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Der völkerrechtliche M inderheitenschutz und die deutsche Volksgruppe in Ungarn

Im Dokument Die Deutschen in Ungarn (Seite 110-126)

1. Völkerrechtliche Grundlagen

Das allgemeine Völkerrecht kennt bis zum heutigen Tage kein Minderheitenrecht auf gewohnheitsrechtlicher Basis, obwohl die Völkerrechtsgemeinschaft bereits nach dem Ersten Weltkrieg unter der Führung der Siegermächte und des Völker- bundes zahlreiche Schritte zur Lösung der nicht zuletzt durch die politische Neu- Ordnung Osteuropas verschärften Minderheitenprobleme unternahm. So enthiel- ten die Friedens vertrage der Pariser Vororte Bestimmungen zum Schutze der nationalen Minderheiten. Der m it dem auf ein D rittel seines ursprünglichen Staatsgebiets reduzierten Ungarn in Trianon geschlossene Friedensvertrag vom 4. Juni 1920 bildete keine Ausnahme. Seine einschlägigen A rt. 54 f f betrafen die völlige Gleichstellung der Minderheiten hinsichtlich der Grundrechte, den Gebrauch der Muttersprache auch vor Gericht, das öffentliche und private Schulwesen, die sozialen Einrichtungen und die angemessene Berücksichtigung der Minderheiten bei den kommunalen Ausgaben. Über die Einhaltung des M in- derheitenschutzes sollte der Völkerbund wachen.

Die diversen völkerrechtlichen Arrangements zum Schutze der Minderheiten vermochten in der nationalistisch aufgeheizten Atmosphäre der Zwischenkriegs- zeit die in sie gesetzten Hoffnungen nicht zu erfüllen. A u f Grund dieser schlech- ten Erfahrungen, aber auch aus anderen Gründen verzichtete man nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auf einen neuen Versuch, und so blieben die Minder- heiten sowohl in der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 als auch in der von deren Generalversammlung am 10. Dezember 1948 beschlossenen A ll- gemeinen Erklärung der Menschenrechte unberücksichtigt. Die Ausklammerung des Minderheitenschutzes war auch durch die Annahme bedingt, die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte, insbesondere die gleiche Freiheit fü r alle, würde einen besonderen Minderheitenschutz überflüssig machen. Diese Annahme hat sich gleich doppelt als falsch erwiesen. Erstens haben die Men- schenrechte keineswegs den erhofften Siegeszug angetreten und werden auch heute in den meisten Ländern der Erde mißachtet. Zweitens kann auch eine uni- verseile Geltung der auf das Individuum bezogenen Menschenrechte dem beson- deren Schutzbedürfnis von Minderheiten nicht hinlänglich Rechnung tragen.

Denn die gleiche Freiheit fü r alle schlägt sich politisch im demokratischen Mehr- heitsprinzip nieder, das die Majorisierung der Minderheit ermöglicht, wird sie nicht durch Schutzvorschriften privilegiert. Die letztgenannte Erkenntnis war zwar in den Anfangsjahren der Vereinten Nationen nicht völlig verschüttet, und die von der Kommission für Menschenrechte 1947 gebildete Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierungen und fü r Schutz von Minderheiten wurde beauftragt, Empfehlungen fü r den Schutz von rassischen, nationalen und

sprachlichen Minderheiten zu erarbeiten. Aber die Angelegenheit versandete all- mählich, weil um diese Zeit eine Grundstimmung vorherrschend war, die einen besonderen Minderheitenschutz aus den genannten Gründen fü r entbehrlich hielt. Dies änderte sich erst seit der ersten Hälfte der 60er Jahre, doch gab es auch weiterhin größere Probleme. Aus dieser ambivalenten Situation erklärt sich die vage Fassung des Minderheitenartikels, der in den von der Generalversammlung am 19. Dezember 1966 beschlossenen Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte schließlich Eingang gefunden hat und auf den noch näher zurückzukommen sein wird.

