• Keine Ergebnisse gefunden

Treffen des Forums São Paulo

Im Dokument Lateinamerika,eine neue Ära? (Seite 45-49)

Schon auf dem XIII. Treffen wurde über die heranwachsenden neuen Anforde-rungen gesprochen, auf dem XIV. Treffen war die eindeutige Aussage, eine neue Ausrichtung des Forums mit einem Neustart ist notwendig.

Oft war das Wort vom Übergang einer »Epoche des Wandels zu einem Wandel der Epochen« zu hören. Damit sollte nach Meinung einer Mehrheit der Teilneh-mer zum Ausdruck gebracht werden, dass die Etappe des (Abwehr-) Kampfes ge-gen den Neoliberalismus zu Ende ist oder zumindest zu Ende geht und die kon-struktive Gestaltung einer Alternativgesellschaft auf die Tagesordnung gerückt ist.

Diese neue Etappe wird vorrangig durch die Wahlerfolge in den verschiedenen Ländern bestimmt und ist auf die weitere Akkumulation der Kräfte des progres-siv-demokratischen Lagers sowie die wachsende Einheit und Integration Latein-amerikas und der Karibik ausgerichtet.

Daraus ergeben sich für das Forum von São Paulo – so im Basisdokument für das XIV. Treffen6die folgenden Anforderungen, zu deren Umsetzung tatsächlich so etwas wie ein Neustart notwendig wäre.

Im Mai 2008 tagte das Treffen unter dem Motto »Reichtum in der Vielfalt. Ein-heit – Vielfalt – Integration« in der Hauptstadt Uruguays, in Montevideo.

Ganz im Sinne der Vielfalt stand, wie üblich, über Wochen ein Vorbereitungs-dokument den Mitglieds- und Beobachterparteien zur Verfügung. Es gibt Anre-gungen für die Debatte, gilt aber nicht als Beschlussdokument. Die gemeinsam er-arbeiteten Standpunkte und Orientierungen wurden in einer Schlusserklärung erfasst, die mit Zustimmung der Teilnehmer als verbindliches Dokument verstan-den wird (siehe Anhang).

In Montevideo wurde die Geschichte des Forums São Paulo über die bald zwei Jahrzehnte seiner Existenz in ihren verschiedenen Etappen betrachtet und von der Notwendigkeit einer neuen Etappe, eines Neustarts des Forums ausgegangen.

Die Gründung des Forums 1990 in São Paulo war der Versuch einer Antwort auf den Zerfall des Sozialismus in Europa, womit auch große Belastungen der linken Kräfte in Lateinamerika verbunden waren. Es war auch der Versuch, eigene Ant-worten auf die Tiefe der Wirkung des Neoliberalismus in Lateinamerika zu suchen.

Beim II. Treffen in Mexiko wurde der Begriff »Forum São Paulo« geprägt. Ab Mitte der neunziger Jahre begann ein Phase des gemeinsamen Kampfes gegen den USA-Imperialismus zur Verhinderung der Bildung einer Freihandelszone in Latein-amerika unter der Vorherrschaft der USA. Mit Beginn 2000 kommt eine 3. Phase zur Entfaltung. In Lateinamerika gewinnt die Linke Wahlen und nunmehr sind Mitgliedsorganisationen des Forums von São Paulo in 13 Ländern an der Aus-übung der politischen Macht beteiligt.7Politische Orientierung und Solidarität im FSP haben darauf einen nachhaltigen Einfluss gehabt.

Im Basisdokument für das XIV. Treffen wurden folgende Momente für einen Neustart charakterisiert:

• Das Forum von São Paulo soll noch mehr zur wichtigsten Bühne des Erfah-rungs- und Meinungsaustausches der Linken Lateinamerikas werden, von dem wichtige Handlungsorientierungen für die Mitgliedsorganisationen ausgehen.

• Das Forum von São Paulo soll weiterhin Ausdruck und Synthese eines breiten Fächers an kulturellen, ethnischen, ideologischen und politischen Fragen sein, sei-nerseits die verschiedenen Projekte der Linken unterstützen und qualitativ stärken.

