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Ungelöste Fragen: Marktreife der Technik, Wasser- Wasser-stoffspeicherung und Wasserstoffinfrastruktur

Alternative“ (DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp) für das 21. Jahrhundert bezeichnet und mit ihr werde „die einhundertjährige Vorherrschaft des Verbrennungsmotors“ beendet werden, wie Ford-Chairman Bill Ford damals verkündete40.

2.4 Ungelöste Fragen: Marktreife der Technik, Wasser-stoffspeicherung und Wasserstoffinfrastruktur

Die vorhandene Euphorie wich aber Anfang des neuen Jahrhunderts zunehmend einer rea-listischeren Einschätzung und einer längerfristigeren Perspektive. Zur Änderung der Perspek-tive trug insbesondere bei, dass die technische Entwicklung doch nicht so schnell voranschritt wie ursprünglich angenommen. Zwar gelten alle grundlegenden technischen Probleme als lösbar bzw. sind gelöst, aber für den Schritt zur Serienfertigung müssen neben Gewicht und Zuverlässigkeit besonders die Kosten noch erheblich reduziert werden. Das Brennstoffzellen-system allein kostet laut GM zur Zeit noch mindestens 375.000 US$41. Auch Mercedes-Chef Jürgen Hubbert benennt die derzeitigen Kosten eines Brennstoffzellensystems mit „meh-rere[n] hunderttausend Dollar pro Stück“42. Allein die Skaleneffekte einer Massenproduktion werden zur Kostenreduktion nicht ausreichen. Hierzu ist es notwendig, kostengünstigere Materialien für die Brennstoffzelle zu finden. Besonders das für die Beschichtung der Membranen benötigte Edelmetall Platin ist ein erheblicher Kostenfaktor43.

Eine andere technische Frage, die noch nicht zufriedenstellend gelöst ist, ist die Wasserstoff-speicherung44. Zwar hat Wasserstoff auf seine Masse bezogen einen großen Energieinhalt; auf das Volumen bezogen ist seine Energiedichte unter Normalbedingungen, insbesondere im Vergleich zu Benzin und Diesel, jedoch nur sehr gering (vgl. Bild 2). Um auf eine akzeptable Energiedichte zu kommen, die annähernd die Reichweite konventioneller Fahrzeuge ermög-licht, muss Wasserstoff entweder verflüssigt, also auf –253 Grad Celsius abgekühlt, oder ex-trem komprimiert werden. Beide Varianten der Wasserstoffspeicherung haben Vor- und Nachteile. Bei der Verflüssigung gehen bis zu 30 % der Energie verloren. Zudem bedarf es einer hocheffizienten Isolation, um Abdampfverluste durch Erwärmung und Diffusionsver-luste zu verhindern. Mit flüssigem Wasserstoff (LH2) lassen sich aber aufgrund der höheren Energiedichte deutlich höhere Reichweiten erzielen als mit komprimiertem Wasserstoff

40 Beide Zitate aus Rosenkranz, Gerd (2001): Größte Baustelle. In: Der Spiegel 37/2001, S. 126-129.

41 Vgl. Fahey, Jonathan (2003): The $375,000 Engine. In: Forbes Magazin vom 20.01.2003. Online-Dokument: www.forbes.com/forbes/2003/0120/046a_print.html.

42 Zitiert in Fritscher, Otto (2002): A-Klasse der Extra-Klasse: DaimlerChrysler startet Kleinserie mit Brenn-stoffzelle. In: Süddeutsche Zeitung vom 12./13. Oktober 2002. Im selben Artikel werden die Kosten des aktuellen DaimlerChrysler Brennstoffzellenfahrzeugs „F-cell“ mit gut einer Million Euro beziffert.

43 „Im Brennstoffzellenmodul eines Forschungs-Pkw steckt derzeit etwa ein Pfund des Edelmetalls. Das allein kostet derzeit 10.000 Euro. Und dieser Preis könnte noch drastisch steigen, denn die Massenproduk-tion würde die weltweiten Platin-Reserven rasch schwinden lassen“ (Wüst, Christian (2002): Knallgas im Irrgarten. In: Der Spiegel 38/2002, S. 174).

