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(1)

Juni 2015

Das Magazin der Energie- und Wasserwirtschaft

Streit - -

fragen neu! Jetzt

Kleinteiliger, grüner, dezentraler: Die Energiebranche ist im Umbruch.

Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument zum Wertschöpfer – und Partner.

Neue Aussichten

KWK

Unternehmen setzen weiterhin auf die effiziente Technologie

Abwasser

Brauchen wir die 4. Reinigungsstufe?

BDEW0115_Titel_Rücken.indd 3 11.06.15 16:39

(2)

INTRO

Streitpunkt Energie

Titel und Rücktitel Foto: Plainpicture, Jan Philip Welchering, Shutterstock; Montage: C3 Visiual Lab

»Der prozentuale Anteil der Netzbetreiber, die vom vereinfachten Verfahren

Gebrauch machen, [ist] mit ca. 80 Prozent spartenübergreifend sehr hoch und stößt auch bei der Europäischen Kommission auf rechtliche Bedenken. Es wird daher eine

Absenkung der bestehenden Schwellenwerte auf 7.500 angeschlossene Kunden für

Gasnetzbetreiber und 15.000 angeschlossene Kunden für Stromnetzbetreiber geprüft.«

Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novellierung der Anreizregulierung, 16.3.2015

2 STREITFRAGEN — Juni 2015

THEMA • INTRO

(3)

»Die konkrete

Ausgestaltung der Anreizmechanismen

fällt im Prinzip in den

Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten.

INTRO

Streitpunkt Energie

Titel und Rücktitel Foto: Plainpicture

Brief von Cristina Lobillo Borrero an Hildegard Müller im Namen von Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie, 30.4.2015

Die Europäische

Kommission hat bislang keine formalen

Bedenken bzgl. der Rechtmäßigkeit der

bestehenden Schwellen- werte geäußert.«

3 STREITFRAGEN — Juni 2015

INTRO • THEMA

BDEW0115_02-07_Inhalt_Intro_Editorial.indd 3 10.06.15 11:21

(4)

Lautlose Angriffe aus dem Netz

Seit Stuxnet das iranische Atomprogramm um Jahre zu- rückgeworfen hat, ist klar: Hacker können physischen Schaden anrichten, Stromnetze zusammenbrechen las- sen oder Verkehrsstaus provozieren. Dies kann großflä- chig und Chaos auslösend passieren oder, subtiler, als im- mer wieder auftretende kleine Störungen. Niemand würde ein Hacking vermuten. Dennoch kann eine Firma oder eine ganze Volkswirtschaft nachhaltig geschädigt werden.

IT-Systeme sind irrsinnig komplex und die Gegner raffi- niert. Klassisches Hacking war gestern, Social Engineering ist heute. Denn: Auch das beste Sicherheitssystem schützt nicht vor der Gefahrenquelle Mensch. Hierbei werden Per- sonen zum Beispiel bei Energieerzeugern oder Netzbetrei- bern gezielt ausgespäht, ohne dass sie es merken. Sie erhalten maßgeschneiderte E-Mails, deren Anhänge sie unacht- sam öffnen. Hat sich die dahintersteckende Schadsoft- ware installiert, werden Daten und Passwörter gestohlen.

Von diesem Computer aus kann man das Vertrauen weite- rer Mitarbeiter gezielt missbrauchen, bis man genug Mate- rial für den wirklichen Angriff hat. Das Cabernak-Schad- programm funktionierte so, mit dem der bis heute größte Bankraub aller Zeiten stattfinden konnte. Dabei sind die Cyberkriminellen unter anderem direkt in das Herz der Buchhaltungssysteme der Geldinstitute eingedrungen, um Kontensaldi zu erhöhen und im Anschluss die überschüs- sigen Geldmittel durch eine Überweisung zu entwenden.

Eins ist klar: Im Zuge zunehmender Vernetzung wird die Be- drohung durch Cyberkriminalität insgesamt anwachsen. Die G7-Staaten haben daher beschlossen, gemeinsam den Schutz der Infrastrukturen zu verbessern, denn die Kraftwerke und Stromnetze der Zukunft werden von Computern gesteuert.

Wir werden Angriffe nicht immer verhindern können. Ich empfehle daher, zusätzlich systemisch zu denken. Das Smart Grid muss robust funktionieren, selbst wenn Teile korrum- piert sind. Große Netze sollten etwa in Micro Grids zerglie- dert sein, sodass mit einer Netztrennung gezielt auf An- griffe reagiert werden kann, ohne dass sie sich ausweiten.

JÖRN MÜLLER-QUADE,

Professor für Kryptographie und IT-Sicherheit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ANSTOSS

Foto: Martin Wagenhan

Mehr zum Thema auf streitfragen.de/

impulse und im Heft auf Seite 18

4 STREITFRAGEN — Juni 2015

BDEW0115_02-07_Inhalt_Intro_Editorial.indd 4 10.06.15 11:22

(5)

ANSTOSS

Foto: Martin Wagenhan

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die politischen und regulatorischen Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene prägen nach wie vor die Rahmenbedingungen der Energie- und Wasserwirtschaft . Der BDEW begleitet diese weiter konstruktiv und wenn nötig auch kritisch. Zuletzt haben uns einige Überlegungen der Politik das Leben nicht gerade leicht gemacht.

Doch zunehmend hat die Energiewende noch eine andere Dynamik bekommen, weit jenseits der politischen

Entscheidungen. Die neuen, schon heute spürbaren

marktumwälzenden Triebfedern für unsere Branchen lauten Dezentralisierung, Digitalisierung und „Prosumer driven change“. Die Diskussion um die Geschäft swelt von morgen hat längst begonnen. Wie können die Unternehmen auf diesen Wandel reagieren? Wie neue Geschäft smodelle entwickeln?

Mit unseren neu konzipierten Streitfragen möchten wir Ihnen neue Denkanstöße zu diesen Fragen geben. Mit originellen Formaten, detailreichen Grafi ken und interessanten Protagonisten versteht sich Streitfragen als Impulsgeber.