Schon vorher waren unter der Ägide der Vereinten Nationen einige Völker- rechtliche Verträge ausgearbeitet worden, die zumindest indirekt eine gewisse Schutzwirkung fü r Minderheiten entfalten. Die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge dieser A rt, denen auch Ungarn beigetreten ist, sind die folgenden:

— Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948 (fortan: GenozidK). Hinterlegung der ungarischen Beitrittsur- kunde: 7.2.1952. Verkündung: Gesetzesverordnung Nr. 16/1955. Für Ungarn in K raft seit: 6.4.1952

— Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendis- kriminierung vom 21.12.1965 (fortan: IÜBFR). Hinterlegung der ungarischen Ratifikationsurkunde: 4.5.1967. Verkündung: Gesetzesverordnung Nr.

8/1969. In K raft seit: 4.1.1969

— Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 (fortan: IPWSKR). Hinterlegung der ungarischen Ratifikationsur- kunde: 17.1.1974. Verkündung: Gesetzesverordnung Nr. 9/1976. In Kraft seit: 3.1.1976

— Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (fortan: IPBPR). Hinterlegung der ungarischen Ratifikationsurkunde:

17.1.1974. Verkündung: Gesetzesverordnung Nr. 8/1976. In K raft seit:

23.3.1976

Im folgenden sollen die einzelnen völkerrechtlichen Verpflichtungen dargestellt werden, die sich aus diesen und einigen anderen Verträgen ergeben und somit auch fü r die Behandlung der deutschen Volksgruppe in Ungarn maßgebend sind.

2. Schutz der physischen Existenz

Das absolute M inim um eines Minderheitenschutzes besteht in der Verpflichtung, die Existenz einer Minderheit hinzunehmen. Sie wird durch die GenozidK begründet, die den Völkerm ord zu einem internationalen Verbrechen erklärt.

Nach der in A rt. II gegebenen Begriffsbestimmung werden als Völkermord nicht nur direkte Tötungshandlungen angesehen, sondern auch die Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden oder die Schaffung von Lebensbedingun- gen, die die physische Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe herbeizuführen geeignet sind. Voraussetzung ist in jedem Fall die Absicht, die jeweilige Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Daß all dies fü r die Lage der deutschen Volksgruppe in Ungarn nicht von praktischer

Rele-vanz ist, ist offenkundig. Trotzdem soll auf dieses völkerrechtliche Verbot hinge- wiesen werden, weil man den Gedanken erwägen könnte, ob die Vertreibung etwa der Hälfte der Ungarndeutschen in den Jahren 1946/48 als Völkermord zu qualifizieren wäre. Zu denken wäre dabei weniger an die Tatsache der Vertrei- bung als solcher. Die Veitreibung hatte in Abschnitt X I I I des Potsdamer Abkommens eine Grundlage, deren Vereinbarkeit m it dem damals geltenden Völkerrecht zwar Zweifeln unterliegt.1 Unabhängig von der Frage, inwiefern die Verantwortung für die Anordnung der Vertreibung der ungarischen Regierung oder der Alliierten Kontrollkommission zugeschrieben werden kann, stellt die Vertreibung einer Volksgruppe an sich gewiß noch keinen Völkermord dar. Es kommt a u f die näheren Umstände an, die nach dem W illen der Siegermächte ,,geregelt und menschlich“ sein sollten. Dies waren sie kaum, mag auch die Ver- treibung aus Ungarn weit weniger unmenschlich gewesen sein als aus Polen, der Tschechoslowakei oder Jugoslawien.2 Von einem Völkermord kann allerdings trotz einzelner Mißhandlungen und des der ganzen Volksgruppe zugefügten seeli- sehen Schadens nicht gesprochen werden, weil es jedenfalls am Vorsatz der phy- sischen Vernichtung der deutschen Volksgruppe fehlte. Außerdem ist die Geno- zidK erst Jahre nach Beendigung der Vertreibung in K raft getreten.

