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U NTERSUCHUNGEN ZUR ANGIOGENETISCHEN W IRKUNG DES HMGB1

3.3 W EITERFÜHRENDE FUNKTIONELLE U NTERSUCHUNGEN DES HMGB1 UND SEINES R EZEPTORS

3.3.3 U NTERSUCHUNGEN ZUR ANGIOGENETISCHEN W IRKUNG DES HMGB1

Schnelles Tumorwachstum führt häufig durch unzureichende Vaskularisierung zu hypoxischen Arealen innerhalb der Neoplasie und damit einhergehend zu

ERGEBNISSE

unzureichender Sauerstoffversorgung der Tumorzellen (Pugh und Ratcliffe, 2003).

Die Hypoxie kann sowohl die Apoptose betroffener Tumorzellen induzieren, jedoch auch zur Nekrose führen (Leek et al., 1999; Harris, 2002). Ein bekannter, dieser Wachstumslimitierung entgegenwirkender, Mechanismus ist die Sezernierung angiogenetischer Faktoren durch hypoxische Tumorzellen, um so die Neubildung und das Wachstum von Blutgefäßen anzuregen (Bergers und Benjamin, 2003).

Kürzlich wurde in der Literatur beschrieben, dass HMGB1 sowohl von nekrotischen Zellen freigesetzt (Scaffidi et al., 2002), als auch von aktivierten Makrophagen sezerniert wird (Guazzi et al., 2003).

In dieser Arbeit konnte durch immunhistochemische Untersuchungen eine starke HMGB1 Positivität aller Makrophagen in nekrotischen Arealen humaner Brustkrebstumoren nachgewiesen werden. Daraufhin wurden mögliche angiogenetische Effekte des HMGB1 in einem dreidimensionalen Spheroid-Modell humaner Endothelzellen untersucht. Erstmalig konnte gezeigt werden, dass die exogene Applikation von rekombinantem HMGB1 dosisabhängig sowohl die Migration von Endothelzellen als auch die Gefäßaussprossung induziert. Abhängig von der getesteten HMGB1 Konzentration von 0,08 µg/ml bis 2,0 µg/ml wurde das Auswachsen Kapillar-ähnlicher Endothelaussprossungen mit einer Länge von 221 µm bis 394 µm statistisch signifikant (p<0,0001) induziert.

DISKUSSION

4 D

ISKUSSION

Die Komplexität eines Organismus wird häufig als Anzahl unterscheidbarer Zelltypen, aus denen sich der Organismus aufbaut, verstanden. Dabei nimmt die Zahl unterscheidbarer Zelltypen von Einzellern zu Vielzellern und innerhalb dieser von Algen zu Blütenpflanzen sowie von einfachen Wirbellosen zu Wirbeltieren deutlich zu (Bonner, 1988).

Die Komplexität eines Organismus korreliert jedoch nicht mit seiner Genomgröße, so ist z. B. das haploide Genom des Homo sapiens mit 3 x 109 bp ungefähr 200 mal kleiner als das der Amoeba dubia mit 6,7 x 1011 bp (http://www.genomenewsnet-work.org, Zugriff am 03.04.2004). Die Tatsache, dass kein Zusammenhang zwischen Genomgröße und Komplexität eines Organismus besteht (Li und Graur, 1990), prägte in den Anfängen der Genomforschung, als DNA ausschließlich als chemische Basis von Genen betrachtet wurde, der DNA-Gehalt somit direkt mit der Genzahl korreliert wurde, den Begriff des C-Wert-Paradoxons (C-value paradox) (Thomas, 1971). Untersuchungen zur Bestimmung der DNA-Renaturierungskinetik zeigten jedoch, dass die genomische DNA vieler Eukaryoten zum größten Teil aus repetitiven Sequenzen besteht (Bonner et al., 1973; Davidson et al., 1973).

Unterschiede in der Genomgröße sind somit zum größten Teil auf Unterschiede im relativen Anteil repetitiver Sequenzen am Genom eines Organismus zurückzuführen (John und Miklos, 1988).

Das humane Genom besteht nur zu etwa 1,1% (Venter et al., 2001) bis 1,5% (Lander et al., 2001) aus kodierenden Sequenzen, welche zu ca. 35.500 Protein-kodierenden Genen gehören (Lander et al., 2001; Venter et al., 2001). Die Komplexität des Transkriptoms ist jedoch weitaus höher. Ursache hierfür ist zu einem wesentlichen Teil das alternative Spleißen von Genen. Aktuelle Untersuchungen belegen, dass zwischen 35% und 60% aller humanen Gene alternativ gespleißt werden (Brett et al., 2000; Kan et al., 2001; Lander et al., 2001; Modrek et al., 2001). Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich im Wesentlichen mit molekulargenetischen Untersuchungen zum Spleißen ausgewählter Gene der High Mobility Group Proteine. Die HMG-Proteine gehören zur Gruppe der Chromatin-assoziierten Nicht-Histon-HMG-Proteine und induzieren durch ihre DNA-Bindung eine Konformationsänderung der DNA bzw. des Chromatins (Wolffe, 1994). Durch diese architektonische Funktion, welche die Bindung von Transkriptionsfaktoren an die DNA und ihre Interaktion mit anderen

DISKUSSION

Proteinen beeinflußt, sind die HMG-Proteine indirekt an der Transkriptionsregulation einer großen Anzahl von Genen beteiligt (Übersicht in Bustin und Reeves, 1996). Für eine Vielzahl von HMG-Genen wurde eine deregulierte Expression, z. B. als Folge chromosomaler Rearrangierungen, mit der Genese sowohl benigner als auch maligner Tumoren korreliert.

