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Der Vater des Gottessohnes und der Vater der Gotteskinder 1

Reinhard Feldmeier

1. Gott – Allein?

Der Titel dieser Tagung „Gott – allein“ ist bewusst provokativ formuliert.

Er soll verhindern, dass die Johannes - Exegese wieder in die gewohnten Gleise der Christologie einbiegt und dieser die Gottesfrage subsumiert.

Gleichwohl fordert ein solcher Titel zur Präzisierung heraus. Denn wenn in diesem Evangelium, das schon in den ersten beiden Versen gleich dreimal das Wort Gott verwendet und auch im weiteren Verlauf weit häufiger auf Gott rekurriert als die anderen Evangelien, wenn also im vierten Evan-gelium etwas vom ersten Satz an klargestellt wird, dann ist es dies, dass Gott schon ἐν ἀρχῇ, d. h. vom Ur-Anfang an nie „allein“ war. Das zeigt sich schon daran, dass das Evangelium im Gegensatz zum Prätext Gen 1,1, auf den es sich bezieht, nicht mit Gott als Subjekt beginnt, sondern mit dem Logos. Und das bestimmt alles Folgende: Wenn Gott in diesem Evangelium deutlicher als in allen anderen Schriften als Vater verstanden wird, dann deshalb, weil er niemals eine für sich seiende Monade war, sondern immer schon von seiner Beziehung auf ein Gegenüber her gedacht wird – auf den Logos und dann im Evangelium auf dessen Inkarnation in Jesus Christus, den „Sohn “ , und durch diesen auf die Christgläubigen, seine „Kinder“ . 2

Das ist alt bekannt und muss doch immer wieder betont werden. Bei einer Pfarrkonferenz wurde ich vor einiger Zeit gefragt, ob wir im

inter-1Der folgende Beitrag nimmt Gedanken auf, die ich in der gemeinsamen Veröffentlichung mit HermannSpieckermann(ReinhardFeldmeier/Hermann Spieckermann, Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre [TOBITH 1], Tübingen22017) entfaltet habe und die wir derzeit in einer zweiten gemeinsamen Veröffentlichung unter dem Titel „Mensch-werdung“ (Reinhard Feldmeier /Hermann Spiekermann, Menschwerdung [TOBITH 2], Tü-bingen 2018) noch weiter ausführen.

2Vgl. Barretts Grundsatzurteil: „John directs our attention to God; but he does so by wri-ting a gospel [...] for John, Jesus stands in the centre of his understanding of God.“ Charles K.Barrett, Christocentric or Theocentric? Observations on the Theological Method of the Fourth Gospel, in:ders., Essays on John, Philadelphia 1982, 1–18: 3.

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religiösen Dialog uns die Sache nicht einfacher machen könnten, wenn wir in der Christologie das „eines Wesens mit dem Vater“ beiseiteließen und zugäben, dass, so wie Mose bei den Juden und Mohammed bei den Muslimen, auch bei uns Christen Jesus derjenige ist, der Gott verkündigt hat. Der Frager verwies sogar ausdrücklich auf Joh 14,28: „Der Vater ist größer als ich.“ Damit formulierte er nur eine heute auch bei Theologen weit verbreitete Ansicht, nach der die Mitglieder der sog. abrahamitischen Religionen alle an den einen Gott glauben, der dann in der Geschichte durch menschliche Mittler offenbart wurde. Welche besondere Rolle man dabei Jesus im Konzert der anderen „Religionsstifter“ zuschreibt, mag variieren; entscheidend ist, dass er der göttlichen Aseität als Offenbarer zugeordnet wird, analog dem muslimischen Bekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet.“ Doch eben das ist nicht die Art und Weise, wie das Neue Testament, und hier im Besonderen das Johannesevangelium, Gott vom Christusereignis her versteht.

Dies soll hier in Auseinandersetzung mit der Kategorie des Mittlers deutlich gemacht werden. In die christlichen Dogmatiken wurde der me-diator von der lateinischen Theologie des Mittelalters eingeführt,3 im reformatorischen Bereich wurde er erstmals von Calvin rezipiert.4 Das geschieht bis heute und zwar konfessionsübergreifend – und das bleibt nicht auf die Dogmatik beschränkt. Soweit man in der Exegese überhaupt die Frage nach dem Verhältnis von Monotheismus und Christologie dis-kutiert, löst man die Spannungen auch dort gerne mit Hilfe der Kategorie des Mittlers und einer damit verbundenen Subordination Christi.