Lassen Sie uns gemeinsam den Blick nach vorne wagen und kommen Sie mit uns ins Gespräch – beispielsweise über unsere neue Website. Mit www.streitfragen.de haben wir eine Plattform geschaff en, auf der die aktuellen Diskussionen und Magazinthemen off en, kritisch und fair in Echtzeit

weitergeführt werden können. Daneben wird die Printausgabe künft ig dreimal jährlich erscheinen.

Wie Sie sehen, werde ich übrigens in Zukunft den ersten Platz im Magazin – wie in dieser Ausgabe Herrn Prof. Müller- Quade – Ihnen überlassen. Th ematisieren Sie an dieser Stelle die Fragen und Probleme, die Sie beschäft igen und über die überhaupt oder mehr diskutiert werden sollte. Egal, wie groß Ihr Unternehmen ist, egal, was Sie bewegt, geben Sie allen einen Anstoß.

Viel Freude mit den neuen Streitfragen, Hildegard Müller

Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums des BDEW

HIER KÖNNEN SIE EINEN ANSTOSS GEBEN!

AUFRUF • ANSTOSS

Einfach eine E-Mail an:

streitfragen@bdew.de Nicht drängeln.

5 STREITFRAGEN — Juni 2015

BDEW0115_02-07_Inhalt_Intro_Editorial.indd 5 10.06.15 11:22

(6)

24.412

820

27

3.119 548

2.569 11.950

263

495

116 5.180

1.340 107

107 1.270 153 3.738

61 4.0144.287

4.236 43

1.535 11.122

15.068

7.862 11

2.566

5.677 994

1.112 185

1.057 172

965 9.582 3.040

831

24.340 348

3.983 4.529

705 14

14.788

10.000 2.889

15.522

5.821 11.475

4.591

5.484 14.477

3.831 9.204

523

9.398 7.681

3.502 18.502

204

6

57

9.358 773

4.694 3.811

1.778

3.091 107

51

6.267

547

2.395 5.963

7.247 6.343

244 3.017

5

44 3.522

3.804

SCHWEIZ 32.439 | 28.116 | 4.323 NIEDERLANDE

17.899 | 32.853 | -14.954

BELGIEN 4.190 | 21.698 | -17.508 GROSSBRITANNIEN

3.704 | 23.169 | -19.465

DÄNEMARK 9.801 | 12.785 | -2.984

SCHWEDEN 32.513 | 16.148 | 16.365

FINNLAND 3.858 | 21.966 | -18.108

ESTLAND 6.530 | 3.712 | 2.818

LETTLAND 3.023 | 5.338 | -2.315 LITAUEN

897 | 8.520 | -7.623

IRLAND 672 | 2.813 | -2.141

ÖSTERREICH 18.791 | 28.044 | -9.253 DEUTSCHLAND

74.591 | 38.893 | 35.698

ITALIEN 3.008 | 46.756 | -43.748 FRANKREICH

73.575 | 7.799 | 65.776

SPANIEN 15.481 | 12.308 | 3.173

LUXEMBURG

DEUTSCHLAND

FRANKREICH BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923 PORTUGAL

6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN 32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND 684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN 8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN 13.774 | 4.323 | 9.451 UNGARN

5.695 | 19.083 | -13.388 SLOWAKEI 11.861 | 12.964 | -1.103 TSCHECHIEN

32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN 11.341 | 13.509 | -2.168

SLOWENIEN 9.962 | 7.249 | 2.713

Experten von morgen.

42

Streit—

fragen

Juni 2015

SCHLAGZEILEN: 50 STREITFRAGEN DIGITAL: 52 TERMINE/IMPRESSUM: 53 OUTRO: 54

INTRO: 2 ANSTOSS: 4 ZAHLEN: 16

EIN THEMA, ZWEI MEINUNGEN: 40

Alles im Fluss

Wie viel Strom von einem ins andere EU-Land fließt – und zurück. 24

»Prosumer driven change«

Wer zu spät kommt,

wird überholt.

Der Konsument von früher wird zum Produzenten.

Viele Branchen reagieren darauf mit neuen Geschäftsmodellen.

»Hartz IV für Kraftwerke«:

ein Mythencheck.

8 26

Die Zukunft ist elektrisch!

Was passiert eigentlich, wenn der Akku im Auto für 3.000 Kilometer

reicht – ein Szenario. 36 Fotos: Jan Philip Welchering (2), Getty Images, Plainpicture, Stadtwerke Flensburg, Olaf Bathke, Malte Jäger, Getty Images; Illustrationen: C3 Visual Lab

»Hartz IV für Kraftwerke«:

ein Mythencheck.

26

6 STREITFRAGEN — Juni 2015

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(7)

Das EEG

Solarmodule und Windräder sind inzwischen Normalität. Doch wie begann die Erfolgsgeschichte der grünen Energie und wie erneuerbar wird die Zukunft?

Eine Zeitreise. 44

Spielen wir!

Wie steht es um Ihr Kraftwerk – müssten Sie den Klimabeitrag zahlen oder nicht?

Finden Sie es heraus.

Aber denken Sie daran:

Ist alles nur ein Spiel. 48 K O N T E R

Abwasser: Klärstufe Nummer 4

Wie muss der Gewässerschutz verbessert werden?

UBA versus Wasserwirtschaft. 30

Die Genügsamen

Zwei Unternehmen setzen auf Kraft-Wärme-Kopplung. So wollen sie die Energieversorgung der Zukunft sichern – flexibel, umweltschonend und effektiv. 34

18 Digitalisierung

Hinkt die Branche hinterher?

Fotos: Jan Philip Welchering (2), Getty Images, Plainpicture, Stadtwerke Flensburg, Olaf Bathke, Malte Jäger, Getty Images; Illustrationen: C3 Visual Lab

VS.

Klimabeitrag:

Zahlen

Jetzt!

7 STREITFRAGEN — Juni 2015

BDEW0115_02-07_Inhalt_Intro_Editorial.indd 7 10.06.15 11:23

(8)

... schließt er sich mit anderen zusammen.

