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2 Material und Methoden

2.7 Statistik und Bewertungstechniken

2.7.3 Bewertung

Rangsummenbasierte Klassifikation

Gratzer & Ahlf (1999a) nutzten für eine erste ver-gleichende Bewertung von Sedimenten aus dem Hamburger Hafen ein Bewertungssystem mit Rang-summen, bei dem die Hemmungen aus einzelnen Bio-tests vier Toxizitätsklassen zugeordnet und die ent-sprechenden Klassenpunkte für alle durchgeführten Biotests summiert werden. Aus den Punktesummen wurden Ränge ermittelt. Diese Vorgehensweise wur-de in einer leicht modifizierten Form auch in dieser Studie angewandt: Während in der Biotestbatterie von Gratzer & Ahlf (1999a) die Hemmungen direkt verglichen werden konnten, musste beim hier benutz-ten Ansatz (der akute Biotests und spezifische Bio-marker, chemische Analysen und In situ-Daten kom-biniert) zunächst eine Transformation der Daten in ein einheitliches System durchgeführt werden: Für die vergleichende Bewertung wurden die Befunde aller Untersuchungsparameter der Sedimentbewer-tungstriade von 12 Standorten in eine Skala mit 0 % für das geringste gemessenen Resultat und 100 % für das höchste transformiert (vgl. DelValls et al. 1998a).

Die so erhaltenen Prozentwerte wurden mit Klassen-grenzen eines Vielfachen von 20 einer fünfstufigen Güteklassenskala zugeordnet. Da bestimmte Parame-ter an einzelnen Probestandorten nicht erhoben wer-den konnten, wurwer-den die einzelnen Werte der Güte-klassen eines Standortes nicht im Sinne von Rang-summen addiert, sondern die Mediane der Güteklasse berechnet, um die ermittelten Daten zu einem ein-zigen Wert zu aggregieren. Ein solches Berechnen des Medians aus ordinal skalierten Daten ist nach Bühl und Zöfel (1995) zulässig.

Cluster- und Hauptkomponentenanalysen

Um innerhalb der Datensätze Ähnlichkeiten der untersuchten Proben zu erkennen wurden Clusterana-lysen mit dem Programm Statistica97™ (StatSoft Inc.

Tulsa, USA) durchgeführt. Als Datengrundlage wur-den die in % der maximalen Ausprägung transfor-mierten Rohdaten eingesetzt. Als Distanzmaß wurde die euklidische Entfernung eingesetzt, die Bildung der Cluster erfolgte nach der Complete Linkage Me-thode (Ahlf et al. 1991, Gratzer & Ahlf 1999a, Heise et al. 2000, Henschel et al. 1997a). Hauptkomponen-tenanalysen wurden zur Überprüfung auf Redundanz und zur Datenreduktion für eine vereinfachte

Inter-pretation verwendet (Crane et al. 1997, DelValls et al.

1998a, d). Dazu wurden die transformierten Rohdaten (DelValls et al. 1998a) mit Statistica97™ einer Hauptkomponentenanalyse unterzogen. Die Signifi-kanz der ermittelten Hauptkomponenten wurde gra-phisch mit dem Scree-Test überprüft. Die Rotation der Hauptkomponenten erfolgte orthogonal nach der Varimax-Methode (Liß 1997).

Fuzzy Logic-Expertensystem

Auf Basis der Befunde aus Rangsummen-basiertem Klassifikationssystem und Clusteranalyse wurde eine allgemeine Klassifikation formuliert (Abschnitt 5), die als Grundlage für ein Fuzzy-Expertensystem dien-te. Die Berechungen wurden mit dem Programm DataEngine (Version 3.1, MIT GmbH, Aachen) durchgeführt, dass auf Fuzzy-Technologie basiert und mit unscharfen Zahlenmengen operieren kann. Eine Einführung in regelbasierte Fuzzy Logic-Systeme und das Programm DataEngine geben Zimmermann et al. (1995). Ein regelbasiertes Fuzzy-Expertensys-tem für die Klassifikation von Sedimenten der Elbe wurde von Heise et al. (2000) vorgestellt.

