

in den Knochen dringt, desto mehr wird er diesen nicht bloss einfach durchtrennen, sondern aus einander sprengen, spalten und splittern. V of l

dem verletzenden Werkzeuge hängt es ab, ob reine Knochenwunden, oder

') P e r c y : , Manuel des chinirgiens d'armee. 1^30. p, '•)'•).

Hiebwunden. Combination mit Splitterung. Eintheilung. 61 Knochenwunden mit einfachen und mehrfachen Brüchen vorliegen.

Wie für die Reinheit der Wunde, so ist auch für eine sofortige Be­

theiligung des Gehirns an den Hiebwunden die Schärfe der Waffe maassgebend. Scharfe Klingen können von der Scheitelhöhe durch den Knochen ins Gehirn fahren, ohne unmittelbar dem Verletzten das Be-wusstsein zu rauben. Die Wucht des Schlages stumpfer Waffen aber kann dermassen das Hirn erschüttern, dass der Getroffene sofort zu­

sammenstürzt. S t r o m e y e r führt in diesem Sinne an, dass der eng­

lische Dragonersäbel die Kopfbedeckung eines Afghanen nicht durch­

hauen kann, während die Waffe des letzteren durch jede Kopfbedeckung und den Schädel selbst bis in das Gehirn dringt. Im ersten Falle wird der Gegner vielleicht nicht getödtet, aber so erschüttert, dass er be-wusstlos vom Pferde fällt, im letzteren ist er tödtlich getroffen, aber ohne Spur von Erschütterung und kann bei vollem Bewusstsein noch seinen Angreifer tödten, ehe er sterbend zu Boden sinkt.

Die scharfen Schläger der Studenten und die ausgezeichneten Handwaffen gewisser kriegerischer Volksstämme, z. B. die Schaschkas der Tscherkessen durchtrennen, wenn sie mit künstlerischer Fertigkeit, durch Zug mehr als durch Druck geführt werden, den Knochen glatt und scharf. Allein selbst bei diesen Waffen splittert oft der eine oder andere Wundrand, namentlich die innere Tafel, wenn die Faust, die sie handhabt, nicht kräftig genug dreinhaut. So berichten D o u t r e l e -pont l) von einer Schlägerwunde und P i r o g o f f2) von einem kau­

kasischen Säbelhieb, dass unter der glatt durchtrennten Tabula externa auf der Dura Splitter der Interna lagen. L o u v r i e r (a. a. 0 . S. 40) hat eine ganze Masse von Säbelhieben mit Bruch der Glastafel zu­

sammengestellt.

Nach der Tiefe der Continuitätstrennung im Knochen unterscheidet man penetrirende und nichtpenetrirende Schädelwunden, indem der Hieb bald nur die äussere Tafel und die Diploe, bald alle drei Schichten des Knochens durchdringt. Nächst der Tiefe wird weiter die Richtung des Eindringens für die Eintheilung, wie Boschreibung der Verletzung maassgebend. Man unterscheidet demnach 1) Einfache Schnitte und oberflächliche Marken und Ritze, bloss in der äusseren Tafel. (Die Hedra der Alten.) 2) Durchtrennung beider Tafeln mittelst senkrecht zur Knochenoberfläche geführten Hiebes (Eccope). 3) Schräge oder horizontale Hiebe, die beide Tafeln treffen, aber nicht aus allem Zu­

sammenhang lösen (Diacope). 4) Vollständige Abtrennung eines Schädelsegments, wobei das Knochenstück bald den Weichtheilen an­

hängt, bald mit ihnen abgeschlagen ist (Aposkeparnismus). Die erst genannten Verletzungen sind L i n e a r w u n d e n , die letzteren L a p p e n ­ w u n d e n und W u n d e n m i t S u b s t a n z v e r l u s t .

Die L i n e ä r w u n d e n entstehen durch mehr oder weniger senk­

recht gegen den Schädel gerichtete Hiebe und klaffen dann genau in der Dicke des verletzenden Instruments. Wurde der Hieb schräge zur getroffenen Knochenfläche geführt, so pflegt das Klaffen etwas be­

deutender zu sein. Der Wundrand, welcher der oberen Fläche der

') D o u t r e l e p o n t : Berliner klinische Wochenschrift. 1865. S. 389.

