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Verantwortung annehmen und in der Nachfolge ausleben (Selbstverantwortung)

Im Dokument Christliche Selbstführung (Seite 37-40)

3.3 T HESEN ZUR IGNATIANISCHEN L EBENSGESTALTUNG

3.3.2 Verantwortung annehmen und in der Nachfolge ausleben (Selbstverantwortung)

Verantwortung und ist schuldfähig. Als Individuum hat er ein einmaliges Ziel innerhalb Gottes Ziel. Deshalb ist eine Lebensgestaltung auf selbstverantwortlicher Basis nötig. Dieses Mensch-Sein gelingt aber nur mit und durch Gott. Biblisch-christliche Werte, menschlicher Verstand, die Kirche und vor allem die Gottesbeziehung sowie das Vorbild Christi geben der Lebensgestaltung einen gesunden Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens soll der Mensch seine Verantwortung demütig anerkennen und übernehmen. Als Hilfsmittel dazu eignet sich die ignatianische Spiritualität. Einerseits gibt sie der Selbstverantwortung einen hohen Stellenwert, andererseits ist sie ein Weg der Nachfolge. In hingebungsvoller Nachfolge wird der Mensch immer mehr Mensch.

Was Selbstverantwortung notwendig macht

Eine aktive Lebensgestaltung ist nötig, weil Gott in und durch uns Menschen wirken will. Die einleitenden Worte in den Geistlichen Übungen, «Prinzip und Fundament» (23,1ff) genannt, richten den Blick auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen. In dieser verdichtet sich das Menschsein mit der Persönlichkeit. Gott will nicht durch Marionetten in die Welt hineinwirken, sondern durch uns und unser Mitwirken (Lefrank 2011:52). Gott sucht die freie Entscheidung der Menschen und nimmt ihnen die Verantwortung für die Welt nicht ab (:57).

Diese Feststellung wird mehrfach durch die Bibel gestützt: Der Mensch ist als Ebenbild Gottes geschaffen und hat darum eine Würde (Mertes 2004:44). Aufgrund dieser Würde kann der Mensch Verantwortung übernehmen, was sich in seiner Schuldfähigkeit zeigt (Lambert 2004:63f). Auch die Gotteshingabe wird in der Bibel als aktives Tun beschrieben, was wiederum für eine persönliche Verantwortlichkeit spricht (Van Breemen 2004:47–53). So hat der Mensch die Freiheit, sich immer wieder zu entscheiden – auch hin zum Bösen (Kiechle 2016:21). Ebenso ist die Entscheidung für Christus eine ganz persönliche und kann keinem anderen überlassen werden (Keller 2010:64).

Auch wenn alle Menschen Ebenbilder Gottes sind, hat Gott jeden Menschen individuell geschaffen und ihn einzigartig und unverwechselbar gemacht (Mitterstieler 2008:17–20). Gott hat ein übergeordnetes Ziel für und mit den Menschen. Innerhalb dieses Ziels hat jeder Mensch sein eigenes Ziel zu suchen. Dieser Gedanke wird in der Bibel unter anderem mit dem Bild des Leibes aufgegriffen (Keller 2010:47–50). Schlussendlich gilt: «Die einmalige Person muss auch ein einmaliges Ziel haben: das, was Gott gerade von ihr will [...].» (:76).

Art und Weise, wie Selbstverantwortung gelebt werden kann

Für den guten Gebrauch dieser Selbstverantwortung gilt es anzuerkennen, dass der Mensch nur mit und durch Gott wirklich Mensch ist. Das setzt voraus, dass man Gott als wohlwollende, liebende sowie Leben und Welt tragende Wirklichkeit anerkennt (Waldmüller 2019:12). Nur wer sein Leben als von Gott empfangen ansieht, kann es ihm auch wieder zurückgeben (Van Breemen 2004:47–53). Menschliches Werden und Wachsen beruhen schlussendlich auf Gottes Gnade (Lambert 2012:19f). Entscheidend ist, ob wir die Gegenwart des gegenwärtigen Gottes suchen und seine Gegenwart sehen (:16f). Das Selbst des Menschen ist von Gott begründet und durch ihn garantiert (Mitterstieler 2008:25).

