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Tote Kühe

Im Dokument Die Aliens sind unter uns (Seite 99-129)

Die Herrschaft der Aliens

3. Tote Kühe

Was man den Aliens lassen muss, ist, dass sie Sinn für Humor haben. Vor fünf Jahren erläuterte Paul Krugmann vom MIT (dem berühmten Massachusetts Institute of Technology, einem Eldora-do für Aliens) das merkwürdige Problem, dass nach den offiziel-len Handelsbilanzen aller Staaten weltweit für 100 Mrd. Dollar mehr Waren ein- als ausgeführt werden, was eigentlich ja nicht sein kann. Seine Erklärung für das Phänomen lautete: „Das bedeutet, wir haben ein riesiges globales Defizit in unserem interplanetarischen Handel. Das saugende Geräusch kommt aus dem Weltraum. Aliens vernichten amerikanische Jobs.“ Ähnlich witzig ist die Idee, dass die Aliens für teures Geld Raumschiffe und Sonden ins All schießen lassen, denen sie Botschaften für außerirdische Intelligenzen beilegen, während diese außerirdi-schen Intelligenzen in Wirklichkeit lässig neben einem stehen.

An Bord der Voyager-Sonde befindet sich zum Beispiel eine extra von der NASA gebrannte CD – Haltbarkeit: eine Milliarde Jahre -, auf der Vogelzwitschern, Beethoven und Politikerreden zu hören sind. Man muss sich das Gelächter vorstellen, wenn die Kollegen von Alpha Centauri die CD einlegen und sich die weihe-vollen Botschaften der Alien-Betriebsgruppe Erde anhören.

Den Zeitpunkt, zu dem die Aliens die Erde übernehmen, können wir heute ziemlich genau angeben; er liegt zwischen 1945 und 1955. Der Faschismus hatte als Herrschaftsmodell in den strate-gischen Hauptländern der Nordhalbkugel, also den heutigen G8-Ländern, ausgedient – niedergerungen von einer Koalition des Widerstands, der angegriffenen Länder und ihrer Verbündeten;

unfähig zur internationalen Zusammenarbeit und zum Aufbau einer langfristig stabilen Ordnung; unvorstellbar als Option in den Ländern der Alliierten, die gegen ihn gekämpft hatten;

schließlich von innen überwunden in der Sowjetunion. Das Sys-tem personeller Herrschaft war damit endgültig zum Abschuss freigegeben. Die menschlichen Eliten waren am Ende. Es war der ideale Zeitpunkt für eine neue Kraft, die Herrschaft zu überneh-men. Diese neue Kraft waren die Aliens.

Die Aliens räumten mit dem Unsinn der personellen Herrschaft auf und verliehen dem Projekt Herrschaft dadurch neuen Glanz und eine spektakuläre Dynamik. Sie betrieben einen umfassen-den Politikwechsel, der endgültig Schluss machte mit umfassen-den Hals-starrigkeiten und Sentimentalitäten alter Herrschaftseliten. Sie reformierten, dekolonisierten, effektivierten und ließen partizi-pieren. Denn Aliens sind zielstrebig in der Sache, aber undogma-tisch in der Form. Die Welt will kontrolliert sein und ihre Schätze gehoben, aber dafür gibt es viele Möglichkeiten.

Auf den Punkt brachte es Helmut Schmidt, damals Bundeskanz-ler, bei einer Unterredung, die er 1977 mit Walter Mondale, damals US-Vizepräsident, über die Zukunft Südafrikas führte. Es war das Jahr des Soweto-Aufstands, und die Weltöffentlichkeit reagierte nervös auf die hässlichen Berichte über den Apartheid-Staat. „Die Apartheid muss endlich abgeschafft werden“, ereiferte sich Mondale. Schmidt saugte sehr nachdenklich an seiner Pfei-fe, sah ihn an und sagte: „Und womit ersetzen wir sie?“