Als Variablen gingen die in Prozent der maximalen Ausprägung transformierten Rohdaten des Saprobien-index nach der erweiterten Taxaliste (SAP), der Index CHE aus 27 chemischen und limnochemischen Para-metern (Abschnitt 4.5) sowie der (bei den Berech-nungen variierte) Index BIO aus Biotestergebnissen mit verschiedenen Expositionspfaden ein.

In einem regelbasierten System wurden die Ausprä-gungen der Variablen als linguistische Variablen mit-tels unscharfer Mengen definiert. Abb. 2.14 zeigt als Beispiel die unscharfe Menge „Testausprägung zwischen 20 und 40 %“. Diese Menge beinhaltet alle Werte zwischen 20 und 40 % mit einer vollständigen Zugehörigkeit (Zugehörigkeitsfunktion von 1), woge-gen die Werte zwischen 10 und 20 % sowie 50 % und 40 % (mit einer jeweils ansteigenden Zugehörigkeit von 0 bis 1) teilweise dieser unscharfen Menge ange-hören. Die in Abb. 2.14 dargestellte Steigung der Zugehörigkeitsfunktionen wurde bei allen regelba-sierten Fuzzy-Berechnungen der transformierten Roh-daten verwendet. Die erarbeitete ortsabhängige Klassifikation mit Ausprägungen der Variablen, Sum-men, Minima und Maxima (Abschnitt 5) wurde mit einem Regeleditor in Prämissen und Konklusionen („Wenn-dann-Regeln“) transformiert, die zur Berech-nung der relativen Zugehörigkeit zu vier Güteklassen herangezogen wurden. Die unscharfe Zugehörigkeit zu den Gütefunktionen wurde mittels einer Ausgabe-datei ausgegeben, und mit Hilfe einer weiteren Fuzzy-Regelbasis (Unscharfe Berechnung der Klasse mit der höchsten Zugehörigkeit) wurde eine Defuzzy-fizierung in scharfe, eindeutige Güteklassen

durch-geführt. Die Fuzzy-Berechnungen wurden mit fol-genden Inferenzoperatoren durchgeführt: Aggrega-tionsoperator: Minimum, ImplikaAggrega-tionsoperator: Alge-braisches Produkt, Akkumulationsoperator: Algebra-ische Summe (Heise et al. 2000).

Hasse-Diagramm-Technik

Für eine visualisierende Bewertung der Standorte der Sedimenttriade wurde die Hasse-Diagramm-Technik (HDT) eingesetzt, die auf der Theorie der partiellen Mengen beruht und von Halfon & Reggiani (1986) in den Umweltwissenschaften eingeführt wurde. Eine detaillierte Übersicht über verwendete Begriffe und Anwendungen der HDT geben Brüggemann & Stein-berg (2000). Mittels der HDT kann eine übersicht-liche ordinale Anordnung der untersuchten Probe-standorten nach steigender Belastung bezüglich aller untersuchten Parametern dargestellt werden (Brügge-mann et al. 1994, Brügge(Brügge-mann & Steinberg 1995, Brüggemann & Steinberg 2000). Im Gegensatz zu Rangsummen-basierten Bewertungssystemen werden die Belastungsmuster der einzelnen Standorte bei den Hasse-Berechnungen berücksichtigt. Die Ergebnisse aller untersuchten Parameter werden zu sogenannten Tupeln (Oberbegriff für ein Paar, ein Tripel, ein Qua-drupel von Zahlen, usw.) zusammengefasst und jedem Probenstandort zugeordnet. Ein Tupel kann als der Vektor der ermittelten Parameter eines unter-suchten Probenortes aufgefasst werden. Die einzelnen Tupel werden mit einer ≤-Relation angeordnet: Somit ist ein Tupel A ≤ einem Tupel B, wenn alle Elemente von A kleiner oder gleich den entsprechenden Para-metern von B sind. Wenn folgende Bedingungen für zwei zu vergleichende Tupel erfüllt sind, sind die Probenstandorte vergleichbar und können durch Li-nien verbunden werden: (1) Reflexivität: z.B. A ≤ A,

(2) Antisymmetrie: wenn A ≤ B und B ≤ A dann muss A = B sein und (3) Transitivität: wenn A ≤ B und B ≤ C dann muss A ≤ C sein. Gilt die ≤-Relation nicht für alle Parameter, sind die Tupel widersprüch-lich oder nicht vergleichbar und werden nicht ver-bunden. Während bei zwei untersuchten Parametern jedes Objekt mit jedem vergleichbar ist (lineare Ordnung), resultiert aus einer größeren Anzahl von Tupeln in der Regel eine Unvergleichbarkeit bei eini-gen Standorten (partielle Ordnung). Hasse-Diagram-me stellen eine Möglichkeit dar, solche partielle Ord-nungen zu visualisieren (Abb.2.15).