Aberrationen des, in der chromosomalen Region 12q14-15 lokalisierten, HMGA2 gehören zu den häufigsten Aberrationen in benignen Tumoren des Menschen (Rogalla et al., 1998c). Betroffen sind u. a. Uterus-Leiomyome (Kazmierczak et al., 1995), Lipome (Ashar et al., 1995), pleomorphe Adenome der Kopfspeicheldrüsen (Schoenmakers et al., 1995), chondroide Lungen-Hamartome (Kazmierczak et al., 1996) sowie Endometrium-Polypen (Bol et al., 1996). Obwohl auch Bruch-Ereignisse im Intron 4, sowie in den unmittelbar flankierenden Bereichen des HMGA2 beschrieben wurden (Wanschura et al., 1995), läßt sich eine Clusterung der Bruchpunkte im Intron 3 des Gens nachweisen (Hennig et al., 1996). Die Rearrangierung des HMGA2 korreliert dabei mit der Reexpression, unter Entstehung zumeist aberranter Transkripte, des ansonsten in differenzierten Zellen nicht exprimierten Gens (Patel et al., 1994; Rogalla et al., 1997). Neben einer Vielzahl von HMGA2-Fusionstranskripten, als Resultat intragenischer Rearrangierungen unter Beteiligung unterschiedlicher Fusionspartner-Gene, wurden häufig in Tumoren kryptische HMGA2-Transkripte detektiert, deren ektopische 3’ terminale Sequenzen mittels CASH-PCR auf Chromosom 12 lokalisiert werden konnten. Eine Hypothese zur Entstehung dieser Transkripte war, dass sie das Resultat lichtmikroskopisch nicht detektierbarer Mikroaberrationen des HMGA2-Lokus sind, die ektopischen Sequenzen somit Anteile anderer Gene darstellen, die durch Inversion oder Deletion mit dem HMGA2 fusionierten. Eine andere Hypothese besagte, dass es sich bei den aberranten HMGA2-Transkripten um aberrante Spleißprodukte des Gens, als Folge nicht dokumentierter Aberrationen des Gen-Lokus mit Verlust der terminalen Exons bzw. ihrer Spleißakzeptorstellen, handelte.

Um den Entstehungsmechanismus dieser aberranten HMGA2-Transkripte zu klären, wurde daher im Rahmen dieser Arbeit erstmalig das gesamte bis dato noch nicht charakterisierte Intron 3 und 4 des HMGA2-Gens kloniert, sequenziert und in silico-Analysen unterzogen. Es zeigte sich, dass insgesamt 5 der zuvor in der Literatur beschrieben Sequenzen, die in den aberranten HMGA2-Transkripten direkt dem

DISKUSSION

beschrieben Sequenzen, die in den aberranten HMGA2-Transkripten direkt dem Exon 4 folgen, konnte eine Lokalisation im Intron 4 des Gens nachgewiesen werden.

Somit konnte die Hypothese widerlegt werden, dass es sich bei diesen aberranten HMGA2-Transkripten um Fusionstranskripte mit Anteilen unbekannter, auf Chromosom 12 lokalisierter, Gene handelte. Diese, sich in ihrem jeweiligen terminalen Exon voneinander unterscheidende, HMGA2-Varianten sind somit Spleißprodukte des HMGA2-Gens.

Diese HMGA2-Spleißvarianten wurden sowohl in Zelllinien als auch primären benignen Tumoren wie Uterus-Leiomyomen, Lipomen und chondroiden Hamartomen der Lunge beschrieben sowie in malignen Tumorerkrankungen, wie akuten und chronischen myeloischen Leukämien. Als Entstehungsmechanismus wurde im Falle von Tumoren mit bekannten Rearrangierungen des HMGA2-Lokus die Verwendung kryptischer Spleißstellen nach Verlust der terminalen Exons in Folge von Deletionen bzw. Translokationen postuliert. Bei Tumoren, für die in der Literatur keine Rearrangierungen mit Involvierung der chromosomalen Bande 12q14-15 beschrieben wurde, wurde vermutet, dass nicht detektierte Mikroaberrationen für die Entstehung der Spleißvarianten ursächlich waren. Einen Sonderfall stellte die SV40 transformierte Lipom-Zelllinie Li-14 dar. Bei dieser Zelllinie mit der Translokation t(3;12)(q28;q13-15) ist ein HMGA2-Allel in die Entstehung des HMGA2/LPP-Fusionsgens involviert, wobei der Bruchpunkt auf Seite des HMGA2 im Intron 3 des Gens lokalisiert ist. Das in dieser Zelllinie ebenfalls exprimierte native HMGA2-Transkript muß folglich vom zweiten, von chromosomalen Aberrationen nicht betroffenen, Allel stammen. Dem Entstehungsmechanismus der in Li-14 ebenfalls nachgewiesenen HMGA2-Variante, bestehend aus den ersten 4 Exons des Gens, terminiert von einer aus dem Intron 4 stammenden Sequenz (GenBank #U29114), kann daher keine Deletion des Exon 5 oder eine Spleißstellenmutation dieses Exons des zweiten Allels zu Grunde liegen. Es wurde daher postuliert, dass die Koexpression dieser HMGA2-Spleißvariante neben dem nativen HMGA2-Transkript, das Resultat nicht detektierter Aberrationen stromabwärts des HMGA2, welche das Spleißverhalten des Gens beeinflussen, ist (Hauke et al., 2001). Ein analoger Mechanismus war für die Entstehung von Lipomen mit Bruchpunkten außerhalb des HMGA1-Gens postuliert worden. Diese Bruchpunkte wurden mit der Entstehung kleiner intragenischer Deletionen korreliert, welche aberrantes Spleißen des HMGA1 induzierten (Tkachenko et al., 1997). So können Mutationen intronisch lokalisierter

DISKUSSION

cis-aktiver Suppressor- oder Aktivator-Elemente die basale Spleißmaschinerie deregulieren und die Entstehung aberranter Spleißprodukte zur Folge haben (Grabowski, 1998; Smith und Valcarcel, 2000).

Die HMGA2-Transkripte, nachgewiesen in der Zelllinie Li-14, waren der erste Beleg für eine Koexpression zweier unterschiedlicher Spleißvarianten von einem intakten, weder von chromosomalen Aberrationen noch von Punkt-Mutationen direkt betroffenen, HMGA2-Allel.

