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Vergleichende Bewertung der Makrozoobenthosanalysen

4 Integrierte Sedimentuntersuchungen im Einzugsgebiet des Neckars

4.6 Ergebnisse und Diskussion: In situ-Untersuchungen

4.6.7 Vergleichende Bewertung der Makrozoobenthosanalysen

Flachwasserzone bei Eberbach

Die verschiedenen Bewertungsindices für Makrozoobenthos zeigten für die beiden Standorte der Flachwasserzone bei Eberbach eine relativ einheitliche, hohe Belastung an. So konnte an beiden Standorten eine mäßige bis kritische saprobielle Belastung nachgewiesen werden, die mit niedrigen physikalisch gemessenen Sauerstoffkonzentrationen

und mittels sauerstoffempfindlicher Taxa ermittel-ter biologisch-ökologischer Sauerstoffindikation korrelierte. Während mit der Mehrzahl der Bio-indizes für Eb1 die gleiche Belastung nachgewiesen werden konnte wie für Eb2, zeigte die Einteilung in Güteklassen nach der Karlsruher Methode eine deutlich schlechtere Einstufung des hinteren Ab-schnittes der Flachwasserzone (Tab. 4.10, Karaus 1999). Auch der Ökotoxikologische Index zeigte eine höhere Belastung für den Standort Eb2 an.

Tab. 4.10. Güteklassen der Flachwasserzone Eberbach nach der Karlsruher Methode

Beprobung Eb1 Eb2

Mai I-II II-IV Juli I-II n.b.

August III-IV III-IV

n.b.: aufgrund fehlender Übereinstimmung mit der Liste von Schmitz (LfU 1992), konnte keine Einteilung erfolgen.

0 1 2 3 4 5

Eb1 Eb2

El1

El2 Hil Fb1

Fb2 Fb3

Fb4 Mb

1 Mb

2

Belastung

Sauerstoffstufen

> 8 mg/L 6 mg/L 4 mg/L 2 mg/L

< 2 mg/L

Abb. 4.20. Sauerstoffindikation der untersuchten Fließgewässerstandorte. Die Balken stellen die Mittelwerte der Sauerstoffindikation (Sauerstoffstufe mit der höchsten Dominanz) aller drei Bepro-bungstermine und die Fehlerbalken die ermittelten Minima und Maxima dar. Datengrundlage: Ka-raus (1999) und Siebert (1999). Rechts sind die mit den biologischen Sauerstoffstufen korrespon-dierenden Mindestsauerstoffkonzentrationen dargestellt, die höchstens kurzfristig unterschritten werden (LfU 1992).

Die in 4.6.6 diskutierte schlechte Eignung des Diversitätsindex nach Shannon und Wiener zur Bewertung allgemeiner Belastung lässt sich an der Flachwasserzone demonstrieren: Während bei einer Effizienzkontrolle der Flachwasserzone durch Geier (1994) im Jahre 1994 ein Diversitätsindex von 1,2 und eine Evenness von 0,71 ermittelt werden konnte, wurden in dieser Studie Diversitätsindices von 1,8-2,8 (mit einer Evenness von etwa 1) ermittelt, die eine scheinbare Erhöhung der Diversität vortäuschen. Die Zunahme des Diversitätsindex ist dabei in erster Linie durch den Rückgang des pro-zentualen Anteils der dominierenden Taxa bei gleichzeitigem Verlust einiger individuenschwacher Taxa zu erklären (Böhmer et al. 1999). De facto verringerte sich aber die Gesamtzahl der vorgefun-denen Makrozoobenthosarten bzw. Gattungen von 45 im Jahre 1994 (Geier 1994) auf nur 24 im Jahre 1998 (Karaus 1999). Obwohl bereits Geier (1994) im Vergleich zu anderen Untersuchungen an Flach-wasserzonen in Altrheinen (Halbfass 1990) geringe Diversität und Besiedlungsdichten nachgewiesen hat, konnte diese Studie somit eine weitere tendenzielle Artenverarmung dokumentieren. Es sollte kritisch angemerkt werden, dass diese Studie nur bedingt mit den Untersuchungen von Geier (1994) verglichen werden kann, da im Jahre 1994 eine längere Periode und eine Mehrzahl von Beprobungs-stellen untersucht wurde, so dass a priori mehr Arten angenommen werden können.