Für die Anwendung der HDT wurden folgende Kon-ventionen getroffen:

Das Hasse-Diagramm darf nur in eine Richtung gelesen werden. Standorte, die unter Berück-sichtigung aller Testparameter vergleichbar sind, wurden mit Linien verbunden. Das Schädigungs-potenzial der Standorte nimmt im Diagramm von unten nach oben zu. Die Verbindung von Stand-orten, direkt oder indirekt über andere Standorte, zeigt somit an, dass Standorte unter Berück-sichtigung aller Testparameter als toxischer klas-sifiziert wurden.

Eine vertikale Ausprägung des Hasse-Diagram-ms in einzelne Ebenen entspricht daher verschie-denen Belastungsklassen.

Eine horizontale Einteilung verschiedener Stand-orte auf einem Niveau entspricht einer bezüglich des Rankings identischen Belastungsklasse, wo-bei die einzelnen Standorte in ihren Toxizitäts-mustern nicht vergleichbar sind.

Standorte, bei denen sich die Tupel aller

Test-0 0,5 1

0 20 40 60 80 100

Ausprägung der Variablen (%)

Zugehörigkeit

Abb. 2.14. Darstellung der unscharfen Menge aller Testausprägungen zwischen 20 und 40%. Während die Werte von 20-40 % vollständig (Zugehörigkeits-funktion von 1) zu der Menge gehören, besitzen die Werte von 10-20% und 40-50 % graduelle Zuge-hörigkeiten zu dieser Menge (Zugehörigkeitsfunk-tionen zwischen 0 und 1).

4

Abb. 2.15. Fiktives Hasse-Diagramm, um bestimmte Begriffsbildungen zu demonstrieren (modifiziert nach Brüggemann & Steinberg 2000). Die Objekte 1, 2, 4 stellen minimale Objekte dar. 8, 9, 10 und 11 sind maximale Objekte, 12 ist ein isoliertes Objekt. 4 und 8 sowie 2, 3, 6 und 10 sind Beispiele für Ketten nach oben hin zunehmender Belastung.

ausprägungen gleichen, stellen sogenannte Äqui-valenzklassen dar. Sie besitzen identische Be-lastungsklassen und Toxizitätsmuster.

Standorte, die unter Beachtung aller Parameter mit keinem anderen Standort vergleichbar sind (sogenannte isolierte Elemente), dürfen mit kein-em weiteren Standort verbunden werden und können in die höchste oder geringste Belastungs-stufe eingeordnet werden. In dieser Studie wur-den sie aus Konservativitätsgrünwur-den in die Klas-se mit der höchsten Belastung eingestuft.

Die Berechnungen der Hasse-Diagramme wurden mit dem Programm Hasse for Windows (Version 1.02, GetSynapsed GmbH, München) durchgeführt, das freundlicherweise von Herrn Dr. Brüggemann (IGB, Berlin) zur Verfügung gestellt wurde. Es wurden die nicht transformierten Rohdaten als Informationsbasis für die HDT eingesetzt. Eine Reduktion der Informa-tionsbasis wurde durch systematischen Ausschluss verschiedener Fälle durchgeführt. Bei einer Verwen-dung der Rohdaten werden die Objekte des Hasse-Diagramms aufgrund eines Rankings verrechnet, bei dem auch statistisch nicht signifikante Unterschiede der Merkmalsausprägungen einfließen. Hasse-Dia-gramme aus Rohdaten können daher sehr komplex und unübersichtlich werden.

Da bei Bewertungsfragen nicht jeder beliebig kleine Unterschied in den Merkmalsausprägungen von Bedeutung sein muss, können zur Vereinfachung der Hasse-Diagramme klassifizierte Daten eingesetzt werden. Für eine Klassifizierung können Klassenbil-dung (Gratzer & Ahlf 1999a, Liß & Ahlf 1997) oder die Clustermittelpunkte einer Clusteranalyse (Brügge-mann et al. 1998, Pudenz et al. 2000) benutzt werden.