Im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Expressionsanalysen zur Detektion des nativen HMGA2-Transkripts und fünf seiner, in der Literatur und in EST-Datenbanken am häufigsten beschriebenen, Varianten, mit terminalen Exons lokalisiert im Intron 3 des Gens, ergaben, mit wenigen Ausnahmen, eine Koexpression der verschiedenen HMGA2-Transkripte. Eine Expression war sowohl in kultivierten Tumorzellen mit bekannter chromosomaler Aberration des HMGA2-Lokus, wie dem Uterus Leiomyom LM-30.1 aber auch in primären fötalem Normalgewebe und in kultivierten humanen Fibroblasten, bei denen chromosomale Rearrangierungen mittels FISH-Analysen ausgeschlossen worden waren, nachweisbar. Die Detektion in Normalgeweben ist ein deutliches Indiz für eine generelle Koexpression der verschiedenen HMGA2-Varianten als Folge alternativen Spleißens der HMGA2 prä-mRNA und nicht als Folge aberranten Spleißens nach Aberration des HMGA2-Lokus.

Unterstützung findet dieser erste Hinweis auf alternatives Spleißen des HMGA2-Gens durch molekulargenetische Analysen der potentiellen alternativen terminalen Exons. Für das korrekte Spleißen von „GT-AG“ Introns, zu deren Gruppe auch die Introns des HMGA2 gehören, aus prä-mRNA höherer Eukaryoten durch Spleißosomen, sind drei distinkte intronische Sequenzabschnitte notwendig, die 5’ Spleißdonorstelle, die Verzweigungsstelle (branch site) und die 3’ Spleißakzeptorstelle (Gaur et al., 2000). Das 5’ Ende der U1-snRNA, Bestandteil des Spleißosoms, lagert sich an die komplementäre Konsensussequenz der 5’ Spleißdonorstelle. Analog bindet die U2-snRNA an die Verzweigungsstelle. Das terminale G-Nukleotid der Spleißdonorstelle greift anschließend nukleolytisch die 2’-OH-Gruppe des zentralen Adenosins der Verzweigungsstelle an, es entsteht eine lassoähnliche Struktur, Lariat genannt. Schließlich kommt es zur Spaltung 3’ des AG-Dinukleotids der Spleißakzeptorstelle, das Lariat wird freigesetzt, die Exons miteinander verbunden. Molekulargenetische Untersuchungen zum Spleißen führten

DISKUSSION

(A/C)AG|GT(A/G)AGT (Green, 1986), die Verzweigungsstelle (branch site) (T/C)N(C/T)(T/C)(A/G)A(C/T) (Senapathy et al., 1990; Harris und Senapathy, 1990;

Ruskin et al., 1984) und der 3’ Spleißakzeptorstelle (T/C)nN(C/T)AG|G (Mount, 1982). Abweichungen der Motive von der Konsensussequenz können eine merklich herabgesetzte Affinität des Spleißosoms zur Folge haben (Clark und Thanaraj, 2002).

Die 3’ Spleißakzeptorstellen der alternativen terminalen HMGA2-Exons A (GenBank

#U29117), C (GenBank #U29113), E (GenBank #H98218), F (GenBank #U29119) und H (GenBank #U29112), lokalisiert im Intron 3 des Gens, weisen in allen Fällen das hoch konservierte, kritische AG-Dinukleotid auf (Reed und Maniatis, 1985;

Ruskin und Green, 1985; Reed, 1989). Dies ist auch bei den alternativen terminalen HMGA2-Exons mit den GenBank-Nummern U29120, U29115 und U29114, lokalisiert im Intron 4 des Gens der Fall. Darüber hinaus finden sich bei allen terminalen Exons leichte Abweichungen von der Konsensussequenz der 3’ Spleißakzeptorstelle. Diese zeigen sich jedoch auch bei den Exons 4 und 5 des Gens, mit denen diese Spleißstellen in Konkurrenz stehen.

Analog verhält es sich bei Vergleichen mit der Konsensussequenz der Verzweigungsstelle. In silico Analysen zeigten, dass vor jedem der o. g. HMGA2-Sequenzen, innerhalb eines Abschnittes von 10 bis 50 Nukleotide stromaufwärts des AG-Dinukleotids der Spleißakzeptorstelle, eine Lariat-Verzweigungsstelle lokalisiert ist, die der Konsensussequenz mit maximal einer Abweichung entspricht. Ebenso wie die Verzweigungsstellen der HMGA2 Exons 2 bis 5, die durchgehend in einem Nukleotid von der Konsensussequenz abweichen, ist in keinem Fall das zentrale Adenosin, an dessen 2’-OH-Gruppe die Phosphodiesterbindung des Lariats gebildet wird, von einer Basensubstitution betroffen.

Mit Ausnahme der Exons E und U29114 ließ sich in den 3’UTRs der alternativen terminalen Exons in allen Fällen ein potentielles poly(A)-Signal nachweisen, welches, ebenso wie das des Exon 5, der Konsensussequenz (A/C)(A/T)TAA entsprach (MacDonald und Redondo, 2002). Im Falle des Exons U29114 zeigte sich eine Basensubstitution, im Exon E war kein solches Motiv detektierbar. Studien belegen jedoch, dass in etwa 30% aller mRNAs das poly(A)-Signal stark von der bekannten Konsensussequenz abweichen kann (MacDonald und Redondo, 2002). Daher ist auch im Falle der terminalen Exons E und U29114 eine korrekte Polyadenylierung und 3’ Prozessierung denkbar.

DISKUSSION

Bei den hier nachgewiesenen HMGA2-Varianten mit alternativen terminalen Exons ist die 5’ Spleißdonorstelle des Introns 3 bzw. 4 ohne Relevanz, da diese unverändert ihre Funktion erfüllt. Nähere Untersuchungen hierzu wurden daher nicht durchgeführt.

Die durchgeführten in silico-Analysen stützen, durch den Nachweis für die korrekte mRNA-Prozessierung essentieller Sequenzmotive, die Annahme, dass es sich bei den in dieser Arbeit nachgewiesenen HMGA2-Varianten um alternative Transkripte des Gens handelt.

