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V ERTEILUNG UND A USWIRKUNG DER VERSCHIEDENEN M UTATIONEN

5 DISKUSSION

5.1 V ERTEILUNG UND A USWIRKUNG DER VERSCHIEDENEN M UTATIONEN

Mehrere Studien belegen den Nutzen von Resistenztests, weswegen deren Einsatz heutzutage von internationalen Expertengruppen zur Steuerung der HAART empfohlen wird37,46

Ein positiver Effekt auf die Unterdrückung der viralen Replikation wurde für den Einsatz von genotypischen Resistenztests zur Therapiesteuerung bei Therapieversagen, versus „Standard of Care“ (SOC), in den VIRADAPT, GART, HAVANA und NARVAL Studien gefunden47,47-50.

Der Unterschied in den verschiedenen Gruppen in der HI-Viruslast betrug nach Ablauf der Studien 0.48, 0.58, 0.21 und 0.18 log c/ml. In der NARVAL-Studie wurde dieser positiver Effekt jedoch nur für die randomisierte Zuweisung in jene Gruppe nachgewiesen, in der genotypische Resistenztest, nicht jedoch phänotypische, zur Therapiesteuerung eingesetzt wurde50.

Die CCTG Studie beschrieb, anders als die VIRA Studie, keinen positiven Einfluß für den Einsatz von phänotypischen Resistenztests51.

Der Einsatz eines Resistenztests erfolgt derzeit hauptsächlich bei einem Versagen der antiretroviralen Therapie. Dieser ist bei vorbehandelten Patienten mittlelerweile als Kassenleistung verfügbar. Verschiedene Studien zeigten sogar einen kostensenkenden Effekt zumindest der genotypischen Resistenzanalyse auf die Therapie der HIV-Infektion52,53.

Problematisch ist bei genotypischen Resistenzanalysen die Interpretation der akquirierten Daten. Des weiteren wird die Vergleichbarkeit der verschiedenen Studien erschwert, bedingt durch unterschiedliche Resistenztestsysteme und Patientenpopulationen. Eine Rolle spielt hierbei ebenso der Zeitpunkt der Analyse, da aufgrund verschiedener Studien mit einer Zunahme auftretender Resistenzmutationen gerechnet werden muss54,55.

Bei dieser Arbeit wurde deshalb auf das Analyse-System der Stanford Universität zurückgegriffen, welches ein weit verbreitetes, leicht zugängliches Analysesystem darstellt, das bereits durch vergleichende klinische Studien weiter validiert wurde.

Diskussion

In die Analyse wurden nur Patienten eingeschlossen, die in der Zeit von 1997 bis 2002 mit der Therapie begannen, um sicher zu gehen, dass alle Patienten mit HAART behandelt wurden, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen. In beiden Patientenkollektiven war der Altersdurchschnitt 43 Jahre, in beiden fanden sich überwiegend Männer. Helferzellstatus sowie Viruslast wiesen auf ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium hin und repräsentieren ein epidemiologisch typisches Bild. Ebenso entspricht der Anstieg der Helferzellen um 130-140 Zellen pro µl Vollblut in den ersten sechs Therapiemonaten dem von Richtlinien geforderten Anstieg um 100-200 Zellen pro ml im ersten Therapiejahr. Das Absinken der Viruslast um 2,9-3,0 log c/ml zeigt ein generell sehr gutes Ansprechen auf die antiretrovirale Therapie.

Zu Beginn lag bei lediglich 6% der Patienten an resistenzrelevanten Positionen ein dem Wildtyp gegenüber unveränderter Virusstamm vor. Dies wird vor allem durch die verschiedenen Polymorphismen innerhalb des Protease Gens erklärbar, allen voran M36I, L63P und I93L. Hinzu kommen „minor“ oder akzessorische Mutationen wie K20R, L33V, A71T. Demgegenüber steht eine geringere Anzahl von Polymorphismen wie A98S und unerwarteten Mutationen an resistenzrelevanten Positionen innerhalb der RT-Sequenz.

15 Patienten wiesen bereits vor Beginn ihrer ersten antiretroviralen Therapie eine primäre Resistenzmutation auf.

Bei acht dieser Patienten lag bereits eine verminderte Wirksamkeit eines oder mehrerer antiviraler Pharmaka gegen das HI-Virus vor. Die Mehrzahl der Resistenzmutationen zeigten sich in für NRTIs relevanten Genabschnitten. Hier fanden sich vor allem Resistenzen gegen AZT und weiterhin gegen DDC und DDI.

Dies beruht möglicherweise auf der Tatsache, dass dies die ersten gegen HIV zugelassenen NRTIs waren (FDA appoval 87,92,91).

Die gefundenen Resistenzmutationen spiegeln jedoch möglicherweise nur einen Teil der tatsächlich vorliegenden Resistenzmutationen wider, da einige Resistenzmutationen mit einer verminderten viralen Replikationskapazität einhergehen und bei Wegfall des selektiven Drucks durch antiretrovirale Medikamente durch die Virus-Wildtyppopulation in den Hintergrund gedrängt werden.

