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Verhaltensbeeinflussung durch die Tränketechnik

5 Diskussion

5.1 Diskussion der Literatur

5.1.7 Verhaltensbeeinflussung durch die Tränketechnik

Zum optimalen Zeitpunkt des Anlernens an den Tränkeautomaten wurden unterschiedliche Ergeb-nisse festgehalten. Aurich und Weber (1993) berichten von weniger Besaugen bei späterer Ange-wöhnung, Büscher et al. (1993) beobachteten weniger Besaugen bei früher Angewöhnung an den Tränkeautomaten.

5.1.7.2 Blinder Nuckel

Nicht-nutritives Saugen, also Saugen an einem blinden Nuckel ohne Tränkeangebot, verringert das gegenseitige Besaugen (de Passille und Rushen (1997) in Übereinstimmung mit früheren Angaben).

Dies sollte auf jeden Fall auch bei den modernen Tränketechniken beachtet werden.

5.1.7.3 Zahl der Tränkeportionen

Da bei der naturnahen Haltung so gut wie kein Besaugen auftritt, könnte man annehmen, dass die Aufteilung der Tränke in bis zu 10 kleine Portionen eher der natürlichen Tränkesituation entspre-chen sollte und damit das gegenseitige Besaugen verringert werden könnte.

Die Verringerung der Tränkemenge pro Tränkeportion löste jedoch vermehrtes Saugen aus, obwohl die Tränkemenge am Tag nicht verändert wurde (Glück, 1997; Zerbe, 1998). Das vermehrte Besau-gen kann dadurch erklärt werden, dass der Geschmack von Milch BesauBesau-gen auslöst (de Passillé et al., 1992 und Rushen und de Passillé, 1995). Schuch et al. (1999) dagegen beobachteten weniger gegenseitiges Besaugen bei kleineren Tränkeportionen.

Eine eindeutige Aussage ist wiederum nicht möglich, da aber die eigenen Beobachtungen im We-sentlichen mit denen von de Passillé übereinstimmen und zusätzlich aus verfahrenstechnischen und damit ökonomischen Gründen seltenere aber größere Tränkeportionen von Vorteil sind, wird in einem Angebot vieler kleiner Tränkeportionen keine Lösung des Problems des gegenseitigen Be-saugens gesehen.

5.1.7.4 Fixieren während und nach der Tränke

Durch das Einsperren der Kälber im Fressgitter (Kittner und Kurz, 1967; Graf et al., 1989; Grau-vogl, 1989; Zeeb, 1994) oder im Stand des Tränkeautomaten (Schuch et al., 1999; Weber, 1999) konnte jeweils eine Verringerung des gegenseitigen Besaugens erreicht werden. Diese Methode wird bereits seit Jahrzehnten angewandt, ohne den Mechanismus zu kennen, weshalb nach einer gewissen Zeit kein Besaugen mehr vorkommt.

Die Untersuchung von de Passillé et al. (1992) liefert eine Erklärung, weil nachgewiesen wurde, dass die Saugmotivation spontan nach 10 Minuten, in denen das Kalb nicht saugen konnte, abklingt.

Es stellt sich die Frage, was die Ursache dafür ist. Eine Überlegung ist, dass in dieser Zeit endogene Faktoren die Sättigung des Kalbes bewirken.

Nach der vorliegenden Untersuchung könnte in der Wartezeit so viel Glucose resorbiert werden, dass der Regelkreis durch dieses Feedback das Besaugen abstellt.

5.1.7.5 Kopfstöße

Die Untersuchung von Schneider (1996), Zerbe (1998) und die eigenen Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen an der Saugstelle, welche die Ausführung von Kopfstößen ermöglichen, das gegen-seitige Besaugen ebenfalls beeinflussen können.

5.1.7.6 Saugzeitverlängerung

In mehreren Untersuchungen (Aurich und Weber, 1993; Franz et al., 1994; und Öhrberg und Lid-fors, 1999) wurde durch die Reduktion des Milchdurchflusses eine Saugzeitverlängerung erreicht.

Gleichzeitig wurde jedoch durch eine Reduzierung des Milchschlauchquerschnittes eine Saug-druckerhöhung vorgenommen, deren Einfluss nicht gesondert berücksichtigt wurde. Die Reduktion des Querschnittes hat, vom fraglichen Effekt der Methode abgesehen, den Nachteil, dass Klümp-chen des Milchaustauschers die Engstelle häufig verstopfen und damit, falls ein Tränkeautomat eingesetzt wird, zu Störungen führen.