Die GenozidK verpflichtet die Vertragsparteien nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Bestrafung des Völkermordes (A rt. V). Ungarn hat diese Ver- pflichtung erfüllt, indem es den Völkermord innerstaatlich unter Strafe gestellt hat. Die einschlägigen Straftatbestände, nach denen der Völkerm ord auch mit dem Tode bestraft werden kann, befinden sich heute in den §§ 155 und 156 des Strafgesetzbuchs (Gesetz Nr. IV/1978).

3. D iskrim inierungsverbote

In Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes enthalten alle einschlägigen Menschenrechtspakte verschiedene Differenzierungsverbote, die eine Ungleich- behandlung u.a. unter dem Gesichtspunkt der Rasse, der Hautfarbe, der Spra- che, der Religion, der Abstammung, der nationalen und ethnischen H erkunft untersagen. Die Diskriminierungsverbote bestehen auf unterschiedlichen Ebe- nen.

Die unterste Ebene stellt das individuelle D iskrim inierungsverbot dar. Sein Bezugspunkt ist der Einzelmensch, der im Schutzbereich der völkerrechtlich gewährleisteten Menschenrechte, aber auch der über sie hinausgehenden, inner- staatlich verbürgten Grundrechte nicht wegen seiner Zugehörigkeit zu einer

1 Vgl. T h . V e i t e r, P o t s d a m e r A b k o m m e n u n d V e rtre ib u n g , in: B. M e is s n e r — T h . Veiter ( H r s g .) , Das P o t s d a m e r A b k o m m e n u n d die D e u ts c h la n d fr a g e , II. T eil, W ie n 1987, S. 55 f f (59 ff)•

1 Vgl. hierzu n o c h im m e r Bd. II d e r D o k u m e n t a t i o n der V e r tr e ib u n g d e r D e u ts c h e n a u s O st-M ittel- e u r o p a (h rsg . vom B u n d e sm in iste riu m f ü r V ertriebene, F lü c h tlin g e u n d K riegsgeschädigte): Das Schicksal d e r D eu tsch en in U n g a r n , D ü s s e ld o r f 1956. Z u r n e u e re n B e w e r tu n g d e r Ereignisse d u r c h die u n g a r is c h e H i s t o r i o g r a p h i e vgl. K . S i i z / e rG . S e e w a n n, N a t i o n a l i t ä t e n p o l i t i k u n d G esc h ic h ts- Schreibung, S ü d o s t e u r o p a 1988, S. 142 f f (157 ff).

Volksgruppe benachteiligt werden darf. Das individuelle Diskriminierungsverbot ist in A rt. 1, 2 und 5 IÜBFR, A rt. 2 Abs. 1, 26 und 27 IPBPR sowie A rt. 2 Abs.

2 IPWSKR enthalten, wo die oben genannten Merkmale als unzulässige Diffe- renzierungskriterien aufgeführt werden. Es ist darüber hinaus in Absatz 4 des Prinzips V II der KSZE-Schlußakte vom 1. August 1975 ausdrücklich in bezug auf die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit angesprochen. Die KSZE- Schlußakte enthält zwar nur politische Versprechen und keine Verpflichtungen juristischer Natur, doch entfaltet sie aus verschiedenen Gründen vermutlich eine größere praktische Wirksamkeit als die gemeinhin weniger bekannten Menschen- rechtspakte. Letztere sind freilich erst 1969 bzw. 1976 in Kraft getreten, zu einer Zeit also, als die ungarische Partei- und Staatsführung bereits eine neue, großzü- gige Minderheitenpolitik proklamiert und teilweise in die Tat umzusetzen begon- nen hatte und von Benachteiligungen einzelner ungarischer Staatsangehöriger wegen ihrer deutschen H erkunft längst nicht mehr gesprochen werden konnte.

Derartige Fälle waren in den ersten zehn Jahren seit Kriegsende m it abnehmender Häufigkeit vorgekommen. In einem völkerrechtlichen Vakuum spielten sich diese Diskriminierungen allerdings nicht ab. Denn Ungarn war schon nach A rt.