Trotzdem können diese resistenten Virusvarianten als Reservoir in infizierten Helferzellen erhalten bleiben56.

Diskussion

Resistenzmutationen an für NNRTIs relevanten Positionen wurden im Vergleich zu Resistenzmutationen an für NRTI relevanten Positionen seltener beobachtet, hierbei ist jedoch zu beachten, dass einige der auftretenden Resistenzmutationen, wie in unserem Fall die Mutation K103N, eine Kreuzresistenz gegen alle NNRTIs verursachen und somit die Wirksamkeit einer ganzen Substanzklasse aufheben.

Um den Einfluss auftretender Mutationen im HIV-Genom möglichst genau klären zu können, betrachteten wir diese Frage auf zwei unterschiedliche Weisen.

Einerseits analysierten wir die Auswirkungen der primären (major) Resistenzmutationen, auf denen auch der Fokus in anderen Studien liegt.

Andererseits untersuchten wir weiterhin, ob und welchen Einfluss Polymorphismen,

„minor“ Resistenzmutationen oder unerwartete Mutationen an resistenzrelevanten Positionen auf das Ansprechen der antivirale Therapie und damit den Krankheitsverlauf nehmen. Zwar ist von diesen Veränderungen bekannt, dass sie einzeln keine direkte Resistenz verursachen, ihr Zusammenspiel in vivo jedoch könnte zu einer Herabsetzung der Wirksamkeit antiviraler Wirkstoffe führen. Des weiteren gibt es Hinweise darauf, dass gewisse Veränderungen, wie zum Beispiel der Polymorphismus M36I, überzufällig häufig der Entwicklung bestimmter Resistenzmutationen vorangehen57.

Wir fanden heraus, dass Patienten, deren Virus eine Vielzahl dieser Mutationen aufwies, schlechter auf die antiretrovirale Therapie ansprachen und sechs Monate nach Therapiebeginn eine höhere Viruslast aufwiesen als Patienten, deren Virus nur ein bis maximal zwei dieser Veränderungen zeigte. Da die Höhe der Viruslast einer der stärksten prognostischen Faktoren für das Voranschreiten der Krankheit ist, haben bereits Unterschiede in der Viruslast von 0,20 log Kopien pro ml prognostische Bedeutung58,59. Zwar war auch die Zeit bis zum Unterschreiten der Nachweisgrenze bei den Patienten mit einem vielfach veränderten Virus verlängert, jedoch ließ sich hierbei, möglicherweise aufgrund der starken Schwankungsbreite, keine Signifikanz ermitteln.

Die Unterschiede in der Viruslast zeigen, dass obwohl die einzelnen Veränderungen keine direkte Resistenz bewirken, ihr Zusammenspiel die Prognose der Krankheit dennoch verschlechtert. Möglicherweise begründet sich dies aus der Tatsache, dass die zur Verfügung stehenden Medikamente auf eine maximale antiretrovirale Wirksamkeit gegenüber dem Wildtypvirus optimiert sind. Die Kumulation kleinerer Veränderungen im Protease- oder Reverse-Transkriptase-Gen könnte so ein

Diskussion

Abweichen der Enzymeigenschaften von denen des Wildtyps ergeben und so die Wirksamkeit der gegen sie gerichteten antiretroviralen Medikamente einschränken.

Ein anderer Ansatz das schlechtere Therapieansprechen zu erklären, besteht darin in Betracht zu ziehen, dass einige der weniger gut oder gar nicht charakterisierten Mutationen an resistenzrelevanten Positionen direkte Resistenzen bedingen und daher eigentlich als primäre (major) Resistenzmutationen eingestuft werden müssten.

Um den Einfluss der primären Resistenzmutationen in vivo abgrenzen zu können und um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen, betrachteten wir die Auswirkungen dieser per definitionem eigentlichen Resistenzmutationen noch einmal getrennt. Um diese abzugrenzen, stützten wir uns auf das Analyse System der Stanford University. Es zeigte sich, dass bei Patienten, bei denen bereits vor Beginn der Therapie eine Resistenzmutation vorgelegen hatte, die Zahl der Helferzellen sechs Monate nach Beginn der Therapie signifikant niedriger lag als bei Patienten ohne Resistenzmutation, während vor Beginn der Therapie kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen festzustellen war.