2) Pirogoff: Rapport medical d'un voyage au Caucase. St. Petersbourg 1849 p. 64, Nr. 14.

62 Lineare und Lappenwunden. Substanzverlust. Beilhiebe.

eingedrungenen Klinge entspricht, steht regelmässig höher, als der andere, und zwar dadurch, dass er wirklich aufgehoben, nicht etwa dadurch, dass der gegenüber liegende niedergedrückt wäre. Wenn die Richtung des Hiebes sehr schräge ist, sich der Horizontalen nähernd, so entstehen die L a p p e n w u n d e n , deren freier Rand wegen der kugeligen Gestalt des Schädeldaches nothwendig abgerundet ist, während der haftende Theil eingebogen und oft auch eingebrochen erscheint.

Je schmäler die Basis, desto näher steht die Verletzung den W u n d e n m i t S u b s t a n z v e r l u s t , in welchen ein kleineres oder grösseres Stück des Schädels in seiner ganzen Dicke, oder innerhalb der Diploc abgeschlagen, der Lappen also auch an seiner Basis durchgehauen ist.

Dabei ist das Stück entweder mit allen Weichthoilen fortgeschlagen, oder die Weichtheile behielten Verbindungen mit der übrigen Haut und das losgelöste Knochenstück blieb ihnen eingepflanzt.

§. 46. Nicht nur in Form der schon erwähnten Absplitterung kleiner Fragmente von der Glastafel combiniron sich am Schädel Knochenwunden und Knochenbrüche, vielmehr ist bei Einwirkung stumpfer, schwerer und keilförmiger Waffen die Depression der Wund­

ränder, die Aussprengung grösserer Stücke aus ihnen und die Fort­

setzung vielfacher und ausgedehnter Fissuren weit über die getroffene Schädelstelle hinaus die Regel. Das gilt namentlich von den B e i l ­ h i e b e n . Mir liegt der Schädel eines 50jährigen Mannes vor, welcher durch zwei Schüsse aus einem doppelläufigen Terzerol und einen Hieb mit einem kleinen eisernen Handbeil ermordet wurde. Die Schüsse hatten ihn nicht vollständig getödtet und der Mörder hatte daher auf sein am Boden liegendes Opfer den Beilhieb dergestalt geführt, dass dicht vor dem äusseren Gehörgang die W'urzeln des Arcus zygomati-cus durchtrennt, der Proc. condyl. mandibulae und beide Carotiden, sowie weiter die Schuppe des Schläfebeines bis an die Sutura coro­

naria durchhauen waren. An dieser letzteren Hiebwunde sind beide Ränder wohl 2 Ctm. tief eingedrückt und in je zwei Fragmente von circa 2lJ 2— 31/ ! Ctm. im Quadrat gctheilt. Dieselben sind von ihrer Basis theils losgebrochen, und hängen nur noch durch das Periost mit dem übrigen Schädel zusammen, theils sind sie nur infrangirt und eingeknickt. An der Innenfläche sind von diesen grösseren Bruch­

stücken noch einige kleinere abgelöst. Von dem oberen Wundwinkel läuft eine Fissur schräg nach vorn ins Steissbein zum Tuber frontale, während von dem unteren Wundwinkel mehrere Spalten bis ins Orbital­

dach strahlen. Grade gegenüber der Wunde verläuft eine Längsfissur über die halbe Peripherie des Schädeldaches, vom Proc. zygomatic.

des Stirnbeins bis zum Tuber occipitale. Die ausgedehnte Splitterung bei Beilhieben ist so gewöhnlich, dass C a s p e r l) in einem fraglichen Fall trotz einer Absprengung von fünf Stückchen der Interna, den Beilhieb ausschliesst und einen Säbelhieb annimmt, denn bei ersterem hätten, meint er, weit mehr gleichzeitige Fissuren und Knochenbrüche gefunden werden müssen.

Ein grosser Theil der linearen, besonders aber der Lappenwunden

') C a s p e r - L i m a n : Handbuch der gerichtlichen Medicin 1871. Theil H*

S. 194. Fall 93.

Gombination mit Fissuren. Verlauf. 63 ist in typischer Weise mit Fissuren verbunden. Es geht nämlich von einem oder beiden WTundwinkeln ein Knochensprung aus, welcher ge­

nau in der Richtung des getroffenen Meridians eine Strecke weit über den Schädel verläuft. Nahm der Hieb die Richtung der Kranznaht, so kann die Fissur bis an die Basis gelangen, während bei einer Ver­

letzung des Stirnbeins in sagittaler Richtung mehrmals eine Fort­

setzung des Spalts bis in das Dach der Augenhöhle gefunden wurde.