Demgegenüber ist zunächst einmal auf den exegetischen Tatbestand hinzuweisen, dass die meisten biblischen Zeugnisse nicht von Christus als Mittler sprechen (und wo es dennoch geschieht, wie etwa im Hebrä-erbrief, da werden die problematischen Konsequenzen schnell sichtbar).5 Denn die Rede vom Mittler ist zumindest missverständlich und birgt die Gefahr, den soteriologischen Mehrwert preiszugeben, welchen die bibli-sche Rede von Gott als Vater hat und den die Alte Kirche mit ihren oft so schwer nachvollziehbaren Streitigkeiten um die Trinität zu bewahren gesucht hat. Hier soll deshalb zunächst an Paulus gezeigt werden, warum der erste Theologe des Frühen Christentums den Begriff des Mittlers nur pejorativ gebraucht, um dann ausführlicher an Johannes zu erläutern,

3Vgl. WolfhartPannenberg, Systematische Theologie 2, Göttingen 1991, 490 f.

4Vgl. Johannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religion /Institutio Christianae religionis. Nach der letzten Ausgabe übersetzt und bearbeitet von Otto Weber, Neukirchen-Vluyn51988, II,12,1 ff.

5Vgl. dazu die Ausführungen inFeldmeier/Spieckermann, Gott (Anm. 1) 325–328.

Der Vater des Gottessohnes und der Vater der Gotteskinder 149 warum dieser den Begriff ganz meidet, was an dessen Stelle tritt und wel-che Konsequenzen daraus für die johanneiswel-che Rede von Gott zu ziehen sind.

2. Der christologische Monotheismus des Paulus

Bekanntlich besteht für Paulus nicht der geringste Zweifel daran, dass Gott einer ist. So sagt er in 1 Kor 8,4, wohl unter Anspielung auf Dtn 6,4 in Verbindung mit Dtn 4,35, dass es keinen Gott gibt außer dem Einen.

Nur zwei Verse weiter spaltet er dann in 1 Kor 8,6 das Bekenntnis zu dem einen Gott, dasŠ˘emaʿ,christologisch auf, indem er den Vater den einen Gott nennt, aus dem alles kommt und auf den hin wir existieren, und dem er dann Christus als den einen Kyrios parallelisiert, durch den alles existiert und wir durch ihn. Die Frage, wie hier und anderswo bei Paulus der biblische Monotheismus und das frühchristliche Bekenntnis zu Christus als dem Kyrios zusammengehen, beantwortet Udo Schnelle damit, dass er die „Unterordnung Christi“ betont und konstatiert, dass sich „deutlich einsubordinatianischerZug in der paulinischen Christolo-gie“ zeige6. Schnelle weist entsprechend Christus die Rolle eines Mittlers zwischen dem einen Gott und den Menschen zu.7

Für eine solche Deutung scheint es auf den ersten Blick gute Gründe zu geben. Der Apostel kann den Gehorsam Christi hervorheben, am deutlichsten in Phil 2,8, und entsprechend an verschiedenen Stellen die Überordnung Gottes betonen. So sagt er in 1 Kor 11,3, dass, so wie der Mann das Haupt der Frau und Christus das Haupt des Mannes ist, so Gott das Haupt Christi ist. Nach 1 Kor 15,23–28 besteht sogar das Ziel der gesamten (Heils-)Geschichte darin, dass sich Christus nach der Unter-werfung aller Mächte zuletzt selbst dem Vater unterordnet (1 Kor 15,28).

Dennoch spricht gegen die daraus scheinbar selbstverständlich fol-gende Deutung Christi als Mittler schon die Beobachtung, dass der Apo-stel diesen Begriff für Christus nicht verwendet, sondern ihn nur zweimal in einem deutlich abwertenden Sinn für Mose gebraucht und in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Vorstellung zurückweist, dass es für Gott, eben weil er einer ist (Gal 3,19 f.), einen Mittler geben könne.8

6UdoSchnelle, Paulus. Leben und Denken, Berlin u. a.22014, 426.

7Vgl. ebd., 427–429.