2 des Pariser Friedensvertrags vom 10. Februar 19473 verpflichtet, allen seiner Herrschaftsgewalt unterworfenen Personen den Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Rücksicht auf rassische, sprachliche und religiöse Unter- schiede zu gewährleisten und sich in seiner Gesetzgebung derartiger Diskriminie- rungen hinsichtlich der ungarischen Staatsangehörigen zu enthalten. Dieses indi- viduelle Diskriminierungsverbot, das übrigens auch in den Friedensverträgen mit den anderen Verliererstaaten Rumänien und Bulgarien enthalten war4, wurde in der Nachkriegszeit gewiß vielfach verletzt. Freilich war die systematische Vorent- haltung der Menschenrechte in der Rakosi-Ära eine allgemeine Erscheinung.

A u f der zweiten Ebene erfährt der Gleichheitsgrundsatz eine Steigerung zum gruppenbezogenen kollektiven D iskrim inierungsverbot, der die Minderheit als solche schützt. Dies ergibt sich aus A rt. 2 Abs. 1 lit. a IÜBFR, der die Behörden der Vertragsstaaten verpflichtet, Maßnahmen der Rassendiskriminierung nicht nur gegenüber Personen, sondern auch in bezug auf Personengruppen und Ein- richtungen zu unterlassen. Die P o litik der ungarischen Regierung gegenüber der deutschen Volksgruppe hätte bis M itte der 50er Jahre wohl auch gegen dieses Verbot verstoßen, hätte es damals schon gegolten. Indes war dies nicht der Fall, weil das IÜBFR erst 1969 in K raft getreten ist und der Pariser Friedensvertrag nur ein individuelles, aber kein kollektives Diskriminierungsverbot enthielt.

Die dritte Ebene steht oberhalb der bloßen Unterlassungspflichten und begrün- det gewisse H andlungspflichten zur U nterbindung von D iskrim inierungen, die von nichtstaatlicher Seite unternommen werden. So folgt aus A rt. 2 Abs. 1 lit.

d IÜBFR — und vielleicht auch aus A rt. 26 IPBPR — die Verpflichtung des Staates, diskriminierende Handlungen von Personen, Gruppen oder Organisatio- nen zu verbieten und abzustellen. M it welchen M itteln der Staat derartige A k tiv

i-3 In die in n e r s ta a tlic h e R e c h t s o r d n u n g ü b e r n o m m e n d u r c h d as G esetz N r. X V I I I / 1 9 4 7 .

4 Vgl. F . E r m a c o r a״ Ü b e r d en M i n d e r h e i te n s c h u tz in d e n F rie d en sv e rträ g en d e r D o n a u s t a a t e n n ach d e m Z w e ite n W eltk rieg , D e r D o n a u r a u m 1966, S. 64 ff.