Bei schräg gerichteten Wunden oder Wunden, die sich bereits der Lappenform nähern, geht gleichfalls und wie schon erwähnt, noch häufiger als bei den Lineärwunden, ein Spalt von den Wundwinkeln aus und verläuft weiter ungefähr in der Richtung eines Kreises, als dessen Segment der abgerundete freie Rand des Lappens angesehen werden kann. Nur selten sind diese Sprünge so lang, dass sie sich begegnen, in welchem Falle sie zusammen mit der Hiebwunde ein rundes Stück des Schädels umschreiben würden. Die geheilte, von den Wundwinkeln ausgehende Fissur meiner Fig. 11 giebt für dieses

Fig. 11.

Verhältniss ein Beispiel. Aehnlich in einem Präparate der Züricher Sammlung von mehrfachen, penetrirenden Hiebwunden des Hinter­

haupts. Von einer derselben, die stärker als die anderen klafft, geht

vo n jedem Wundwinkel j e eine Fissur aus, links über die Schuppe des Schläfebeins, der Basalebene des Schädels parallel, bis an den grossen Keilbeinflügel, rechts nur durch das Occipitale bis an die Sutura mastoidea. Dass diese Spaltungen über den Bereich der Wunde hinaus Folge der Keilwirkung einer breiteren und massiveren Klinge sind, liegt auf der Hand. K ö n i g bildet in seinem Handbuche zwei hierher gehörige Präparate ab.

§. 47. Der V e r l a u f scharfer Hiebwunden scheint im Allge­

meinen günstiger als der der Schädelbrüche, so weit wir wenigstens aus der Statistik des amerikanischen Bürgerkrieges und dem Umstände

64 Prognose der Hiebwunden des Schädels.

schliessen dürfen, dass man in den Präparatensammlungen der Hospi­

täler und Museen 3 und 4 Mal mehr geheilte Hiebwunden, als geheilte Fracturen zu sehen bekommt. Der amerikanische Berieht umfasst 49 Hiebwunden des Schädels, unter denen so ziemlich alle der oben aufgezählten Arten vertreten sind. 4 der Verletzten sind als Kriegs­

gefangene noch vor vollendeter Heilung ausgewechselt worden, und 2 desertirten aus den Hospitälern, 13 starben, 20 kehrten in den Dienst zurück und 10 wurden invalidisirt. Die Mortalität beträgt also 30,2 °,n, während die der Schädclschüsse in demselben Kriege mit 59,2 und die der Schädclfracturen des Friedens nach einer Schätzung M u r n e y ' s (cf. S. 83 dieses Buches) mit 46,0 ft/o beziffert ist.

A priori leuchtet ein, dass sich das Hirn an den Fracturen mehr als den Hiebwunden hetheiligcn wird, von dem Mitleiden des Gehirns und seiner Häute hängt aber die Bedeutung jeder Schädelverletzung in erster und oberster Stelle ab. Bei den Hiebwunden handelt es sich nicht selten bloss um haarscharfe Durchtrennungen in der Convcxität nur einer Hemisphäre, bei den Fracturen um Quetschungen mehr oder weniger grosser Abschnitte, Läsionen durch tief eingedrungene Knochen­

fragmente, Blutinfiltrate und Zerreissungen nicht bloss an der Bruch­

stelle, sondern wegen der Formveränderung und Erschütterung, die bei Einwirkung stumpfer Gewalten der ganze Schädel erfährt, noch an vielen andern von den getroffenen oft weit entfernten Ilirnprovinzen.