In dieser Studie wurde dazu eine äquidistante Zweier-Klassifikation (aus der ein Boolean-Hasse-Diagramm resultiert), der p-Algorithmus und eine unscharfen Fuzzy-Clusterung eingesetzt (Brüggemann et al.

1998). Während bei scharfen Clusteranalysen die Werte eindeutig einem Cluster zugeordnet werden müssen und somit die Einordnung von hybriden Objekten (solchen die zwischen mehreren Clustern liegen) oder Ausreißern nicht möglich ist, können bei der Verwendung von Fuzzy-Clusteranalysen Objekte auch mehreren Clustern zugeordnet werden (Fried-rich et al. 1996). Um eine unterschiedliche Gewich-tung der Daten aufgrund von Maßstabsunterschieden zu vermeiden, wurden die Daten zunächst z-transfor-miert (Pudenz et al. 2000). Die Clusteranalyse wurde mit dem Programm ECO-FUCS des Instituts für Öko-systemforschung der Universität Kiel mit der bei Pudenz et al. (2000) dargestellten Methode durchge-führt. Als Schwellenwert (MFZ) für die Fuzzy-Clus-terung wurde 0,7 gewählt.

3 Die eingesetzte Biotestbatterie

Die in dieser Studie eingesetzte Biotestbatterie basiert auf einer Biotestkombination aus hierarchisch hintereinandergeschalteten Teststufen von Fischzellkulturen (Hollert & Braunbeck 1997, Braunbeck 1993, 1994), die im Rahmen früherer Forschungsvorhaben unter Förderung des „Projektes Angewand-te Ökologie“ der LfU Baden-WürtAngewand-temberg entwickelt wurde. Mit Hilfe dieses In vitro-TestsysAngewand-tems wurden in der Vergangenheit Monosubstanzen (öko)toxikologischer Relevanz (Braunbeck et al.

1995b), Deponiesickerwässer (Zahn et al. 1995) und Abwasserproben verschiedener Direkt- und In-direkteinleiter (Braunbeck et al. 1995a, 1997b, Hollert & Braunbeck 1997, Hollert et al. 1996) auf ihr toxikologisches Schädigungspotenzial überprüft. Die Biotestbatterie wurde zur Untersuchung parti-kulär-gebundener Schadstoffe in der Vergangenheit um den Ames-Test als Mutagenitätstest und den Comet-Assay als Genotoxizitätstest erweitert (Hollert & Braunbeck 1997) und für die Untersuchung von Sedimenten der Staustufen Lauffen und Heidelberg am Neckar, einer Neckarflachwasserzone (Braunbeck et al. 1995a) und von Sedimenten und Schwebstoffen eines stark kontaminierten Vor-fluters aus den neuen Bundesländern (Hollert & Braunbeck 1997) sowie Hochwasserschwebstoffen eines mittleren Hochwasser am Neckar eingesetzt (Hollert et al. 1996). Da sich die Biotestkombi-nation bei diesen Untersuchungen als sehr aussagekräftig und praktikabel erwies, wurde sie auch in diesem Promotionsprojekt eingesetzt. Um jedoch einer umfassenden Bewertung des Schädigungs-potenzials verschiedener Umweltproben näher zu kommen (vgl. Abschnitt 1), wurde die Biotest-kombination um akute In vitro-Toxizitätstests anderer trophischen Ebenen (etwa Bakterien) und Bio-testverfahren zu spezifischeren Schadwirkungen (etwa endokrine und dioxin-ähnliche Wirksamkeit) erweitert. Eine Übersicht über die eingesetzten Verfahren geben Abb. 1.2 und Tab 1.1. In diesem Kapitel sollen kurz Vorzüge und Grenzen der eingesetzten Verfahren vorgestellt werden und beim Bakterienkontakttest mit Arthrobacter globiformis einige Aspekte der Etablierung des Tests an die Untersuchung von Extrakten dargestellt werden.

Akuter Cytotoxizitätstest. Eine allgemeine Übersicht über Vorzüge und Nachteile von akuten Cyto-toxizitätstests mit permanenten Zelllinien geben Braunbeck et al. (1997a,b, 1995b), Segner (1998) sowie Segner & Lenz (1993). Die Befunde der Adaptation des akuten Zelltestes mit RTG-2-Zellen an die Untersuchung verschiedener Kompartimente von Fließgewässern und der Einfluß verschiedener Testparameter wie z.B. DMSO-Konzentration und Expositionsdauer sind bei Hollert & Braunbeck (1997) dargestellt.