Unterschiede in der Höhe der HI-Viruslast waren zu keinem dieser Zeitpunkte feststellbar. Dies erscheint zunächst etwas eigenartig, da erwartungsgemäß die über die Konzentration der Helferzellen gemessene verminderte Immunrekonstitution der Patienten mit einem resistenten Virus sich auch auf die Höhe der Viruslast auswirken sollte. Man muss jedoch hierbei beachten, dass die Viruslast sechs Monate nach Therapiebeginn bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten durch die antiretrovirale Dreifachtherapie bereits unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien pro ml gedrückt worden ist und so etwaige Unterschiede in der Höhe der HIV-RNS nicht mehr zu erkennen sind. Im Bezug auf die Viruslast lässt sich ein möglicher Unterschied eher über die benötigte Zeit bis zum Unterschreiten der Nachweisgrenze messen, da von einer einzelnen Resistenzmutation eher ein zeitverzögerndes Moment zu erwarten ist, als dass innerhalb der ersten Monate der Effekt der antiviralen Dreifachtherapie aufgehoben wird. In der Literatur ist das verlangsamte Absinken der Viruslast unter die Nachweisgrenze beschrieben worden60, allerdings wurde hier ein größeres Kollektiv (n=202) beobachtet, wobei der Unterschied gerade Signifikanzniveau erreichte. In der vorliegenden Arbeit wurde allerdings diesbezüglich kein signifikanter Unterschied gefunden.

Diskussion

Statt dessen fanden wir heraus, dass der Anstieg der Helferzellen bei Patienten mit einer Resistenzmutation gegenüber dem der Vergleichsgruppe zurückblieb. Dies zeigt, dass die erwartete Immunrekonstitution unter Therapie durch die resistente Virusvariante behindert wird. In anderen Studien finden sich unterschiedliche Ergebnisse. Die Arbeitsgruppe um Deeks61 wies nach, dass die antiretrovirale Therapie aufgrund multipler Resistenzen gegen antiretrovirale Medikamente unterbrochen wurde, die vorherrschende resistente Viruspopulation durch den Wildtypvirus, der über eine bessere Replikationsfähigkeit verfügt, verdrängt wird.

Dieser Prozess wird von einem Abfall der CD4+ T-Lymphozyten begleitet, woraus geschlussfolgert wurde, dass der Wildtypvirus im Vergleich das größere pathogene Potential besitzt. Weitere Studien62 zeigten, dass bei einem signifikanten Anteil von Patienten, bei denen die antiretrovirale Therapie versagt, die Zahl der Helferzellen trotz schlechter Kontrolle der Virusreplikation über dem Niveau vor Beginn der Therapie bleibt. Es ist jedoch hierbei zu beachten, dass es sich in den genannten Studien um Patientenkollektive handelt, bei denen multiple Resistenzmutationen aufgetreten sind, während in unserer Studie außer bei zwei Patienten nur einzelne Resistenzmutationen isoliert in Erscheinung traten. Bei der sukzessiven Anhäufung multipler Resistenzmutationen muss angenommen werden, dass das stark veränderte virale Genom negative Auswirkungen auf die Replikationsfähigkeit des Virus hat63.

In einer repräsentativen Studie von Richman mit 1099 Patienten fand sich eine Assoziation zwischen niedrigster gemessener Helferzellzahl und dem Auftreten von Resistenzmutationen64.

Obwohl es sich hierbei um eine Einzelfallbeschreibung handelt, ist der Patient mit der K103N Resistenzmutation ein deutliches Beispiel für diesen Effekt. Dieser Patient, dessen Resistenzprofil zu Beginn der Therapie nicht bekannt war, wurde mit Zerit, Epivir und dem NNRTI Sustiva (Efavirenz) behandelt. Obwohl die Viruslast sechs Monate nach Therapiebeginn unter die Nachweisgrenze gefallen war, war die Konzentration der Helferzellen nicht wie erwartet gestiegen, sondern von 129 Zellen pro µl auf 29 Zellen pro µl gefallen. Dies änderte sich erst nach dem Austauschen des NNRTI durch einen PI.

Weshalb sich die Resistenzmutationen auf diese Weise negativ auf die Therapie auswirken, wird noch zu erforschen sein.

Diskussion

Diese Ergebnisse legen folgende Schlüsse nahe: Bereits bei 19 Prozent aller Patienten in dieser Arbeit ließ sich ein Virus mit einer Resistenzmutation nachweisen.

Dies steht im Einklang mit anderen europäischen Studien65, einschließlich einer weiteren aktuellen deutschen Resistenzstudie66, was somit eine gute Abschätzung der Resistenzsituation in Deutschland ermöglicht. Wie bereits beschrieben, ist anzunehmen, dass in Zukunft mit einer Zunahme auftretender Resistenzmutationen zu rechnen ist. Dies macht eine zukünftige Überwachung der Resistenzsituation nötig.

Aufgrund dieses Trends und der aktuellen Situation, in der ca. jeder fünfte bis sechste HIV-Patient bereits mit einem resistenten Virus infiziert ist, zusammen mit dem in dieser Arbeit gezeigten negativen Effekt unerkannter Resistenzmutationen, ist ein routinemäßiger Resistenztest vor Beginn einer antiretroviralen Therapie zu empfehlen.