Eine Klasse neuen Typs

Die Aliens beherrschen den Planeten. Dazu sind sie hier. Um den besonderen Charakter der alienistischen Herrschaft richtig ver-stehen zu können, müssen wir ein paar Worte über Herrschaft im Allgemeinen verlieren. Herrschaft ist nicht nur Ausbeutung, sie ist Ausbeutung plus Dominanz; oder besser umgekehrt: Domi-nanz plus Ausbeutung. Es gehört zum Wesen von Herrschaft, dass sie innerhalb einer sozialen Kooperation stattfindet. Von einer außerirdischen Spezies, die unseren Planeten kurzerhand mit einer Superwaffe in Schutt und Asche legt, würden wir nicht sagen, dass sie uns beherrscht. Herrschaft ist eine einseitig ver-zerrte Form sozialer Kooperation – einseitig erzwungene Aneig-nung fremder Arbeit und Natur; einseitige Bestimmung über den anderen; einseitige Kontrolle gesellschaftlicher Verhältnisse. Herr-schaft besteht darin, dass ich in einer sozialen Kooperation mit anderen meine Ziele durchsetzen kann, auch wenn die anderen das nicht wollen; dass ich das nicht nur einmal, sondern immer

wieder kann; und dass ich in der Ausübung meiner Kontrolle dafür sorge, dass sie auch in Zukunft funktioniert, weil ich die Grundlage dieser einseitigen Kontrolle der gesellschaftlichen Ver-hältnisse wiederherstellen, aufrechterhalten, vielleicht sogar aus-bauen kann.

Dadurch unterscheidet sich Herrschaft von Macht. In jeder sozialen Kooperation kann ich bis zu einem bestimmten Grad Arbeit und Eigentum anderer für meine Ziele benutzen und wer-de dadurch mächtiger, als ich alleine wäre; umgekehrt können das andere auch. Erst wo dieses Verhältnis dahingehend kippt, dass mein Zugriff auf die gesellschaftlichen Ressourcen (also die Arbeit und Natur, die mehr ist als meine eigene) prinzipiell immer möglich ist, der Zugriff anderer jedoch unterbunden (oder jedenfalls bedingt) ist, beginnt Herrschaft. Sie etabliert sich nur, wenn ich meine Macht nicht bloß für irgendwelche Ziele verwen-de, sondern sie als Waffe einsetze, um den einseitigen Zugriff und die einseitige Entscheidungsgewalt zu erreichen und zu behaup-ten, indem ich dafür Grundlagen schaffe oder verewige. Eine gelungene soziale Kooperation kann die Macht aller Beteiligten steigern, ihre Umwelt zu gestalten und Dinge zu tun, die alleine unmöglich wären. Herrschaft hingegen ist ein Nullsummenspiel:

das einseitige Mehr an prinzipieller Verfügung über die Koope-ration und ihre Resultate beinhaltet unweigerlich ein Weniger an Verfügung bei anderen. In einer nach außen geschlossenen Grup-pe können nicht alle herrschen. Herrschaft ist nichts anderes als ein Begriff dafür, dass die Verfügung auf Dauer einseitig verteilt ist und dass nicht alle Beteiligten die gleiche Möglichkeit haben, diesen Zustand zu ändern.

Arbeitsteilungen stellen deshalb noch keine Herrschaft dar. Erst wo die Arbeitsteilung einen Zustand etabliert, in dem die einen die Bedingungen der Kooperation stärker dominieren können als die anderen, und die weniger Dominanten diesen Zustand nicht mehr einfach ablehnen, zurückweisen oder verlassen können (indem sie zum Beispiel eine neue Arbeitsteilung durchsetzen, innerhalb der bestehenden Arbeitsteilung die Seite wechseln, oder die Arbeitsteilung überhaupt aufkündigen), wird sie zu einem Herrschaftsverhältnis. Herrschaft hat dabei immer einen

Doppelcharakter. Zum einen verleiht sie Macht, Ziele zu errei-chen und Entscheidungen zu treffen. Zum anderen kann sie die-se Macht nicht völlig frei verwenden, sondern muss sie zu einem erheblichen Maß benutzen, um dafür zu sorgen, dass der Zustand der Herrschaft auch aufrechterhalten bleibt. Der Bundeskanzler kann sich vielleicht öfter ein Eis kaufen als sein Automechaniker oder seine Putzfrau; aber er kann nicht nur Eis essen, sonst bleibt er nicht Bundeskanzler, oder jedenfalls keine Person, die sich öfter Eis kaufen kann als andere. Wer herrscht, hat die Macht, sich manches zu gönnen. Aber er muss sich gleichzeitig so ver-halten, dass er die Grundlagen seiner Herrschaft mehrt.

