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AufMerKsAMKeits-defizit- / hyperAKtivitätsstörung

Die ▶ Teilhabe am Leben in Alltag, Familie, Schule und Freizeit kann durch eine Aufmerksamkeitsdefi-zit- / Hyperaktivitätsstörung deutlich beeinträchtigt sein. Ziel ist es immer, trotz der vorhandenen Verhal-tensproblematiken und Symptome eine dem Alter ent-sprechende Teilhabe am Leben soweit wie möglich zu wahren und zu fördern. Dazu gehört besonders, dass das Unterstützungs- und Helfersystem im Umfeld des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen eng vernetzt arbeitet, Absprachen trifft und gemeinsame Ziele ver-folgt. Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksam-keitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung können Verhal-tensänderungen und Kompensationsstrategien besser anwenden und in ihr alltägliches Erleben und Handeln integrieren, wenn es in den verschiedenen

Lebenswel-ten (wie Schule, Familie, Freundeskreis oder Vereine) ähnliche Regeln und Strukturen gibt.

Im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung gibt es einige typische Konstellationen und Verläufe, die zur Aufrechterhaltung oder Verschlimmerung der Symptomatik beitragen können. Aufmerksamkeitsge-störte und impulsive Kinder und Jugendliche beach-ten Grenzen und Aufforderungen von Bezugspersonen häufig nicht, was dazu führt, dass diese mehrfach wie-derholt und angemahnt werden müssen. Dies kann für die Bezugspersonen anstrengend und mühsam sein.

Wenn das Kind oder die bzw. der Jugendliche die Auf-forderungen dann aber schlussendlich doch befolgt, wird dies meist nicht mehr besonders beachtet, gewür-digt oder gelobt. Vermehrte Aufmerksamkeit durch die Bezugspersonen (wenn auch im negativen Sinn) erhält das Kind oder die bzw. der Jugendliche meist nur durch auffälliges oder nicht regelkonformes Ver-halten. Häufig reagieren Bezugspersonen auf persis-tierendes unangemessenes Verhalten mit Drohungen oder Ratlosigkeit und schließlich oft auch mit Nach-geben oder Aggressionen. Diese Reaktionsweisen der Bezugspersonen haben zur Folge, dass nicht regelkon-formes, oppositionelles oder aggressives Verhalten des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen eher zunimmt (negative Verstärkung bzw. negative Vorbildfunktion) (Döpfner et al., 2013).

Für die Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbst-bewusstsein ist es für Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstö-rung daher wichtig, dass auch kleine Fortschritte und Verbesserungen sowie Erfolge beim Zurechtkommen mit Regeln wahrgenommen und positiv verstärkt wer-den. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen erleben in ihrem Alltag und in der sozialen Interaktion häufig viel Frustration, Kritik und Unverständnis und nur wenig Anerkennung für ihre Bemühungen. Daher ist es besonders wichtig, dass sie ihre Kompetenzen, Fähigkeiten und Stärken erleben können, auch Erfolgs-erlebnisse haben und ermutigt werden.

Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksamkeits-defizit- / Hyperaktivitätsstörung benötigen Struktu-rierungen von außen (wie z. B. feste Tagesabläufe und -pläne), um ihre verringerten Selbststeuerungsfähig-keiten zu kompensieren. Pädagogische Interventionen setzen daher zuallererst auf eine Strukturierung der

Abläufe in Familie und Schule. Des Weiteren sind posi-tive Zuwendung bei angemessenem, regelkonformen Verhalten, eindeutige Aufforderungen und Grenzen sowie negative Konsequenzen bei Regelüberschrei-tungen oder auffälligem Verhalten wichtig (Döpfner et al., 2013).

schulalltag unD unterrIcht

Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksam-keitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung benötigen im Schulalltag je nach ihren individuellen ▶ (Teilhabe-) Beeinträchtigungen in verschiedenen Bereichen Unterstützung. Dazu können Hilfen zur Strukturie-rung und Organisation des Schultages zählen, sowie auch individuelle Begleitung beim Lernen im Unter-richt oder Unterstützung beim Zurechtkommen mit (sozialen) Regeln.

