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Transkranielle Magnetstimulation

2.1.1 Grundlagen

Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine schnelle und nicht invasive Untersuchungsmethode der Funktionalität des Rückenmarks (Van Soens et al., 2009). Die ersten Prototypen von Magnetstimulatoren wurden bereits von Barker et al. (1985) für den humanmedizinischen Gebrauch gebaut und bei neurologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Parkinson und Multipler Sklerose eingesetzt, wobei der Motorcortex durch ein pulsierendes magnetisches Feld stimuliert werden konnte. Es ist die einzige Methode zur Überprüfung der Funktionalität der zentralen motorischen Bahnen vom Motorcortex über die Pyramidalzellen bis hin zur Muskulatur (Strain, 1990).

Die Technik der TMS wurde bereits in mehreren Studien publiziert (Sylvestre et al., 1993;

Van Ham et al., 1994; Van Ham et al., 1995; da Costa et al., 2006; Granger et al., 2012). Das Gesetz von Michael Faraday der wechselseitigen Induktion, bei dem ein magnetisches Feld eine zirkulierende elektrische Spannung induziert, ist Grundlage dieser Untersuchungsmethode (Barker, 1991). Dieser durch ein magnetisches Feld induzierte elektrische Impuls stimuliert konduktive Regionen, wie zum Beispiel Nervengewebe (Van Soens et al., 2009). Die TMS ist nicht schmerzhaft und bedarf keines direkten Kontaktes zur Haut des Patienten im Vergleich zur aufwendigeren und schmerzhaften elektrischen Stimulation (Barker et al., 1985).

In dieser Arbeit wurde ein monophasischer Magnetstimulator verwendet, dessen Name durch den Zeitverlauf der Spulenspannung geprägt ist. Hier schwingt der Impuls nur wenig in die Gegenrichtung und weist somit eine deutliche Polarität auf. Anwendung finden diese Geräte vor allem in der Forschung und Diagnostik (Weyh, 2007). An dem in dieser Arbeit verwendeten Gerät konnten Intensitäten von null bis 100 % eingestellt werden, die sich auf die Entladungsspannung des Pulskondensators relativ zum Maximum von 4,0 Tesla (T) beziehen (Hallett, 2007).

Am Magnetstimulator wurde eine Rundspule angebracht. Diese Stimulationsspule besteht aus einem Kondensator, einer Spule und einer Steuerung. Das magnetische Maximum befindet sich hier exakt in der Mitte der Spule und das elektrische Feld windet sich ringförmig um das

Zentrum (Weyh, 2007). Wird eine Stimulationsspule oberhalb eines leitfähigen Gewebes gehalten, ruft der ausgelöste Stimulationspuls in diesem Gewebe ein elektrisches Feld hervor und kann somit ein Summenaktionspotenzial auslösen (Barker, 1991).

2.1.2 Nebenwirkungen

Nebenwirkungen der TMS sind nur vereinzelt beschrieben. Bei neurologisch gesunden Patienten ist sie eine sichere Untersuchungsmethode (Ziemann et al., 1998). Gelegentlich können Kopfschmerzen bei Patienten beobachtet werden, die einer TMS unterzogen wurden (George und Post, 2011). Liegt allerdings eine neurologische Grunderkrankung, wie zum Beispiel Epilepsie vor, so herrscht ein erhöhtes Risiko, ein Krampfgeschehen hervorzurufen.

Hier können vor allem bei Personen mit erhöhter kortikaler Erregbarkeit bereits nach wenigen Einzelreizungen durch die TMS Krampfanfälle ausgelöst werden, welche in der Regel selbstlimitierend sind (Weyh, 2007). In humanmedizinischen Studien wird jedoch nur von wenigen Fällen berichtet, bei denen ein Anfallsgeschehen während oder kurz nach der TMS ausgelöst wurde (Nollet et al., 2003). Zudem konnte Tassinari et al. (1990) zeigen, dass während einer TMS von Patienten mit Epilepsie keine Veränderungen im Elektroenzephalographen (EEG) sichtbar waren und es zu keinen iktalen Ereignissen gekommen ist. Auch ein Langzeit-Follow-Up zeigte keine Verschlechterung der Anfallsfrequenz bei diesen Patienten. Das Risiko, einen Krampfanfall nach oder während einer TMS zu erleiden, wird mit geringer als 0,5 % angegeben (George und Post, 2011).

