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4   Diskussion

4.2   Vergleich Interventionsgruppe – Kontrollgruppe

Die Analyse verschiedener Testparameter vor Beginn der Trainingsphase zeigte deutli-che Unterschiede zwisdeutli-chen den MS-Erkrankten und dem gesunden Kontrollkollektiv.

4.2.1 Leistungsdiagnostische Untersuchungen

Bezogen auf die leistungsdiagnostischen Parameter schnitten die Patienten bei dem Stu-fentest signifikant schlechter ab. So war die maximal erreichte Leistung bei den MS-Erkrankten durchschnittlich 35% (Interventionsgruppe (IG): 124,72±53,45 Watt; Kon-trollgruppe (KG): 191,94±71,95 Watt), die maximale Sauerstoffaufnahme pro Kilo-gramm Körpergewicht 24% geringer (IG: 24,19±8,8 ml/min/kg, KG: 32,03±10,75 ml/min/kg). Die höhere maximale Herzfrequenz, der höhere maximale Laktatwert und auch der höhere Belastungswert auf der Borg-Skala lassen auf eine höhere Ausbelastung der gesunden Probanden schließen.

In einigen Studien/ Metastudien wurde ebenfalls die reduzierte physische Leistungsfä-higkeit und die Inaktivität bei MS-Patienten im Vergleich zu gesunden [6, 16, 106, 112, 115] als auch zu kranken Kontrollpersonen (z.B. Chronic fatigue Syndrom, COPD, ze-rebrale Kinderlähmung) [116] dokumentiert.

Es zeigte sich, dass MS-Patienten körperlich inaktiver sind [116]. Sie weisen eine ver-minderte maximale Sauerstoffaufnahme, verver-minderte Muskelkraft und eine geringere Ganggeschwindigkeit auf [16].

Sportliche Aktivität bei MS-Patienten kann einerseits zur Verbesserung der krank-heitsspezifischen Folgen, andererseits aber auch zu allgemeinen (damit ist gemeint, dass auch gesunde Individuen diese Ziele haben) positiven Erfolgen für das kardiovaskuläre System führen [14].

In der Studie von Mostert et al. [6] zeigte ein Test vor Interventionsbeginn bei den MS-Patienten, verglichen zu einer gesunden Kontrollgruppe, ein bis zu 13% geringeres sportliches Aktivitätsniveau, gemessen mit dem „BAECKE Activity Questionaire“. Die maximale aerobe Kapazität lag bei den MS-Patienten mit ca. 22 ml/min/kg rund 30%

unter der Kapazität der Gesunden. Auch die maximale Leistung war etwa 70 Watt ge-ringer. Dies ist vergleichbar mit unseren Ergebnissen.

Es zeigte sich auch bei Motl et al. [112], dass MS-Patienten eine verminderte maximale Sauerstoffaufnahme, verminderte Muskelkraft und eine geringere Ganggeschwindigkeit aufweisen. Der Grund für die verminderte Muskelkraft könnte einerseits morphologi-scher und neuronaler Ursache sein, das heißt nicht reversibel, aber auch durch die Inak-tivität erklärt werden. MS-Patienten haben ein erhöhtes Risiko, Erkrankungen zu be-kommen, die mit Inaktivität assoziiert sind. Die verminderte körperliche Aktivität bei MS-Patienten führt zu einer Dekonditionierung. Dieser Teufelskreislauf läuft so lange weiter, bis eine Schwelle erreicht wird, die mit Auswirkungen auf die Mobilität assoziiert ist. Dann starte laut den Autoren die zweite Stufe, der sogenannte Kreislauf der

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gression der Beeinträchtigung, welche nicht vollständig mit den Folgen der ZNS-Degeneration verbunden ist. Training wird als Herangehensweise zur Milderung der Progression der Gehbehinderung durch vermehrte körperliche Aktivität befürwortet. So könnte dem Kreislauf der Inaktivität und Mobilitätseinschränkungen vorgebeugt oder er könnte durchbrochen werden.