Ebenso soll Selbstverantwortung in einem gesunden Rahmen eingebettet gelebt werden. Damit sind etwa die biblisch-christlichen Werte gemeint (Kiechle 2016:32f). Dazu gehören die Zehn Gebote, die wohl am besten als zehn Wegweisungen zum Leben verstanden werden (Lambert 2004:67f). Gott will durch sie die menschliche Freiheit nicht einschränken. Vielmehr zeigen sie, wie sich Freiheit finden lässt (:8.23f). Weitere Grenzen ergeben sich durch die menschliche Vernunft, die gesamtmenschliche Sittlichkeit (Keller 2010:69–77), die Einbindung in die Kirche (:77–79), sowie Moral, Gesetz und Gewissen (Mertes 2004:60). Schlussendlich aber ist Jesus Christus das Vorbild zum Mensch-Sein und es gilt: «[W]eder das subjektive Gewissen [ist] die letzte Norm, noch das Wort des Papstes, noch der Ruf der Basis, noch die Meinung Gleichgesinnter, sondern Jesus Christus [...].» (Seibel 2013:50).

Selbstverantwortliches Handeln scheitert, wenn Verantwortung nicht anerkannt und übernommen wird. Es braucht eine gewisse Selbsterziehung, um von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung zu kommen (Lambert 2004:96). Immer wieder muss das eigene Leben reflektiert und in die richtige Richtung angepasst werden. Man kann das mit einem kybernetischen System vergleichen: Gottes allgemeines Ziel mit den Menschen ist der Sollwert.

Der Mensch muss seinen Istwert immer wieder prüfen und Anpassung vornehmen, da er vom Sollwert abweicht. Das bedeutet aber auch, dass eine angemessene Korrektur je nach Situation ganz unterschiedlich aussehen kann (Keller 2010:50–54).

Verantwortung darf und soll also angenommen und übernommen werden. Nimmt man sie nicht an, füllen oft andere die Lücke – was bei missbräuchlicher Anwendung fatale Folgen haben kann. Ein Beispiel: Drückt sich der Leiter einer Organisation vor Entscheidungen, werden das andere tun. Höchstwahrscheinlich entscheiden diese dann aber so, dass es vor allem ihnen zugute kommt anstatt der Organisation insgesamt (Aigner 2011:17–20). Gleichzeitig sollte man sich nicht zu wichtig nehmen, sondern Grenzen anerkennen und bescheiden und selbstlos seinen Auftrag in der Welt erfüllen (Kiechle 2005:25). Man sollte sich bewusst sein, dass Machtmissbrauch Sünde ist – auch wenn Gott oftmals noch nicht dagegen vorgeht (:70).

Wie Selbstverantwortung umgesetzt werden kann

Ausführen lässt sich eine solche Art der selbstverantwortlichen Lebensgestaltung am besten in der Nachfolge Christi: «Denn er bringt das zur Bestimmung und Vollendung, was im Menschen angelegt ist [...]. Jesus Christus ist somit die tiefste Erfüllung des Menschseins.» (Benke 2009:20). Indem man also immer mehr in die Christusnachfolge hineinwächst, ist man immer mehr Mensch (:23–25). Nachfolge an sich ist schon ein aktiver, selbstverantwortlicher Prozess, denn sie erfordert Hingabe. Das setzt voraus, dass man sein Leben als von Gott empfangen sieht und es ihm wieder zurückgeben will (Van Breemen 2004:47–53). Hingabe ist nicht die Verneinung der Selbstverantwortung. Es bedeutet schlicht, «dass das, was man unternimmt, auf Gott abgestimmt ist und in Vereinigung mit ihm geschieht.» (:52).

Damit wird die ignatianische Spiritualität zu einem besonders geeigneten Hilfsmittel, denn ihr Ziel ist stets das «liebevolle Hingegebensein in allem als höchster Vollzug» (Lambert 2004:100). Die Exerzitien sind ein Weg der Nachfolge Jesu und ein Versuch, sich auf die Einheit mit Christus abzuhorchen (Keller 2010:81f). Gerade in der zweiten Exerzitienwoche passiert das intensiv: Man betrachtet den schwierigen Weg von Jesus, er soll gespürt und emotional miterlebt werden. So wird geprüft, ob man wirklich bedingungslos entschlossen ist, dem Willen Gottes zu folgen (Lefrank 2011:64–70). Die Exerzitien gleichen dem angesprochenen kybernetischen System, indem man den eigenen Istzustand feststellt und schaut, wo etwas in Disharmonie mit Christus ist. Die zu treffende Entscheidung entspricht der Korrektur hin zum Sollzustand (Keller 2010:82–84). Kurzgesagt: In den Exerzitien lernt der Einzelne, sich so wie Jesus in der Welt zu bewegen (Lefrank 2011:57).

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