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7. Wirtschaft

7.1 Tourismus

Tourismus im Landkreis Osterholz konzentriert sich bisher weitgehend auf den Ort Worps-wede. Hier sei nach Auffassung der Akteure und Akteurinnen zunächst und vor allem ein fundamentale Wandel in den Rahmenbedingungen zu bedenken: „Früher wollte die Welt nach Worpswede, heute will die Welt eine Begründung, warum sie nach Worpswede soll.“

Dabei wird die Ausgangslage im Demographischen Wandel als gut eingeschätzt, weil die Zielgruppe bisher schon Ältere waren. Worpswede müsste also vom Demographfischen Wandel profitieren. Unbeantwortet ist aber auch hier die – bereits beim Ehrenamt angespro-chene – Frage, ob es sich dabei um einen Alterseffekt oder um einen Generationeneffekt handelt.

Zugleich bestehe die Befürchtung, dass Worpswede den Anschluss an neue Entwicklungen nicht schaffe. Außerdem sei die unterschiedliche Qualität und Zielgruppenorientierung ein-zelner Anbieter zu beachten. Wenn der Trend zu integrierten Angeboten gehe, würde dies von einigen Anbietern geleistet, bei anderen könne man nicht einmal die Öffnungszeiten der Museen erfahren. Allerdings gebe es bereits einige integrierte Angebote, die auch gut laufen:

Golf, Reiten, Tennis, Kunst (gucken und selber machen), Natur, gut essen und trinken, Aus-flüge nach Bremen, Bremerhaven oder Cuxhaven, die Entdecker-Card. Seit einiger Zeit sei das Tagungsgeschäft hinzugekommen. Außerdem gebe es Übernachtungen von Geschäfts-reisenden, wobei zu berücksichtigen sei, dass für diese Gruppe der Preis der Übernachtung eine wesentliche Rolle spiele, Angebote, die für die Freizeit gedacht sind, dagegen gar keine.

Die Identifikation mit dem Landkreis, mit dem Umfeld, mit der Region sowie eine ausge-wachsene Dienstleistungsmentalität seien gelegentlich unterentwickelt. Initiativen, dies zu verändern, zeigten erst langsam Wirkung. Dazu werde ja bereits an einem Image des Land-kreises gearbeitet, das Begriffe wie „Teufelsmoor“, „Worpswede“, „Torfkahn“, „urig“ und ähn-liche zusammenfasst.

Außerdem müssten die Einwohner des Landkreises selbst von diesem Image überzeugt sein. Nur wenn sie, so die Auffassung, sich hier sichtbar wohlfühlen, können sie auch Gästen dieses Erlebnis vermitteln. Zugleich wird die strategische Bedeutung des Ansatzes bei den Kindern gesehen. Diese müssen von Anfang an für ihren Ort interessiert werden. Es sei bis-her aber ein allgemeines Problem, dass die Einheimischen oft gar nicht wissen, was die Re-gion bietet und ihre Angebote selbst nicht wahrnehmen. Keinesfalls darf es sein, dass sich die Worpsweder sichtlich belästigt fühlen, wenn am Wochenende viele Touristen und Touris-tinnen da sind.

Ein Problem seien auch die Öffnungszeiten, die alles auf das Wochenende konzentrieren.

Damit wird zugleich verhindert, dass Besucher und Besucherinnen auch mal länger bleiben.

Montags und dienstags gibt es nichts zu essen, an Feiertagen ist es auch schwierig, an Hei-ligabend gibt es nichts. Aufenthalte z. B. über die Feiertage können so nicht angeboten wer-den.

Eingeklagt wird ein gemeinsames regionales Marketing. Dazu wurde angemerkt, dass die Verwaltung etwa Imagekampagnen führen kann, aber wenn keiner vor Ort aktiv ist, laufen diese auch ins Leere. Der Landkreis kann nur Rahmenbedingungen schaffen, nicht selbst

Aktivitäten ersetzen. Man könne sich aber auch der Aktion „Qualitätsoffensive Niedersach-sen“ anschließen.

7.2 Dienstleistungen und Handel7

Grundsätzlich wird die Auffassung vertreten, dass der Demographische Wandel dem örtli-chen Handel wegen seiner Eigenschaften der qualitätsorientierten Servicementalität und der fußläufigen Erreichbarkeit gute Chancen eröffnet. Diese These konnte in dem speziell auf den Handel zugeschnittenen Querschnittsgespräch aufgrund der geringen Beteiligung nicht vertieft werden (vgl. Fußnote 7).

Für die nächste Zeit wird mit einer Veränderung der Kundenstruktur gerechnet. Dabei über-lagern sich Einflüsse aus dem Demographischen Wandel und aus anderen Quellen. Erwartet wird, dass der Qualitätsanspruch der Kundschaft nach oben geht und die frühere „Billigwelle“

teilweise ablösen wird. Diese Veränderungen werden in einem großen Unternehmen laufend analysiert. Entsprechend kurzfristig können Anpassungen vorgenommen werden. Langfris-tige Überlegungen dagegen gibt es gegenwärtig nur teilweise. Mit dem örtlichen Handel sieht man sich nicht in einer Situation der Konkurrenz, sondern eher der Ergänzung, teilweise gebe es auch Kooperation.