In der vorliegenden Untersuchung wurde deshalb untersucht, ob eine Saugzeitverlängerung ohne Saugdruckerhöhung einen Effekt auf das gegenseitige Besaugen hat.

5.1.7.7 Inhaltsstoffe der Tränke

Der Geschmack von Milch als solcher hat einen Einfluss auf das Besaugen (de Passillé et al., 1992;

Rushen und de Passillé, 1995). Welche Inhaltstoffe der Milch diesen Einfluss bedingen, muss noch weiter untersucht werden.

Auf jeden Fall sollte der Einfluss der verschiedenen Komponenten von Milchaustauschern über-prüft werden, dass sie Einfluss auf das gegenseitige Besaugen haben, ist unumstritten.

Die Wirkung einer Zudosierung von Glucose und Laktose wird mit den vorliegenden Versuchen aufgezeigt.

Die von Booth (1979) beschriebene Hyperinsulinämie die durch eine Glucoseinfusion während der Fütterung ausgelöst und durch eine Glucosegabe nach der Fütterung nicht mehr erreicht wurde, ist in diesem Zusammenhang sehr interessant. Es ist denkbar, dass durch die sehr hohe Dosierung zusätzlich zum Futter die Regelmechanismen überfordert waren. Auf der anderen Seite ist 15 min nach der Futteraufnahme die Verdauung des Futters fortgeschritten und die Kapazitäten der Bauch-speicheldrüse sind für die zugeführte Glucose verfügbar.

Sicherlich ist die Dosierung der Glucose nur über die Tränke sinnvoll um einen Sättigungseffekt unmittelbar nach der Milchtränke zu erreichen und das Besaugen im Zusammenhang mit der Trän-ke zu minimieren. Andere Überlegungen wie die Einmischung von Glucose in das Futter sind zu-rückzuweisen.

5.1.7.8 endokrine Faktoren

Sowohl Glucocorticosteroiden, als auch Cholecystokinin wird ein Einfluss auf die Sättigung zuge-schrieben. Die Sättigung dagegen hat einen Einfluss auf das Auftreten von gegenseitigem Besau-gen.

Sollten Glucocorticosteroide Einfluss auf das Besaugen haben, wäre auch der mögliche Einfluss des Tränkesystems zu berücksichtigen. Werden die Tiere im Tränkestand be- und verdrängt ist zu er-warten, das die Tiere in Stress geraten. Möglicher Weise wird dadurch die Sättigung beeinflusst.

Die Funktion von Cholecystokinin ist noch nicht vollständig geklärt. Es wurde vermutet dass es sich um ein Neuropeptid oder Hormon handelt, das im Regelkreis der Sättigung eine wichtige Funktion hat.

Da die Ausschüttung der Glucocorticosteroide von vielen Faktoren beeinflusst wird und über die Funktion von Cholecystokinin noch nicht genügend Information vorliegt, wurden beide Faktoren in der vorliegenden Untersuchung nicht weiter verfolgt.

5.1.7.9 Körperstellung und taktile Faktoren

Als taktiler Faktor wird die verkehrt-parallele Stellung beim Saugen vermutet. Diese wird sowohl beim Saugen an der Kuh wie auch beim gegenseitigen Besaugen häufig gewählt. Beim gegenseiti-gen Besaugegenseiti-gen entstehen Besaugfreundschaften, bei denen immer wieder dieselben Tiere in dieser Stellung aneinander saugen. Diese Beobachtung würde ebenfalls für eine Deprivation des Saugver-haltens sprechen. In diesem Zusammenhang muss auch der eventuelle Einfluss des Euterstoßens, des Zitzenwechsels und des nicht-nutritiven Saugens diskutiert werden. Allen diesen Verhaltens-weisen wurde bei einem Workshop zum gegenseitigen Besaugen in Tänikon 1995 eine große Rolle zugesprochen. Alle diese Faktoren kann das Kalb in der künstlichen Aufzucht nicht, oder nur unge-nügend ausführen.

Es wurde vermutet, dass bei der Entwicklung des gegenseitigen Besaugens der sozialen Deprivation der Aufzuchtkälber eine Rolle beigemessen werden muss. Die sozialen Erfahrungen, die ein Kalb in den ersten Tagen bei der Mutter erlebt, sind sehr verschieden zu denen eines Aufzuchtkalbes.

Vermutlich sind einer oder mehrere der Faktoren die gegenseitiges Besaugen auslösen in dieser Deprivation zu suchen.