Zusätzlich durchgeführte Northern Blot-Analysen bestätigten in der Lipom-Zelllinie Li-14 neben dem nativen HMGA2-Transkript, bestehend aus den Exons 1 bis 5, die Existenz weiterer HMGA2-Transkripte, bestehend aus den Exons 1 bis 3, nicht jedoch den Exons 4 und 5 (Hauke et al., in Vorbereitung). Eine nähere molekulargenetische Aufklärung der Struktur dieser Transkripte, durch Hybridisierung mit Sonden spezifisch für die oben beschriebenen terminalen Exons, konnte bislang nicht durchgeführt werden. In Northern Blot-Analysen an mRNA humaner zellkultivierter Fibroblasten konnte lediglich das native HMGA2-Transkript nachgewiesen werden (Hauke et al., in Vorbereitung). Dies wird jedoch, aufgrund der mittels RT-PCR nachgewiesenen Koexpression der verschiedenen Transkripte, auf eine zu geringe Sensitivität der Northern Blot-Analyse zurückgeführt, die nicht hoch genug war, um andere HMGA2-Transkripte, mit einer möglicherweise geringeren Expressionsstärke, nachzuweisen. Northern Blot-Analysen der myeloischen Leukämie-Zelllinien BV173 und ML3 belegen jedoch die Expression eines HMGA2-Transkripts mit dem alternativen terminalen Exon A in diesen Zelllinien ohne zytogenetisch detektierbare Aberrationen des HMGA2-Lokus (Kottickal et al., 1998).

Bioinformatische Untersuchungen ergaben für die alternativen HMGA2-Transkripte eine Transkriptlänge von ca. 1,2 kb bis 1,8 kb. Damit sind die Transkripte aufgrund des Verlustes des 3 kb langen 3’UTRs, generiert durch das Exon 5, deutlich kürzer als das native HMGA2-Transkript mit 4,1 kb (Chau et al., 1995; Ashar et al., 1996). In einer früheren Studie konnten in 3 von 33 untersuchten Uterus Leiomyomen mittels RT-PCR HMGA2-Transkripte nachgewiesen werden, die zwar aus den, die DNA-bindenden-Domänen kodierenden, ersten 3 Exons des HMGA2, nicht jedoch den Exons 4 und 5 bestanden. Parallel durchgeführte Western Blot-Analysen detektierten in diesen Fällen anstatt des 18 kDa Wildtyps HMGA2-Varianten mit 19,5 kDa,

DISKUSSION

Tumoren weder zytogenetisch charakterisiert wurden, noch die aberranten HMGA2-Transkripte oder –Proteine weitergehend untersucht wurden, läßt sich über die Genese diese Varianten nur spekulieren. Zum einen könnte es sich bei den in dieser Studie nachgewiesenen Varianten um HMGA2/RAD51L1 Fusionstranskripte/-varianten handeln, typisch für Uterus Leiomyome mit Translokation t(12;14)(q15;q23-24). Zum anderen könnte es sich um, in dieser Arbeit beschriebene, alternative HMGA2-Varianten handeln, verstärkt exprimiert durch eine Deregulation des HMGA2-Lokus. Bei den alternativen Spleißprodukten mit terminalen Exons lokalisiert im HMGA2 Intron 3, werden die 27 AS, kodiert durch die Exons 4 und 5, ersetzt durch 8 (Exon C) bis 65 (Exon F) Aminosäuren. Im Falle der Spleißvarianten mit terminalen Exons lokalisiert im HMGA2 Intron 4, werden die 16 AS des Exons 5 durch 2 (Exon U29114) bis 25 (Exon U29115) Aminosäuren ersetzt. Analog der Resultate der Western Blot-Untersuchungen der Uterus Leiomyome besitzen die alternativen HMGA2-Proteine im Vergleich zum Wildtyp-Transkript somit annähernd gleiche, höhere aber auch niedrigere Molekulargewichte.

Sequenz- und Datenbankanalysen der deduzierten Aminosäuresequenzen ergaben weder für die alternativen HMGA2-Transkripte mit terminalen Exons generiert aus dem Intron 3, noch aus dem Intron 4, ein Zugewinn bekannter funktionaler Proteindomänen. Frühere Studien korrelierten die Genese verschiedener Tumorentitäten mit der Expression spezifischer HMGA2-Fusionsproteinen, bei denen die DNA-bindenden-Domänen (DBDs) des HMGA2 mit funktionellen Domänen anderer Gene fusionierten. So wurde die Entstehung von Lipomen mit der Fusion der DBDs des HMGA2 mit den Protein-bindenden LIM-Domänen des LPP korreliert (Ashar et al., 1995; Lovell-Badge, 1995), die Entstehung von u. a. Uterus Leiomyomen mit der Fusion mit funktionellen Domänen des DNA-Reparatur-Proteins RAD51L1 (Schoenmakers et al., 1999).

In vitro und in vivo-Studien belegten jedoch, dass das tumorigene Potential der HMGA2-Transkripte eher auf die Reexpression der DBDs als auf die Entstehung funktionell neuartiger Transkripte zurückzuführen ist. Soft-Agar-Versuche mit murinen NIH3T3-Zellen ergaben sowohl für eine 3’trunkierte HMGA2-Variante, lediglich für die DBDs kodierend, als auch für das HMGA2/LPP-Fusionstranskript das gleiche neoplastische Transformationspotential. Das Wildtyp HMGA2-Transkript hatte dahingegen keinerlei transformierendes Potential (Fedele et al., 1998). Darüber hinaus entwickelten transgene Mäuse, die die trunkierte HMGA2-Variante

DISKUSSION

exprimieren, einen „giant“ Phänotyp, mit stark ausgeprägter abdominaler Lipomatose, einhergehend mit einer außergewöhnlich hohen Prävalenz für Lipome (Battista et al., 1999; Arlotta et al., 2000). Dies bestätigt, dass für die Adipogenese die Reexpression der DBDs des HMGA2 wesentlich ist, nicht die Expression von HMGA2/LPP-Fusionstranskripten (Fedele et al., 2001).