Die geringe Diversität der Flachwasserzone kann mehrere Ursachen haben:

• Regelmäßig, etwa alle 10-20 min vorbeifahrende Schiffe bewirken starke Strömungen im Über-gangsbereich sowie Wasserstandsschwankungen von bis zu 20 cm im hinteren Bereich der Flach-wasserzone, gekoppelt mit temporärem Trockenfallen.

• Die morphologische Struktur bewirkt eine starke Sedimentation von feinkörnigen Schwebstoffen im hinteren Abschnitt der Flachwasserzone und führt zu einseitigen Habitatstrukturen. Im Ver-gleich zu tonig-schluffigen Sedimenten sind Schotterstrecken fast immer quantitativ und qualitativ reicher besiedelt (Schönborn 1992). Halbfass (1990) konnte in Altrheinarmen, die aufgrund extre-mer Wasserstandsschwankungen und Wellenschlag bei gleichzeitig fehlender schützender Habi-tate, ebenfalls eine verarmte Makrozoobenthos-Gesellschaft nachweisen und eine deutliche Ab-hängigkeit der Besiedlung vom Substrat zeigen.

• Durch die Wasserstandsschwankungen werden die abgelagerten Sedimente ständig remobilisiert, so dass durch ständige Oxidation in der Wassersäule eine Sauerstoffzehrung und eine Anreiche-rung von leicht austauschbaren Metallbindungsspezies im Sediment verursacht werden kann (Calmano et al. 1991), die eine hohe Verfügbarkeit und damit Toxizität für Organismen besitzen (Hollert et al. 1999a).

• Ein weiterer Belastungsfaktor im Untersuchungsgebiet der Flachwasserzone stellt die hohe Tem-peratur im Sommer dar, die beispielsweise mit einer verminderten Sauerstoffsättigung einhergeht.

Elsenzgebiet

Im Einzugsgebiet der Elsenz konnte mit Hilfe der Charakterisierung von Makroinvertebraten deutliche Unterschiede bezüglich der Belastung ermittelt werden. Während mit der Mehrzahl der verwendeten Bioindices für den Hilsbach (als Referenz des Elsenzgebietes) die geringste, aber dennoch deutliche Belastung nachgewiesen werden konnte, erwiesen sich beide Standorte an der Elsenz als stark de-gradiert. Der hohe Saprobienindex (3,0) am Standort El1 vor der Kläranlage Eppingen erhöhte sich durch die Abwassereinleitung nur geringfügig auf 3,1. Die Sauerstoffindikation nahm von Stufe 4 (schlecht) zu der Stufe 5 (sehr schlecht) zu, so dass aufgrund der nachgewiesenen Taxa im Gewässer-abschnitt nach der Kläranlage zeitweise sehr geringe Sauerstoffkonzentrationen (unter 2 mg/L mit Tendenz zur Anaerobie) angenommen werden können (LfU-Baden-Württemberg 1992). Die biolo-gisch-ökologische Sauerstoffindikation stimmt nicht mit den nachgewiesenen hohen Sauerstoffkon-zentrationen im Oberflächenwasser (Abschnitt 4.5.1) überein, lässt sich aber durch eine starke Sauer-stoffzehrung während der Nacht erklären (Böhmer et al. 2000, Braukmann 1987, Braukmann & Pinter 1997b). Im Gegensatz zum Saprobienindex verschlechterte sich der Ökotoxikologische Index

dras-tisch um 35,8 %. Somit scheint von der Kläranlage Eppingen eine ökologische Belastung auszugehen, die mit Hilfe des Saprobienindex, der in erster Linie auf organisch leicht abbaubare Stoffe reagiert, nicht erfasst werden kann (Böhmer et al. 1999). Auch die deutliche Verschlechterung des Diversi-tätsindex nach Shannon-Wiener von 2,1 zu 1,5 demonstriert eine Verringerung der Diversität durch die Kläranlageneinleitung. Weiterhin dokumentiert die Verschiebung der Chironomiden-Dominanzen von Charaktergruppen für belastete (Tanypodinae, Prodiamesinae) zu sehr stark belasteten Gewässern (Chironomus thummi-Gruppe) die Belastung des Gewässers durch die Kläranlageneinleitung (Armi-tage et al. 1995, Saether 1979, Wiederholm 1980a, b).