Die Grafik (Abbildung 26) von Dalgas und Kollegen [78] verdeutlicht das Zusammen-spiel von den Folgen der Erkrankung selbst, aber auch von der Inaktivität, die diese gesundheitlichen Folgen mit sich bringt. Dieser Teufelskreis beeinträchtigt das Funkti-onsniveau des MS-Patienten. Durch sportliche Aktivität könnte eventuell einerseits die Krankheitsaktivität gehemmt, andererseits auch der Lebensstil aktiver gestaltet werden.

Abbildung 26: Der Zusammenhang zwischen Krankheit und Inaktivität [78]

Betrachtet man die Maximalkraft der MS-Patienten (siehe Tabelle 25 im Anhang), stellt sich ebenso wie in den Ausdaueruntersuchungen eine Verminderung der Leistung ge-genüber den Kontrollpersonen (KG 2, KG 3) dar. Der Globalscore der unteren Extre-mität liegt ungefähr bei den Normwerten der weiblichen gesunden Kontrollpersonen und ist 42% geringer als der Wert der männlichen Kontrollpersonen. Der Score der oberen Extremität liegt zwischen den Werten der gesunden männlichen und weiblichen Kontrollpersonen (75% bis 125%).

Die MS-Patienten haben folglich eine geringere Kraft in den Beinen, verglichen mit der Kraft der oberen Extremität. Dies ließe sich durch die Hauptbeschwerde bei fortge-schrittener MS erklären – die zentralen Parese. Dabei sind meist die Beine zuerst betrof-fen.

Auch in der Literatur gibt es Nachweise einer verminderten Maximalkraft beziehungs-weise des maximalen Drehmomentes [109, 117-119].

Die Maximalkraft war bei MS-Patienten bis zu 50% geringer als bei Kontrollpersonen [109, 117, 120]. Durchschnittlich konnten sie nur 75% ihrer Maximalkraft aufbringen, verglichen zu 94% bei gesunden Kontrollpersonen [117]. Auch die Zeit bis zur Er-schöpfung war bei den MS-Erkrankten ca. 50 Sekunden kürzer [119].

Vermutete Gründe für die verminderte Kraft seien eine verminderte Aktivierung und eine geringere Qualität der Muskelmasse (z.B. reduzierte Kraft pro Muskeleinheit) [109].

Muskelbiopsien vom Musculus vastus lateralis [111] und Musculus tibialis anterior [121]

lassen auf eine Tendenz zur Atrophie von Typ II Fasern bei MS-Patienten schließen.

Laut Dalgas et al. [111] könnte das Alter und die Inaktivität zu einer solchen Atrophie

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führen. In der Studie von Kent-Braun et al. [121] waren die Faserquerschnittsflächen (durchschnittlich 26% größer) und auch die Enzymaktivität (Succinatdehydrogenase) bei allen Fasertypen bei der Kontrollgruppe erhöht.

In einer anderen Studie [117] zeigten sich jedoch keine Unterschiede in der Muskel-schnelligkeit, was auf keine unterschiedliche Zusammensetzung der Muskelfasern auf-grund der Inaktivität der MS-Patienten hindeutet. Es gab aber Hinweise auf eine redu-zierte oxidative Kapazität (größere Dekremente bei der isometrischen Kraft und der maximalen Rate des Kraftanstieges bei den MS-Patienten).

4.2.2 Subjektive Lebensqualität

Die Fragebögen bezüglich der Lebensqualität und der Fatigue-Symptome vor Interven-tionsbeginn zeigten eine signifikant geringere Selbstwahrnehmung in 7 von 8 Subskalen und in den beiden Summenskalen. Lediglich bei der Skala „Körperliche Schmerzen“

wurden keine Differenzen offensichtlich.

In der Literatur wurde gezeigt, dass die Rate an Depressionen und auch die Fatigue-Symptomatik bei MS-Patienten erhöht ist. Dies führt unter anderem zu einer reduzier-ten Lebensqualität [6, 16, 115].