Die im Rahmen dieser Arbeit nachgewiesene Koexpression der HMGA2-Varianten mit dem Wildtyp HMGA2 in primären humanen Fibroblasten sowie embryonalem Gewebe belegt deutlich die Genese dieser Transkripte als alternative Spleißformen.

Es ist somit davon auszugehen, dass die HMGA2-Varianten eine native Funktion haben, die nicht zu einer neoplastischen Transformation der Zellen, in denen sie exprimiert werden, führt. EMSA und DNase I Footprint-Analysen belegten, dass die HMGA2-Varianten die selben DNA-Sequenzen wie die Wildtyp-Variante binden, ihre Fähigkeit mit sich selbst und anderen Transkriptionsfaktoren zu interagieren jedoch durch den Verlust der C-terminalen sauren Domäne beeinflusst wird (Noro et al., 2003). Das Spleißen von prä-mRNA unterliegt einer Gewebs- und Entwicklungsstadien-spezifischen Regulation und ist somit wesentlich mit einer großen Anzahl biologischer Prozesse, wie der Embryogenese und dem Zellwachstum, assoziiert (Muraki et al., 2004). Vorstellbar wäre daher, dass HMGA2-abhängige, nicht-pathogene zellbiologische Prozesse das Resultat einer gewichteten Koexpression der einzelnen HMGA2-Varianten ist, die miteinander in ihrer DNA-Bindungskapazität in Konkurrenz stehen. Die Deregulation dieses Vorgangs würde zu einem Ungleichgewicht der Varianten zueinander führen und somit eine aberrante Proliferation oder maligne Transformation der Zellen bedingen.

Dies würde ebenfalls die Ergebnisse der NIH3T3-Transformationsansätze (Fedele et al., 1998) und der transgenen Mäuse (Battista et al., 1999; Arlotta et al., 2000) erklären, da hierbei gezielt einzelne HMGA2-Varianten überexprimiert wurden, das native Gleichgewicht der Varianten zueinander somit dereguliert bzw. nicht vorhanden ist.

Ein dereguliertes Spleiß-Verhalten des HMGA2 kann dabei sowohl das Resultat cis- als auch trans-wirkender Veränderungen sein. Alternatives Spleißen wird durch intronische Elemente, mit aktivierender und suppressiver Wirkung auf die Zusammensetzung und Funktion des Spleißosoms, reguliert (Grabowski, 1998;

Smith und Valcarcel, 2000). Mutationen dieser cis-Elemente, durch z. B.

DISKUSSION

Auswirkung dieser Elemente auf die einzelnen Spleißstellen, was ein verändertes Spleißmuster zur Folge hat (Charlet et al., 2002). Trans-wirkende Veränderungen deregulieren das Spleißverhalten eines Gens durch Beeinflussung einzelner Komponenten des Spleißosoms oder des regulatorischen Komplexes (Faustino und Cooper, 2003). So konnte z. B. in vitro und in vivo gezeigt werden, dass die Beeinflussung der Phosphorylierung von SR-Proteinen, einem Bestandteil von Spleißosomen, durch Clk-Kinasen, das SR-Protein vermittelte Spleißmuster von Genen moduliert (Muraki et al., 2004).

Ein analoger Mechanismus der zur Entstehung pathogenetischer Veränderungen durch dereguliertes prä-mRNA Spleißen führt, wurde für den Zelloberflächen-Rezeptor des HMGB1, RAGE, postuliert (Schlueter et al., 2003). Der Zelloberflächen-Rezeptor RAGE und sein natürlicher kompetitiver Hemmer, die lösliche Variante sRAGE, entstehen durch alternatives Spleißen des RAGE-Gens (Hofmann et al., 1999; Schmidt et al., 1994; Wautier et al., 1996). Relative Expressionsanalysen ergaben ein stark variierendes Verhältnis des RAGE-Transkripts zu neu identifizierten, sRAGE kodierenden, Transkripten in verschiedenen Tumor- und Normalgewebsproben (Schlueter et al., 2003). Auch hier scheint das Spleißen der RAGE prä-mRNA einem komplexen regulatorischen Netzwerk zu unterliegen.

Zukünftig sollten daher vergleichende semiquantitative Studien zur relativen Expression der alternativen HMGA2-Varianten an einer größeren Serie von Tumor- und Normalgeweben durchgeführt werden. Unterschiedliche Muster im Expressionsverhalten würden die These des deregulierten Spleißens des HMGA2 als pathogenetische Ursache für die Genese von Neoplasien möglicherweise untermauern. In diesem Falle würde das gezielte Screening nach Faktoren, die das Spleißverhalten des HMGA2 beeinflussen, neue Therapieansätze zur Behandlung HMGA2 assoziierter Tumoren ermöglichen.

Neben den direkten Verfahren zum Nachweis exprimierter Transkripte, wie RT-PCR sowie Northern und Western Blot-Analysen, stellt die Untersuchung von Retropseudogenen einen indirekten Nachweis der Expression und des Spleißverhaltens von Genen in Zellen der Keimbahn und der frühen Embryogenese dar (Savtchenko et al., 1988; Strichman-Almashanu et al., 2003; Zhang et al., 2003;

DISKUSSION

Ashworth et al., 1990). Retropseudogene, auch prozessierte Pseudogene genannt, stellen revers transkribierte Integrate prozessierter, somit gespleißter mRNAs aktiver Gene dar. Obwohl, durch Verlust stromaufwärts des Transkriptionsstartpunktes des Ursprung-Gens gelegener Promotorbereiche, zumeist transkriptionell inaktiv, sind Retropseudogene von großer Bedeutung für die Genetik und die Genomforschung.

Zum einen führen Kontaminationen von cDNA-Proben mit genomischer DNA beim Nachweis von Transkripten mittels RT-PCR mitunter zu falschen Ergebnissen, wenn das Genom Retropseudogene des zu untersuchenden Gens enthält (Ruud et al., 1999; Fujii et al., 1999; Zhang et al., 2003). Zum anderen sind transkriptionell aktive prozessierte Pseudogene von besonderer Bedeutung bei der Untersuchung genetisch bedingter Erkrankungen, da ihre Transkripte als solche sowohl von biologischer Relevanz sind, als auch zahlreiche Experimente, wie z. B. Analysen der Expressionsmuster ihrer Ursprungs-Gene, beeinflussen können (McCarrey und Thomas, 1987; Boer et al., 1987; Andersen et al., 2004).

