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5 Diskussion

5.2 HepG2-Zellen als Bioaktivierungssystem für den mEST

5.2.3 Untersuchung der Modellsubstanzen im mEST

Aufgrund der Ergebnisse aus den Metabolismusversuchen wurden die HepG2-Zellen als Ko-kultur im mEST zur Prüfung von Valpromid und Retinol eingesetzt. Als dritte Modellsubstanz wurde Cyclophosphamid im mEST getestet.

5.2.3.1 Valpromid

Der Valpromid-Umsatz war in den Metabolismusversuchen mit 13,1% bzw. einer maximalen Valpronisäure-Konzentration von 7,4 µg/ml gering, sodass mit dem Valpromid zunächst nur ein vereinfachter Differenzierungsassay mit einer einzelnen Konzentration von 60 µg/mL durchge-führt wurde um zu prüfen, wieviel Valproinsäure unter mEST-Bedingungen generiert wird (4.4.1). Als weiterer Aspekt dieser Untersuchung wurden die Diffusionseigenschaften der Membranen der Zellkultureinsätze unter mEST-Bedingungen untersucht, welche in Kapitel 5.4.1 diskutiert werden.

In dem Differenzierungsassay hatten die HepG2-Zellen am Ende des dritten Kultivierungs-schrittes maximal 1,46 µg/mL Valproinsäure produziert, was einem Umsatz von 2,4% entspricht.

Damit stand fest, dass im Hinblick auf den ID50 der Valproinsäure von 29 - 69 µg/mL die Menge an produzierter Valproinsäure nicht ausreichen würde, um in einem nach Protokoll durchge-führten mEST die Konzentrations-Wirkungskurve signifikant zu verschieben. Diese Einschät-zung wurde durch eine Untersuchung von Flick (2006) bekräftigt, der verschiedene Kombina-tionen von Valpromid und Valproinsäure herstellte, im EST untersuchte und fand, dass theore-tisch mindestens 50% Umsatz erforderlich sind, um in einem aktivierten mEST eine signifikante Verschiebung der Konzentrations-Wirkungskurve zu erreichen.

Die maximal erzielte Konzentration von 1,46 µg/mL war niedriger als die in der Metabolis-musstudie erreichte Konzentration von 7,4 µg/mL. Hier machte sich wahrscheinlich ein Verdün-nungseffekt bemerkbar, der sich durch die unterschiedlichen Kultivierungsbehälter beider Versuche ergab. Die mittlere HepG2-Zelldichte pro Wellvolumen in einem mEST betrug mit 4,75 × 104 Zellen/mL etwa ein Viertel der Zelldichte der HepG2-Zellen in den 6-Well-Platten der Metabolismusstudie (1,9 × 105 Zellen/mL). Im mEST stand daher durchschnittlich ein Viertel der Zellen pro Wellvolumen für die Metabolisierung zur Verfügung, welche entspre-chend weniger Valproinsäure erzeugen konnten.

5.2.3.2 Retinol

Die in den Metabolismusversuchen produzierte Konzentration an Retinsäure erschien hoch genug, um im mEST das Retinol als Proteratogen identifizieren zu können (5.2.2.2). Bei dieser

Abschätzung war jedoch nicht bekannt, welche Abhängigkeit zwischen der eingesetzten Retinol-konzentration und dem Umsatz der HepG2-Zellen besteht. Da sich die Versuchsbedingungen zwischen den Metabolisierungsversuchen und dem mEST unterschieden, wurde die metaboli-sche Aktivität der HepG2-Zellen im mEST auch direkt untersucht, indem Proben von einem Testansatz mit 23,4 ng/mL Retinol entnommen und auf Retinoide analysiert wurden. In den mESTs mit HepG2-Kokultur konnte das proteratogene Potenzial von Retinol nicht nachgewiesen werden (4.4.2.2), und die Analysenergebnisse zeigten, dass die HepG2-Zellen im mEST keine Retinsäure produziert hatten (Tab. 40).

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich die Menge an Retinsäure, die von den HepG2-Zellen synthetisiert werden kann, proportional zur eingesetzten Retinolmenge verhält. Untersu-chungen von Flick (2006) zum Retinolumsatz von HepG2-Zellen weisen in diese Richtung: Bei einer Retinol-Konzentration von 134 ng/mL erhielt Flick nach vier Tagen Inkubation 5,7 ng/mL Retinsäure, was einem Umsatz von 4,2% entspricht und damit im Bereich der 2,7% Umsatz bei 6 µg/ml Retinol liegt. Wenn man diesen Zusammenhang voraussetzt, hätten die HepG2-Zellen in dem untersuchten Testansatz mit 23,4 ng/mL Retinol rechnerisch eine Retinsäurekonzentration von 0,16 ng/mL produzieren können (2,7% von 23,4 ng/mL Retinol = 0,64 ng/mL. 0,64 ng/mL : 4 = 0,16 ng/mL Retinsäure. Der Faktor 4 berücksichtigt den Verdünnungseffekt zwischen Metabolismusversuch und mEST; sh. Kapitel 5.2.3.1). Die theoretisch zusätzlich produzierten 0,16 ng/mL Retinsäure konnten jedoch empirisch nicht bestätigt werden, weil sie von einer Retinsäurekonzentration von 0,8 - 1,1 ng/mL überlagert wurden, die in dem untersuchten Testan-satz als Basiskonzentration nachgewiesen wurde (5.4.2.2).