täten unterbindet, ist seinem Ermessen überlassen, nur müssen die ergriffenen Maßnahmen geeignet sein, den Zweck zu erreichen. Hinsichtlich bestimmter For- men der Diskriminierung besteht darüber hinaus die Verpflichtung zu konkreten Schutzmaßnahmen repressiver Natur in Gestalt eines gesetzlichen Verbots oder der Schaffung eines Straftatbestandes. So sind die Aufstachelung zum Rassen- haß und ähnliche Formen einer Volksverhetzung nach A rt. 20 Abs. 2 IPBPR gesetzlich zu verbieten und nach A rt. 4 lit. a IÜBFR zu strafbaren Handlungen zu erklären. Gemäß A rt. 4 lit. b IÜBFR sind rassenhetzerische Organisationen und Propagandatätigkeiten gesetzlich zu verbieten und die Teilnehmer zu bestra- fen. Die ungarische Rechtsordnung entspricht diesen Anforderungen. Die Volks- Verhetzung ist als eine M odalität des vornehmlich politischen Delikts der ,,Hetze“ (§ 148 Abs. 1 lit. d StGB) strafbar. Darüber hinaus ist in das neue Straf- gesetzbuch von 1978 (Gesetz N r. IV/1978) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf A rt. 20 Abs. 2 IPBPR und die Apartheid-Konvention vom 30.11.1973 ein neuer Straftatbestand der ,,Rassendiskriminierung“ (§ 157) aufgenommen worden, der völkerrechtlich verbotene Handlungen zur Unterdrückung einer rassischen Gruppe unter Strafe stellt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß in einigen Paktbestimmungen auch positive Förderungsmaßnahmen zum Abbau von gesellschaftlichen Diskriminie- rungen anklingen. So ist namentlich in A rt. 7 IÜBFR davon die Rede, daß die Staaten insbesondere im Bildungs-, K ultur- und Informationswesen wirksame Maßnahmen zu treffen haben, um Vorurteile zu bekämpfen und das gegenseitige Verständnis zwischen Volksgruppen zu fördern. Natürlich sind derartige Oblie- genheiten juristisch nur schwer faßbar.

4. M inderheitenschutz nach A rt. 27 IP B P R

Im Kreise der minderheitenrechtlich mehr oder weniger relevanten völkerver- tragsrechtlichen Bestimmungen nimmt A rt. 27 IPBPR, der speziell auf die Rechtsstellung von Minderheiten abzielt, ohne Zweifel die Spitzenstellung ein. Er hat folgenden W ortlaut:

״ ln Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehöri- gen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit ande- ren Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“ 5

5 Rechtlich m a ß g e b e n d sind der englische, d e r fra n z ö s is c h e , der russische, d e r sp a n isch e u n d d e r chi- nesische Text. W egen d e r o b e n im T ex t zu e r ö r t e r n d e n A uslegungsschw ierigkeiten seien hier die englische u n d die fran zö sisch e F a s s u n g w ied e rg eg e b en .

E n g l i s c h : ,,I n th o se S ta te s in which e t h n i c , religious o r linguistic m in o ritie s exist, p e rs o n s b e lo n g in g to such m inorities shall not be d e n ie d th e r ig h t, in c o m m u n i t y with th e o t h e r m e m b e r s o f their g r o u p , to e n jo y th eir o w n cu ltu re , t o p r o f e s s a n d p ra c tic e their o w n religion, o r to use th eir o w n l a n g u a g e .“

F r a n z ö s i s c h : ,,D a n s les É ta ts o ù il existe d es m i n o r i t é s e th n iq u e s , religieuses o u linguistiques, les perso n n es a p p a r t e n a n t à ces m in o r ité s ne p e u v e n t être privées d u d ro it d ’a v o ir, en c o m m u n avec les au tre s m em b re s de leur g r o u p e , leur p r o p r e vie culturelle, d e p ro fes se r et de p r a t i q u e r leur p r o - pre religion, o u d ’em p lo y e r leur p r o p r e l a n g u e . “

Diese Formulierung ist im Ergebnis jahrzehntelanger Diskussionen im Rahmen der Vereinten Nationen als eine Kompromißlösung zustande gekommen,6 die im Prinzip gewiß zu begrüßen ist, aber zugleich zahlreiche Fragen offenläßt und des- halb auch vielfache K ritik erfahren hat.7