Die Langzeitverträglichkeit der TMS wurde 2004 tierexperimentell untersucht, wobei keine histologischen Veränderungen im Hirngewebe von Rhesusaffen nachgewiesen wurden (Dwork et al., 2004).

In der Studie von Counter et al. (1990) wurde ein Hörverlust nach extrakranieller Magnetstimulation bei Versuchstieren festgestellt, bei der ein akustisches Artefakt, ausgelöst durch TMS mit einer Lautstärke von 145 bis 157 dB, zu einer Belastung des Trommelfells führte. Eine vorübergehende Hörschwellenverschiebung bei gesunden Menschen nach repetitiver TMS (rTMS) wurde von Pascual-Leone et al. (1993) evaluiert. Das Tragen von Hörschutz wird daher vor allem bei rTMS empfohlen (George und Post, 2011).

2.1.3 Parameter

Bei der TMS und somit der Untersuchung der motorischen Nervenbahnen im Rückenmark werden zwei Parameter, Latenz und Amplitude, evaluiert. Die Latenz beschreibt die Zeit vom Stimulusartefakt bis zum Ausschlag des Muskelpotenzials von der Basallinie in positiver oder negativer Richtung und ist das Resultat einer Weiterleitung des Reizes vom Motorcortex bis zum Zielmuskel (Van Soens und Van Ham, 2011).

Als Antwort auf den magnetischen Stimulus werden Summenaktionspotenziale, die als magnetisch motorisch evozierte Potenziale (MMEPs) bezeichnet werden, auf dem Elektromyographen sichtbar, die in Millisekunden (ms) angegeben werden (Nollet et al., 2003). Laut Sylvestre et al. (1993) wird die Latenz durch die Anzahl der Muskelfasern, die Menge an Myelin und die Anzahl der Synapsen beeinflusst.

Der zweite Parameter, die Amplitude, wird zwischen dem tiefsten und höchsten Punkt des MMEP gemessen und in Millivolt (mV) ausgedrück (Van Soens und Van Ham, 2011). Die Amplitude kann eine hohe individuelle Variabilität hinsichtlich ihrer Größe aufweisen, was durch die unterschiedliche Relaxation des Muskels während der Messung begründet sein kann (Dimitrijevic et al., 1992; Nollet et al., 2003).

2.1.4 Anwendungsbereiche

2.1.4.1 Humanmedizin

In der Humanmedizin findet die TMS sowohl in der Epilepsieforschung als auch in der Epilepsietherapie und in der Therapie manifester Depressionen Anwendung. Epileptische Anfälle werden auf zellulärer Ebene durch eine Imbalance zwischen Erregung und Hemmung hervorgerufen (Sun et al., 2012). Die Epilepsieforschung nutzt die TMS vor allem, um Rückschlüsse auf die pathophysiologischen Mechanismen bei der Epilepsie und auf die Effekte antikonvulsiver Medikamente zu ziehen (Tassinari et al., 2003). Die TMS kann das kortikospinale System untersuchen und so Aufschlüsse über die Erregbarkeit des menschlichen Kortex liefern (Ziemann et al., 1998). Für das therapeutische Potenzial der TMS wird vor allem die repetitive TMS (rTMS) verwendet (Ives et al., 2006), die in vorliegender Arbeit nicht angewendet wurde. Einige klinische Erscheinungsbilder in der Neuropsychiatrie gehen mit einer erhöhten Gehirnerregbarkeit einher. Die rTMS kann hier bestimmte Areale gezielt ansprechen (Hoffman und Cavus, 2002) und durch diese

nicht-invasive Methode die kortikale Erregbarkeit verändern und somit zum Beispiel die Frequenz von Anfallsgeschehen vermindern (Sun et al., 2012).