Jeder macht Seins und dann

ie Energiewirtschaft erlebt derzeit einen historischen Umbruch. In seiner Tragweite kommt der radikale Schnitt, den viele Un- ternehmen erleben, der industriellen Re- volution des 19. Jahrhunderts gleich. Wäh- rend jahrzehntelang die Gesetzmäßigkeit, die Gewissheit galt, dass Strom zentral in großen kon- ventionellen Kraftwerken erzeugt wird, ist heute klar:

Die ehemaligen treuen Kunden und Strom abnehmer werden selbstbewusst, nehmen ihre Energieversorgung selbst in die Hand und machen sie zu ihrer eigenen Sa- che: kleinteilig, grün, dezentral. Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument von früher wird zum Wert- schöpfer. Überall entstehen neue Geschäftsmodelle und smarte, IT-getriebene Unternehmen drängen auf der Überholspur in den Markt. Die folgenden Beispiele aus anderen Branchen zeigen, was der „Prosumer driven change“ bedeuten kann. Für die Energiewirtschaft gilt wie für alle anderen Branchen: Wer zu spät kommt, hat das Nachsehen. Eine Anregung.

...

D

Foto: Getty Images

8 STREITFRAGEN — Juni 2015

STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

BDEW0115_08-15_Tabu-Dezentralisierung.indd 8 10.06.15 11:25

(9)

STÖR- FAKTOR

Innovative Lösungen:

Immer mehr Bürger wollen sich selbst mit Strom und Wärme versorgen und bereiten

so neuen Akteuren und Geschäftsideen den Boden. Beispielsweise verbindet

die Firma Cloud&Heat aus Dresden den klassischen Heizungsmarkt mit dem

stark expandierenden Cloud-Markt. Die Geschäftsidee: Die Firma stellt dezen-

trale Server in Privathäusern unter. Beim Rechenprozess erzeugen die Server

rme, durch die das Haus beheizt und das Trinkwasser erwärmt wird. Der

Server dient als eigenes kleines privates rmekraftwerk.

9 STREITFRAGEN — Juni 2015

DEZENTRAL • STÖRFAKTOR STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(10)

»Es geht nicht mehr so sehr um Besitz, sondern mehr um den Zugang zu

außergewöhnlichen Erlebnissen.«

Gunnar Froh,

Geschäftsführer Deutschland von Airbnb

Privat übernachten:

Gemeinsam mit anderen im Hotel? Muss nicht sein, lieber kostengünstiger und mittendrin im Leben: Immer mehr Menschen vermieten ihre Wohnungen über Airbnb für einige Tage und immer mehr Touristen nutzen das. Längst ist das Social Travelling eine neue, wirkungsmächtige Konkurrenz für die Hotelketten, wobei Airbnb als Online-Plattform ledig- lich den Kontakt zwischen Gastgeber und Gast herstellt und ausschließlich für die Abwicklung der Buchung verantwort- lich ist – mit dem alteingesessenen Gastgewerbe hat dieses Modell fast gar nichts mehr zu tun. Doch der schnelle Erfolg zieht auch Verantwortung nach sich: Schon denken EU- und auch US-Behörden darüber nach, wie die Sharing Economy reguliert werden könnte.

Fotos: Plainpicture, Fotolia

10 STREITFRAGEN — Juni 2015

STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(11)

»Alles wird frisch verpackt und bis an die Wohnungstür gebracht.

Wir beliefern pro Woche bis zu 1.800 Kunden. Und es werden immer mehr.«

Franziska Rutscher, Pressesprecherin Ökodorf Brodowin

Direkt vom Erzeuger:

Entworfen als Gegenmodell zur anonymen Massen- produktion der industrialisierten Landwirtschaft, ist die Bio-Kiste ein System des Direktvertriebs von regionalen und saisonalen Lebensmitteln aus der ökologischen Landwirtschaft. Doch längst hat sich aus der Idee, Obst und Gemüse aus der Region vom Feld direkt zum Verbraucher zu bringen, ein boomendes Internetgeschäft entwickelt.

Unzählige Anbieter tummeln sich auf diesem Markt, die Kommerzialisierung findet längst statt. Untrüg- liches Zeichen: Erst kürzlich ist der kapitalstarke Start-up-Inkubator Rocket Internet ins Geschäft ein- gestiegen und hat den Online-Lieferdienst Bonativo ins Leben gerufen. Aus den Bio-Bauern von nebenan sind Versandprofis geworden. Die Bio-Romantik von einst ist zum Bio-Kapitalismus geworden.

Fotos: Plainpicture, Fotolia

11 STREITFRAGEN — Juni 2015

DEZENTRAL • STÖRFAKTOR STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(12)

Egbert Hünewaldt, Geschäftsleitung Deutschland von Oneplanetcrowd

»Der Crowdfunding- Markt wird enorm wachsen und sich in Segmente aufteilen.«

Kapital vom Nachbarn – jeder kann zum Geldgeber werden:

Beim Crowdfunding überzeugt man durch eine vielversprechende Geschäftsidee möglichst zahlreiche Kleinstanleger von seiner Sache, statt ein, zwei Großinvestoren zu gewinnen. Dafür werden die Geldgeber mit einer Gegenleistung belohnt. Crowdfunding wird auch zum Modell der Energiewende, denn grüne Investments sind beliebter denn je. Neue Crowdfunding- Plattformen ermöglichen es jedem Bürger, schon mit wenig Geld in grüne Technologien zu inves- tieren. So hat beispielsweise die Plattform Crowd Energy die alte Idee der Energiegenos- senschaft ins Internet verlagert und sie um die Methode des Crowdfundings erweitert.

Fotos: Plainpicture

12 STREITFRAGEN — Juni 2015

STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(13)

Jimmy Wales, Gründer von Wikipedia

»Wikipedia ist ein Ort, den wir alle aufsuchen können, um zu denken, zu lernen, und unser Wissen mit anderen zu teilen.«

Mitmach-Lexikon statt Verlagsenzyklopädie:

Wissen ist vielfältig und frei und Wikipedia der Pionier, wenn es um kol­

lektiven Wissenstransfer geht. Statt einer kleinen Expertengruppe in einem Verlag findet sich eine große Zahl von Menschen zusammen, die freiwillig online ihr Wissen teilen.

Wikipedia hat sich als eine disruptive Idee erwiesen.