U nklar und umstritten ist zunächst der M in d e rh e ite n b e g riff* der mit dem knappen Hinweis auf die drei alternativen Merkmale der Ethnie, der Religion und der Sprache in höchst unzulänglicher Weise angedeutet wird. Die ersten Bemühungen um eine Minderheitendefinition wurden im Rahmen der Unter- kommission zur Verhinderung von Diskriminierungen und für Minderheiten- schütz in den Jahren 1949/54 unternommen, dann aber abgebrochen, nachdem die Vorschläge bei der Kommission für Menschenrechte keine Resonanz gefun- den hatten. Die Frage wurde erst ab 1963 wieder aktuell, als es sich bei den Vor- arbeiten zu den 1965 und 1966 beschlossenen Menschenrechtskonventionen immer deutlicher herausstellte, daß der Begriff der Rassendiskriminierung mit dem Minderheitenbegriff in einem unlösbaren Zusammenhang steht. Umstritten waren vor allem die Fragen der erforderlichen Gruppengröße und das Erforder- nis eines subjektiven Kriteriums des Zusammengehörigkeitsgefühls. Da die Pro- bleme bis zur Verabschiedung des IPBPR nicht gelöst werden konnten, blieben sie ausgeklammert, und so begnügte man sich in A rt. 27 mit der Erwähnung von drei objektiven Kriterien. Die Unterkommission gab ihre Bemühungen allerdings nicht auf und beauftragte 1971 den italienischen Gelehrten Francesco Capotorti m it der Erarbeitung eines Minderheitenberichts. Capotorti hat in seinem 1977 vorgelegten und insgesamt sehr positiv aufgenommenen Bericht9 auch eine Min- derheitendefinition entwickelt, in der in Anlehnung an die vom Ständigen Inter- nationalen Gerichtshof in seiner Stellungnahme zur Frage der bulgarisch-griechi- sehen Gemeinschaften von 1930 verwendete Formel10 das subjektive Kriterium des Gruppengefühls vorausgesetzt wurde und des weiteren die zahlenmäßige Unterlegenheit im Verhältnis zum Rest der Bevölkerung sowie die Abwesenheit einer dominierenden Position verlangt wurden.11 Obwohl Capotortis Minderhei- tenbegriff generell als nützlich empfunden wurde, fand er keine

uneinge-6 Z u r E n ts te h u n g s g e s c h ic h te a u s f ü h r l i c h F . E r m a c o r a , T h e P r o te c tio n o f M in o ritie s b e f o r e th e Uni•

ted N a t i o n s , Recueil d es C o u r s 1984, S. 251 f f (268 ff).

7 S o z .B . d u r c h F . M ü n c h , D e r M in d e r h e i te n a r t i k e l im M e n sc h en re ch tstex t d e r V ereinten N a ti o n e n , in: T h . V eiter ( H r s g . ) , S y stem eines i n te r n a tio n a le n V o lk s g r u p p e n r e c h ts , Teil 2, W ien 1972, S. 64 f f (65).

8 Vgl. hierzu L . B . S o h n, T h e R ights o f M inorities, in: L. H e n k in ( H r s g .) , T h e I n t e r n a t i o n a l Bill o f R ig h ts , N ew Y o r k 1981, S. 270 f f (276 ff); C h . T o m u s c h a t , P r o t e c t i o n o f M in o ritie s u n d e r Article 27 o f th e I n t e r n a t i o n a l C o v e n a n t o n Civil a n d Political Rights, in: V ö lk e rre c h t als R e c h t s o r d n u n g

— I n t e r n a t i o n a l e G e r i c h t s b a r k e i t — M e n sc h e n re c h te . Festschrift f ü r H e r m a n n M o s le r, Berlin 1983, S. 949 f f (954 ff); E r m a c o r a ( A n m . 6), S. 287 ff.

9 F . C a p o t o r t i, S t u d y o n t h e R ights o f P e r s o n s Belonging t o E th n ic , Religious a n d Linguistic M ino- rities, N ew Y o rk 1979.