8Während es in den philosophischen Konzepten gerade das absolute Eins-Sein des Gött-lichen ist, das der Vermittlung in die Vielheit bedarf, ist für Paulus ein Mittler nur dort

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Das ist eine bemerkenswerte Begründung, denn in den Mittlerkonzepten, wie sie bereits in Platons Symposion angedacht sind und dann besonders im Mittel- und Neuplatonismus weiterentwickelt werden, steht die Frage im Mittelpunkt, wie das absolute Göttliche, das „jenseits des Seienden“

seinen Ort hat,9 als das mit sich selbst identische Eine mit der vielge-staltigen Wirklichkeit überhaupt in Kontakt treten kann. Dazu bedarf es derdaimones, die als halbgöttliche Mischwesen „dazwischen“ (µεταξύ) existieren und so an beiden Sphären Anteil haben.10Xenokrates, Platons Schüler und sein Nachfolger als Leiter der Akademie, hat daraus eine ganze Dämonologie entwickelt, die in neutestamentlicher Zeit vor allem im Mittleren Platonismus weit verbreitet war: Aus dem ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. sind uns noch vier Schriften über das Daimonion des Sokrates erhalten, die belegen, wie prominent die Vorstellung von Mitt-lerwesen in neutestamentlicher Zeit war,11und zwar sowohl im paganen Bereich wie im zeitgenössischen Judentum.12

Es ist in der antiken Metaphysik also gerade die als Selbstidentität verstandene Einheit des Göttlichen, welche nach einem Mittler verlangt.

So aber denkt der Apostel nicht. Seine Theologie nimmt ihren Aus-gangspunkt nicht bei der göttlichen Transzendenz, die der Vermittlung in die Immanenz bedarf, sondern bei dem Gott, der „in Christus war“

(2 Kor 5,19) und sich dort als „Gott für uns“ (Röm 8,31), also als der heilvoll dieser Welt Zugewandte, erwiesen hat. Insofern ist die zunächst so plausibel erscheinende Entschärfung des Monotheismusproblems mit Hilfe der Vorstellung eines Mittlers problematisch, weil sie Gott nicht

von Nöten, wo es eine Vielfalt zu vermitteln gilt, während der eine Gott sich unmittelbar in Verbindung setzt (vgl. FranzMussner, Der Galaterbrief [HTKNT 9], Freiburg u. a.51988, 248).

9Vgl. Platon, Politeia (JohnBurnet, Platonis Opera 4, Oxford 2006), 6.509B:ἐπέκεινα τῆς οὐσίας.

10Vgl.Ders., Symposion (JohnBurnet, Platonis Opera 2, Oxford 2006), 202d–203a.

11Vgl. PierluigiDonini, Sokrates und sein Dämon im Platonismus des 1. und 2. Jahrhun-derts n. Chr., in: Heinz-Günther Nesselrath/Ulrich Berner/Reinhard Feldmeier/Bernhard Heininger/Rainer Hirsch-Luipold (Hg.), Apuleius, De Deo Socratis /Über den Gott des Sokrates (SAPERE 7), Darmstadt 2004, 142–161. In der Schrift des Apuleius werden diese Vorstellungen systematisiert.

12Philo siedelt den göttlichen Logos als Mittler zwischen Gott und Abraham klar unter-halb des einen „unnennbaren und unsagbaren Gottes“ an; vgl. Philo von Alexandrien, De Somniis (Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Editerunt Leopoldus Cohn et Paulus Wendland 3, Berlin 1898), 1,65 f. In De Somniis 1,142 f. bezieht er den Terminusµεσίτης dann auch auf Engel als „vermittelnde Logoi“. In vergleichbarer Weise fungiert im TDan (JürgenBecker,Die Testamente der zwölf Patriarchen [JSHRZ 3,1], Gütersloh 1974), 6,2 ein fürbittender Engel als „Mittler zwischen Gott und den Menschen“; vgl. dazu Reinhard Feldmeier, Mediator IIµεσίτης, in: DDD (21999) 557–560: 558 f.

Der Vater des Gottessohnes und der Vater der Gotteskinder 151 vom Ereignis seiner Zuwendung her versteht, sondern vom Gegensatz zwischen Gott und Mensch ausgeht und Christus in ein Seins- und Machtgefälle zwischen dem höchsten Gott und seinen Geschöpfen ein-ordnet.