Retropseudogene der HMG-Genfamilie werden als eine der größten Retropseudogenfamilien des Menschen angesehen (Landsman und Bustin, 1986;

Srikantha et al., 1987; Venter et al., 2001). Zu Beginn dieser Arbeit gab es Hinweise darauf, dass im humanen Genom, zusätzlich zu dem seinerzeit bekannten HMGB1-Retropseudogen, weitere HMGB1 (Retro-) Pseudogene existieren (Wen et al., 1989;

Stros und Dixon, 1993; Stros et al., 1994; Ferrari et al., 1994). Daher wurden im Rahmen dieser Arbeit Retropseudogene dieses, mit der Genese einer Reihe unterschiedlicher Tumoren assoziierten (Xiang et al., 1997; Cabart et al., 1995;

Rauvala et al., 2000; Taguchi et al., 2000), Gens identifiziert und molekulargenetisch charakterisiert.

Initial durchgeführte PCR-Analysen an genomischer humaner DNA belegten, in Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen (Stros und Dixon, 1993), die Existenz von zumindest einem HMGB1-Retropseudogen (Rogalla et al., 1998a). Die Länge des genomischen Amplifikats entsprach dabei der durch die ORF-Sequenz der HMGB1 cDNA ermittelten Fragmentlänge (Wen et al., 1989). Ebenso wie bei der anschließenden Durchmusterung einer humanen PAC-Bank mittels PCR, wurden keine Amplifikate mit veränderter Fragmentgröße detektiert. Von der Fragmentlänge der bekannten HMGB1 cDNA abweichende Amplifikate wären ein indirekter Nachweis der Expression von HMGB1-Spleißvarianten, unter Involvierung des

DISKUSSION

Nicht ausgeschlossen werden konnte so jedoch die Existenz von Retropseudogenen alternativer HMGB1-Transkripte mit sehr langen Insertionen im ORF, da diese u. U.

bei den verwendeten PCR-Bedingungen nicht amplifiziert worden wären. Darüber hinaus wurden ebenfalls keine HMGB1-Retropseudogene mit Varianzen in den nicht amplifizierten UTR-Bereichen erfasst. Aktuelle Untersuchungen von Strichman-Almashanu et al. (2003), basierend auf Sequenzanalysen unter Verwendung des mittlerweile komplett sequenzierten humanen Genoms, zeigten, dass ca. 10 % aller HMGB1-Retropseudogene ein um ca. 1 kb verlängertes 3’UTR besitzen. Die Auswertung von EST-Datenbanken und Vergleiche mit einem cDNA-Klon aus humaner Milz ergaben, dass die verlängerten HMGB1-Retropseudogene die reversen Integrate eines bis dato zwar in Northern Blot-Analysen nachgewiesenen (Wen et al., 1989) aber nicht näher charakterisierten HMGB1-Transkripts sind.

Dieses ebenfalls in Schweinen nachgewiesene 2,4 kb-Transkript ist vermutlich das Resultat eines weiter stromabwärts gelegenen alternativen poly(A)-Signals (Strichman-Almashanu et al., 2003). Der hohe evolutionäre Konservierungsgrad dieser HMGB1-Spleißvariante wird auch durch Northern Blot-Analysen caniner mRNA verdeutlicht, bei denen ebenfalls eine Koexpression der beiden HMGB1-Spleißvarianten nachgewiesen werden konnte (Meyer et al., 2004). Da beide Spleißvarianten des HMGB1 ein identisches offenes Leseraster besitzen, weisen die daraus resultierenden Proteine keine funktionellen Unterschiede, so z. B. in Bezug auf ihr angiogenetische Wirkung, auf (Schlueter et al., in Vorbereitung). Unterschiede könnten sich jedoch, aufgrund ihrer unterschiedlichen 3’UTRs, analog den HMGA-Genen, auf posttranskriptioneller Ebene zeigen (Borrmann et al., 2001)

Das PCR-Screening der humanen PAC-Bank ergab neben zahlreichen schwachen Signalen 25 stark positive Klone. Bei einer durchschnittlich dreifachen Abdeckung des Genoms in solchen PAC-Banken war daher die Existenz von ca. 8 unterschiedlichen HMGB1-Retropseudogenen zu erwarten. Sequenz- sowie FISH-Analysen von 8 zufällig ausgewählten Klonen ergaben, statt der statistisch zu erwartenden 2-3, fünf distinkte HMGB1-Retropseudogene unterschiedlicher chromosomaler Lokalisation. Dies war neben den Southern Blot-Analysen, durchgeführt von Stros und Dixon (1993), ein deutlicher Hinweis auf die Existenz einer großen Anzahl von Retropseudogenen dieses Mitglieds der HMG-Familie.

Später durchgeführte Untersuchungen ergaben eine Zahl von 57 humanen HMGB1-Retropseudogene (Strichman-Almashanu et al., 2003). Diese hohe Anzahl geht

DISKUSSION

einher mit einer starken ubiquitären Expression des HMGB1 während der frühen Embryonalentwicklung (Pauken et al., 1994; Guazzi et al., 2003). Dies fördert, aufgrund der Entstehung von Retropseudogenen durch RNA-Intermediate von, in den Keimzellen oder frühen Embryogenese, besonders stark exprimierten Genen, die Genese von prozessierten Pseudogenen (Goncalves et al., 2000; Zhang et al., 2003).