In dem Differenzierungsassay mit Retinol wurden 0 bis 100% Hemmung der Zelldifferenzie-rung in einem Retinol-Konzentrationsbereich von etwa 1 bis 100 ng/mL nachgewiesen. Die obige Berechnung vorausgesetzt, hätten die HepG2-Zellen in diesem Bereich Retinsäure von 0,0068 - 0,68 ng/mL produzieren können, womit im Hinblick auf den ID50 der Retinsäure von 0,02 - 0,15 ng/mL die Möglichkeit bestanden hätte, dass die ES-D3-Zellen zusätzlich gehemmt wurden - auch weil sich die differenzierungshemmenden Potenziale von Retinol und Retinsäure addieren (4.4.2.5). Da in den mESTs jedoch keine Veränderung zu beobachten war, müssen weitere Gründe vorgelegen haben, die die Wirkung der Retinsäure reduziert oder aufgehoben haben. Dazu zählen eine verzögerte Diffusion durch die Membran der Zellkultureinsätze, der parallele Abbau der Retinsäure durch die HepG2-Zellen, oder ein veränderter Metabolismus der HepG2-Zellen aufgrund des Wachstums in Zellkultureinsätzen. Zur Klärung der Abhängigkeit zwischen eingesetzter Retinol-Konzentration und erzielter Retinsäuremenge bedarf es weiterer Untersuchungen.

5.2.3.3 Cyclophosphamid

Cyclophosphamid wurde ohne vorherige Untersuchung seines Metabolismus im mEST ge-testet, da für diese Substanz und seine Metaboliten im Rahmen des Projektes keine Analytik zur Verfügung stand. Beim Vergleich der Ergebnisse von EST und mEST waren die Z-Quotienten des mEST kleiner, die D-Quotienten unterschieden sich nicht, und die Halbhemmkonzentratio-nen des mEST lagen im Mittel bis zu 2,3-fach höher (Tab. 44, Tab. 45). Das Cyclophosphamid wirkte also im mEST wider Erwarten weniger hemmend auf Proliferation und Differenzierung und wies ein geringeres embryotoxisches Potenzial auf, sodass auf direkte Weise kein teratogenes Potenzial des Cyclophosphamid nachgewiesen werden konnte.

Eine Erklärung für die in den mESTs höheren Halbhemmkonzentrationen könnte sein, dass die HepG2-Zellen das Cyclophosphamid metabolisiert haben, dass aber die Metaboliten auf-grund ihrer Flüchtigkeit und kurzen Halbwertszeit in die Gasphase entwichen, bevor sie durch die Membran der Zellkultureinsätze hatten diffundieren und auf die Zielzellen wirken können.

Die wichtigen teratogenen Metaboliten des Cyclophosphamid, Acrolein, Phosphoramid Mustard und Chlorethylaziridin, haben kurze Halbwertszeiten, und Acrolein sowie Chlorethylaziridin sind leicht flüchtig (Ludeman 1999). Hinzu kommt, dass die Halbwertszeiten der Metaboliten mit maximal eineinhalb Stunden viel kürzer sind als die Zeit, die Substanzen brauchen, um durch die Membran der Zellkultureinsätze zu diffundieren (4.4.1). Auf diese Weise wäre dem Testsys-tem durch die Metabolisierung kontinuierlich Cyclophosphamid entzogen worden, was in ver-ringerten Halbhemmkonzentrationen resultierte. An der Metabolisierung des Cyclophosphamid sind vor allem die Enzyme CYP2B und CYP3A beteiligt (Roy et al. 1999; Griskevius et al.

2003; Chen et al. 2005), welche in dieser Arbeit bei den HepG2-Zellen durch eine Enzymakti-vität in den PROD- und BROD-Assays nachgewiesen werden konnten (Tab. 31). Dies unter-stützt den indirekten Hinweis auf eine Metabolisierung des Cyclophosphamid durch die HepG2-Zellen. Zur Bestätigung dieser Hypothese müssen jedoch die Metaboliten im EST in Medium und Gasphase direkt bestimmt werden.

Da die HepG2-Zellen das proteratogene Potenzial von Valpromid, Retinol und Cyc-lophosphamid im mEST aufgrund einer unzureichenden Metabolisierung nicht nachweisen konnten, sind sie für den mEST als metabolisch aktives System zur Prüfung dieser Substanzen nicht geeignet.