• Das Forum von São Paulo soll in Zukunft einen noch stärkeren Beitrag zum Prozess der regionalen Integration leisten und dazu wichtige Fragestellungen und Themen wie z. B. Infrastruktur, Energie, Finanzen, Handel und die

Komplemen-6 Documento del XIV. Foro de San Pablo, Montevideo, mayo-2008, La Izquierda de America Latina y el Caribe en el Nuevo Tiempo – La Riqueza de la Diversidad.

7 Um welche Länder es sich handelt, wird in den Dokumenten des XIV. Treffens nicht konkret aufgeführt. Nach Recherchen der Autoren vor Ort werden darunter die folgenden Länder verstanden: Argentinien, Bolivien, Bra-silien, Chile, die Dominikanische Republik, Dominica, Ecuador, Haití, Kuba, Nicaragua, Paraguay, Uruguay, Ve-nezuela.

tarität auf dem Gebiet der Produktion diskutieren und so einen Beitrag zur Her-ausbildung einer (weitgehend einheitlichen) politisch-strategischen Position zu dem Fragekomplex der regionalen Integration leisten.

Dies alles erfordert eine noch aktivere Beteiligung aller Mitgliedsorganisatio-nen des Forums von São Paulo an den Prozessen der politischen Meinungsbildung und Abstimmung, ein abgestimmtes Handeln zwischen den einzelnen progressi-ven Regierungen tragenden politischen Organisationen und Parteien sowie eine gewisse Verbindlichkeit der auf dem Forum von São Paulo gefassten Beschlüsse.

Dies stellt jedoch angesichts der bereits erwähnten Differenziertheit und Un-terschiedlichkeit keine leichte Zielstellung dar. Die Gastgeber und Organisatoren des XIV. Treffens waren daher mit der Resonanz, die ihre Vorschläge hinsichtlich eines höheren Grades an Organisiertheit des Forums und einer größeren Verbind-lichkeit seiner Festlegungen, gefunden haben, nicht ganz zufrieden.

In allen Etappen hat die Vielfalt im FSP immer eine Rolle gespielt, das gilt auch für die neue Etappe. Sie hat Höhen und Tiefen gebracht, aber den Reichtum der Gemeinsamkeiten bewahren können. Die erzielten Ergebnisse, der Beginn einer Debatte über Sozialismus im 21. Jahrhundert und das Wachsen der Gegenkräfte zum Neoliberalismus lösen einen wachsenden Widerstand reaktionärer Kräfte in vielen Ländern Lateinamerikas aus und rufen die USA mit neuen Anstrengungen auf den Plan. Sie sind bestrebt, in drei Richtungen wirksam zu werden. Kolumbi-en soll als Speerspitze eingesetzt werdKolumbi-en, wie die aggressivKolumbi-en Schritte gegKolumbi-en Ecuador beweisen. Der schon in Chile erprobte Sturz von Salvador Allende und Putschversuche wie in Venezuela sollen als imperialistische Einmischung in la-teinamerikanischen Ländern wieder aufgenommen und fortgesetzt werden.

Mit der Aufrüstung und dem Einsatz der IV. Flotte der USA sollen deutliche Zeichen für die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gesetzt werden. Diese wachsende Aggressivität der USA ist der Versuch, den verlorenen Boden, bis zu Formen des Kolonialismus in der Karibik zurückzuerobern. Ein Vorgang, der die Bedrohung Kubas verstärkt und sich gegen den Vormarsch lin-ker politischer Kräfte und sozialer Bewegungen richtet und jeden Gedanken an Sozialismus im 21. Jahrhundert in Lateinamerika zerschlagen soll.

Wie die Konferenz der EU und Lateinamerikas in Lima zeigte, ist die EU da-bei noch immer im Fahrwasser der USA zu finden.