Blickt man dermaßen sensibilisiert noch einmal genauer auf Paulus, so sieht man, dass er das Verhältnis Gott – Christus nicht einlinig hier-archisch bestimmt, sondern dass es neben den Stellen, an denen Paulus vom Gehorsam des Sohnes und dessen Unterordnung spricht, auch solche gibt, welche dessen Erhöhung durch den Vater betonen. So installiert Gott nach dem Philipperhymnus (Phil 2,6–11) Jesus nicht als ein Zwischenwe-sen unter sich. Vielmehr überträgt er demjenigen, der sich seiner Gött-lichkeit entäußert und sich gehorsam bis zum Tod am Kreuz erniedrigt hat, seinen eigenen „Namen über jedem Namen“ und stattet ihn dadurch mit all der Macht und Hoheit aus, die ihm selbst eigen sind, so dass sich nun im Himmel und auf der Erde und unter der Erde jedes Knie vor ihm beugt, eine Anspielung auf Jes 45,23 LXX, wo dieser Prätext auf Gott selbst bezogen ist und dessen Einzigartigkeit zum Ausdruck bringt.13 Um die Ungeheuerlichkeit dieser Erhöhung herauszustellen, dehnt der Apostel die Sprache aufs Äußerste: Der Gott, der selbst in der Bibel immer wieder der Höchste genannt wird, macht den Gekreuzigten zum „Aller-höchsten“, wie Paulus das mit dem extrem seltenen Wortὑπερύψωσενin Phil 2,9 sagt.14Gerade darin erweist er seine Herrlichkeit als Vater, wie der Schlusssatz des Hymnus unterstreicht, dass er nicht auf der eigenen Hoheit insistiert, sondern den anderen erhöht. Nebenbei bemerkt: Für

13So richtig auch TorstenJantsch(ders., „Gott alles in allem“ [1 Kor 15,28]. Studien zum Gottesverständnis des Paulus im 1. Thessalonicherbrief und in der korinthischen Korre-spondenz [WMANT 129], Neukirchen-Vluyn 2011, 289), wobei seine Aussage, dass man im Kontext einer entwickelten Trinitätslehre dann doch von Subordination sprechen könne, nicht nachvollziehbar ist.

14Die Folgen zeigen sich etwa darin, dass Paulus zentrale Aussagen über Gott und Christus parallelisiert, ja identifiziert: Die Gnade, die Rettung, die Liebe, die Macht, das Gericht, das Evangelium, das Apostolat, der Glaube und anderes werden von ihm gleichermaßen und oft mit gleichen Wendungen sowohl auf Gottvater wie auf Christus zurückgeführt, ohne dass ein signifikanter Unterschied erkennbar würde, etwa dergestalt, dass Christus hierbei nur die vermittelnde Instanz wäre; vgl. die entsprechenden Ausführungen bei Ulrich Mauser, Gottesbild und Menschwerdung. Eine Untersuchung zur Einheit des Alten und Neuen Testaments (BHT 43), Tübingen 1971, 121–145. Deshalb sagt man auch zu wenig, wenn man die Würdestellung Christi nur auf die „Repräsentanz und Offenbarung Gottes der Welt gegenüber“ (so WolfgangSchrage, Unterwegs zur Einheit und Einzigkeit Gottes. Zum

„Monotheismus“ des Paulus und seiner alttestamentlich-frühjüdischen Tradition [BThSt 48], Neukirchen-Vluyn 2002, 144) beschränkt: Als der „eine Herr“ (1 Kor 8,6) ist Christus viel mehr als nur Repräsentant des einen Gottes, sondern – mythologisch gesprochen – sein Throngenosse, Mitinhaber seiner Macht und Herrlichkeit.

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dieses kommunikative Verständnis der göttlichen Macht verwendet der Apostel das in der Profangräzität nicht bezeugte Wort ἐνδυναµόω, das über die amerikanische Gemeindetheologie als empowerment zum Mo-dewort moderner Managementkonzepte geworden ist (Phil 4,13).15