Das einstige Flaggschiff bürgerlicher Belesenheit – das Brockhaus­Lexikon – wurde längst eingestampft.

Es hatte der Entwicklung einfach nichts entgegen­

zusetzen. Dabei finanziert sich Wikipedia ausschließ­

lich über Spenden von Privatpersonen und Unter­

nehmen. Hinter Wikipedia steckt eine gemeinnützige Stiftung, deren Vermögen von Jahr zu Jahr ansteigt:

Zum Ende des Geschäfts­

jahres 2013/2014 betrug das Stiftungsvermögen rund 53 Millionen Dollar.

Fotos: Plainpicture

13 STREITFRAGEN — Juni 2015

DEZENTRAL • STÖRFAKTOR STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(14)

Willi Loose, Geschäftsführer Bundesverband Carsharing

»Jedes neue Carsharing- Auto ersetzt zehn private.

Netto wird die Fläche also um neun Stellplätze entlastet.«

Carsharing – Teil des urbanen Mobilitätsmixes:

Wer in Großstädten lebt und kein Auto hat, kann sich jederzeit eins leihen. Seit Kurzem gibt es auch private Carsharing-Angebote. Immer mehr Besitzer vermieten ihr Auto. Bis vor weni- gen Jahren war der Begriff nur einigen Mitglie- dern der urbanen Ökoszene geläufi g, heutzutage ist Carsharing ein Massenphänomen. Die

Automobilbranche sieht die Entwicklung ambi- valent. Einerseits bauen viele Autohersteller wie BMW mit DriveNow oder Mercedes mit Car2go eigene starke Flotten auf. Andererseits verlieren die Autobauer aufgrund des Carsharings immer mehr junge potenzielle Neuwagenkunden. Die Bedeutung des Autos als Statussymbol sinkt gerade für jüngere Leute bereits rapide.

Fotos: Jan Philip Welchering, Plainpicture

14 STREITFRAGEN — Juni 2015 STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(15)

Claudia Helming, Gründerin von Dawanda

»Gefragt sind Artikel, die nicht am Fließband, sondern auf nachhaltigere Weise

produziert worden sind.«

Do-it-yourself – kreativ kann jeder sein:

Alle Produkte sollen handgemacht und individuell sein.

Bei Dawanda verkaufen mittlerweile 280.000 Personen und Kleinfi rmen ihre selbst gestalteten Produkte in niedriger Stückzahl. Ähnlich wie bei Ebay ist der Anbieter direkt und ohne Umwege mit dem Käufer in Kontakt. Seit der Marktplatz

vor sechs Jahren aus der Taufe gehoben wurde, sind die Nut- zerzahlen kontinuierlich gestiegen. Inzwischen hat Dawanda über zwei Millionen Nutzer. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von sieben Millionen Euro erwartet – nach 4,5 Millionen Euro im Vorjahr. Ehemalige Strickmuttis werden zu fl eißigen Unternehmerinnen – und die Plattform profi tiert.

Fotos: Jan Philip Welchering, Plainpicture

15 STREITFRAGEN — Juni 2015

DEZENTRAL • STÖRFAKTOR STÖRFAKTOR • DEZENTRAL

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(16)

19.750 +

Ein Zweipersonenhaushalt zahlt in Deutschland im Mittel pro Person für die Verwendung von täglich 122 Liter Trinkwasser 24 Cent pro Tag. Das schätzen rund 80 Prozent der Haushaltskunden laut einer aktuellen

BDEW-Umfrage aufgrund der Wasserqualität und Versorgungssicherheit als sehr gut, gut oder angemessen ein.

Erdgas punktet

1.

49,9

Die Deutschen heizen am liebsten mit Gas und Fernwärme

Das Image der Strom- und Gasversorger hat sich gegenüber dem Vorjahr erneut verbessert. Auf einer Skala von -5 bis +5 liegen sie nun bei 0,7. Damit steigen die Stromanbieter in der Rangfolge um zwei Plätze auf und ziehen mit den Gasversorgern gleich.

Die Wasserversorger haben beim Imageranking ihren 2. Platz hinter dem Handwerk behalten.

Im Jahr 2014 gab es 265.000 Baugenehmigungen für neue Woh- nungen. Das sind 19.750 mehr als im Jahr zuvor und entspricht einer Steigerung von 4,2 Prozent.

Prozent der 2014 neu ge - bauten Wohnungen werden mit Erdgas beheizt. Es folgt Fernwärme mit 21,1 Prozent.

Bei bestehenden Wohnungen konnte Erdgas 2014 seine Spitzen- position um 0,1 Prozent auf 49,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht ausbauen. Fernwärme legt um 0,2 auf 13,5 Prozent zu.

52 Prozent

betrug der Anteil von staatlichen Steuern und Abgaben am Strompreis für Haus- halte 2014.

Auf der Rechnung

betrug die monatliche Stromrechnung eines Haushaltes in Deutschland im Jahr 2014. Zum Vergleich: 2004 lag dieser Wert bei 52,39 Euro.

85 Euro Durchschnittlich

Guter Ruf

Fotos: Fotolia, C3; Illustration: C3 Visual Lab; Quellen: BDEW, UBA

16

STREITFRAGEN — Juni 2015

FAKTEN • ZAHLEN

(17)

Die Investitionssummen in Erneuerbare Energien haben sich von 2006 bis 2010 vor allem aufgrund der Investitionen in Photovoltaikanlagen mehr als vervierfacht, sind dann bis 2012 wieder zurückgegangen, während sie in Onshore-Windenergie und Biomasse etwa gleich geblieben sind. Der Rückgang der Inves- titionen in Photovoltaikanlagen von 2010 bis 2012 ging nicht mit einer verminderten Ausbaurate einher, sondern lag an gesunkenen Modulkosten.

Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland

1.436.115

Solaranlagen*

In Deutschland wurden 2014 insgesamt 160,6 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erneuer baren Energien erzeugt. Damit ist ihr Anteil an der Stromerzeugung weiter gewachsen und beträgt nach vorläufigen Berechnungen 26,2 Prozent.