Die strukturelle Notwendigkeit, sich um die Selbstreproduktion von Herrschaft zu kümmern, besteht für jede herrschende Grup-pe; die Aliens bilden da keine Ausnahme. Die Stärke der Aliens ist, dass sie nur das tun. Sie verwenden die Verfügungsgewalt, die ihnen als herrschender Gruppe zufällt, nicht für was Schönes für sich, sondern nahezu hundertprozentig für die Reproduktion ihrer Herrschaft. Sie bauen keine Pyramiden fürs Seelenheil, son-dern höchstens, weil sie sich einen ökonomischen Nutzeffekt davon versprechen. Sie errichten, wenn sie an fremder Küste lan-den, als erstes keinen Tempel, sondern eine Wasserversorgung.

Sie lassen keine Kanonenboote sinnlos in der Gegend herumfah-ren, nur weil sie sich persönlich von den französischen Kollegen übergangen fühlen, wie seinerzeit Wilhelm II. mit seinem „Pan-thersprung“ nach Agadir. Sie nehmen nicht verlustreich einen Stützpunkt mitten im Feindgebiet ein, nur weil man da gut sur-fen kann, wie Lieutenant Commander Kilgore in Coppolas „Apo-calyse Now“. Sie tun das und genau das, was notwendig ist – für ihre Herrschaft.

Dieser Umstand zieht ihrer Macht eine innere Grenze. Die Aliens erscheinen gar nicht so mächtig, weil sie so gut wie nichts von dem gesellschaftlichen Potential, das sie in Händen halten, frei für Ziele einsetzen könnten, die ihnen persönlich in den Sinn kom-men. Aber Aliens kommt ja auch gar nichts persönlich in den Sinn.

Und gerade darum sind sie die perfekte herrschende Klasse. Des-halb wirken viele gerade der kleineren Aliens so, als ob sie ganz arme Würstchen wären. Sie machen kaum etwas aus sich als

Person – aber sie würden dich auf dem Rost braten, wenn es der Alien-Herrschaft ein halbes Prozent mehr Stabilität und Vorsprung bringt. Sie stehen auf Statussymbole (nichts Unvernünftiges, Überdrehtes natürlich, nur die Standards), um dieses Fehlen an persönlichem Machtgewinn zu kompensieren, aber sie stehen nicht auf Pomp oder Luxus. Sie verschwenden nichts für die Ori-ginalität persönlicher Lebensführung und Ausstattung. Personelle Herrscher bauten sich gewagte Schlösser und prassten mit ver-wegenen Genüssen; Bill Gates baut sich ein Haus, dessen höchs-tes Ziel es ist, dass der Computer automatisch Dosenbier nachbestellt, wenn der Kühlschrank leer ist. Was anderes fällt ihm nicht ein. Die früheren SED-“Villen“ im Grünen zeugen genauso von dieser zwanghaften Bescheidenheit wie des Alt-Bun-deskanzlers Vorliebe für Saumagen und Ferien am Wolfgangsee.

Die ganze Kraft der Aliens geht eben in die Stärkung des Alien-Systems und ihrer eigenen Position darin, in den Ausbau der Grundlagen ihrer Herrschaft.

In einer Schlüsselszene von Oliver Stones Film „Nixon“ diskutiert eine Gruppe aufgebrachter StudentInnen mit Anthony Hopkins als Nixon über den Vietnamkrieg und bestürmt ihn, den Krieg zu beenden. Plötzlich, im Gespräch, stutzt eine Studentin und sagt zu Nixon: „Sie können ihn gar nicht beenden, stimmt's? Sie haben nicht die Macht dazu.“ Die ganz großen Aliens wissen das und es verleiht ihnen fast einen Hauch von Tragik. Sie können nicht gegen die alienistische Logik handeln. Täten sie das, hät-ten sie für einen Augenblick Macht, aber sie würden augenblick-lich aus dem Alien-System ausgeschieden – wie ein Organismus einen Fremdkörper ausscheidet.