Die grundlegenden Parameter für die Epilepsieforschung sind die motorische Reizschwelle, das MMEP und die kortikale Ruhephase. Die motorische Reizschwelle bezieht sich auf die minimale Stimulusintensität, die zur Auslösung einer Kontraktion im Zielmuskel notwendig ist (Ziemann et al., 1998). Neuropharmakologische Studien haben gezeigt, dass die motorische Reizschwelle die neuronale Membranerregbarkeit widerspiegelt. Das MMEP kann genutzt werden, um die Erregbarkeit der involvierten trans- und intrakortikalen Bahnen zu evaluieren (Tassinari et al., 2003). Der dritte Parameter, die kortikale Ruhephase, beruht auf einer Relaxation des spontan kontrahierten Zielmuskels und folgt einer vorangegangenen Kontraktion. Es wird angenommen, dass die Dauer dieser kortikalen Ruhephase den Ablauf des GABAergen kortikalen Hemmungsmechanismus darstellt (Ziemann et al., 1998).

Der wichtigste Aspekt hinsichtlich der Epilepsieforschung ist, dass mit Hilfe der TMS schmerzlos und einfach die grundlegenden Mechanismen der antikonvulsiven Medikamente auf Ebene des Motorkortex evaluiert werden können (Tassinari et al., 2003). Weitere neuropsychiatrische Krankheitsbilder, bei denen die rTMS von therapeutischem Nutzen sein kann, um die Gehirnaktivität zu beeinflussen, sind Myoclonus, Tourette`s Syndrom, Halluzinationen, posttraumatisches Stress-Syndrom und Depression (Hoffman und Cavus, 2002). Vor allem im Bereich der antidepressiven Therapie ist die TMS eine neue Therapiemethode, die einen raschen Wirkungseintritt gegenüber Elektrokonvulsivtherapie und antidepressiven Medikamenten zeigt (Gershon et al., 2003). Eine Imbalance zwischen dem Zusammenspiel von Präfrontalkortex und limbischem System ist die Ursache einer klinischen Depression (George und Post, 2011). Dieses häufig betroffene Areal kann mit herkömmlichen Methoden der kortikalen Erregung im Gegensatz zur TMS nicht angesprochen werden (Grunhaus et al., 2002). Der Langzeiterfolg des antidepressiven Effekts durch TMS ist allerdings noch nicht hinreichend bekannt (Hallett, 2000; Gershon et al., 2003).

Auch im Bereich der Neurochirurgie kann die TMS zum Monitoring der motorischen Bahnen während einer Operation genutzt werden (Voulgaris et al., 2010). Das Ziel dabei ist, neurologischen Schädigungen aufgrund chirurgischer Manipulation durch intraoperative neurophysiologische Beobachtung vorzubeugen (Weinzierl et al., 2007).

2.1.4.2 Veterinärmedizin

In der Veterinärmedizin ist die TMS noch kein klinisches Routinediagnostikum, da sie nicht hinreichend als prognostische und therapeutische Untersuchungsmethode evaluiert wurde (Van Soens und Van Ham, 2011). In der Regel wird die TMS verwendet, um die motorischen Bahnen in Bezug auf Erkrankungen des oberen und unteren motorischen Neurons zu überprüfen, wodurch einfach und schnell prognostische sowie diagnostische Informationen zusammengetragen werden können (Strain, 1990).

In der Anästhesieforschung wurden bereits einige Studien durchgeführt, bei denen verschiedene Sedativa und Anästhetika hinsichtlich ihres Effektes auf den Motorkortex mit Hilfe von TMS eruiert wurden (Van Soens und Van Ham, 2011). Diese Methode kann auch in der klinischen Veterinärmedizin verwendet werden, um diagnostische und prognostische Aussagen bei Erkrankungen des Rückenmarks zu treffen, da sie sehr sensitiv für Rückenmarksläsionen ist (Sylvestre et al., 1993). Therapeutische Effekte der TMS, wie in der Humanmedizin beschrieben, sind in der Veterinärmedizin kaum erforscht und bedürfen weiterer Überprüfung (Van Soens und Van Ham, 2011).