Biomasseanlagen*

Wasserkraftanlagen*

13.589

6.794

23.024

Windenergieanlagen an Land*

* Angaben sind von 2013

9,4 9,9 12,5 13,0

18,6 23,4 20,3 16,5

Gesamtinvestitionssumme in Erneuerbare Energien (in Mrd. Euro)

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

STREITFRAGEN — Juni 2015

17 ZAHLEN FAKTEN

(18)

»Ich sehe erhebliche Lücken!«

Dr. Thilo Weichert,

Jurist und Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein

Denkt die

Branche digital?

Fotos: Malte Jäger, Olaf Bathke

18 STREITFRAGEN — Juni 2015

STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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(19)

»Big Data ist schon Realität.«

Dominik Spannheimer,

Chief Information Officer von 50Hertz Transmission

Die Energiewirtschaft steht in Sachen Digitalisierung vor gewaltigen Herausforderungen. Ist das ausreichend im

Bewusstsein der Akteure angekommen?

Moderation: TOM LEVINE

19 STREITFRAGEN — Juni 2015

DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

BDEW0115_18-23_Streitgespräch.indd 19 10.06.15 11:31

(20)

den ÜNB angeschlossen und durch die Sys- temsteuerung zentral gesteuert. Da geht es um immer komplexere Systeme, die ohne- hin nur noch digital steuerbar sind. Das sind Anlagen, in die man lokal investie- ren muss. Das ist deshalb auch ein ganz lokales Geschäft. Im Bereich Verteilung und Transport wird es neue Chancen und Möglichkeiten hinsichtlich Echtzeitüber- wachung und -messung von Anlagen ge- ben, um präventive Maßnahmen möglich zu machen. Oder beim Forecasting für bessere Vorhersageanalysen. Aber bei der Infrastruktur?

Weichert: Ich wäre mir da nicht so sicher.

Man hat das in anderen Branchen gesehen.

Da wird es nicht mehr um die verkaufte Energieleistung gehen, sondern um Energie als Zusatzangebot. Das geht ganz schnell.

Spannheimer: Je komplexer es bei Vertei- lung und Last wird, je höher die Investitio- nen in lokale Hardware ausfallen müssen, umso schwieriger sind Teile des Gesamt- systems von außerhalb zu beherrschen. Da sind Markteintritte von Google und Co.

eher unwahrscheinlich. Da bleibe ich dabei.

Weil wir gerade über Investitionen reden:

Die Energiewirtschaft will ein eigenes E- Informationsnetz aufbauen. Ist das ein sinn- voller Plan?

Spannheimer: Ja, sicher. Wir werden in Zukunft eine Fülle von intelligenten Mess- geräten im Netz verteilt haben und stärker ins Lastmanagement gehen müssen. Das ist eine Notwendigkeit, da liegen Marktchan- cen. So etwas ist mit der heutigen Tech- nik im Niederspannungsbereich gar nicht machbar. Deshalb brauchen wir ein eigenes Energie-Netzwerk, in dem wir Fernwirk- IT-Sicherheit, Datenschutz, selbst bei den

kommerziellen Marktgefahren, die durch Digitalisierung entstehen. Es ist vielen in der Industrie nicht bewusst, was da alles kommt.

Klingt ein bisschen so, als müssten wir die Digitalisierung in der Energiebranche drin- gend verhindern.

Weichert: Nein, um Gottes Willen, verste- hen Sie mich nicht falsch. Die Digitalisie- rung bietet unbestreitbar große Chancen für die Energiewirtschaft. Automation, Produktivitätsgewinne, Energieersparnis, überhaupt das fein justierte Auspegeln von Angebot und Nachfrage und die dezent- rale Einspeisung – das alles ist ohne Digi- talisierung ja gar nicht denkbar. Aber die Chancen für die Industrie sind oft auch das Risiko für die Bürger. Es werden sehr viele Daten über das Verhalten der Ver- braucher gesammelt werden. In anderen Branchen haben wir erlebt, dass solche Daten irgendwann für andere Zwecke ge- nutzt, wenn nicht sogar missbraucht wer- den – und zwar oft genug durch Markt- teilnehmer, die von außen in den Markt gekommen sind.

Spannheimer: Lassen Sie uns aber doch bitte erst einmal angucken, wie sich die Branche zukünftig aufstellt. Da wird ja viel passieren. Im Transport, im Energie- handel und in der Verteilung ist die De- zentralisierung ein Riesenfaktor für die digitale Entwicklung – und zwar in beide Richtungen. Einmal von „oben“ bis hin zum Einzelnen, das heißt durch digitale Steuerung bis hinein ins Eigenheim und ins Lastenmanagement. Aber genauso auch in die andere Richtung, vom Verbraucher in die Netze. Davon völlig unbenommen werden vermehrt dezentrale Einheiten an as Thema kennt inzwischen

jeder in der Energiebranche – die Bereitschaft hingegen, sich mit Digitalisierung auseinan- derzusetzen, gar Geld in die Hand zu nehmen und Ent- scheidungen zu fällen, ist in der Branche extrem ungleich verteilt. Auch in Politik und Verwaltung ist das Thema nicht eben von Entscheidungsfreude begleitet. Ech- te Dringlichkeit scheint zu fehlen. Dominik Spannheimer würde als Chief Information Officer (CIO) des Übertragungsnetzbetrei- bers (ÜNB) 50Hertz lieber noch mehr aufs Gaspedal drücken, denn Digitalisierung ist für ihn von zentraler Bedeutung für das Ge- lingen der Energiewende. Dr. Thilo Weichert, Chef des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein und promi- nenter Kritiker der Datensammelwut von Facebook und Co., mahnt ebenso dringlich Regulierung an – aus seiner Sicht sind mit der Digitalisierung des Energiesystems in Deutschland auch hohe Risiken verbunden.

Meine Herren, hat die Energiebranche ins- gesamt begriffen, was in Sachen Digitalisie- rung auf sie zukommt? Ist allen bewusst, dass man es da bald mit ganz neuen Playern am Markt zu tun haben dürfte und mit veränder- ten Verbraucherbedürfnissen?

Dominik Spannheimer: Man muss das dif- ferenziert sehen. Die Digitalisierung läuft in der Energiebranche nicht synchron. Im Energiemarkt, wo es um die Beziehung zwi- schen Verbraucher und Erzeuger geht, be- stimmt weiterhin das schwächste Glied in der Kette das Niveau der Digitalisierung.