Bei Mostert et al. [6] unterschieden sich die MS-Patienten in allen acht Subskalen des SF-36-Fragebogens von den gesunden Kontrollpersonen. Hier zeigten besonders die Subskalen „Körperliche Funktionsfähigkeit“ und „Körperliche Rollenfunktion“ bis zu 72% niedrigere Werte. Einzig die psychische Summenskala zeigte keine signifikante Veränderung. Hierzu ist zu sagen, dass das MS-Patientenkollektiv mit einem EDSS-Wert von 4,6±1,2 deutlich über dem EDSS-Wert unserer Patientengruppe liegt (EDSS 2,85±1,37). Der Fatiguelevel (FSS) war 60-67% höher als bei der gesunden Kontroll-gruppe.

Koseoglu et al. [115] dokumentierten 4 Jahre später ähnliche Ergebnisse. Die MS-Patienten zeigten eine signifikant reduzierte Lebensqualität in allen Bereichen (SF-36) verglichen mit der Kontrollgruppe (p<0,05). Der Fatiguelevel (FSS) war signifikant hö-her als das der gesunden Probanden (p<0,05).

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4.4 Trainingseffekt der Interventionsgruppe

Trainingseffekt eines 6-monatigen Ausdauer- und Krafttrainings

In der vorliegenden Arbeit wurde über keine Verschlimmerungen der MS-Erkrankung im Zusammenhang mit der sportlichen Betätigung, weder während des Ausdauer- noch während des Krafttrainings berichtet. Dies schließt sich an die Beobachtungen in der Literatur an [2, 4, 17, 22, 24, 25, 28, 52, 111].

Positiv zu berichten sei hier der Erfolg der Intervention. Eine Patientin konnte nach der Trainingsphase wieder Treppen steigen. Eine andere Probandin konnte nach Beendi-gung der Kraftphase die Kraftmessungen ausführen, welche sie in der Erstuntersuchung aufgrund ihrer muskulären Schwäche nicht durchführen konnte. Diese positiven Effekte wurden ebenso von anderen Autoren beschrieben [4, 5]:

In der Literatur wurde über merkliche positive Veränderungen nach Bewegungstraining berichtet. Die Patienten konnten in den Aktivitäten des täglichen Lebens sichtliche Fortschritte machen. Beispielsweise wurde bei Gutierrez et al. [4] berichtet, dass Patien-ten nach dem Krafttraining wieder die Treppen anstatt der Rolltreppe nutzen konnPatien-ten oder das Wandern wieder möglich war. Das waren Aktivitäten, auf die die Patienten vor Beginn der Intervention verzichten mussten. Kileff und Kollegen [5] vermuteten, dass eine verbesserte Ausdauer bei höher beeinträchtigten MS-Patienten einen günstigen Einfluss auf den Lebensstil hat. Die Autoren berichten über positive Rückmeldungen, wie z.B. wieder die Möglichkeit zu haben einkaufen zu gehen.

MS-Patienten konnten das Training während Schüben weiterführen, sobald sie sich bes-ser fühlten und weiter trainieren wollten, ohne, dass die sportliche Aktivität zu Erschöp-fung führte [28].

4.6.1 Leistungsdiagnostische Untersuchungen

Nach dem 6-monatigem Ausdauer- und Krafttraining ließen sich signifikante Verbesse-rungen in den leistungsdiagnostischen Testparametern feststellen. So verbesserten die Probanden ihre Leistung von 125,35±56,02 Watt auf 135,89±51,92 Watt (+8%). Die Abnahme der Herzfrequenz bei 50 Watt (-7 Schläge/Minute; -6%) und die Zunahme der aeroben Kapazität (t1: 23,88±8,43 ml/min/kg; t3: 26,4±7,58 ml/min/kg; +10%) zeigten die Leistungssteigerung vom ersten bis zum dritten Messzeitpunkt. Hinsichtlich der Maximalkraft der unteren und oberen Extremität konnte ebenfalls eine relevante Verbesserung von 7 beziehungsweise 9% festgehalten werden.

In einer Studie von Bjarnadottir et al. [15] wurden 6 MS-Patienten nach einem nur fünfwöchigen Kraft- und Ausdauertraining untersucht. Hier zeichnete sich eine größere Steigerung bei schon höheren Ausgangswerten in der Leistung pro Kilogramm Körper-gewicht und der maximalen Sauerstoffaufnahme ab. Der durchschnittliche EDSS-Wert

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lag bei 2,1. Nach 5 Wochen Training steigerte sich die maximale Sauerstoffaufnahme um 14,7% (von 27,3 ml/kg/min auf 31,3 ml/kg/min), die maximale Leistung pro Kilo-gramm um 18,2% (von 2,2 W/kg auf 2,6 W/kg).