Es wird aber zugestanden, dass die Produkte, bei denen eine größere Nachfrage bei älteren Kunden und Kundinnen vermutet wird, derzeit noch nicht in den Regalen dorthin gepackt werden, wo die bevorzugten Waren mit schnellem Absatz liegen (d. i. unten). Dieser Sach-verhalt wurde andererseits von den Vertretern und Vertreterinnen der Seniorenbeiräte aus ganz praktischen Gründen kritisiert, weil es nämlich für ältere Menschen gelegentlich eine körperliche Anstrengung bedeutet, die oben in den Regalen befindlichen Waren überhaupt zu erreichen.

Der Aspekt der Mobilität der Älteren wird nicht für bedeutsam gehalten, weil er leicht durch Home-Shopping bearbeitet werden könne.

Im übrigen werden Sortimentsentscheidungen in diesem Unternehmen von der Zentrale ge-troffen, Informationen dazu werden aber durch die Geschäfte in der Fläche geliefert.

Die vor allem für den Handel entscheidende These von einer besonderen Kaufkraft der älte-ren Bevölkerungsschichten wurde von den befragten Akteuälte-ren und Akteurinnen dagegen entweder überhaupt nicht geteilt oder wenigstens deutlich relativiert. Zwar wurde gesagt,

7 An dem Interview zum Thema „Handel“ hat nur ein regionaler Repräsentant einer Supermarktkette teilgenommen; Meinungsäußerungen des örtlichen Handels konnten auf diese Weise in diesem Querschnittsinterview nicht aufgenommen werden.

dass ältere Menschen für gute Produkte schon bereit seien, ihr Geld auszugeben. Hingewie-sen wurde aber vor allem darauf, dass dies nur Teile der Bevölkerung betrifft. Durch Hartz IV sei die Zahl der Menschen mit geringem Einkommen deutlich gewachsen. Und selbst für die, die heute noch wohlhabend sind, kann dies nicht in jedem Falle als dauerhafter Zustand an-genommen werden. Die nächste Generation der Älteren in zehn bis 15 Jahren werde nicht mehr so viel Geld haben, wie die jetzige Generation der Älteren. Vor allem Frauen werden davon negativ betroffen sein. Das Zerrbild der wohlhabenden zufriedenen Alten könne nicht aufrechterhalten werden.

Auch wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Älteren ihre Kaufkraft vielfach ausschließ-lich in das Segment Gesundheit und Pflege stecken müssen. Und bei den Menschen mit geringem Einkommen gibt es reale Ängste, etwa wegen der Preissteigerungen.

Ebenfalls stößt die Mobilisierung des beträchtlichen Vermögens mancher Älterer nach Auf-fassung der Gesprächspartner auf Probleme, da „die Gesellschaft weder real noch im Dis-kurs Zukunftssicherheit produziert“. Es wurde die Meinung vertreten, dass zu geringe Geld-ausgaben und Kaufzurückhaltung nie an fehlendem Geld allgemein gelegen haben. Ursäch-lich seien andere Faktoren wie z. B. Sicherheitsbedürfnis (Kriegsangst), Arbeitsmarktlage, Gesundheitsdebatte mit Mehrkosten, Mehrbeteiligung u. a. m. Auch aktuell steige die Spar-quote wieder. Die Ausgaben werden nach dieser Auffassung erst wieder zunehmen, wenn stabile, zukunftssichere Rahmenbedingungen geschaffen worden sind. Zu dieser Verunsi-cherung trage die Unehrlichkeit von Politik und Gesellschaft bei, die nicht offen und wahr-heitsgemäß über die differenzierten Chancen und Risiken informiere.

Zudem werden ältere Menschen als quasi automatisch vorsichtiger eingeschätzt. Außerdem scheint es so, als sparten Ältere vielfach an anderen Dingen, um sich ihr Häuschen leisten zu können, und weil sie etwas haben wollen, was sie vererben können.

Nicht zuletzt wurde die Auffassung vertreten, dass brauchbare Konzepte zur Mobilisierung von angelegtem Geld, Immobilienwerten und erwarteten Erbschaften noch nicht zu existieren scheinen.

Dienstleistungsangebote einer Gemeinde sind nach Auffassung der Gesprächspartner vor allem dann auch für ältere Menschen geeignet, wenn sie generell dazu führen, dass Men-schen sich in ihrer Umgebung wohlfühlen. Was ältere MenMen-schen thematisieren, entspringt vermutlich weniger der besonderen Situation ihres Lebensalters, als vielmehr der Tatsache, dass sie im Zusammenhang mit der Alterung der Gesellschaft eine Möglichkeit bekommen haben, die Bedürfnisse zu artikulieren, die in der Bevölkerung generell vorhanden sind.

Es gibt einen Seniorenmarkt, aber die Kennzeichnung als „Seniorenprodukt“ wirkt nach übereinstimmender Auffassung der Befragten diskriminierend und absatzhemmend. Die These, dass es die Jugendorientierung vieler Anbieter und Angebote ist, die zu einer Kauf-abstinenz der Älteren auch bei solchen Produkten führt, die an sich durchaus auch für sie einen Nutzen haben, wird vielfach vertreten, ihre breite Gültigkeit ist aber nicht gesichert.

Neue Dienstleistungen wie z. B. Bringdienste oder mobile Versorgungsstrukturen werden vereinzelt diskutiert, aber noch nicht realisiert.