Teilweise hilft es auch entsprechende Rahmenbe-dingungen zu schaffen, z.B. kann die Zusammenset-zung der Klasse oder die Gestaltung der Sitzordnung ungünstige Einflüsse wie Ablenkung durch andere (auffällige) Mitschülerinnen und Mitschüler mini-mieren. Die Schülerin oder der Schüler mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung sollte in der Regel am besten möglichst weit vorne im Klassenraum sitzen. Außerdem sollten gemeinsam mit der ganzen Klasse Verhaltensregeln festgelegt und die positiven und negativen Konsequenzen beim Befolgen bzw. Nichtbefolgen dieser Regeln besprochen werden. Die Konsequenzen müssen möglichst unmit-telbar und regelmäßig auf das jeweilige Verhalten folgen. Lehrkräfte können mit ihrer Unterrichtspla-nung und Gestaltung der Unterrichtsstunden Kindern und Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsdefi-zit- / Hyperaktivitätsstörung helfen, indem z. B. Metho-den und Aktivitäten häufiger gewechselt werMetho-den und strukturierte Lernangebote gegenüber Freiarbeit oder offenen Unterrichtsformen stärker betont werden (Döpfner et al., 2013).

Neben diesen förderlichen Rahmenbedingungen benötigen Schülerinnen und Schüler mit einer Auf-merksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung indi-viduelle Unterstützung und Hilfe beim Lernen und bei der sozialen Interaktion im Klassenverband.

Hilfreich ist z. B. den Sitzplatz / Arbeitsplatz im Klas-senzimmer gemeinsam mit der Schülerin oder dem Schüler sehr klar zu strukturieren (mit jüngeren Kin-dern z. B. aufmalen, wo Buch, Heft oder Mäppchen

lie-eingefordert werden. Dinge, die für eine bestimmte Unterrichtsstunde oder Lernaufgabe nicht benötigt werden, sollten nicht auf dem Pult liegen und z. B. in der Schultasche verstaut werden. Vor allem Ablenkun-gen wie Spielsachen, Handy etc. sollten während des Unterrichts konsequent in der Schultasche bleiben.

Die Schülerinnen und Schüler benötigen häufig auch Hilfe, um Aufgaben anzugehen und strukturiert zu bearbeiten. Eine ▶ Schulbegleitung kann z. B. gemein-sam mit der Schülerin oder dem Schüler Aufgaben in einzelne Schritte zerlegen und diese auf einer To-Do-Liste untereinander schreiben. Die Zwischenschritte können nacheinander bearbeitet und dann durchge-strichen werden. Dabei sollte ein einheitliches, striktes Bearbeitungsmuster eingeübt werden (z. B. 1. Aufgabe lesen, 2. Überschrift ins Heft übertragen, 3. Aufgaben nacheinander bearbeiten, 4. Buch wegräumen usw.).

Dieses Muster kann die Schülerin oder der Schüler trai-nieren und als Strategie bei verschiedenen Aufgaben immer selbständiger einsetzen.

Zu den Aufgaben einer Schulbegleitung im Unterricht gehört es auch, Aufmerksamkeit und Konzentration der Schülerin oder des Schülers bei Ablenkungen immer wieder auf die eigentlichen Aufgaben zu len-ken. Reize oder Reizüberflutung können (zeitweise) auch durch einen Raumwechsel in einen ruhigen Bereich ohne Ablenkung minimiert werden. Auch eine

„Absperrwand“ (Ordner oder Schultasche) zur Tisch-nachbarin oder zum Tischnachbar oder geräuschmi-nimierende Kopfhörer können ggf. helfen, Reize abzu-dämpfen.

Wichtig ist auch, dass Lehrkräfte und Schulbeglei-tung die Schülerin oder den Schüler mit einer Auf-merksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung nicht nur permanent maßregeln, sondern auch ermutigen und loben, wenn sie / er etwas gut gemacht hat (auch kleine Erfolge oder Verbesserungen sollten honoriert werden). Spezifische Problemsituationen und proble-matische Verhaltensweisen in Schule und Unterricht, die immer wieder auftreten, sollten gemeinsam mit Lehrkräften, Schulbegleitung und Eltern identifiziert und besprochen werden. Gemeinsam können Lösun-gen gesucht und im weiteren Verlauf kontrolliert und angepasst werden. Wenn negative Lehrer / in-Schü-ler / in-Interaktionen dominieren, können geeignete Maßnahmen (wie z. B. eine regelmäßige kurze posi-tive Rückmeldung nach Ende des Unterrichts) helfen, die positive Aufmerksamkeit und Zuwendung zur . / informationsbroschüre schulbegleitung / teilhabe praktisch umgesetzt: 01 Aufmerksamkeitsdefizit- / hyperaktivitätsstörung (Adhs)