Da gibt es deshalb auch durchaus noch ei- nigen Spielraum nach oben. Im Bereich der Systemführung dagegen sind Big Data, Au- tomation, Digitalisierung längst Realität.

Das heißt, bei den Mitbewerbern sind IT-Themen auch so hoch in der Hierarchie aufgestellt?

Spannheimer: Ich räume ein, dass mei- nem Arbeitgeber 50Hertz mit der Positi- on des CIO ein gewisses Alleinstellungs- merkmal zusteht.

Dr. Thilo Weichert: Womit ja schon fast bewiesen wäre, dass es bei der Industrie Nachholbedarf gibt, Herr Spannheimer.

Ich fürchte ganz grundsätzlich, dass es bei einer ganzen Reihe von Themen er- hebliche Lücken im Bewusstsein gibt: bei

»Im Energiemarkt gibt es in Sachen Digitalisierung durchaus noch einigen Spielraum nach oben.«

»Die Chancen der Industrie sind oft auch das Risiko für die Bürger.

Das darf nicht vergessen werden.«

Dominik Spannheimer

D

Dr. Thilo Weichert

20 STREITFRAGEN — Juni 2015

STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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technik, Systemtechnik, Energieversor- gung und Telekommunikation bündeln – alles natürlich immer verbunden mit höchs- ter IT-Sicherheit. Das ist im ISMS (dem Managementsystem für Informationssi- cherheit, die Red.) im übrigen auch schon so gefordert.

Pardon, aber zeigen nicht die Erfahrungen mit dem Netzwerk Herkules bei der Bundeswehr oder BOSS, dem Netz der Sicherheitsbehör- den, dass große, staatliche Digitalprojekte nicht effizient sind?

Weichert: Es hat solche staatlichen Fehl- planungen gegeben, gar keine Frage. Aber zum Glück müssen wir für das Energiein- formationsnetz ja nicht alles neu erfinden.

Wir können die physische Struktur des Da- tennetzes nutzen, wenn wir sie gründlich genug entkoppeln von der offenen Netz- struktur des Internets. Ich halte es dabei für absolut unabdingbar, dass wir dieses Energie-Netz vom Internet komplett ab- schotten und absichern. Angriffe, wie wir sie vom offenen Netz kennen, wären für die Energieversorgung viel zu gefährlich.

Da geht es nicht mehr um Hacking und Datenklau, da geht es gleich um Sabotage.

Spannheimer: Da haben Sie Recht, Herr Weichert – die Risiken wären enorm. Zu- gleich glaube ich aber kaum, dass wir die technische Entwicklung, die klar in Rich- tung Internet geht, hier aufhalten können.

Wir werden ganz sicher auch das Internet als eines der Netzwerke der Energiewirt- schaft nutzen müssen. Aber in der Tat wird es darauf ankommen, ein Netz der Ener- gie sehr stark vom Internet abzuschotten.

Was uns letztendlich beschäftigen wird, ist die Frage der Abgrenzung. Mal angenom- men, der Verbraucher ist mit einem intel- ligenten Strommessgerät unterwegs, das

Informationen an das Energie-Netz liefert und gleichzeitig Informationen dort zieht.

Dann darf er nur bis zu einem klar defi- nierten Punkt kommen, nicht weiter. Die andere Richtung ist nicht so problematisch.

Weichert: Sagen Sie. Auch ganz unten gibt es Grenzen. Es darf nicht so weit gehen, dass man in den Privatbereich eindringt. Ich habe ja kein Problem damit, wenn aggre- gierte, anonymisierte Daten aufgenommen werden. Aber bis auf die Haushaltsebene oder gar bis auf die Geräteebene zuzugrei- fen, das ist völlig undenkbar. Und es ist nicht nachhaltig. Wenn hier nicht gegen- gesteuert wird, wenn wir nicht die tech- nische Sicherheit schaffen, dann wird das zu größeren Ausfällen führen. Auch nor- mativ. Wir brauchen abgeschottete Netze und Schnittstellen, die gut überwacht und kontrolliert werden.

Spannheimer: Da liegen wir gar nicht so weit auseinander. Wir müssen nur unter- scheiden: Geht es um Kilowatt oder Kilo- wattstunde? Das Kilowatt brauchen wir, damit die Netze stabil bleiben. Da muss es auch in Zukunft eine übergeordnete Instanz geben, die die verschiedenen Lie- feranten, die Aggregatoren beliefern und überwachen kann. Veranschaulichen kann man das gut am Beispiel Lastmanagement.

Wird zu viel Strom ins Netz eingespeist, zum Beispiel durch eine Starkwindfront, kann das Netz instabil werden. Dezentral lässt sich so ein Problem nicht lösen. Bei der Betrachtung der Kilowattstunde, also im wettbewerblichen Bereich, auf der Ebene der Stadtwerke und Messstellendienstleis- ter, da wird man sich viel breiter aufstellen müssen – oder vom Markt verschwinden.

Sind das dann diejenigen, die mit den von Herrn Dr. Weichert genannten Daten ihr Geld verdienen werden?

Spannheimer: Am Ende sind heute viele Firmen überfordert, mit ihren Daten über- haupt etwas anzufangen. Da wird man noch viel Wissen aufbauen müssen. Wir selbst bei 50Hertz leben Big Data schon in der Sys- temsteuerung. Aber wie man da auf Ver- braucherseite einen Business Case aus den transparenten Daten machen soll, ist nicht unser Thema als ÜNB. Das Endkunden- und Handelsgeschäft sieht anders aus als unseres.

Weichert: Ich wäre mir da nicht so sicher,

dass Big Data-Instrumente schwer hand- habbar sind. Für kleine und mittelstän- dische Unternehmer wird es sehr bald möglich sein, Daten zu nutzen und aus- zuwerten. Wir müssen aber das, was im In- ternet passiert ist, also die völlige Anarchie und 100-prozentige Verletzung der Privat- sphäre, im Energiebereich verhindern. Da werden wir regulatorisch gegenhalten müs- sen. Da wird einiges auf uns zukommen, spätestens dann, wenn Geräte stärker ihre eigene digitale Identität entwickeln wie bei Smart Home und Smart City. Da wird es bis in den intimsten Lebensbereich gehen.