Ein Ergometer- und Krafttraining (ohne Kraftgeräte, nur mit Manschettengewichten oder eigenem Körpergewicht) von 3 Wochen (3x/ Woche) zeigte eine Steigerung der isometrischen Beinkraft. Außerdem wurde über einen schnelleren timed up and go test (Verbesserung um 24%), einen höheren Berg Balance Score (Verbesserung um 43%), einen verbesserten 10m walk test (Verbesserung um -8%) und höhere Werte bei dem MSSE-Scale und der Performance Scale berichtet. Die Teilnehmer steigerten das Wider-standsniveau des Fahrradergometers, obgleich ihre Herzfrequenz unverändert blieb [19].

Die motorische Ermüdbarkeit konnte durch aerobes Training und Krafttraining für 23 Wochen bei der Untersuchung von Surakka et al. [81] reduziert werden. Dies war eher bei den weniger behinderten Patientinnen möglich als bei den eher schwerer geschädig-ten Männern.

Petajan et al. [8] untersuchten 21 MS-Patienten (EDSS 3,8±0,3), um die Effekte eines 12-wöchigem Ausdauertrainings auf die Leistungsfähigkeit und die psychische Verfas-sung der Probanden darzustellen. Die Werte der maximalen Sauerstoffaufnahme betru-gen zu Beginn 25 ml/min/kg und stiebetru-gen nach der Trainingsperiode auf 30 ml/min/kg (22%) an. Die physische Leistungsfähigkeit nahm um 48% zu. Das Training resultierte desweitern in einer Verbesserung der Muskelkraft der oberen und unteren Extremität.

Weitere positive Effekte zeigten sich in der Abnahme des Körperfettanteils (p<0,05) und der Serum-Trigylceride (p<0,05). Ergänzende Studien haben ebenfalls eine Verbes-serung der Leistung und der aeroben Kapazität [6, 9, 22, 26] sowie eine Steigerung des sportlichen Aktivitätslevels (+17%) [6] gezeigt.

Nach 6 Wochen Fahrradergometertraining konnte eine Verbesserung der Mobilität der Patienten festgestellt werden, die nach weiteren wöchentlichen Trainingseinheiten erhal-ten werden konnte. Jedoch deuerhal-ten die Ergebnisse darauf hin, dass kontinuierliches, leicht-intensives Ausdauertraining besser toleriert wird, aber größerer Fortschritt mit dem höher-intensiven Training assoziiert ist [114].

White et al. [13] sahen als Gründe für eine nur geringe Verbesserung nach einer Aus-dauertrainingsphase die Defizite in der Muskelkraft der MS-Patienten. Diese Defizite wären limitierende Faktoren für ein Training von suffizienter Intensität und Dauer, um einen positiven Effekt in der kardiovaskulären Fitness zu erzielen. Vor einem Ausdauer-training sollten die Patienten progressives MuskelAusdauer-training absolvieren, um die nötige Maximal- und Ausdauerkraft zu erlangen.

In der Literatur zeigt sich nach Krafttraining eine 10-55%ige Steigerung der jeweils trai-nierten Muskelgruppen [4, 11, 17, 28, 79, 80]. Dalgas und Kollegen [80] beschrieben nach einem 12-wöchigen Training zusätzlich eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit um 22%. In einer weiteren Studie [79] wurde eine wesentliche Verbesserung der Gehge-schwindigkeit (+6%) und ein Trend hin zu einer längeren Gehstrecke in 2 Minuten be-obachtet. In einer anderen Beobachtung wurde bei 12 Frauen festgestellt, dass auch die

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KHK-Risikofaktoren durch das Krafttraining nach 8 Woche reduziert werden konnten [11].