Klasse oder Lerngruppe sollten Anforderungen und Grenzen immer wieder angesprochen und themati-siert werden, sowohl bei Regelüberschreitungen und Problemen als auch bei gelungenen Aktivitäten und Unterrichtsstunden (Döpfner et al., 2013). (▶ Info 3) unterstützungssystem unD leIstungsgewährung Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksamkeits-defizit- / Hyperaktivitätsstörung haben ein Recht auf inklusive Bildung und können wie alle Kinder und Jugendlichen eine allgemeine Schule („Regelschule“) besuchen. Ob ein Anspruch auf sonderpädagogische Beratungs- und Unterstützungsangebote oder son-derpädagogische Bildungsangebote (▶ Info 1) besteht, kann im Einzelfall abgeklärt werden. (▶ vgl. Abschnitt

‚Schulische Verantwortung für inklusive Schulbil-dung und ihre Verfahrenswege‘)

Besteht ein Anspruch auf sonderpädagogische Bil-dungsangebote, haben auch Schülerinnen und Schüler mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitäts-störung grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Sie können entweder (ggf. mit entsprechender Unterstützung) eine „Regelschule“ besuchen oder ein ▶ Sonderpäda-gogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. In diesen SBBZ liegt der Schwerpunkt auf einer individuellen Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern, die aufgrund von Problemen in ihren psychischen Erlebnis- und Verarbeitungsweisen in ihren sozialen Handlungen und beim Lernen beeinträchtigt sind (Landesinstitut für Schulentwicklung, 2018a). Je nach Standort werden die Bildungsgänge Grundschule, Hauptschule / Werkrealschule, Realschule, der Förder-schwerpunkt Lernen sowie Bildungsgänge der Beruf-lichen Schulen angeboten. SBBZ mit Förderschwer-punkt emotionale und soziale Entwicklung arbeiten eng vernetzt mit der Jugendhilfe und sind häufig an ambulante, teilstationäre und stationäre Angebote der Jugendhilfe (z. B. Wohngruppen, Tagesgruppen) ange-schlossen. Nach Möglichkeit besuchen die Schülerin-nen und Schüler das SBBZ nur als „Durchgangsschule“

und wechseln nach einer bestimmten Zeit wieder an eine allgemeine Schule (Landesinstitut für Schulent-wicklung, 2018b). (▶ Info 2)

Kinder und Jugendliche mit einer Aufmerksamkeitsde-fizit- / Hyperaktivitätsstörung haben einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe, wenn sie durch das ADHS in ihrer Teilhabe am Leben beeinträchtigt sind bzw.

eine solche Beeinträchtigung droht. Liegt in diesem Fall eine (drohende) ▶ seelische Behinderung vor, ist das ▶ Jugendamt für ▶ Leistungen zur Teilhabe an Bil-dung und zur sozialen Teilhabe zuständig. Als Leistung zur Teilhabe an Bildung können die Schülerinnen und Schüler mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperak-tivitätsstörung eine ▶ Schulbegleitung erhalten, die sie im Schulalltag unterstützt und während des Unter-richts entsprechend ihrer individuellen Hilfebedarfe begleitet. (▶ Info 4; vgl. Abschnitt ‚Schulbegleitung als Leistung zur Teilhabe an Bildung‘)

Junge Menschen mit seelischen Behinderungen haben über den schulischen Teilhabebereich hinaus grund-sätzlich auch Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe (Förderung der Teilhabe am gemeinschaft-lichen Leben). Dazu zählen eine dem Alter entspre-chende selbständige Bewältigung des Alltags und der Gestaltung der Freizeit (z. B. Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Einkaufen, Schwimmbad- oder Kino-besuche). Besonders in der sozialen Interaktion kann Unterstützung für die betroffenen Kinder und Jugend-lichen sehr wichtig sein und z. B. eine Teilnahme an gemeinsamen Aktivitäten mit Familie und Freundin-nen / Freunden oder im Verein erleichtern.

literAtur

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schule-bw.de/faecher-und-schularten/schularten/

sonderpaedagogische-bildung/sonderpaedagogische- bildungs-und-beratungszentren-sbbz/sbbz_emotio-nale_soziale_entwicklung

Saß, H., Wittchen, HU., Zaudig, M. & Houben, I. (2003).

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Begleit- und Folgeerkrankungen richtig erkennen und behandeln (2. überarb. u. erw. Aufl.). Stuttgart: Kohl-hammer.

. / informationsbroschüre schulbegleitung / teilhabe praktisch umgesetzt: 01 Aufmerksamkeitsdefizit- / hyperaktivitätsstörung (Adhs)

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