10 , , T h e c r ite r io n t o be a p p l i e d t o d e t e r m i n e w h a t is a c o m m u n i t y w ithin the m e a n in g o f . . . is the existence o f a g r o u p o f p e r s o n s living in a given c o u n t r y o r locality, hav in g a race, religion, Ian- g u a g e a n d t r a d i t i o n s o f th eir o w n , a n d u n ite d by the identity o f such race, religion, la n g u a g e a n d t r a d i t i o n in a s e n tim e n t o f s o l i d a r i t y . . . “ (S te llu n g n a h m e des S tä n d ig e n I n t e r n a t i o n a l e n G erichts- h o f s v o m 31.7.1930; P C I J 1930, S er. B, N r. 17, S. 33).

schränkte Zustimmung. Insbesondere Jugoslawien meldete gegen das subjektive Kriterium mit dem sicherlich gewichtigen Argument Bedenken an, daß das Gefühl der Gruppenidentität in hohem Maße von der jeweiligen politischen Atmosphäre und den kulturellen und sozialen Lebensbedingungen abhänge und das Bekenntnis zur eigenen Volksgruppe im Falle einer negativen Einstellung der Mehrheit zur Minderheit vielfach aus Furcht unterbleibe.12 Die Unterkommis- sion schlug dann der Kommission für Menschenrechte die Verabschiedung einer Minderheitenresolution vor, deren gleichzeitig zugeleiteter E n tw u rf13 auf einem jugoslawischen Vorentwurf beruhte. In diesem E n tw u rf war das subjektive Krite- rium ebensowenig enthalten wie ein numerisches oder herrschaftsbezogenes Merkmal. Die Kommission setzte zur Beratung eine Arbeitsgruppe ein, die zu der Erkenntnis kam, daß ohne eine Minderheitendefinition eine Minderheitenresolu- tion wenig Sinn hätte.14 Daraufhin beauftragte die Unterkommission den Kana- dier Jules Deschênes mit der Ausarbeitung einer Minderheitendefinition. Diese liegt seit 1985 vor und betont das subjektive Element noch stärker als die Capotorti-Definition, indem der Wille zum Überleben und das Streben nach völ- liger Gleichberechtigung mit der Bevölkerungsmehrheit zu Voraussetzungen der Gruppenidentität gemacht werden.15 Der Vorschlag hat nicht die Zustimmung der Unterkommission gefunden und ist kommentarlos an die Kommission wei- tergeleitet worden, wo sie seither schlummert. Die jahrzehntelangen Bemühun- gen haben also bislang nichts gefruchtet, und es ist kaum damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit internationaler Konsens über die konstitutiven Merkmale einer Minderheit erzielt werden kann.

Die Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis eines subjektiven Merk- mals des Gruppengefühls sind für die Anerkennung der Existenz einer deutschen Volksgruppe in Ungarn von entscheidender Bedeutung. Es ist unstreitig, daß es diese Volksgruppe auch nach der Vertreibung ihrer Hälfte noch gab. Seither hat sich aber ein fortschreitender Assimilierungsprozeß vollzogen, der nur etwa bis M itte der 50er Jahre mit Mißbilligung herausfordernden Methoden offiziell gefördert wurde, zumindest seit Ende der 60er Jahre aber das natürliche Ergebnis eines sozialen und ökonomischen Wandels ist. Die gegenwärtige Größe der

11 , ,M in o r ity is a g r o u p n u m erica lly in fe rio r to the rest o f th e p o p u l a t i o n o f a S ta te , in a n o n - d o m i - nant p o sitio n w hose m e m b e r s — being n a t i o n a l s o f the S ta te — p o ss es e t h n i c , religious o r lingui- siic ch aracteristics d if fe rin g f r o m th o se o f the rest o f th e p o p u l a t i o n a n d s h o w , if o n ly implicitly, a sense o f solidarity, d irec te d t o w a r d s preserving their c u l t u r e , t r a d i t i o n s , religion o r l a n g u a g e . “

( C a p o t o r t i [A n m . 9], S. 96).

