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UBA-Positionspapier März 2015:

Im Dokument Streitfragen!: (Seite 30-34)

„Organische Mikroverunreinigungen in Gewässern. Vierte Reinigungsstufe für weni-ger Einträge“ (Quelle: www.uba.de)

Illustration: C3 Visual Lab

Trotz hoher Trinkwasserqualität: Rückstände von

Mikroverunreinigungen und Spurenstoffen in den Gewässern sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Doch wer ist verantwortlich und wie könnte der Schutz der Gewässer verbessert werden? Brauchen wir die

sogenannte 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen?

Das Umweltbundesamt (UBA) fordert die Einführung dieser Technologie, die Wasserwirtschaft sieht sie kritisch.

„Die Konzentrationen an Mikroverunreinigungen überschreiten in vielen Gewässern die gesetzlich vorgegebenen Umweltqualitätsnormen.

Wenn die Messlatte nicht nur extrem,

sondern teilweise analytisch noch nicht einmal messbar verschärft wurde, darf es nicht ver-wundern, dass der noch vor wenigen Jahren überwiegend gute chemische Zustand unserer Gewässer nahezu abrupt in den roten Bereich abdriftete.

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Zur Reduzierung der Einträge reichen die mögli chen Vermeidungsmaßnahmen, wie An-wendungsbeschränkungen oder -verbote über Stoffrecht, Produktrecht, Verminderung von Luftemissionen, nicht aus, sodass nur eine nach-geschaltete Abwasserbehandlungstechnik Erfolg verspricht.

Dies erfordert die Fortschreibung des Standes der Technik bei der Abwasserbehandlung und die Einführung weitergehender Abwasserbe-handlungsverfahren (4. Reinigungsstufe) in den kommunalen Kläranlagen (KA) der Größen-klasse 5 sowie kleinerer KA, die in sensitive Gewäs ser einleiten.

Am wirksamsten und kosteneffizientesten sind dabei gegenwärtig die Verfahren der Ozonung und der Aktivkohleadsorption durch Pulveraktivkohle.

Für eine gerechte Lastenverteilung sollten Optionen für eine öffentliche Anreizfinan-zierung erwogen werden.“ (…)

„Gegen die Einführung einer vierten Reinigungs-stufe werden von Vertretern der Wasserwirt-schaft, die der Einführung skeptisch gegenüber-stehen, häufig die folgenden Argumente genannt:

Die Implementierung und der Betrieb einer vier-ten Reinigungsstufe kosvier-ten zusätzliches Geld.

• Der Betrieb einer vierten Reinigungsstufe ver-braucht vergleichsweise viel Energie, was un-weigerlich den Anstieg von klimaschädlichen CO₂-Emissionen mit sich bringt.

• Bei einer Behandlung mit Ozon besteht die Gefahr der Bildung von anderen schädlichen Stoffen (Transformationsprodukten).

• Eine Entscheidung zur Einführung der vierten Reinigungsstufe auf kommunalen Kläran lagen geht mit dem Risiko einher, dass wesentliche und sehr effektive Aktivitäten zur Reduzierung von

Dies gleicht einer Bankrotterklärung gegenüber dem Verursacher- und Vermeidungsprinzip. Die Industrie, insbesondere Pharma-, Chemie- und Agrarindustrie, kann sich entspannt zurück-lehnen.

Vor der Lastenverteilung steht die unbequeme Diskussion zu Aufwand und Nutzen möglicher Vermeidungsstrategien. Und im Übrigen: Auch die angedachte Umlage über eine Ausweitung der Abwasser-abgabe ist richtiges Geld – nämlich das der Bürger!

Zu Recht! Denn obgleich die Wasserwirtschaft an keiner einzigen Stelle Verursacher der Mikro-verun reinigungen ist, findet die Fachdebatte als Diesen einfachen Kausalzusammenhang gibt es nicht. In den meisten Fällen würde der Ausbau mit einer 4. Reinigungsstufe weder zur Unterschreitung der aktuellen Umweltqualitätsnormen noch zum Erreichen eines in diesem Sinne guten chemischen Zustandes führen.

Alles richtige und wesentliche Argumente, die Grundlage für eine dialogorientierte und strategische Ausrichtung im zukünftigen Umgang mit Mikroschadstoffen sein müssen.

Der Ansatz hinkt.

Vermeidung statt Nachsorge!

End-of-Pipe-Strategie ausschließlich in diesem Sektor statt. Das ist ökologisch wie ökonomisch fahrlässig.

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Mikroverunreinigungen in Oberflächengewässern in anderen, ggf. relevanteren Sektoren unter bleiben oder zurückgestellt werden. Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, sind diese Argumente nachfol-gend noch einmal zu sammenfassend bewertet:

Die erforderlichen Zusatzkosten (…) mit 6 bis 16 Euro pro Jahr und Mensch vergleichsweise niedrig.

Auf das Abwasservolumen bezogen fallen relativ gerin ge Zusatzkosten in Höhe von 0,05 – 0,19 €/m³ an. Je nachdem, wie die Nachrüstung erfolgt, kom-men unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht.