Noch sind Inhalte und Hauptrichtungen des Neustarts des Forums in der De-batte – ein Rahmen dafür zeichnete sich in Montevideo zu diesen Herausforde-rungen jedoch schon ab. Für das Forum erhebt sich also die Frage, wie es seinen Platz als ein Zentrum politischer Orientierungen auch ausfüllen will. Es war bis-her das politische Zentrum für verschiedene Entwicklungen, aus denen neue An-sprüche und Herausforderungen in den jeweiligen Etappen erwuchsen. Zwei Mo-mente erscheinen nun für die neue Etappe von besonderer Bedeutung. Integration soll heute heißen, staatliche Vereinbarungen treffen, die die Prozesse bestimmen und gestalten. Noch als das Forum in Montevideo seine Beratungen führte,

ver-einbarten linke Regierungen bei einem Treffen in Brasilien die Gründung der UN-ASUR (Union südamerikanischer Nationen), und im Gespräch sind Bestrebungen für die rasche Bildung eines südamerikanischen Verteidigungsrates. Auf diese Qualität muss sich das Forum neu einstellen, denn seine Mitgliedsparteien sind in den Regierungen vertreten.

Das XIV. Treffen verabschiedete zahlreiche Solidaritätserklärungen, darunter zur Unterstützung der progressiv-demokratischen Kräfte in Kolumbien, Venezue-la, Bolivien und weiteren Ländern, vor allem der Karibik. Kuba wurde als ein Be-zugspunkt für gesellschaftliche Veränderungen hervorgehoben, die sozialistische Entwicklung Kubas als ständiger revolutionärer Prozess charakterisiert. Die lin-ken Entwicklungen in anderen Ländern entstehen aus Erfolgen der Linkskräfte bei Wahlen.

Bei einem Treffen der Parlamentarier in Montevideo wurde kritisch darauf ver-wiesen, dass die Rolle der Parlamente trotzt der Bestrebungen für einen parla-mentarischen Weg völlig unterschätzt wird. So stehen linke Präsidenten einer rechten Mehrheit in Parlamenten gegenüber. Die Parlamente würden in der Ver-antwortung stehen, die unterschiedlichen Erfahrungen zu erfassen und zu verbrei-ten. Der Weg zur Überwindung des Neoliberalismus für neue gesellschaftliche Verhältnisse über Wahlen erfordert ständiges Zusammenwirken mit den sozialen Bewegungen und der breiten Entfaltung der Demokratie. Die partizipative Demo-kratie ist dabei ein wichtiger Faktor.

Betont wurde immer wieder, der demokratische Weg über Wahlen erfordert die ständige Überzeugung der Menschen durch Erfolge, die mit und durch die Linke erzielt werden. Die in den Parlamenten zu beschließenden Gesetze müssen für das Volk sein und durch breite demokratische Mitbestimmung auch Gesetze des Volkes sein. Ein solcher Prozess kann nicht allein Sache der Parteien sein, sondern wird nur gestaltbar durch ein Zusammenwirken mit den sozialen Bewegungen und partizipativer Mitwirkung. Außerparlamentarischer und parlamentarischer Kampf müssen eine feste Einheit bilden.

Das Forum São Paulo wird sein XV. Treffen 2009 in Mexiko veranstalten. Bis dahin sollen weitere Erfahrungen und neue Erkenntnisse gewonnen werden, um als politisches Zentrum der vielfältigen linken Kräfte Lateinamerikas und der Ka-ribik weiter und wieder auf der Höhe der Herausforderungen zu sein.

Die Europäische Linke wäre gut beraten, wenn sie nicht nur Beobachter auf dem Treffen des FSP ist, sondern mit eigenen Debatten und Initiativen an den Pro-zessen teilnimmt, wenn sie bereit und fähig ist, solche Erfahrungen auch für ihre Debatten und sozialen Kämpfe in Europa aufzunehmen. Absprachen hat es in Montevideo mit Vertretern der ELP und der Linksfraktion im EP gegeben. Sie mit Leben zu erfüllen – darauf kommt es an.

Im Dokument Lateinamerika,eine neue Ära? (Seite 45-49)