Obwohl permanente Fischzelllinien in der Regel zwei bis drei Größenordnungen unempfindlicher rea-gieren als intakte Fische, konnte in vielen Fällen mit Korrelationskoeffizienten von 0,84 bis 0,97 (Segner 1998) eine gute bis sehr gut Übereinstimmung nachgewiesen werden, so dass sich bei vielen Chemikaliengruppen und auch bei der überwiegenden Mehrheit von Abwasserproben die Testsysteme das gleiche absolute Ranking bezüglich der Toxizität ergab. Während die Ergänzung bzw. Ersetzung des Fischtestes mit der Goldorfe (DIN 38 412) durch den akuten Zelltest mit RTG-2-Zellen an der etwas geringeren Empfindlichkeit des Zelltests gescheitert ist (Miltenburger 1997), kann er durch die gute Korrelation für die Untersuchung von stärker toxischen Proben wie Sediment- und Wasserex-trakten sowie Porenwässern empfohlen werden (Braunbeck et al. 1997b, Castano et al. 1996, 1994, Castano & Tarazona 1995, Hollert & Braunbeck 1997, Hollert et al. 2000a). Um die im Vergleich zum intakten Fisch geringere Biotransformationskapazität der RTG-2-Zellen auszugleichen, wurden in dieser Studie alle Zelltests mit und ohne Supplementierung mit S9-Mix aus mit ß-Naphthoflavon und Phenobarbital behandelten Ratten durchgeführt.

Fischeitest mit Danio rerio. Als eine weitere Alternative zu akuten Toxizitätstests mit Fischen wer-den schon seit längerem frühembryonale Lebensstadien als empfindliches Testsystem herangezogen.

Nicht nur für die Untersuchung von Monosubstanzen (Bresch 1991, Ensenbach & Nagel 1995, Fent &

Meier 1994, Goodman et al. 1985, Görge & Nagel 1990, Holcombe et al. 1982, Oulmi 1996,

Wester-lund et al. 2000, Wiegand et al. 2000), sondern auch von Wasserproben (Escher 1999, Krieger &

Dietrich 1999, Luckenbach et al. 1999) und partikulär gebundenen Schadstoffen (Brack et al. 1998, Engwall 1995, Engwall et al. 1994, Ensenbach 1998, 1999, Murk et al. 1996, Zabel & Peterson 1996) wurden Embryotoxizitätstests erfolgreich eingesetzt. Für zahlreiche Substanzen ist bekannt, dass sie ihre toxische oder teratogene Wirkung nur in einer sensiblen Phase während der frühen Organentwick-lung des Fischembryos entfalten. Da diese Differenzierungsprozesse bei Fischen in der Regel noch in der Eihülle stattfinden, können Schadstoffexposition und Beobachtungsperiode auf sehr frühe Ent-wicklungsstadien der Eier beschränkt werden, bei denen aufgrund der Entwicklung des Zentralen Nervensystems noch kein Schmerzempfinden vermutet werden kann (Nagel & Isberner 1998, Strmac 1999). Nach nationalem und EU-Tierschutzrecht gilt der Fischeitest mit Danio rerio über 48 h nicht als Tierversuch (Ensenbach 1999) und wurde aufgrund seiner hervorragenden Korrelation zu In vivo-Befunden als Ergänzungs- bzw. Ersatzmethode für den Fischtest nach der DIN 38412 vorgeschlagen (Lange et al. 1995), welcher nach dem Chemikalien- und Abwasserabgabengesetz derzeit noch zwin-gend für die Beurteilung von Wasserinhaltsstoffen und Abwässern vorgeschrieben ist. Während der Projektlaufzeit befand sich der Fischeitest mit Danio rerio auf Betreiben des Umweltbundesamtes in der Normierung durch einen DIN-Arbeitskreis (Nagel & Isberner 1998). Seit Februar 2001 liegt eine DIN-Norm (DIN 38415-6) für diesen Biotest vor.