Spannheimer: Ich halte es für schwierig, den Endverbraucher zu sensibilisieren, dass seine Daten schützenswert sind. Abgese- hen von der ein oder anderen Klage gegen Facebook sind die Menschen doch augen- scheinlich gern bereit, etwas von ihren Da- ten preiszugeben. Das Nutzerbewusstsein ist da noch entwicklungsfähig.

Weichert: Die Gesetzgeber beziehungswei- se die Gerichte sind in der Pflicht, das sehe ich auch so. Doch die Politik hält sich hier bislang vornehm zurück. Ich glaube aber, dass wir gerade den Anfang eines Prozesses erleben, in dem die Regulierung sich von den Erwartungen mancher Marktapologe- ten emanzipiert. Selbst Google und Face- book kommen unter regulatorischen Druck.

Spannheimer: Ich glaube eher, dass die Diskussion sich gerade dreht. Erst ging es um Technik, um gewisse Standards, um IP für alle bis hin zum Smart Meter. Jetzt beginnt man zu überlegen: Wie sieht der Prozess aus, wie die gesetzlichen Rahmen- bedingungen? Es ist sicher so, dass hier der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird.

Aber immerhin.

»Ich glaube nicht, dass wir die

Entwicklung, die klar in Richtung Internet geht, auf- halten können.«

»Bis auf die Haus- haltsebene, gar auf die Geräteebene zuzugreifen, das ist völlig undenkbar.«

Dr. Thilo Weichert

Dominik Spannheimer

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DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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Sie sehen weder, welche Folgen eine Um- wälzung der Technik haben, noch woher diese kommen könnte.

Revolutionen finden eher in Nischen statt.

Das ist doch nicht bedrohlich.

Spannheimer: Das Prinzip der disrupti- ven Technik ist ja so: Ein kleines Un- ternehmen probiert eine neue Technik in einer kleinen Nische aus und weitet diese Nische dann mehr und mehr aus.

Wenn man da nicht mitspielt oder das nicht mitbekommt, dann ist man ganz schnell nicht mehr an der Stelle, wo man Weichert: Das kennen wir aus anderen

Lebensbereichen, dass es eine Ungleich- zeitigkeit der tatsächlichen Entwicklung und dem politischen Reagieren gibt. Gu- cken Sie sich das neue IT-Sicherheitsge- setz an. Eine große Weiterentwicklung stellt das nicht dar.

Woran fehlt es denn nun: An öffentlichem Interesse oder an politischer Regulierung?

Spannheimer: Betrachtet man die Ener- giewirtschaft als Ganzes, dann ist fest- zustellen, dass viele sich nicht bewusst darüber sind, was da auf sie zukommt.

von der Marktrolle her hingehört. Das ist wie damals, als die Glühbirne die Kerzen überholt hat.

Weichert: Aber da geht es wiederum nicht nur um die Ökonomie und um Marktrollen. Gesellschaftlich gesehen kann es durch den unregulierten, un- kontrollierten Einsatz disruptiver Tech- nologien nicht nur kleine Defekte geben, sondern Systemabstürze mit gewaltigen Folgen. Das kann bis hin zum Totalaus- fall von Energie und sonstiger Grund- versorgung wie Abfall- und Wasser- wirtschaft reichen. Die Technik kann uns auch zurück ins Mittelalter schie- ßen. Darüber sollte man sich klar sein.

Spannheimer: Wir beobachten alle neu- en Technologien dort, wo sie auftauchen, ganz genau. Wie passen diese Techno- logien zu uns, zu unserem System? Was können wir lernen, was übernehmen?

Wie steht es mit Safety, Security, Pri- vacy? Das ist unser Mantra.

Aber wird Regulierung etwas nützen, wenn der Verbraucher seine Daten einfach frei- gibt, weil er sich damit einen Vorteil er- kauft? Oder weil es dann irgendwann zum guten Lifestyle gehört, seinen Kühlschrank vom Energieversorger steuern zu lassen?

Weichert: Im Moment ist das noch nicht abzuschätzen, weil die Entwicklung von Apps und Smart Meter nicht so weit fort- geschritten ist und deshalb die Attrakti- on für den Endverbraucher fehlt. Seine Kaffeemaschine fünf Minuten vorglü- hen zu lassen, bevor man nach Hause kommt, oder vom Büro aus schon mal die Heizung hochdrehen: Das sind Din- ge, die sind mit Verlaub nicht besonders

Dr. Thilo Weichert

»Seine Kaffee- maschine fünf Minuten

vorzuglühen – das ist nicht

besonders sexy.«

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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Dominik Spannheimer

Kommentare zum Thema auf streitfragen.de/debatten sexy. Aber das kann sich natürlich in kür-

zester Zeit ändern, wenn es Anwendungen gibt, die das Leben wirklich leichter ma- chen. Dafür bedarf es einer regulatori- schen Vorbereitung, damit diese Techno- logie auch mit Datenschutz freundlichen Techniken umgesetzt wird. Leider gibt es dafür allerdings nicht das Bewusstsein in der Politik, und zum Teil auch nicht beim Endverbraucher. Ein riesiges Problem ist zudem, dass die behördliche Seite katast- rophal ausgestattet ist.

Spannheimer: Ich denke auch, dass es ir- gendwann Mittel und Wege geben wird, entsprechende Apps cool zu machen. Die- se werden sich dann auch verbreiten. Das wird man nicht verhindern können. Aber was verhindert werden kann und muss, ist Sabotage – also die Möglichkeit, über solche Apps in die Netze einzudringen.

Im vermaschten Netz werden sich die Ri- siken exponentiell vermehren. Und es gibt da nicht die Option, erst after event oder post mortem zu reagieren.

Sind wir denn für solch einen Ernstfall aufgestellt?

Spannheimer: Nein, was die neuen, noch nicht eingesetzten Techniken auf IP-Basis angeht, ist die Branche weit davon entfernt.