Trotz dieses stillen Makels, dieses Fehlens tatsächlicher persön-licher Gestaltungsspielräume, sind einige der großen Aliens wirk-lich cool. Sie sind die Mackie Messers unserer Zeit. Wir sind fasziniert von der Amoralität ihrer Freiheit; der zielstrebigen Läs-sigkeit, mit der sie ihre Sache verfolgen; ihrer Freiheit von „per-sonellen“ Verunreinigungen, ihrer perfekten Flexibilität. Sie reden nicht mehr von Ehre und all diesem Unsinn früherer Herrscher;

sie versuchen auch gar nicht mehr, sich als die moralisch besse-re Klasse darzustellen. „We abesse-re no Gentlemen. We have no honour“,

sagt Rhett Butler in „Vom Winde verweht“, immerhin schon 1938.

(Wir erinnern uns: 1911, zum Beginn des demokratischen Zeital-ters, gründeten die Aliens erstmal Hollywood.) Wo die Aliens zuschlagen, wird nicht martialisch an die Waffen geklopft, son-dern es fährt ein Lautsprecherwagen vor den Gewehren her:

„Lauft nicht weg. Wir sind Freunde“, wie in Timothy Burtons

„Mars Attacks“. Während man im Alienismus die StudentInnen bei jeder Diplomarbeit damit quält, zu welcher wissenschaftli-chen Methode sie sich denn bekennen würden? auf welwissenschaftli-chen Autoritäten sie aufbauen würden? dass sie doch gefälligst nicht einfach so drauflosdenken könnten? usw., schreiben die alienis-tischen Vordenker ganz lässig: „Man beginnt, indem man eine Unterscheidung setzt. Dafür gibt es keine außerhalb der Theorie liegenden Begründungen. Aber irgendwo muss man schließlich anfangen.“ Das hat, man muss es zugeben, Stil.

Die Aliens sind eine Klasse neuen Typs. Sie sind eine internatio-nale Klasse, die ein gemeinsames Herrschaftsprojekt betreibt, das in der fortschreitenden Überantwortung von Natur und Arbeit an zentrale Verfügungsgewalt und in der Einebnung aller Widerstände dagegen besteht. Diese Überantwortung kann jedoch in den verschiedensten Formen geschehen – als Privatei-gentum genauso wie als verstaatlichtes EiPrivatei-gentum, als Besitz genauso wie als managementförmige Kontrolle, mit Markt oder Vernunft, Gewalt oder Liebe. Die Verbindung zwischen den Aliens ist nicht die, dass sich alle in derselben ökonomischen Lage befinden, sondern dass sie alle von diesem Projekt profitieren und daran teilnehmen. Sie knüpfen an allem an, was die von ihnen übernommene Gesellschaft an überkommenen Unter-drückungsverhältnissen hergibt, transfomieren diese jedoch über die Grenzen personeller Herrschaft hinaus: Der Alienismus ist ein von der Eigentumsform emanzipierter Kapitalismus, ein ent-geschlechtlichtes Patriarchat, eine ent-ethnisierte weiße Herr-schaft, eine geographisch entgrenzte Herrschaft des Nordens über einen räumlich entgrenzten Süden usw. Im Alienismus wird Zustimmung und Anpassung organisiert in einer Form, die der direkten Gewalt einen zurückgenommeneren Platz zuweist, die aber rigide in der physischen und psychischen Entwaffnung

ihrer Objekte und ihrer potentiellen GegnerInnen ist. Der Alie-nismus verwendet „Demokratie“ als geschmeidigen Transmissi-onsriemen der ungleich verteilten Verfügung. Er stellt sich als vernünftige, paternalistische und agitatorische „Ordnung“ dar und sucht vor allem die Idee der Befreiung zu liquidieren.