Grund für eine nur geringe Steigerung in unserer Untersuchung nach den geplanten 6 Monaten könnte der verlängerte Trainingszeitraum selbst sein. Es konnte ein negativer Zusammenhang zwischen dem Trainingszeitraum und dem Trainingseffekt, ausgedrückt durch die Differenz der maximalen Sauerstoffaufnahme in den 6 Trainingsmonaten, dokumentiert werden. Dies könnte darauf hinweisen, dass ein konsequentes Training im vorgesehenen Zeitrahmen von 6 Monaten größere positive Effekte auf den Leistungs-zuwachs der MS-Patienten hat.

Lediglich 3 Patienten führten das Training über 6 Monate konsequent zweimal wö-chentlich durch. Die mittlere Dauer für den Studienabschluss lag bei 280 Tagen. Die Verlängerung der Trainingsdauer und das inkonsequente Training kann durch den vari-ablen Krankheitsverlauf sicherlich begründet werden. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass einige Teilnehmer schon gute Ausgangswerte hatten und so keine große Verbesserung mehr möglich war. Ein Patient war beispielsweise Triathlet und lag mit seinen Ausgangswerten ca. dreimal höher als der Durchschnitt der MS-Patienten. Er verbesserte lediglich seine maximal aerobe Kapazität um 82 ml/min/kg Körpergewicht, alle anderen Testparameter zeigten keine relevanten Veränderungen.

In unseren Untersuchungen konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Sowohl das Ausdauertraining als auch das Krafttraining führte zu besseren Ergebnissen nach den jeweiligen Trainingsphasen.

4.6.2 Klinische Befunde

Weitere Verbesserungen wurden im MSFC verzeichnet. Die Zeit im 9-HPT verringerte sich um 2 Sekunden, und auch die kognitive Funktion, gemessen mit dem PASAT, wur-de aufgebaut. Lediglich wur-der 25 feet walk-Test zeigte unerwartet keine Verbesserung.

Im Kontext zu unseren Ergebnissen zeigten sich bei White et al. [11] ebenfalls keine positiven Veränderungen der 25 feet-Gehstrecke (6,1 zu 6,2 Sekunden).

Einige Studien konnten jedoch Verbesserungen der Gehstrecke und -geschwindigkeit nach aerobem Ausdauertraining, beispielsweise auf dem Ergometer [18, 22] als auch gezielt auf dem Laufband [9, 21, 52, 108] beobachten. Es konnte zusätzlich eine Reduk-tion des Energiebedarfs nachgewiesen werden [108].

Eine Studie [24, 25] von Ausdauer- (Aquatraining) und Kraftübungen über einen Zeit-raum von 6 Monaten beschrieb eine Verbesserung der Gesamtscore des MSFC, und seiner Skala des 25 feet walk-Test (+12%). Die Zeit im 500m-walk Test reduzierte sich um 6% (mittlere Veränderung -0,33, p<0,001). Beide Testergebnisse lagen signifikant

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unter den Werten der Kontrollgruppe. In der Interventionsgruppe zeigte sich weiterhin eine Steigerung der Beinkraft. Der mediane EDSS lag bei 2.

Da der MSFC-Test den tagesabhängigen Schwankungen der MS-Patienten unterliegt, könnte dies eine Begründung für die geringe Verbesserungstendenz nach den Trai-ningsmonaten sein. Aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten konnte der Test bei den Versuchspersonen nicht immer zur selben Tageszeit durchgeführt werden. Dies er-schwerte die Reliabilität der Testergebnisse.

4.6.3 Subjektive Lebensqualität

Der von Bjarnadottir et al. [15] gefundene positive Zusammenhang von Training und Verbesserung der Lebensqualität entspricht unseren Ergebnissen.

Der MFIS Gesamtscore, die die Fatigue-Symptomatik in ihrem Fragebogen aufgreift, reduzierte sich um 22% und liegt nun unter dem Cut off-Wert von 38 Punkten [44].

Auch die empfundene Belastung durch psychische und physische Probleme nahm im Zeitraum der 6 Monate, gemessen mit dem SCL-90-R, ab.

Der Effekt von Ausdauertraining auf die Fatigue-Symptomatik wird kontrovers disku-tiert. Einige Untersuchungen zeigen eine Abnahme der Symptome [6, 7, 9, 10], andere hingegen keine merklichen Veränderungen [5, 8, 21, 22, 26, 52]. Bei den Erhebungen der Lebensqualität und Fatigue-Symptome nach Krafttraining liegt in der Literatur ein einheitliches Bild zu weniger psychischer Belastung, weniger Fatigue und zu einer höhe-ren Lebensqualität vor [11, 12, 78, 111].