Die im Rahmen dieser Arbeit charakterisierten ORFs von fünf unterschiedlichen HMGB1-Retropseudogenen zeigen alle eine Sequenzhomologie zu der von Wen et al. (1989) publizierten cDNA Sequenz des Donorgens zwischen 91,7 % und 99,4 % (Rogalla et al., 1998a). Mit Ausnahme des HMG1L6 genannten Retropseudogens zeigte keine der anderen Sequenzen Leseraster- oder Nonsensmutationen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es, z. B. durch chromosomale Rearrangierungen in Tumoren, zur transkriptionellen Reaktivierung dieser Retropseudogene kommen könnte oder einzelne HMGB1-Retropseudogene per se bereits transkriptionell aktiv sind. So können Retropseudogene in Folge ihrer ungerichteten Integration in das Genom (Vanin, 1985) unter die Kontrolle angrenzender regulatorischer Elemente geraten oder stromaufwärts der Integrationsstelle gelegene Bereiche können durch Mutationen regulatorische Eigenschaften, wie z. B. Promotorfunktionen, erwerben (Brosius, 1991; Stein et al., 1983; Bhandari et al., 1991). Darüber hinaus sind Beispiele wie das Pgk-2 Gen beschrieben worden, bei denen durch eine aberrante Initiation des Transkriptionsstarts des Ursprung-Gens, stromaufwärts gelegene Promotorsequenzen mit transkribiert wurden und anschließend somit ebenfalls retrotransponiert wurden (Robinson et al., 1989; Soares et al., 1985; Chakrabarti et al., 1995).

Xiang et al. (1997) wiesen analog dazu in humanen Adenokarzinomen des Gastrointestinaltrakts sowie den korrespondierenden nicht-karzinomatösen Mucosae die Expression eines HMGB1-Transkriptes nach, dessen ORF eine 99,2 %ige Homologie zu der Sequenz von Wen et al. (1989) zeigt. Der ORF der beiden Transkripte unterscheidet sich durch lediglich 5 Basensubstitutionen, die zu drei Aminosäureaustauschen führen (Xiang et al., 1997). Obwohl keine der in dieser Arbeit nachgewiesenen HMGB1-Retropseudogene eine 100 %ige Homologie zu der von Xiang et al. (1997) beschriebenen Sequenz aufweist, ist dies ein erstes Indiz dafür, dass möglicherweise einzelne HMGB1-Retropseudogene transkriptionell aktiv

DISKUSSION

HMGB1-Expressionsanalysen führen, da weder die herkömmlichen RT-PCR Verfahren, noch Northern oder Western Blot-Analysen, zwischen den einzelnen Varianten unterscheiden. Somit könnte der Nachweis einer HMGB1 Expression nicht zwingend mit der transkriptionellen Aktivierung des, in der chromosomalen Region 13q12 lokalisierten, HMGB1-Gens korreliert werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Tumorsuppressorgen PTEN, auch als MMAC1 bezeichnet, lokalisiert in der chromosomalen Region 10q23 (Steck et al., 1997). Durch Entdeckung des in zahlreichen Zellen und Geweben exprimierten PTEN-Retropseudogens ΨPTEN, lokalisiert auf Chromosom 9, wurden die Ergebnisse zahlreicher PTEN-Expressionsanalysen in Frage gestellt (Fujii et al., 1999; Zhang et al., 2003).

Weiterführende molekulargenetische Untersuchungen der, im Rahmen dieser Arbeit detektierten, HMGB1-Retropseudogene erbrachten erstmalig den Nachweis eines weiteren Mechanismus der transkriptionellen Aktivierung prozessierter Pseudogene, genannt „Exonisierung“ (Rogalla et al., 2000).

Sequenzvergleiche des HMG1L3-Retropseudogens mit bekannten humanen ESTs ergaben, dass die HMG1L3 Sequenz über weite Teile homolog zum 3’ Ende einer, erstmals in der Brustkrebszelllinie ZR-75-1 nachgewiesenen, SP100-HMG genannten, Spleißvariante des nuklearen Autoantigens SP100 ist (Seeler et al., 1998). Das zur bekannten HMGB1 cDNA (Wen et al., 1989) homologe HMG1L3 umfasst Teile des 5’UTRs, den kompletten ORF, mit einer Homologie von 91,7 %, und Teile des 3’UTRs. Durch eine G zu A Transition 72 bp stromabwärts des ursprünglichen HMGB1 Startkodons entstand an dieser Stelle das hoch konservierte, kritische AG-Dinukleotid einer 3’Spleißakzeptorstelle. Es wurde eine, der Konsensussequenz (T/G)nN(C/T)AG|G entsprechende, 3’ Spleißakzeptorstelle generiert (Mount, 1982). Das, durch diese Punktmutation ermöglichte, Spleißen beeinträchtigt weder das Leseraster, noch die damit verknüpfte Kodierung der zweiten HMG-Box. Die Kodierung der ersten HMG-Box erfolgt dahingegen 5’

trunkiert. Northern Blot-Analysen zur Detektion eines, für das SP100-HMG unikalen, Abschnitts des 3’UTRs, zeigten eine nahezu ubiquitäre Expression des Transkripts in humanen Normalgeweben (Rogalla et al., 2000). Mittels Western Blot-Analysen war darüber hinaus der Translationsnachweis erbracht worden (Guldner et al., 1999).

Durch Integration stromabwärts des transkriptionell aktiven SP100-Gens und Akquisition einer 3’ Spleißakzeptorstelle, als Folge einer Punktmutation, wurde das

DISKUSSION

HMG1L3-Retropseudogen somit integraler Bestandteil eines Gens. Analog der Exonverschiebung (exon-shuffling), bei der Exons eines Gens als Folge von Transpositionsereignissen integraler Bestandteil eines anderen Gens werden (Patthy, 1985; Sudhof et al., 1985; Long et al., 1996), führt der Exonisierung genannte Vorgang, zur Entstehung von Proteinen mit neu erworbenen funktionellen Domänen. Durch Integration des HMG1L3 kodiert die SP100-HMG Spleißvariante u. a. die B-Box des HMGB1, wodurch dieses Protein, ebenso wie die Transkriptionsfaktoren LEF1 (Travis et al., 1991) und hUBF (Jantzen et al., 1990), zu der Gruppe der HMG-Box Proteine gezählt wird (Landsman und Bustin, 1993). Somit konnte im Rahmen dieser Arbeit erstmalig für Mammalia gezeigt werden, dass die Retrotransposition prozessierter mRNAs zur Entstehung komplexerer Gene mit erweiterten funktionellen Spektren führen kann und analog dem exon-shuffling eine Grundlage für die Entstehung von Proteinfamilien darstellen kann.