Den Aliens ist nichts heilig. Sie erscheinen im Smoking zum Fototermin und gehen in Shorts zur Würstchenbude. Wenn eine Form der Herrschaftsausübung obsolet wird, wechseln sie auf eine andere. Sie verfahren wie die Katze auf dem heißen Blech-dach: draufbleiben, einfach draufbleiben. Sie setzen sich nicht einmal Denkmäler. Es würde ihrem zentralen Dogma widerspre-chen – dem einzigen vielleicht, das sie haben und das sie unabläs-sig wiederholen, übers Land senden, den Menschen einbleuen:

dass es in Wirklichkeit gar keine Aliens gibt. Irgendwo draußen vielleicht, in den Weiten des Alls. Aber doch nicht hier!

„Unternehmt nichts vor dem demokratischen Zeitalter! Wie Isaac Asimov in seinem Standardwerk „Außerirdische Zivili-sationen“ darlegt, gibt es allein in unserer Galaxis vermutlich eine ganze Menge Planeten, auf denen intelligente Zivilisationen leben; selbst bei konservativer Schätzung könnten es leicht ein paar hunderttausend solcher Zivilisationen sein. Dass trotzdem so relativ selten interstellarer Besuch zum Tee kommt, hat mit den extremen Entfernungen zu tun. Selbst Gäste von einem Pla-neten um Alpha Centauri, dem von uns aus nächsten Stern, wür-den mit einem Fahrzeug, das zehn Prozent der Lichtgeschwin-digkeit schafft, 44 Jahre bis zu uns brauchen, die Zeit fürs Brem-sen nicht eingerechnet. Von Rigel, der auch noch quasi um die Ecke liegt, sind es selbst mit Lichtgeschwindigkeit schon 1000 Jahre. Mit Warpantrieb ginge es etwas schneller, jedoch auch nicht beliebig schnell (bei Warp 10 ist auch in „Star Trek“

Schluss). Alle Ideen, man könne eben kurz unter dem Ereignis-horizont eines Schwarzen Loches hindurchfliegen und über eine Einstein-Rosen-Brücke heil irgendwo anders im Universum auf-tauchen, haben sich bislang physikalisch als Quatsch erwiesen.

Als Lösung bleiben daher nur artifiziell erzeugte Wurmlöcher mit Hilfe exotischer Materie übrig, wie sie Morris und Thorne oder Visser skizziert haben. So etwas baut man aber nicht aufs Gera-tewohl. Für die Übernahme eines Planeten durch eine außerirdi-sche Zivilisation stellt sich daher immer das Problem, dass die Erschließung und Kolonisierung dieses Planeten bereits gesichert sein muss, bevor sich der Aufwand lohnt, eine stabile Hyperraum-verbindung zu errichten. Man baut ja auch keine Autobahn nach Sansibar oder Hawaii, bevor man es erobert hat, ja bevor man überhaupt dort war.

Die einfachste und wahrscheinlichste Lösung dieses Problems ist die genetische Kolonisation. Sie ist die billigste, effektivste und unauffälligste Methode. Der Gedanke findet sich in Don Siegels Science-Fiction-Klassiker „Die Dämonischen“ (gedreht 1959) ebenso wie in „Fight the Future“. Bei Siegel landen außerirdi-sche Sporen auf der Erde; jede Spore reift zu einer genauen äußerlichen Kopie eines Erdbewohners in ihrer Nähe; schließlich wird das Original von dieser Kopie beseitigt und der Erdling ist durch ein Alien von identischem Aussehen ersetzt. In „Fight the Future“ ist das Schwarze Öl das Transportmedium, in dem gene-tische Information über Jahrmillionen hinweg reglos verharrt;

beim Kontakt mit einem Lebewesen dringt das Schwarze Öl in dieses ein und beginnt es zu transformieren. Der Ansatz der genetischen Kolonisation erklärt auf elegante Weise, wieso, obwohl das interstellare Reisen so schwierig ist, eine außerirdi-sche Zivilisation bereits hier ist und sich unerkannt entfaltet.