Die einfache Penetration einer Wunde, ob sie nun scharf und glatt oder gequetscht und zerrissen ist, involvirt an sich schon die Gefahr. Denn sie leitet bei verletztem oder unverletztem Hirn in gleicher Weise den Entzündungsreiz in die Tiefe zur empfindlichen Arachnoidea-Erfahrungsgemäss werden selbst tiefere Einschnitte in die Oberfläche einer Hemisphäre, sofern sie nicht bis in die unmittelbare Deckung der Ventrikel dringen, ohne Lebensgefahr, ja sogar oft ohne wahr­

nehmbare Störungen vertragen. Der scharfe Hieb, der rasch den Schädel durchdringt, kann ins Gehirn fahren, ohne dass der Get2-offene irgend eine seiner Functionen einbüsst. Aber jede Verwundung, ja jede E n t b l ö 3 s u n g der Hirnhäute kann der Ausgangspunkt einer fort­

schreitenden Eiterung und Entzündung, d. h. einer rasch über die ganze Oberfläche des Gehirns sich verbreitenden Meningitis werden.

D i e s e M e n i n g i t i s ist es, w e l c h e in g l e i c h e r W e i s e , w i e b e i d e n o f f e n e n K n o c h e n b r ü e h e n d i e G e f a h r e n an L e i b und L e ­ ben b r i n g t . Q u e s n a y legte in seinem reichhaltigen Memoire die Krankengeschichten von 22 Soldaten nieder, denen der Scheitel neb»1 mehr oder weniger Gehirnsubstanz durch Säbelhiebe weggehauen wor­

den war. Alle diese Soldaten starben zuletzt, obgleich sie im Anfange nicht ein einziges schlimmes Symptom gezeigt und nach ihrer Ver­

wundung grosse Wegstrecken, zum Theil sogar zu Fusse zurückgelegt hatten. Charakteristisch ist die Todestabelle der 13 amerikanischen Verluste. 9 starben an Meningitis, 2 an Hirnabscessen, 1 an Pyämie und 1 an Tetanus traumaticus. Von 6 russischen Soldaten, die be>

einer nächtlichen Attaque der Tscherkessen penetrirende Hiebwunden des Schädels davongetragen hatten, starben nach P i r o g o f f9 Bericht 2 am Ende der ersten Woche an diffuser Meningitis. Z u m Glück sieht man aber auch recht häufig, wie die grosse Zahl bezüg' licher Beobachtungen verschiedener Aerzte bezeugt, den Eiter in de*

Prognose. Blutungen. Nicht penetrirende Hiebwunden. 65 Tiefe von Hiebwunden und später die Granulationen pulsiren, ein Zeichen, dass sie unmittelbar von der Dura oder dem Gehirn aus­

gehen, und doch die betreffenden Fälle ohne jegliche Störung von Seiten des Schädelinhalts bis zur definitiven Vernarbung glücklich ablaufen. Ich behandelte in Mannheim einen bei Gravelotte verwun­

deten preussischen Gardedragoner, welcher neun Hiebwunden, davon vier am Kopfe erhalten hatte. Zwei derselben penetrirten. Die Gra­

nulationen, welche sie füllten, zeigten pulsatorische wie respiratorische Bewegungen. Dennoch fehlte jedes Hirnsymptom und war bis zum 14. September bereits Vernarbung eingetreten. Das war schon vor der antiseptischen Aera. Mit Hülfe unseres jetzigen Verbandapparats müssen wir den Ausbruch der Meningitis in den meisten Fällen ver­

meiden können und dürfen daher in nächster Zukunft eine noch bessere Prognose dieser Wunden erwarten.

Ungleich seltener als die Meningitis treten im Verlaufe der Hiebwunden encephalitische Herderkrankungen, wie z. B. Hirnabscesse auf. Sie entwickeln sich, wie es scheint, nur dann, wenn Fragmente der innern Knochentafel durch den Hieb abgesprengt waren und die Dura anspiessten, oder gar im Gehirn selbst stecken blieben. In solchen Fällen folgen die gefährlichsten Störungen oft erst spät der Verwundung, wie indem oben erwähnten Falle von D o u t r e l e p o n t , wo ein dornähnlicher Splitter die Interna senkrecht gegen die Dura drückte und im zehnten Monate nach der Verwundung zur Trepana­

tion führte.