44 Vgl. zum Thema Wasserstoffspeicherung TÜV Süddeutschland (2003): Energiewelt Wasserstoff: Wissen, Technologie, Perspektive. Brennstoffzellen und Verbrennungsmotoren. München; DaimlerChrysler Communications (2002): Die Brennstoffzelle – Antrieb für die Zukunft.

(CGH2). Die Komprimierung von Wasserstoff ist technisch einfacher zu handhaben. Nach-teile sind der große Platzbedarf des Tanks und die nicht frei wählbare Tankform. Zudem müs-sen enorm hohe Drücke gehandhabt werden. Aktuell sind erste 700 bar-Wasserstofftanks vor-gestellt worden. Die Entwicklung beider Arten von Wasserstofftanks bewegt sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen der Erzielung einer maximalen Reichweite bei gleichzeitiger Minimierung von Gewicht, Tankvolumen und Kosten.

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Bild 2: Energiedichte von Energieträgern (Quelle: TÜV Süddeutschland)

Eine andere schon erprobte Form der Wasserstoffspeicherung ist der Metallhydrid-Speicher.

Dabei wird der Wasserstoff an Metalle gebunden, das heißt beide Stoffe bilden ein Metall-hydrid. Durch Erhitzen wird der Wasserstoff wieder aus der Verbindung mit dem Metall gelöst. Der Vorteil dieses Speichers ist der niedrige Druck bei der Handhabung. Als Nachteil erweist sich bisher, dass der Speicher zu schwer und zu teuer für die praktische Anwendung ist. Im Forschungsstadium ist dagegen noch eine andere Alternative – die Wasserstoffspeiche-rung in Kohlenstoff-Nanoröhren (Fullerene). Hierbei handelt es sich um Kohlefaserröhrchen, in die Wasserstoffatome eingelagert werden. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen jedoch noch keine Ansatzpunkte für eine praktische Anwendung. Neben der Einlagerung von Wasserstoff in Metallhydriden und Kohlenstoff-Nanoröhren gibt es noch weitere Formen der chemischen Wasserstoffspeicherung. Diese haben zwar den Nachteil, dass Reformersysteme an Bord der Brennstoffzellenfahrzeuge mitgeführt werden müssen, der Wirkungsgrad nicht so hoch ist und die völlige Emissionsfreiheit verloren geht, aber da es sich um flüssige chemi-sche Wasserstoffspeicher handelt, lässt sich die Speicherung des Kraftstoffes wesentlich leichter gestalten. Schon demonstrierte Möglichkeiten dieser Form der chemischen Wasser-stoffspeicherung sind Methanol, Benzin und Natriumborhydrid. Methanol (CH3OH) lässt sich prinzipiell aus jeder Kohlenstoffquelle gewinnen (Rohöl, Erdgas), kann aber auch aus

rativen Quellen, wie nachwachsenden organischen Rohstoffen (Holzabfälle, Biomasse), gewonnen werden. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle wird über eine bordeigene Metha-nolreformierung bei ca. 260 Grad Celsius erzeugt, wobei geringe Emissionen entstehen. Ben-zin als flüssiger Wasserstoffspeicher hat den Vorteil einer vorhandenen Kraftstoff-Infra-struktur. Allerdings wird für den Einsatz in der Brennstoffzelle ein ‚Spezialbenzin’ benötigt.

Dieses so genannte ‚saubere’ Benzin darf erstens nur einen bestimmten Ausschnitt aus der Kohlenwasserstoff-Palette aktueller Kraftstoffe enthalten und muss zweitens entschwefelt sein45. Zudem erfordert die bordeigene Benzinreformierung sehr hohe Temperaturen (600 Grad Celsius), was diese im Gegensatz zur Methanolreformierung technisch aufwendiger und weniger effizient macht. Natriumborhydrid (NaBH4) ist ein trockenes Pulver, das in Wasser gelöst einen flüssigen Kraftstoff darstellt. Mit Hilfe eines Katalysators wird aus der Natrium-hydridlösung an Bord Wasserstoff produziert. Das zurückbleibende Natriumborat, eine dem Borax verwandte Substanz, wird nach Gebrauch wieder hydriert, dass heißt mit Wasserstoff aufgeladen und kann erneut als Kraftstoff genutzt werden. Für Natriumborhydrid als Wasser-stoffspeicher sprechen der sichere und leichte Transport und die deutlich höhere Volumen-speicherdichte als komprimierter Wasserstoff. Dagegen spricht, dass der Hydrierungsprozess zurzeit noch sehr energieintensiv ist.