ZUSAMMENFASSUNG

5 Z

USAMMENFASSUNG

Die Komplexität eines Organismus nimmt von Einzellern zu Vielzellern und innerhalb dieser von Algen zu Blütenpflanzen sowie von einfachen Wirbellosen zu Wirbeltieren deutlich zu. Durch den hohen Anteil repetitiver Sequenzen im Genom von Eukaryoten besteht jedoch keine Korrelation zwischen Komplexität und Genomgröße eines Organismus. Die Komplexität des Transkriptoms und Proteoms ist jedoch weitaus höher, als sich von der Anzahl der Gene eines Organismus ableiten läßt.

Ursache hierfür ist zu einem wesentlichen Teil das alternative Spleißen von Genen.

Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich im Wesentlichen mit molekulargenetischen Untersuchungen zum Spleißen ausgewählter Gene der High Mobility Group (HMG)-Proteine. Chromosomale Aberrationen des HMGA2 gehören zu den häufigsten Aberrationen in benignen Tumoren des Menschen. Dabei wurden in Tumoren häufig kryptische HMGA2-Transkripte detektiert, deren ektopische 3’ terminale Sequenzen mittels CASH-PCR auf Chromosom 12 lokalisiert werden konnten. Es wurde postuliert, dass diese ektopischen Sequenzen Anteile unbekannter Gene darstellten oder es sich bei diesen Transkripten um aberrante Spleißprodukte des HMGA2 handelt.

Im Rahmen dieser Dissertation wurden erstmalig die Introns 3 und 4 des HMGA2-Gens kloniert, sequenziert und in silico-Analysen unterzogen. Es zeigte sich, dass insgesamt 5 der zuvor in der Literatur beschrieben Sequenzen, die in den aberranten HMGA2-Transkripten direkt dem Exon 3 folgen, aus dem Intron 3 des Gens stammten. Für 3 der zuvor beschrieben Sequenzen, die direkt dem Exon 4 folgen, konnte eine Lokalisation im Intron 4 des Gens nachgewiesen werden.

Expressionsanalysen zur Detektion des nativen HMGA2-Transkripts und fünf seiner Varianten, mit terminalen Exons lokalisiert im Intron 3 des Gens, ergaben eine Koexpression der verschiedenen HMGA2-Transkripte. Eine Expression war sowohl in kultivierten Tumorzellen, mit bekannter chromosomaler Aberration des HMGA2-Lokus, aber auch in primären fötalem Normalgewebe und in kultivierten humanen Fibroblasten, bei denen chromosomale Rearrangierungen mittels FISH-Analysen ausgeschlossen worden waren, nachweisbar. Die Detektion der HMGA2-Varianten in Normalgeweben ist ein deutliches Indiz für ihre Entstehung als alternative Transkripte des Gens als Folge alternativen Spleißens der HMGA2 prä-mRNA und nicht als Folge aberranten Spleißens nach chromosomaler Aberration des HMGA2-Lokus.

ZUSAMMENFASSUNG

In silico-Analysen essentieller Spleiß-Motive ergaben in allen Fällen eine hohe Übereinstimmung mit den entsprechenden etablierten Konsensussequenzen. Die nachgewiesenen geringfügigen Abweichungen betrafen in keinem der Fälle hoch konservierte, kritische Motive, wie das AG-Dinukleotid der 3’ Spleißakzeptorstelle oder das zentrale Adenosin der Verzweigungsstelle und wurden ebenfalls in den akzeptierten Spleißstellen der etablierten Exons des HMGA2 nachgewiesen. Darüber hinaus konnten, mit zwei Ausnahmen, in den 3’UTRs der alternativen terminalen Exons potentielle poly(A)-Signale detektiert werden.

Zusätzlich durchgeführte Northern Blot-Analysen bestätigten in der Lipom-Zelllinie Li-14 neben dem nativen HMGA2-Transkript, bestehend aus den Exons 1 bis 5, die Existenz weiterer HMGA2-Transkripte, bestehend aus den Exons 1 bis 3, nicht jedoch den Exons 4 und 5, welche jedoch bisher nicht näher charakterisiert wurden.

Es wurde im Rahmen dieser Arbeit daher ein Modell zur HMGA2-abhängigen Tumorgenese postuliert, bei dem nicht-pathogene zellbiologische Prozesse das Resultat einer gewichteten Koexpression der einzelnen HMGA2-Varianten ist, die miteinander in ihrer DNA-Bindungskapazität in Konkurrenz stehen. Die Deregulation dieses Vorgangs würde zu einem Ungleichgewicht der Varianten zueinander führen und somit eine aberrante Proliferation oder maligne Transformation der Zellen bedingen.

Ein analoger Mechanismus wurde für den Zelloberflächen-Rezeptor des HMGB1, RAGE, postuliert, der mit seiner löslichen Variante sRAGE, entstanden durch alternatives Spleißen, in Konkurrenz steht. Relative Expressionsanalysen ergaben ein stark variierendes Verhältnis des RAGE-Transkripts zu neu identifizierten, sRAGE kodierenden, Transkripten in verschiedenen Tumor- und Normalgewebsproben.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden darüber hinaus 5 bis dato unbekannte Retropseudogene des HMGB1 detektiert und molekulargenetisch charakterisiert. Es ergaben sich dabei keine Hinweise auf die Existenz unbekannter alternativer HMGB1-Spleißvarianten mit veränderten ORFs.

Es konnte gezeigt werden, dass die SP100-HMG genannte Spleißvariante des SP100-Gens das Resultat einer Insertion des HMG1L3-Retropseudogens stromabwärts des SP100 ist. Durch Akquisition einer 3’ Spleißakzeptorstelle, als Folge einer Punktmutation, wurde das HMG1L3-Retropseudogen integraler