12 Text der ju g o slaw isch e n S te llu n g n a h m e bei S o h n ( A n m . 8), S. 279 f.

13 U N Doc. E / C N . 4 / L . 1367/R ev. 1 (1978). Text a u c h a b g e d r u c k t bei S o h n ( A n m . 8), S. 288 f.

14 Z u diesen neuesten V o rg ä n g e n vgl. L . B . S o h n, Rights, u n d e r I n t e r n a t i o n a l L a w , o f P e r s o n s Belon- ging to N a tio n a l, E th n ie , Religious a n d Linguistic M in o r itie s , in: G . B r u n n e r — A . K a g e d a n (H rsg .), Die M in d e rh e ite n in d e r S o w j e t u n io n u n d d as V ö lk e r r e c h t — M in o r itie s in th e Soviet Union u n d e r In te r n a tio n a l L a w , Köln 1988, S. 13 f f (17).

15 Die D efinition lautet: , ,A g r o u p o f citizens o f a S ta te , c o n s t i t u t i n g a n u m e r ic a l m i n o r i t y a n d in a n o n - d o m in a n t p o sitio n in t h a t S tate, e n d o w e d w ith eth n ic, relig io u s o r linguistic c h a r a c te ris tic s which d iffe r f r o m th o se o f the m a jo r ity o f the p o p u l a t i o n , h a v i n g a sense o f s o lid a rity w ith o n e a n o th e r , m o tiv a te d , if o n ly implicitly, by a collective will t o su rv iv e a n d w h o s e a im is t o achieve equality with the m a jo r ity in fact a n d in l a w . “ (U N D oc. E / C N . 4 / S u b . 2 / 1 9 8 5 / 3 1 ) .

deutschstämmigen Bevölkerung wird in Ungarn wie im westlichen Ausland über- einstimmend auf etwa 220.000 geschätzt. Von ihnen haben aber anläßlich der Volkszählung von 1980 nur 31.231 ( = 14— 15%) Deutsch als Muttersprache angegeben und bloß 11.310 ( = 5—6%) sich als der deutschen Minderheit zuge- hörig bezeichnet.16 Von ungarischer Seite wird heute — ganz im Sinne der oben erwähnten jugoslawischen Argumentation gegen das subjektive Kriterium — gerne darauf verwiesen, daß der auffallend geringe Prozentsatz derjenigen, die sich zur deutschen Muttersprache und zum deutschen Volkstum bekennen, zum Teil mit den schlechten historischen Erfahrungen und der daraus resultierenden Furcht vor den gegenwärtig unbegründeten Konsequenzen eines derartigen Bekenntnisses zu erklären sei. Dies mag eine gewisse Berechtigung haben, und man kann die Größe der nach dem objektiven Kriterium der Sprache und auch der nach dem subjektiven Kriterium des Volkstumsbekenntnisses bestimmbaren deutschen Volksgruppe etwas höher ansetzen. Sehr viel dürfte dies aber nicht ausmachen, und vor allem die Tatsache spricht gegen ein größeres Gewicht dieses

deutschstämmigen Bevölkerung wird in Ungarn wie im westlichen Ausland über- einstimmend auf etwa 220.000 geschätzt. Von ihnen haben aber anläßlich der Volkszählung von 1980 nur 31.231 ( = 14— 15%) Deutsch als Muttersprache angegeben und bloß 11.310 ( = 5—6%) sich als der deutschen Minderheit zuge- hörig bezeichnet.16 Von ungarischer Seite wird heute — ganz im Sinne der oben erwähnten jugoslawischen Argumentation gegen das subjektive Kriterium — gerne darauf verwiesen, daß der auffallend geringe Prozentsatz derjenigen, die sich zur deutschen Muttersprache und zum deutschen Volkstum bekennen, zum Teil mit den schlechten historischen Erfahrungen und der daraus resultierenden Furcht vor den gegenwärtig unbegründeten Konsequenzen eines derartigen Bekenntnisses zu erklären sei. Dies mag eine gewisse Berechtigung haben, und man kann die Größe der nach dem objektiven Kriterium der Sprache und auch der nach dem subjektiven Kriterium des Volkstumsbekenntnisses bestimmbaren deutschen Volksgruppe etwas höher ansetzen. Sehr viel dürfte dies aber nicht ausmachen, und vor allem die Tatsache spricht gegen ein größeres Gewicht dieses

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