Bei einer ordnungsrechtlichen Verankerung als Stand der Technik nach der Abwasserverord-nung könnten Investitionen in die Elimination von Mikro verunreinigungen über die Mechanismen der Abwasserabgabe (Abgabeermäßigung, Verrech-nung) abgabenmindernd geltend gemacht werden und somit Anreiz wirkend für die Installation und den Betrieb einer 4. Reinigungsstufe wirken.

Mit dem Betrieb der 4. Reinigungsstufe sind als unter stützende Zusatzeffekte eine Minderung der Abwasserabgabe hinsichtlich der Parameter CSB und P (Anm. der Redaktion: CSB und P sind wich-tige Abwasserparameter) zu erwarten.

Die Einführung weiterer Behandlungsstufen führt zu einem erhöhten Energieverbrauch, in der Regel um 5 – 30 % gegenüber dem Normalbetrieb (…).

Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Kläranlagen würden diesen Mehrbedarf deutlich verringern. So kann auch bei modernen Kläranla-gen durch ein effizientes Energiemanagement mit kurz- und mittelfristig umsetzbaren Maßnahmen der Energiebedarf um 20 – 30 % gesenkt werden.

Die Ozonung und Adsorption an Pulver-aktivkohle oder granulierte Aktivkohle sind wirkungs volle Verfahren für eine weitergehende Abwasserbehandlung.

Es ist schade, dass das UBA den längst geleisteten Beitrag der Kläranlagen zum Klimaschutz offensichtlich so wenig kennt.

Keines der bisherigen Pilotverfahren deckt die heutige und erst recht nicht die zukünftig erwartbaren Bandbreite(n) von Mikro- verunreinigungen zu 100 % ab.

Es ist anmaßend, über die Köpfe der Bürger hinweg zu entscheiden, was als niedrig zu bewerten wäre.

Die Gesamtbalance aus Kosten und vermeintlichem Nutzen ist zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht gegeben.

Dies trifft ausschließlich für Aktivkohle- verfahren zu!

Die Spanne des erhöhten Gesamtenergie- verbrauchs reicht bis zu 50 % gegenüber dem Normalbetrieb. Das sind keine Peanuts!

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Durch die Ozonung wird eine große Bandbreite von Mikroverunreinigungen und ggf. pathogen wirksa-men Keiwirksa-men entfernt (Abwasserdesinfektion).

Durch die weitergehende Abwasserbehandlung entstehen de Transformationsprodukte, die ggf.

ande re und höhere Wirkungspotenziale aufweisen können als die Ausgangsstoffe, werden nach Entste-hung durch Ozonierung über die Wiedereinleitung in die biologische Klärstufe abgebaut.

Kläranlagen mit einer nachgeschalteten zweiten biologi schen Klärung haben bislang keine erhöhten Toxizi tätswerte gezeigt (…).

Für die prioritären Stoffe der EG-Wasserrahmen- richtlinie wurde in 2013 ein Eintragsinven tar erarbeitet.

Dabei stellt der Eintrag über kommunale Abwässer für eine Reihe Stoffe einen sehr wichtigen Eintrags-pfad dar (…).

Dies bedeutet, dass neben europäischen Maßnah-men, die vordringlich das Inverkehrbringen von Stoffen regeln, weitere nachgeschaltete Maßnahmen, wie die Ertüchtigung der Barrieresysteme, d. h. die Nachrüstung von kommunalen Kläranlagen mit ei-ner weiteren Verfahrensstufe sinnvoll sind, um den Eintrag von Mikroverunreinigungen in die Gewäs-ser zu verringern.

Die Ergebnisse des COHIBA-Projektes (…) zeigen (Anm. der Redaktion: COHIBA steht für: Control of hazardous substances in the Baltic Sea region), dass innerhalb eines Maßnahmenpaketes die weiter-gehende Abwasserreinigung zudem eine wirksame und kostengünstige Maßnahme darstellt.“

Auch gut gemeinte Aktionen können in die Irre führen!

Der COHIBA-Report verdeutlicht, dass es eben keine allein Erfolg versprechende Maßnahme zur Emissionsreduktion gibt.

in Deutschland und erst recht auf europäischer Ebene noch weit entfernt!

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer 4. Reinigungsstufe stellt sich ökologisch wie

ökonomisch dann, wenn Verursacher einbe-zogen, Verminderungsstrategien ausgereizt und alle Eintragspfade gleichermaßen gewichtet wurden. Davon sind wir

Angesichts anderer relevanter diffuser Ein-tragsquellen beispielsweise aus der Landwirt-schaft oder aus Luftemissionen bleibt die enge Fokussierung auf Kläranlagen fragwürdig.

Die Problematik der Transformationsprodukte weist heute noch erhebliche Kenntnisdefizite auf. Weitergehende wissenschaftliche Forschung ist zwingend.

Dieser Zusammenhang mit vermeintlich positiver Gesamtnebenwirkung einer Abwasser- desinfektion erfordert eine deutlich erhöhte Ozonierung gegenüber den bisherigen Verfahren zur Minderung der Mikroverunreinigungen.

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UNTERNEHMERGEIST • KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG

Versorger setzen auf Kraft-Wärme-Kopplung, weil sie zwei Dinge auf einmal ermöglicht, wenig Energie braucht und kaum Spuren hinterlässt.

Von MARIJKE ENGEL

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