Die Skalen der SF-36 Fragebögen und die beiden Summenskalen offenbarten in unserer Studie keine Verbesserungen der Lebensqualität. Einzig für die Skala „Vitalität“ konnte ein Trend zu besseren Werten erfasst werden.

Eine wesentliche Verbesserung der Subskala „Vitalität“ zeigte ebenfalls eine Studie von Bjarnadottir et al. [15] nach 5 Wochen. Sie beschrieben im Gegensatz zu unseren Er-gebnissen Trends zu höheren Werten in weiteren Skalen des SF-36. In einer Studie von Mostert et al. [6] wurde eine Verbesserung der Gesundheitswahrnehmung im SF-36-Fragebogen nachgewiesen. Die Subskalen „Vitalität“ und „Soziale Funktionsfähigkeit“

zeigten eine bis zu 40%ige Verbesserung.

Surakka et al. [81] schilderten ebenfalls einen Trend zur Verbesserung der Fatigue (Am-bulatory Fatigue Index, FSS)

Der Gesamtscore des Hamburger Lebensqualitätsfragebogens bei MS (HALEMS), wel-cher die klinischen Symptome der Multiplen Sklerose und die gesundheitsbezogene

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bensqualität erfasst, wies in unseren Beobachtungen keinen Trend zur Verbesserung auf.

Nach einem 6 monatigem Training in der Studie von Romberg und Kollegen [24] wurde ebenfalls kein relevanter Einfluss auf die Lebensqualität der Probanden aufgezeigt. In dieser Arbeit wurde der MS Quality of Life-54 (MSQOL-54) – Fragebogen gewählt.

Schulz et al. [26] berichteten über eine bessere Lebensqualität, gemessen mit dem HA-LEMS.

Motl et al. [82] zeigten auf, dass das Training über einen kürzeren Zeitraum (<3 Mona-te) größere Effekt hinsichtlich der Lebensqualität zeigte. Außerdem stellte sich heraus, dass die Trainingseffekte auf die Lebensqualität statistisch signifikant waren, wenn MS-spezifische Fragebögen genutzt wurden.

Untersuchungen zur Lebensqualität, Depression und krankheitsbezogene Beeinträchti-gung zeigten einen positiven Verlauf nach Ausdauertraining [6, 8-10, 22, 26]. In der Li-teratur zeigten sich nach 10 Wochen positive Effekte auf Depression, Angst und Fati-gue (gemessen mit POMS) und die krankheitsbezogene Beeinträchtigung (gemessen mit SIP, Subskala körperliche Dimension). Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Fatigue (gemessen mit FSS) beobachtet [8].

Werden nun die Leistungsparameter nach dem 6-monatigen Training mit den Werten der Kontrollgruppe zu Anfang verglichen, fällt auf, dass es immer noch wesentliche Unterschiede zwischen den Gruppen gibt. Zu Anfang war die maximale Leistung der MS-Patienten um 35%, die maximale aerobe Kapazität um 24% geringer als bei den Kontrollpersonen. Betrachtet man den letzten Testzeitpunkt, so verbesserten sich die Probanden um 6%. Nach 6 Monaten Training war die maximale Leistung nur noch um 29%, die maximale aerobe Kapazität um 18% erniedrigt. Die Selbstwahrnehmung der Patienten hat sich hingegen an die Werte der Kontrollgruppe zum Testzeitpunkt t1 an-genähert. Nicht mehr signifikant waren die Skala „Emotionale Rollenfunktion“, „psy-chisches Wohlbefinden“ und „Psychische Summenskala“.

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4 Diskussion 66

4.7 Effekte des Ausdauer- vs. Krafttrainings im Bezug zum EDSS-Wert Die Analysen dieser Arbeit dokumentieren einen signifikanten Zusammenhang zwi-schen der körperlichen Beeinträchtigung (EDSS) und der maximalen Leistung bezie-hungsweise der maximal aeroben Kapazität. Je größer die körperliche Beeinträchtigung der Probanden war, desto weniger leistungsstark waren sie.