Forellenbach

Am Forellenbach konnte eine deutliche Degradation des Fließgewässerabschnittes nach der Kläran-lageneinleitung (Fb1) gegenüber dem Referenzstandort (Fb2) festgestellt werden. Der Saprobienindex nach der erweiterten Taxaliste verringerte sich beispielsweise um eine Güteklasse, und die Sauerstoff-indikation verschlechterte sich um drei Güteklassen von sehr gut nach schlecht. Jedoch fiel auch eine relativ geringe Artenvielfalt am Referenzstandort auf. Eine Berechung des Ökotoxikologischen Index, bei welcher der Regenerationsstandort Fb4 als Bezugsgröße gewählt wurde, konnte eine starke Degra-dation nicht nur für den Abschnitt nach der Kläranlageneinleitung, sondern auch für den Referenz-standort Fb2 nachweisen. Daher müssen für den ReferenzReferenz-standort Störungen der Biozönose angenom-men werden, die durch den Saprobienindex nicht erfasst werden konnten und sich somit nicht auf organisch leicht abbaubare Stoffe zurückführen lassen. Als mögliche Ursachen für die geringe Arten-vielfalt am Referenzstandort können strukturelle Belastungen ausgeschlossen werden, da dieser Fließ-gewässerabschnitt eine naturnahe Struktur besaß. Vielmehr könnten Säurebelastung oder ökotoxi-kologisch relevante Umweltschadstoffe für die Störungen der Biozönosen verantwortlich sein. Siebert (1999) konnte mit Hilfe einer makrozoobenthosbasierten Ermittlung der Säurestufen sehr hohe Säure-belastungen sowohl für den Standort Fb1 (Stufe 4, permanent sauer) als auch Fb2 (Stufe 3, kritisch sauer) nachweisen. Am Zusammenfluss der beiden Fließgewässerabschnitte (Fb3) und am Regenera-tionsstandort Fb4 wurde mit einer Klasse von 2 wieder eine typische Säurestufe für Fließgewässer des Buntsandstein-Odenwaldes erreicht (Bostelmann et al. 1994, Braukmann & Vobis 1998). Somit könnte die Säurebelastung durchaus einen Einfluss auf die geringe Diversität der Standorte Fb1 und Fb2 besessen haben. Mit der vergleichsweise geringeren Säurebelastung könnte auch die größere Artenvielfalt am Standort Fb3 zu erklären sein, der sich in Bioassays und chemischer Analytik als stark belastet erwies (Abschnitte 4.5 und 4.7). Der Referenzstandort erwies sich in einzelnen Bio-assays zur mutagenen und gentoxischen Wirkung und insbesondere bezüglich der Belastung mit PCDD/PCDF- und PCB als deutlich kontaminiert. Daher kann insbesondere die dokumentierte öko-toxikologische Belastung als Ursache für die Störungen in der Zusammensetzung der Biozönose am Referenzstandort Fb2 angenommen werden. Am Forellenbach konnte die Schädigung des Makrozoo-benthos wie folgt zusammengefasst werden: Fb1 >> Fb2, Fb3 > Fb4. Die dargestellten Befunde verdeutlichen, dass schon bei kleinen Einzugsbereichen komplexe Störungsmuster und Quellen für Störungen des Makrozoobenthos vorliegen können, so dass eine umfassende Bewertung in situ nur mit Hilfe mehrerer Bioindices durchgeführt werden kann (Braukmann & Pinter 1997a).

Mühlbach

Für den Mühlbach konnte mit der Analyse des Makrozoobenthos eine starke Degradation der Biozö-nose im Unterlauf festgestellt werden. Die Mehrzahl der eingesetzten Bioindices zeigte eine nur ge-ringe Störung der Biozönose für den Oberlauf des Fließgewässers an. Die gege-ringe organische Belas-tung (Gewässergüte I-II) spiegelt sich auch in der relativ hohen Artenvielfalt (11 Taxa) wider. Der ermittelte RETI von 0,66 zeigt die Dominanz der Weidegänger und Zerkleinerer und ist für kalkarme, naturnahe Rhitrale charakteristisch (Schönborn 1992, Schweder 1992). Der turbulente Verlauf mit schnellen und kleinen Wasserfällen begründet zusammen mit der geringen organischen Belastung die