Die B l u t u n g e n a u s d e r S c h ä d e l h ö h l e nach penetrirenden Hiebwunden sind nicht nur leichter zu erkennen, sondern auch zu­

gänglicher als dieselben Gefässverletzungen bei Fracturen. Am häu­

figsten ist der Längsblutleiter verletzt worden, während über Ver­

letzungen der Meningealarterien die Berichte schweigen und nur gelegentlich und ganz allgemein ihrer Erwähnung geschieht J) . Wie sehr auch bei den Hiebwunden die Hirnaffection die ganze Prognose beherrscht, können wir vom Schicksal der 10 invalidisirten Amerikaner lernen. Die Meningitis und der Abscess sind die mehr oder weniger acut tödtenden Folgen, während die schleichenden Degenerationszu-' stände im Hirn, welche das Trauma einleitete, erst nach längerer Zeit, sich durch schwere Störungen der Function bemerkbar machen. Von den 10 Invaliden starb einer nach Jahr und Tag an Epilepsie, einer wurde irrsinnig, zwei litten an Verwirrung und Geistesschwäche, einer war hemiplegisch. Bei den übrigen waren die Ursachen der Pensio-nirung geistige Imbecillität, Anfalle von Schwindel und Kopfschmerzen.

Die nicht p e n e t r i r e n d e n H i e b w u n d e n haben eine im Ganzen gute Prognose. T h o m s o n sah in den britischen Feldlazarethen nach der Schlacht von Waterloo 13 Hiebwunden, welche in die äussere Knochentafel drangen. Obgleich bei allen sich ein Theil des Knochens exfoliirte, entwickelte sich doch in keinem Falle eine Entzündung innerhalb der Schädelhöhle. Selbstverständlich sind sie wie alle Hieb­

wunden des Schädels den gleichen Zufällen, Störungen und Gefahren, wie die entsprechenden Wunden der Weichtheile oder die Entblössungen uud Gontusionen der Knochen ausgesetzt. Der Verlauf der

Lappen--) G r a e f e : Hufeland's Journal 1810. Bd. 24. Stück 11, S. 3(5.

B e r g m a n n , Verletzungen des Kopfes. 5

66 Heilung der Hiebwunden.

wunden, noch mehr aber der mit Splitterungen und Alissprengungen einzelner Knochenstücke verbundenen Hiebe zieht sich ausserordent­

lich in die Länge. Fast regelmässig sterben dabei einzelne Stücke vom Rande ab und lösen sich erst durch einen langwierigen Exfolia-tionsprocess.

§. 48. Ueber die Veränderungen am Knochen nach glücklich geheilten Schädelwunden kann man sich in fast allen pathologisch-anatomischen Sammlungen unterrichten. Die Dorpater Sammlung besitzt

19 geheilte Hiebwunden des Schädeldaches, 12 sind lineare Wunden in senkrechter oder fast senkrechter Richtung, 3 schräg gerichtete und 4 Lappenwunden mit mehr oder weniger grossem Substanzverlust.

Von den ersten 15 penetriren nur 5, von den letzten 4 alle. Die G i e s s e n e r Sammlung, reich durch das Erbe S ö m m e r i n g ' s , birgt 34 geheilte Hiebwunden an 30 Schädeln, von diesen waren 18 pene-trirende. Das Frontale betreffen 5, das Parietale 12, das Oceipitale 2, das Frontale und Parietale 14, das Parietale und Oceipitale 2. Unter ihnen befinden sich mehrere Lappenwunden und solche, von denen aus Fissuren eine Strecke weit durchs Gewölbe verlaufen. In zwei Fällen geht sogar die complet geheilte Fissur auf die Basis hinab, so einmal von einer mit Substanzverlust geheilten Stirnwunde auf das Orbitaldach, und das andere Mal von einer Wunde der seitlichen Schädelgegend über die Schläfeschuppo auf den grossen Keilbeinflügel.

Di*1 auf die Externa und Diploc beschränkten Wunden heilen zuweilen ganz ohne Spur, oder hinterlassen, wie in den 7 mir vorliegenden Präparaten, nur eine seichte muldenförmig vertiefte Furche, deren Ränder abgerundet sind und in deren Grund und Umgebung sieh eine kaum l—2 Mm. vordringende Osteosclerose des diploötischen Fach­

werkes, auf einem entsprechenden Sägeschnitte nachweisen lässt. Die penetrirenden Wunden heilen gleichfalls vollständig, oder es bleiben in ihnen Lücken wie runde und spaltfbrmige Gcfässlöcher. Zuweilen sind die Lücken auch grösser, so in der nebenstehenden Abbildung (Fig. 12)-Der mächtige, 2—3 Mm. klaffende Hieb durchdringt das gauze Stirn­