Und selbst wenn wir schon viel weiter wä- ren: Es wird nie 100-prozentige Sicherheit geben, sondern nur notwendige, erreich- bare Resilienzgrade, Härtungsgrade und Stabilitätsgrade. Wenn ein kleines System ausfällt, muss einfach sichergestellt werden, dass der Rest weiterläuft. Wenn größere Systeme ausfallen, muss die Fähigkeit zum Schwarzstart vorgehalten werden. Und je- der wird damit rechnen müssen, dass das System bei der Nutzung von neuen IP-Tech-

niken insgesamt lokal weniger stabil wird.

Weichert: Genau das diskutieren die Ener- gieunternehmen aber doch viel zu wenig.

Man kann das ja auch verstehen – das ist noch zu weit vom täglichen Geschäft ent- fernt. Aus regulatorischer Sicht aber bräuch- ten wir diese Diskussion jetzt ganz drin- gend. Aber erst wenn die Branche darüber redet, was die Digitalisierung für Folgen haben wird, positive wie negative, kann man das Thema auch der Politik und den Konsumenten und den Medien vermitteln.

Spannheimer: Wobei wir nicht glauben sollten, dass wir viel Zeit haben. Die Inno- vationen werden auch von Externen kom-

men, ohne große Vorwarnung. Und dann werden wir der Evolutions- und Innova- tionsgeschwindigkeit nichts entgegenset- zen können. Die Standards müssen dann schon da sein.

Weichert: Und um das anzudrehen, da ist gefordert, wer am besten Bescheid weiß:

die Industrie.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

»Es wird nie 100-prozentige Sicherheit geben, sondern nur

notwendige

Resilienzgrade.«

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH

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24.412

820

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3.119 548

2.569 11.950

263

495

116 5.180

1.340 107

107 1.270 153 3.738

61 4.014

4.287

4.236 43

1.535 11.122

15.068

7.862 11

2.566

5.677 994

1.112 185

1.057 172

965

9.582 3.040

831 24.340

348

3.983 4.529

705 14

14.788

10.000 2.889

15.522

5.821 11.475

4.591

5.484 14.477

3.831

9.204

523

9.398 7.681

3.502 18.502

204

6

57

9.358 773

4.694 3.811

1.778

3.091 107

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6.267

547

2.395 5.963

7.247 6.343

244 3.017

5

44 3.522

3.804

SCHWEIZ 32.439 | 28.116 | 4.323 NIEDERLANDE

17.899 | 32.853 | -14.954

BELGIEN 4.190 | 21.698 | -17.508 GROSSBRITANNIEN

3.704 | 23.169 | -19.465

DÄNEMARK 9.801 | 12.785 | -2.984

SCHWEDEN 32.513 | 16.148 | 16.365

FINNLAND 3.858 | 21.966 | -18.108

ESTLAND 6.530 | 3.712 | 2.818

LETTLAND 3.023 | 5.338 | -2.315 LITAUEN

897 | 8.520 | -7.623

IRLAND 672 | 2.813 | -2.141

ÖSTERREICH 18.791 | 28.044 | -9.253 DEUTSCHLAND

74.591 | 38.893 | 35.698

ITALIEN 3.008 | 46.756 | -43.748 FRANKREICH

73.575 | 7.799 | 65.776

SPANIEN 15.481 | 12.308 | 3.173

LUXEMBURG

DEUTSCHLAND

FRANKREICH BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923 PORTUGAL

6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN 32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND 684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN 8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN 13.774 | 4.323 | 9.451 UNGARN

5.695 | 19.083 | -13.388 SLOWAKEI 11.861 | 12.964 | -1.103 TSCHECHIEN

32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN 11.341 | 13.509 | -2.168

SLOWENIEN 9.962 | 7.249 | 2.713 24.412

820

27

3.119 548

2.569 11.950

263

495

116 5.180

1.340 107

107 1.270 153 3.738

61 4.014

4.287

4.236 43

1.535 11.122

15.068

7.862 11

2.566

5.677 994

1.112 185

1.057 172

965

9.582 3.040

831 24.340

348

3.983 4.529

705 14

14.788

10.000 2.889

15.522

5.821 11.475

4.591

5.484 14.477

3.831

9.204

523

9.398 7.681

3.502 18.502

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9.358 773

4.694 3.811

1.778

3.091 107

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2.395 5.963

7.247 6.343

244 3.017

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3.804

SCHWEIZ 32.439 | 28.116 | 4.323 NIEDERLANDE

17.899 | 32.853 | -14.954

BELGIEN 4.190 | 21.698 | -17.508 GROSSBRITANNIEN

3.704 | 23.169 | -19.465

DÄNEMARK 9.801 | 12.785 | -2.984

SCHWEDEN 32.513 | 16.148 | 16.365

FINNLAND 3.858 | 21.966 | -18.108

ESTLAND 6.530 | 3.712 | 2.818

LETTLAND 3.023 | 5.338 | -2.315 LITAUEN

897 | 8.520 | -7.623

IRLAND 672 | 2.813 | -2.141

ÖSTERREICH 18.791 | 28.044 | -9.253 DEUTSCHLAND

74.591 | 38.893 | 35.698

ITALIEN 3.008 | 46.756 | -43.748 FRANKREICH

73.575 | 7.799 | 65.776

SPANIEN 15.481 | 12.308 | 3.173

LUXEMBURG

DEUTSCHLAND

FRANKREICH BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923 PORTUGAL

6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN 32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND 684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN 8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN 13.774 | 4.323 | 9.451 UNGARN

5.695 | 19.083 | -13.388 SLOWAKEI 11.861 | 12.964 | -1.103 TSCHECHIEN

32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN 11.341 | 13.509 | -2.168

SLOWENIEN 9.962 | 7.249 | 2.713

Energieaustausch in GWh Exportüberschuss

Importüberschuss

>20.000 10.000 bis 20.000

0 bis 5.000 0 bis -5.000 -5.000 bis -10.000 -10.000 bis -20.000

<-20.000

5.000 bis 10.000 Energieexport

Export | Import |SaldoLAND

Keine Angaben

Nicht- EU-Länder

Quelle: ENTSO-E; Illustration: C3 Visual Lab

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KARTE • STROMLIEFERUNG

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