sehr gute Sauerstoffindikation von 1. Als problematisch erwies sich im Oberlauf des Fließgewässers die hohe Säureklasse von 3-4 (Siebert 1999), die weiterhin durch das völlige Fehlen säuresensitiver Taxa wie Eintagsfliegen, Gammariden und Mollusken (Braukmann & Vobis 1998) untermauert wurde (Siebert 1999). Die Säurebelastung ist auch für die schlecht gepufferten Buntsandsteinböden des Odenwaldes sehr hoch, für die Werte zwischen 2 und 3 typisch sind (Bostelmann et al. 1994, Brauk-mann 1987). Sowohl die Dominanz von Fichtenforsten im Einzugsgebiet des Mühlbaches (BraukBrauk-mann

& Vobis 1998) als auch die direkte Exposition in der Abluftfahne der hoch industrialisierten Region Mannheim/Ludwigshafen mit ihren emmitierten Luftschadstoffen (Karrasch 1988) tragen zur Versaue-rung des Mühlbaches bei.

Eine starke Schädigung der Biozönose konnte am Unterlauf des Mühlbaches festgestellt werden. Wäh-rend die Säurebelastung durch das Durchlaufen von Lößauflagen mit ihrer erhöhten Pufferkapazität zurückging (Säurestufe 2), konnte mit Hilfe der Bioindices eine hohe Saprobie (Saprobienindex von 2,6, kritisch belastet) und damit einhergehend schlechte Sauerstoffindikation (Klasse 4) nachgewiesen werden. Für die schlechte Sauerstoffversorgung kann neben der Belastung mit leicht abbaubaren orga-nischen Stoffen auch die starke Verbauung und das daraus resultierende Fehlen von turbulenten Strö-mungen verantwortlich gemacht werden. Die Abnahme des RETI auf etwa 0,5 zeigte durch die deut-liche Zunahme der Filtrierer und Sedimentfresser eine Potamalisierung des Gewässers an (Schweder 1992). Auch mit Hilfe des Ökotoxikologische Index konnte eine deutliche Degradation des Unter-laufes nachgewiesen werden. Das Durchlaufen des Bachs durch den Heidelberger Stadtteil Hand-schuhsheim, das Passieren einer Schrebergartenanlage mit teilweiser Kleintierhaltung, die strukturelle Armut des Fließgewässers, die unmittelbare Nähe landwirtschaftlich intensiv genutzter Flächen aber auch die dokumentierten Altlasten (4.5.6) dürften für die In situ-Störungen im Unterlauf des Mühl-baches verantwortlich sein.

Bewertung der eingesetzten Kombination von Bioindices

Die Befunde zeigen, dass bei den untersuchten Fließgewässerstandorten komplexe Belastungssitua-tionen in situ vorlagen, die keinesfalls über die Verwendung eines einzelnen Bioindices analysiert werden können. Die alleinige Verwendung von Saprobie-basierten Bewertungsverfahren erlaubt keine umfassende Beschreibung des Zustandes in situ (Braukmann & Pinter 1997a) und kann zu falsch-negativen Befunden führen (Böhmer et al. 1999). Die Befunde zeigen, dass mit Hilfe der kombinierten Verwendung mehrer Bioindices weiterführende Informationen zur Art der Schädigung der Biozönose erhalten werden können. Während einige, relativ unspezifische Bioindices verschiedene Arten der Be-lastung abbilden (Diversität, RETI, Ökotoxikologischer Index), spiegeln spezifischere Bioindices (etwa Saprobienindex, Säure- und Sauerstoffstufen) Unterschiede in den Reaktionen der Biozönose auf verschiedene Belastungsarten wider (Böhmer et al. 1999). Basierend auf dem Grundgedanken der EU-Wasserrahmenrichtlinie, dass jegliche biozönotische Abweichung eines Gewässers von der Refenz als Defizit in der ökologischen Qualität gewertet werden muss (Brockett 2000, Irmer 2000), er-scheint die kombinierte Anwendung verschiedener Bioindices als sinnvoll (Böhmer et al. 1997, Chovanec et al. 1997, Friedrich 1998, Friedrich & Lacombe 1992, Reynoldson et al. 1995, Schmedtje 1998, Schweder 1992).