Es konnte kein Zusammenhang zwischen einem Leistungsanstieg (max. Leistung; max.

aerobe Kapazität) der beiden EDSS-Gruppen und dem Trainingsregime gezeigt werden.

Beide Patientengruppen konnten ihre Leistung nach den 6 Trainingsmonaten verbes-sern.

Die Studie von Petajan und Kollegen [8] bestätigt diese Erkenntnisse. Bei einem Aus-dauertraining über 15 Wochen gab es keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwi-schen dem EDSS-Wert, der Veränderung der maximalen Sauerstoffaufnahme und der funktionalen aeroben Beeinträchtigung bei 21 MS-Patienten (EDSS 3,8±0,3). Dies deu-tet laut den Autoren darauf hin, dass die Veränderungen der aeroben Kapazität nicht mit dem Grad der Beeinträchtigung zusammenhängen. Eine zusätzliche Gruppeneintei-lung nach EDSS-Werten (≤3,5 und >3,5) zeigte einen ähnlichen Anstieg der maximalen Sauerstoffaufnahme in beiden Gruppen. Es gab keine Hinweise, dass geringer trächtigte MS-Patienten eher von einem Ausdauertraining profitieren als stärker beein-trächtigte Patienten.

Ebenfalls keinen Unterschied zwischen den Leistungen nach 4-wöchigem Training bei Patienten mit hohen EDSS-Werten im Vergleich zu Patienten mit geringeren Werten ergab die Analyse von Mostert et al. [6]. Sie fanden heraus, dass eher die mehr beein-trächtigten Patienten vom aeroben Training profitierten. Allerdings wiesen sie auch auf die geringe Anzahl der Subgruppen hin.

Anders als in dieser Arbeit wurde bei einigen Studien ein Unterschied in dem Trainings-effekt bei Ausdauer- vs. Krafttraining festgestellt.

1988 konnten Shapiro und Kollegen [113] die unterschiedlichen Trainingseffekte bei verschiedenen EDSS-Werten dokumentiert. 25 MS-Patienten absolvierten ein 16-wöchiges kardiovaskuläres Fitnesstraining. Es wurde gezeigt, dass MS-Patienten mit einem geringerem EDSS (<3,5) eine signifikant längere Zeit bis zum Erreichen der an-aeroben Schwelle brauchten. Ebenfalls wurde die größte Veränderung der Leistung bei diesen Patienten beobachtet. Laut den Autoren ist es für Patienten mit einem EDSS unter 3,5 wenig wahrscheinlich, die Ausdauerleistung verbessern zu können.

Laut Ponichtera-Mulcare [122] liegen die Defizite in der kardiovaskulären Leistungsfä-higkeit und der Muskelfunktion eher bei MS-Patienten mit mäßiger körperlicher Beein-trächtigung als bei Patienten mit geringer BeeinBeein-trächtigung. Training scheint beides zu

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verbessern, solle aber indirekt von dem Level der körperlichen Beeinträchtigung beein-flusst werden.

Eine neuere Studie [10] beschreibt eine bessere Reaktion auf die aerobe Belastung bei den weniger beeinträchtigten Patienten (EDSS<3) nach einem 8 wöchigem aeroben Training. Die Trainingsbelastung lag bei 60% der maximalen Sauerstoffaufnahme. Die Dauer der Einheit differierte je nach Schweregrad der Erkrankung: EDSS <3 bis 10 Minuten, EDSS 3-6,5 bis 30 Minuten. Die Probanden verbesserten sich signifikant in

Eine neuere Studie [10] beschreibt eine bessere Reaktion auf die aerobe Belastung bei den weniger beeinträchtigten Patienten (EDSS<3) nach einem 8 wöchigem aeroben Training. Die Trainingsbelastung lag bei 60% der maximalen Sauerstoffaufnahme. Die Dauer der Einheit differierte je nach Schweregrad der Erkrankung: EDSS <3 bis 10 Minuten, EDSS 3-6,5 bis 30 Minuten. Die Probanden verbesserten sich signifikant in