An diesem Beispiel wird deutlich: Weil Gott sich in Christus als Va-ter erweist, sind seine Eigenschaften kommunikative Eigenschaften. Das bestätigt etwa die in verschiedenen Zusammenhängen wiederkehrende Argumentationsfigur des beatum commercium,16 des seligmachenden Wechsels. Auch die Argumentation gegen den Mittler in Gal 3,19 f. ver-stehe ich so, dass Gottes Einheit zu seinen kommunikativen Eigenschaf-ten gehört, was der Apostel v. a. in 1 Kor 12,4–31 ausführt und ein Schüler von ihm dann im Epheserbrief noch weiter expliziert. Die Gerechtigkeit Gottes, die nach Röm 3,26 sich darin erweist, dass er die Christgläubi-gen gerecht macht, gipfelt für den Apostel darin, dass diese von Gott zu „Söhnen“ bzw. „Kindern Gottes“ adoptiert werden und ihn mit Jesu Worten als „Abba, Vater“ anrufen (Röm 8,15). Durch dieseυἱοθεσίαsind die bisherigen „Sklaven“ nun zu „Miterben Christi“ und „Gottes Erben“

geworden (Röm 8,17, vgl. Gal 4,7). So mündet denn die Entfaltung der Rechtfertigung im Lobpreis des Gottes, der uns mit seinem Sohn alles schenkt und so als „Gott für uns“ seine alles überwindende Liebe er-weist (Röm 8,31–39). In vergleichbarer Weise nimmt Paulus in Phil 3,20 f.

noch einmal auf den Christushymnus Bezug und macht deutlich, dass die soteriologische Pointe der Erhöhung Christi darin besteht, dass dieser auch den „Leib unserer Niedrigkeit“ in den „Leib seiner Herrlichkeit“

verwandeln wird.

Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie die Verbundenheit mit Christus das paulinische Verständnis Gottes zutiefst bestimmt. Das sei noch an ei-nem letzten Punkt verdeutlicht. Der Apostel kennt die Prädikate, mit de-nen man in der antiken Metaphysik und z. T. auch im Alten Testament die göttliche Einzigartigkeit im Gegensatz zur Welt auf den Begriff brachte:

ewig, unvergänglich, unsterblich, heilig, gerecht etc. Aber diese Adjektive fungieren bei ihm zumeist nicht mehr als exklusive Gottesprädikate,

son-15Vgl. NorbertHerriger, Empowerment in der sozialen Arbeit. Eine Einführung, Stutt-gart32006; AndreasKnuf, Empowerment in der psychiatrischen Arbeit, Bonn52011.

16 „Erkennt nämlich die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er – obgleich er reich war – um euretwillen arm geworden ist, damit ihr durch seine Armut reich würdet“

(2 Kor 8,9). „Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes losgekauft, indem er um unsertwillen zum Fluch wurde“ (Gal 3,13). „[Jesus Christus] ist für uns gestorben, damit wir – ob wir nun wachen oder schlafen – zugleich mit ihm leben“ (1 Thess 5,10). Paulus kann dies auch von Gottes Handeln her formulieren: „[Gott] hat den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21).

Der Vater des Gottessohnes und der Vater der Gotteskinder 153 dern sind zu inklusiven soteriologischen Prädikaten geworden, welche das neue Sein der Glaubenden in Gegenwart und Zukunft beschreiben.

Im Blick auf Gott verwendet Paulus dagegen vor allem Verbformen; ein paar Adjektive stehen bei ihm mehr als sechzig Partizipien gegenüber.

Das ist theologisch aufschlussreich. Während Adjektive das göttliche Sein durch Qualitäten definieren, bezeugen Partizipien dieses als Wirkmacht:

Als der berufende, der rechtfertigende, der ermächtigende, der auferwe-ckende, der lebendig machende, der heiligende Gott ist er der schöpfe-rische Grund der Verwandlung der „Gotteskinder“. So wird er zu ihrem Vater.

3. Der eine Gott und sein Mittler bei Johannes?

Auch im Johannesevangelium bleiben Vater und Sohn strikt voneinander unterschieden. Der Vater ist der Sendende, der Sohn der Gesandte.17Der Sohn spricht und handelt nicht aus sich selbst,18sondern sagt, was der Vater ihm gesagt hat (Joh 12,50; 15,15) und tut, was er den Vater tun sah (Joh 5,19). Er lebt durch den Vater (Joh 6,57), er erkennt den Vater und ist von ihm erkannt (Joh 10,15). Er ist vom Vater belehrt (Joh 8,28) und sagt, was er vom Vater gesehen hat (Joh 8,38). Immer wieder betont der johanneische Jesus auch, dass er nicht seinen Willen tut, sondern den des Vaters, um dessen Werk zu vollenden.19Der Vater hat das Leben in sich und verleiht solches dem Sohn (Joh 5,26); deshalb besteht ewiges Leben in der Erkenntnis, dass Christus vom Vater gesandt ist (Joh 17,8.25). So kann der Menschgewordene auch sagen, dass der Vater, der größer ist als alles (Joh 10,29), auch größer ist als er (Joh 14,28).