bein von der Mittellinie bis ans Orbitaldach. Die Kanten der Wund­

ränder sind geglättet, wie abgeschliffen, aber eine Erfüllung des Spaltes durch Knochenmasse ist nur theilweise zu Stande gekommen. Dagegen sind zwei Stücke der Vitrea, die offenbar völlig aus allem Zusammen­

hange gelöst waren, wieder angeheilt (bei a und b). Die Knochcn-bälkchen, welche, dieselben dem darunter liegenden Knochen anlöthen, bilden niedere senkrecht stehende Säulchen, zwischen denen feine Borsten hindurchgeführt werden können. An einem zweiten Präpa­

rate finden sich drei grössere Spalten in der Knochenneubildung;

welche den 3 Mm. klaffenden und 4 Ctm. langen Hieb am hinteren untern Abschnitte des rechten Scheitelbeines nur in seiner Tiefe aus­

füllt, dagegen überschreitet die Knochenproduction an der Vitrea die Grenzen der Wunde, indem längs ihren beiden Rändern mehrere u»"

regelmässig gestaltete, knorrige und bis 3 Mm. hohe Osteophyteu sitzen. Die letzteren treten in dieser Grösse selten auf, da gewöhnlich bei den Schädelwunden die Knochenneubildung sich auf die Wund' spalte, und deren allernächste Umgebung beschränkt. An der äussere0 Oberfläche des Schädels ebenso wie an der inneren sind sogar in d cn

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ersten Stadien des Wundprocesses die wuchernden Proliferationen nur gering und spärlich. Später geht auch die anfängliche Verdickung des Periostes zurück, so dass m.n schliesslich mehr den Eindruck eines Knochenschwundes, als den einer Anbildung an den Wundrändern erhält.

Der Knochenlappen, welcher durch einen schräg geführten Hieb zu Stande kam, kann sich wieder anlegen, jedoch verliert er durch Abstossung oder Abrundung an seinen freien Flächen immer etwas an Umfang, so dass es aussieht, als sei er gegen seine Basis ge­

schrumpft. Dieser periphere Verlust ist um so grösser, wenn die ganze Randzone oder Theile derselben nekrotisch geworden sind, ein Absterben, das desto sicherer eintritt, je mehr der Rand des Lappens eingekerbt oder gesplittert war. Penetrirte in solchem Falle der Hieb, so hinterbleiben im Schädel Lücken, welche bloss durch fibröse, der Dura aufsitzende Narben Substanz sich schliessen. Fig. 11 S. 63 zeigt eine geheilte Lappenwunde, die über beide Seitenwandbeine sich erstreckt. Man sieht einmal, dass das losgelöste Stück in zwei Frag­

mente zerbrochen war, die wieder zusammengeheilt sind, obgleich nur die schmale Knochenbrücke bei a die Ernährung des Lappens besorgte.

Ein dritter Theil, und zwar ein längs dem freien Wundrand gelegener, ist offenbar verloren gegangen und daher eine beträchtliche Lücke im Schädel zurückgeblieben. Auf die geheilten Fissuren, die von den beiden Wundwinkeln in weitem Bogen einander entgegenlaufen, ist

schon früher hingewiesen worden. Die schwere Verwundung hat Ver­

anlassung zur Trepanation gegeben, man sieht hei c die gebeilte Trepanationsöffnung. Von den drei übrigen Lappenwunden der Dor-pater Sammlung sind noch zwei, eine am Stirn- und eine aiu Seiten-wandbein penetrirend, auch diese beiden sind mit Hinterlassung eines Substanzverlustes geheilt. In anderen Füllen, so in drei Präparaten

68 Anheilung der Knoehenlappen.

der Leipziger Sammlung, besorgen von einem Wundrande zum andern hinüberziehende Balken die Verbindung. Zwischen den Balken liegen beträchtliche Lücken. Diese Art der Anheilung versinnlicht ein von

der Leipziger Sammlung, besorgen von einem Wundrande zum andern hinüberziehende Balken die Verbindung. Zwischen den Balken liegen beträchtliche Lücken. Diese Art der Anheilung versinnlicht ein von

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