Hinter der Frage der Wasserstoffspeicherung steckt aber auch die Frage nach der notwendigen Infrastruktur. Zwar herrscht in der Automobilindustrie weitgehend Einigkeit über die länger-fristige Perspektive – eine regenerative Wasserstoffinfrastruktur und die Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb – aber für die Zwischenschritte und den Übergang verfolgen die einzelnen Unternehmen unterschiedliche Strategien, wie im nächsten Kapitel noch deutlich wird. Gene-rell ist der Aufbau einer komplett neuen Infrastruktur mit enormen Kosten verbunden. So hat die Verkehrswirtschaftliche Energiestrategie, eine Initiative, der verschiedene deutsche Automobil- und Energieunternehmen und die deutsche Bundesregierung angehören, in einem Bericht im Februar 2002 die Kosten des Aufbaus eines flächendeckenden Netzes von rund 2000 öffentlichen Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland auf 120 Milliarden Euro bezif-fert46. Auch die notwendige Zeit für die Transformation der Infrastruktur von Benzin zu Wasserstoff, die zudem mit dem klassischen „Henne-Ei-Problem“ zu kämpfen hat, ist ein weiterer Grund für die gebremste Euphorie. Von einer Serienfertigung ab 2004 oder den Ver-kauf von 100.000 Brennstoffzellenfahrzeugen bis 2006, wie dies noch der damalige Brenn-stoffzellen-Entwicklungschef von DaimlerChrysler Ferdinand Panik 1999 ankündigte47, ist keine Rede mehr. Heute sprechen die meisten Automobilunternehmen fast unisono von fol-gendem Zeitplan:

45 Vgl. Ewe, Thorwald (1999): Streit um Sprit: Fährt das Brennstoffzellen-Auto der Zukunft mit Benzin oder Methanol? In: Bild der Wissenschaften 8/1999, S. 30-34.

46 Vgl. o.V. (2002): Wie fahren wir in Zukunft? In: Spiegel-Online vom 27. Februar 2002. Online-Dokument:

www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,177662,00.html.

47 Vgl. All, Jeffrey (1998): Auto Makers Race to Sell Cars Powered by Fuel Cells. In: Wall Street Journal vom 15. März 1998.

• Von 2002 bis 2004 werden erste Kleinserien von Brennstoffzellenfahrzeugen in De-monstrationsprojekten in USA, Japan und Europa getestet. Erste Fahrzeuge werden an Flottenkunden verleast.

• Ab ca. 2006/2007 werden Fahrzeuge mit einer zweiten Generation von Brennstoff-zellensystemen ausgestattet. Eine größere Anzahl von Brennstoffzellenfahrzeugen werden in Demonstrationsprojekten und in Kundenhand getestet.

• Ab 2010 beginnt die Markteinführung der ersten kommerziell erwerbbaren Brenn-stoffzellenfahrzeuge. Der Durchbruch der Brennstoffzellenautomobile wird aber erst ab 2020 erwartet.

Auch wenn über das längerfristige Ziel inzwischen Einigkeit herrscht und sich die zeitliche Perspektive weitgehend angenähert hat, entwickeln die einzelnen Automobilunternehmen, wie sich im folgenden Kapitel zeigen wird, doch sehr unterschiedliche Strategien beim Um-gang mit dem Einsatz von Wasserstoff und Brennstoffzelle im Automobil. Die unterschied-lichen Strategien sind wohl die Konsequenz unterschiedlicher Erwartungen und Einschätzun-gen bezüglich der Technologieentwicklung, der Frage des Infrastrukturaufbaus, der notwen-digen Übergangstechnologien und Randbedingungen, sowie ihrer zeitliche Relevanz48. Zudem haben diese Einordnungen und die einhergehenden Schwerpunktsetzungen ihre Wurzeln in sehr unterschiedlichen Unternehmens- und Managementkulturen, Eigentums- und Stakehol-derkonstellationen und regionalen Umfeldern.

3 Wasserstoff- und Brennstoffzellenaktivitäten