Genetische Kolonisation löst auch das Anthropomorphie-Problem:

Eine außerirdische Lebensform, die ganz anders ist als wir, könn-te vermutlich weder mit uns kommunizieren noch uns sinnvoll beherrschen. So jedoch wird die vorfindliche Form einheimischen Lebens übernommen und nur mit dem Alien-Programm geimpft.

Die Sache läuft also folgendermaßen ab: Der Heimatplanet der Aliens, sagen wir mal ein Trabant in einem Sternsystem des Großen Bären, streut genetisches Material durch die Galaxis. Wo es auf eine bewohnte Welt, zum Beispiel unsere Erde, stößt, krallt es sich in die DNA der dominanten Spezies und erzeugt irgend-wann heimlich eine kleine, dieser einheimischen Spezies aufs

Haar gleichende Alien-Population, die erstmal abwartet. Fernab vom Heimatplaneten, sind die Aliens ganz auf sich gestellt. Ihre Oberste Direktive, die Prime Directive der Kolonisation, lautet:

„Verhaltet euch unauffällig!“; die Second Directive lautet:

„Unternehmt nichts vor dem demokratischen Zeitalter!“ Erst wenn das Zeitalter der personellen Herrschaft zuende geht, schlägt die Stunde der Aliens. Denn jetzt ist Herrschaft, die man auf den ersten Blick nicht sieht, ausgeübt von Wesen, die vorder-gründig aussehen wie du und ich, das überlegene Modell.

Sobald die demokratische Zeit also reif ist, übernehmen die Ali-ens die wichtigsten Kommandohöhen – in Politik, Wirtschaft und Kultur; im Kapitalismus und im Sozialismus; in den Regierungen und in den demokratischen Bewegungen selbst. Hierfür bieten sich mehrere Möglichkeiten an: Aliens können sich selbst an die Spitze der verschiedenen Hierarchien spielen oder sie können günstig postierte Menschen durch Aliens austauschen. Die gene-tische Kolonisation bietet auch die Variante, dass Menschen sich durch Aktivierung der alienistischen DNA, die inzwischen weit verbreitet worden ist, in Aliens verwandeln. Offenbar gibt es einen gelenkten Übergang vom Menschen zum Alien: die Aliens trans-formieren immer wieder Menschen zu Aliens, indem sie die ent-sprechenden Gensequenzen stimulieren, zum Beispiel durch ein gutes Gehalt und die Zuteilung von Untergebenen; es gibt aber auch spontane Übergänge, sozusagen Selbstzündungen. Diese sind überall dort häufig, wo bisherige Herrschaftspositionen durch den Verfall der personellen Herrschaft weich geworden sind – in Institutionen, Familien, Organisationen, wo auch immer. Auch der gelenkte Übergang funktioniert nicht ganz automatisch: Es muss eine gewisse aktive Entscheidung aus den Tiefen des Genoms geben, die nicht vollständig planbar ist. Man wird also weder als Alien geboren noch einseitig zum Alien gemacht; zum Alien wird man.Aufgrund der genetischen Kolonisation gibt es nur selten reine Aliens und so gut wie nie reine Menschen. Die Gruppe der Aliens hat keine scharfen Ränder, sondern eher eine „Glockenvertei-lung“ nach Prozentsätzen – ein harter Kern von nahezu hundert-prozentigen Aliens ist von fünfzighundert-prozentigen Aliens umgeben,

von fünfundzwanzigprozentigen, von zehnprozentigen. Es gibt eine alienistische Zivilisation, die wesentlich breiter ist als die eigentliche alienistische Klasse. Man kann in dem einen sozialen Verhältnis ein Alien sein und in einem anderen Verhältnis nicht.

Die meisten von uns haben ihre alienistischen Anteile. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied darin, ob unser Ver-halten insgesamt der alienistischen Zivilisation zuarbeitet oder ihr tendentiell entgegenarbeitet. Daran macht sich fest, ob wir

Die meisten von uns haben ihre alienistischen Anteile. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied darin, ob unser Ver-halten insgesamt der alienistischen Zivilisation zuarbeitet oder ihr tendentiell entgegenarbeitet. Daran macht sich fest, ob wir

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