Aus den oben genannten Gründe wurde der Fischeitest in dieser Studie zur Untersuchung der toxischen und teratogenen Wirkung komplexer Umweltproben eingesetzt, nicht zuletzt da es sich um ein Testsystem handelt, das eine hohe Übertragbarkeit und auch Relevanz für das Freiland erwarten lässt. Ein besonderer Vorteil des Fischeitests ist, dass er im Gegensatz zum Zelltest mit RTG-2-Zellen nicht nur mit wässrigen Umweltproben, sondern auch mit nativen Sedimenten durchgeführt werden kann (Ensenbach 1998, 1999).

Bakterienkontakttest mit Arthrobacter globiformis. Der Bakterienkontakttest mit Arthrobacter globiformis bzw. Bacillus cereus stellt ein In vitro-Testverfahren dar, bei dem durch die kurze Genera-tionszeit der Bakterien nicht nur akute, sondern auch chronische Toxizität untersucht werden kann (Liß 1997). Dieses Biotestverfahren wurde bereits mehrfach für die Untersuchung von nativen Sedi-menten eingesetzt (Ahlf et al. 1997, Fretwurst et al. 1997, Gratzer & Ahlf 1999a, Heise et al. 2000, Henschel et al. 1997a, b, Liß 1997, Liß & Ahlf 1997, Rönnpagel et al. 1998, 1995) und befand sich während der Projektlaufzeit in einer DIN-Validierung (Gratzer & Ahlf 1999a). Der Bakterienkontakt-test ist Bestandteil einer Testbatterie, die von Gratzer & Ahlf (1999a) im Rahmen eines UBA-Projek-tes zur Erarbeitung von Qualitätskriterien für Sedimente validiert wurde. Der BakterienkontaktUBA-Projek-test

Zeit [min]

0 20 40 60 80 100 120 140

Adsorption bei 595 nm [% des Blindansatzes]

60 70 80 90 100 110 120

Abb. 3.1. Resazurinumsatz von Arthrobacter globiformis in 24-Well Mikrotiterplatten in drei un-abhängigen Versuchsansätzen mit jeweils 3 Replika; Datengrund-lage: Winn (1999).

konnte im Rahmen einer Diplomarbeit am Zoologischen Institut etabliert und auch an einer Reihe von Monosubstanzen validiert werden (Winn et al. 1999).

In diesem Promotionsprojekt sollten die Befunde des Arthrobacter-Assays direkt mit den anderen In vitro-Bioassays verglichen werden können, die überwiegend mit organischen Extrakten durchgeführt wurden. Daher erschien neben der Testung von nativen Sedimenten (hohe Relevanz der Befunde) auch die Überprüfung acetonischer Extrakte sinnvoll. Der Dehydrogenase-Assay mit Arthrobacter globifor-mis wurde in der Vergangenheit nur mit nativen Sedimenten, wässrigen Eluaten und Porenwässern durchgeführt (Liß & Ahlf 1997), so dass er zunächst im Rahmen einer Diplomarbeit an die Unter-suchung organischer Extrakte adaptiert wurde (Winn et al. 1999).

Als Dauer für die Inkubation mit dem Farbstoff Resazurin (Nachweis für die Dehydrogenase-Akti-vität, siehe Abschnitt 2.6.3) werden in DIN-Entwurf 20-60 min angegeben, wobei der Umsatz von etwa 30 % des Resazurins im Kontrollansatz ohne Bakterien als Zeitpunkt für Beendigung der Exposi-tion angegeben wird. Abb. 3.1 zeigt den Verlauf des Resazurinumsatzes aus drei unabhängigen Test-ansätzen. Die angestrebten 70 % des Resazurinumsatzes wurden bei wässrigen Proben durchschnitt-lich erst nach 100 bis 110 min erreicht, so dass eine einheitdurchschnitt-liche Inkubationszeit von 105 min nach Zugabe des Resazurins gewählt wurde. Gegenüber der DIN-Vorschrift bedeutete dies eine mehr als 50%ige Verlängerung. Im Gegensatz dazu wurden 30 Prozent Abnahme des Resazurins bei den Sedi-mentkontakttests erst nach ein bis zwei Stunden erreicht. Diese geringe Standardisierbarkeit des Bio-tests erschien in Anbetracht der unterschiedlichen Expositionszeiten problematisch, konnte aber auch bei DIN-Ringtests von verschiedenen Labors bestätigt werden (Gratzer & Ahlf 1999a). Eine Unter-suchung der bakterientoxischen Wirkung des Lösungsvermittlers für die organischen Extrakte (DMSO) konnte eine statistisch signifikante Wirkung ab etwa 3 % (v/v) DMSO nachweisen (Winn et al. 1999, Abb. 3.2), so dass die späteren Versuche mit einer Höchstkonzentration von 2 % DMSO im Testansatz durchgeführt wurden.