Man hat auch hier versucht, die johanneischen Aussagen mit Hilfe des Mittlerbegriffs zu systematisieren. Das tut etwa Stefan Schreiber, der da-bei nicht nur auf einem „Gefälle von Gott zu Jesus“ besteht, sondern sich auch gegen den Begriff der Menschwerdung Gottes verwahrt.20Schreiber interpretiert also die Unterscheidung von Gott und göttlichem Logos im Prolog bzw. von Vater und Sohn im Evangelium als ein Machtgefälle zwi-schen dem einen Gott und seinem Mittler. So einleuchtend das zunächst scheint, so sehr widerspricht es bei genauerem Zusehen dem Verhältnis

17Vgl. Joh 5,36 f.; 6,44.57; 8,16.18; 10,36; 12,49.

18Vgl. Joh 5,30; 7,17.28; 8,38.42; 12,49; 14,10.

19Vgl. Joh 4,34; 5,17.30.36; 6,38–40; 9,4; 10,37 f.; 14,10.12; 15,24; 17,4.

20Vgl. StefanSchreiber, Die Anfänge der Christologie. Deutungen Jesu im Neuen Testa-ment, Neukirchen-Vluyn 2015, 196–201.

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von Vater und Sohn und dann auch dem zwischen dem Sohn und den Gläubigen, wie es im Johannesevangelium bestimmt wird.

Schon der Logos im Prolog ist, um Michael Theobald zu zitieren, kein „Zwischenwesen“, sondern Gottes „Selbst-Ausdruck“,21und ebenso kommt der „Einziggeborene vom Vater“ nicht erst nachträglich zu Gott hinzu. Als „incarnation of God’s self-expression“22kommt der Sohn viel-mehr „aus dem innersten Herzen“ des Vaters und macht so erst „jene radikale Anteilnahme Gottes an der Welt denkbar, für die Jesus steht“.23 Das Evangelium bringt das zum Ausdruck, wenn es die Logos-Christo-logie des Prologs sofort durch eine Gottessohn-ChristoLogos-Christo-logie ergänzt (vgl.

Joh 1,34.49) und im weiteren Verlauf die damit ausgedrückte gegenseitige Verbundenheit von Gott und Jesus als reziproke Immanenz beschreibt:

In mir der Vater wie ich im Vater.

(Joh 10,38, vgl. 14,10 f.; 17,21)

Daher kann das Evangelium das Verhältnis von Vater und Sohn, bei dem der eine im anderen gegenwärtig wird und beide so als „Vater“ und

„Sohn“ erst durch die Beziehung zum anderen ganz sie selbst werden, nicht mit Kategorien der Über- und Unterordnung beschreiben. Domi-nanz ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Unterordnung aus, um es in johanneischer Diktion (1 Joh 4,18) zu sagen.

Die strikte Unterscheidung von Vater und Sohn hat bei Johannes ihre Pointe nicht in der Trennung von dem einen Gott und seinem Mittler, sondern in der Begegnung von Vater und Sohn, sie zielt nicht auf ein Un-tereinander, sondern auf ein Ineinander. Insofern ist es auch zumindest missverständlich, wenn von Bendemann konstatiert: „Der ‚Vater‘ bleibt im vierten Evangelium im Vergleich zum ‚Sohn‘ dersemper maior/immer Größere (vgl. Joh 10,29).“24Wie bei Paulus erweist sich auch bei Johannes die Größe des Vaters darin, dass er den Sohn erhöht und gerade so nicht

Die strikte Unterscheidung von Vater und Sohn hat bei Johannes ihre Pointe nicht in der Trennung von dem einen Gott und seinem Mittler, sondern in der Begegnung von Vater und Sohn, sie zielt nicht auf ein Un-tereinander, sondern auf ein Ineinander. Insofern ist es auch zumindest missverständlich, wenn von Bendemann konstatiert: „Der ‚Vater‘ bleibt im vierten Evangelium im Vergleich zum ‚Sohn‘ dersemper maior/immer Größere (vgl. Joh 10,29).“24Wie bei Paulus erweist sich auch bei Johannes die Größe des Vaters darin, dass er den Sohn erhöht und gerade so nicht