Ames-Test. Der Ames-Test wurde in der Biotest-Batterie eingesetzt, da für ihn eine große Anzahl von Referenzdaten zum mutagenen Potenzial von Monosubstanzen vorliegen und er als DIN-Gelbdruck (DIN 38415-4) und OECD-Guideline-Entwurf (OECD 1997) vorliegt und daher als gut standardisiert zu bewerten ist. Der Ames-Test wurde oftmals für die Untersuchung von Sedimenten und Schweb-stoffen zum Teil in Kombination mit Bioassay-dirigierten Fraktionierungen eingesetzt, so dass eine große Vergleichsdatensammlung zur Verfügung stand (Abe & Urano 1996, Broman et al. 1994, Fernández et al. 1992, Griest et al. 1995, Grifoll et al. 1988, 1990, Hoke et al. 1994, Jarvis et al. 1996, Johnson & Long 1998, Lindstrom-Seppa et al. 1998, Marvin et al. 1995, Marvin et al. 2000a, Metcalfe et al. 1990, Papoulias & Buckler 1996, Papoulias et al. 1996, Sallmolloff et al. 1983, Vahl 1997, Zeiger & Pagano 1984). Zudem ist seine Korrelation zur Kanzerogenität und zu pathologischen

Ver-1 10 100

0 50 100

r2=0,98

Konzentration [%]

Hemmung [%]

Abb. 3.2. Bakterientoxizität von Dimethylsulfoxid (DMSO) im Dehydrogenase-Assay mit Arthro-bacter globiformis für wässrige Proben, n = 8; Datengrundlage:

Winn (1999).

änderungen bei Organismen im Freiland wiederholt dokumentiert worden (de Maagd 2000, Metcalfe et al. 1990, Zietz & Pfeiffer 2000).

Comet-Assay. Als eukaryontischer Genotoxizitätstest in der Biotest-Batterie wurde der Comet-Assay eingesetzt, ein einfacher und schnell durchführbarer Test, mit dem DNA-Schäden auf dem Niveau der Einzelzelle detektiert werden können (Cotelle & Ferard 1999, Fairbairn et al. 1995, McKelvey-Martin et al. 1993). Nachweisbare Effekte sind Einzel- und Doppelstrangbrüche, AP (apurinische/apyrimi-dinische)-Stellen, Cross Links und die Intensität der zellulären Reparatur, ein indirektes Maß für die Bildung von Addukten (Schnurstein 2000, Schnurstein et al. 1999). Der Comet-Assay wurde neben anderen In vitro-Genotoxizitätstests (etwa dem Ames- und umu-Test sowie der alkalischen Filterelu-tion) in dem BMBF-Verbundprojekt „Erprobung, Vergleich, Weiterentwicklung und Beurteilung von Genotoxizitätstests für Oberflächengewässer“ an Algen, Protozoen, Mollusken, Fischen, Primär- und permanenten Zellkulturen erfolgreich erprobt und validiert (Braunbeck et al. 2000). Im Abschlußbe-richt dieses Projektes wurde der Comet-Assay als eukaryontischer Genotoxizitätstest für die Unter-suchung von Oberflächenwasserproben empfohlen (Grummt 2000). Der Comet-Assay erwies sich auch für die Untersuchung von Abwasserproben (Hollert et al. 1996), von Sedimenten (Brack et al.

1998, Devaux et al. 1998, Hollert et al. 1999c, Kammann et al. 2000, Nehls et al. 1998, Pandrangi et al. 1995, Steinert et al. 1998, Strmac 1999, Zipperle & Deventer 2000) und von Luftstäuben (Cotelle

& Ferard 1999, Poli et al. 1999) als geeignet. Ein großer Vorteil des Comet-Assays im Vergleich zu

& Ferard 1999, Poli et al. 1999) als geeignet. Ein großer Vorteil des Comet-Assays im Vergleich zu