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V. DIE ZULASSUNG VON GLYPHOSAT IN ÖSTERREICH

Glyphosat ist in Österreich schon seit längerer Zeit in einigen Pflanzenschutzmitteln zugelassen. Die erste Zulassung von glyphosathaltigen Pestiziden erfolgte in Österreich im Jahr 1979.96 Wie bereits erwähnt, sind österreichweit zurzeit (Stand 11.11.2019) 42 Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat im Register der BAES registriert.97

Am 31.07.2013 wurde ein Verbot der Sikkation von Pflanzen durch glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel, die zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet werden, kundgemacht.98 Ein Verbot für die Verwendung von Glyphosat besteht in Österreich auch im Bereich von versiegelten Flächen. Im Jahr 2016 hat das BAES außerdem alle Pflanzenschutzmittel verboten, die als Beistoff POE-Tallowamin enthalten.99 Am 02.07.2019 wurde im Nationalrat ein Totalverbot von Glyphosat beschlossen.100

Zu den konkreten Folgen der Wiedergenehmigung des Wirkstoffs Glyphosat auf die Mitgliedstaaten – insb. Österreich – siehe Kapitel IV.A.1.

Wie bereits erläutert obliegt es der EU, die Genehmigung eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffs durchzuführen, für diese Entscheidung ist Österreich daher nicht zuständig. Die Pflanzenschutzmittelzulassung hat jedoch auf nationaler Ebene zu erfolgen. Diese Zulassung ist aber an strikte europarechtliche Vorgaben gebunden, die sich vor allem in der Verordnung (EG) 1107/2009, der Durchführungsverordnung (EU) 546/2011 und der Durchführungsverordnung (EU) 2324/2017 (im Zusammenhang mit Glyphosat) finden lassen. Dies führt dazu, dass es Österreich im Zulassungsverfahren nicht möglich ist, selbstständig schädliche Risiken eines Pestizids anzunehmen, weil die Entscheidung im Einklang mit den genannten EU Vorschriften erfolgen muss. Da diese Regelungen die Form einer Verordnung aufweisen, sind sie in den Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwenden, weshalb Österreich nicht über das Ermessen verfügt, gewisse Inhalte im Zusammenhang mit der Pestizidzulassung durch nationale Vorschriften anders zu regeln. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, kann daher nicht durch das Erlassen anderer nationaler Zulassungskriterien für Pestizide erfolgen.

Es ist auch nicht möglich, den jeweiligen Wirkstoff bei der Zulassung von Pestiziden nochmals selbstständig zu untersuchen, da bei der nationalen Zulassung die Ergebnisse, die bei der Genehmigung des Wirkstoffs auf EU-Ebene hervorgebracht wurden, zu berücksichtigen sind. Deshalb kann eine verweigerte Zulassung eines Pflanzenschutzmittels von einem Mitgliedstaat nicht mit einem Argument gerechtfertigt werden, das mit den Resultaten der Wirkstoffgenehmigung der EU nicht in Einklang steht.

Zusätzlich wird den Mitgliedstaaten die Verweigerung der Zulassung von Pestiziden durch das System der zonalen Bewertung und der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen erschwert.102

System der zonalen Bewertung: Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen finden sich in den Artikeln 33ff. der Verordnung (EG) 1107/2009. Will jemand ein Pflanzenschutzmittel in Umlauf bringen, muss in jedem Mitgliedstaat ein Antrag auf Zulassung gestellt werden, in dem das Pestizid in Umlauf gesetzt werden soll. Ein Mitgliedstaat (prüfender Mitgliedstaat) beginnt anschließend mit der Prüfung des Antrags, während die anderen Staaten innerhalb der

102 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien BOKU, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, Nationale Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg (2019), S. 49ff.

Zone, in denen die Zulassung des Pestizids ebenfalls beantragt wurde, mit der Bewertung des Antrages aufhören, bis der prüfende Mitgliedstaat das Pflanzenschutzmittel bewertet hat. Die anderen Mitgliedstaaten können sich zu dieser Bewertung äußern und genehmigen oder verbieten die Zulassung des jeweiligen Pestizids auf Basis des Resümees aus der Beurteilung des prüfenden Mitgliedstaats.

Hat ein Mitgliedstaat Einwände, die sich auf gesundheitliche Nachteile für Mensch und Tier oder die Umwelt beziehen und können diese Risiken nicht durch nationale Regelungen beseitigt werden, kann der Staat die Zulassung des Pestizids verbieten. Dies muss er auf vertretbare Gründe stützen, die wegen besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Konditionen in seinem Gebiet eine unzumutbare Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellen. Nach Anhang I leg. cit. befindet sich Österreich in der Zone B (Mitte).103

Gegenseitige Anerkennung von Zulassungen: Gemäß Artikel 40f. der Verordnung (EG) 1107/2009 kann jemand, der über eine gültige Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel verfügt, für das selbe Pestizid, die selbe Anwendung und bei gleichen landwirtschaftlichen Konditionen in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung stellen.

Dieser Mitgliedstaat prüft den Antrag und erteilt für das Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Vorgaben wie der Mitgliedstaat, der den Antrag geprüft hat.104 Eine andere Entscheidung bezüglich der Zulassung kann nur getroffen werden, wenn die gleichen Voraussetzungen wie bei der zonalen Bewertung vorliegen (Art. 36 Abs. 3 leg. cit.).105

Neben der Möglichkeit des Artikels 36 Absatz 3 leg. cit. könnte Österreich durch die vergleichende Bewertung gemäß Artikel 50 die Zulassung eines Pestizids ausnahmsweise verweigern. Nach Absatz 2 leg. cit. muss jedoch für den selben Zweck eine nichtchemische Alternative zur Bekämpfung und Vorbeugung bestehen, die im jeweiligen Mitgliedstaat allgemein gebräuchlich ist.106

103 Vgl. Artikel 33ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. I 2014 L 309/1.

104 Vgl. Artikel 40f. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. I 2014 L 309/1.

105 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien BOKU, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, Nationale Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg (2019), S. 52.

106 Vgl. Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. I 2014 L 309/1.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nicht frei entscheiden können, ob ein Pflanzenschutzmittel in ihrem Gebiet zugelassen wird, da sie recht spezifische Zulassungsvorgaben der EU befolgen müssen, die die Konditionen zur Gewährung oder Verweigerung der Zulassung festsetzen.107

Demzufolge würde ein Totalverbot von Glyphosat gegen geltende Sekundärrechtsakte der EU verstoßen. Nur eine Berufung auf die Schutzintensivierungsklausel nach Artikel 114 Absatz 4 bis 10 AEUV könnte eine andere Vorgehensweise als im Sekundärrecht vorgesehen rechtfertigen.

Demnach können Mitgliedstaaten zum Schutz bedeutender Rechtsgüter striktere nationale Regelungen aufrechterhalten oder neu erlassen, obwohl eine europarechtliche Harmonisierung durchgeführt wurde. Dafür müssen allerdings gewissen Voraussetzungen erfüllt sein.

Der Mitgliedstaat muss es gemäß Absatz 4 leg. cit. nach der Anordnung einer EU Maßnahme zur Rechtsangleichung als notwendig erachten, nationale Regelungen aufrechtzuerhalten, die entweder durch Gründe iSd. Artikel 36 AEUV (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheitsschutz, etc.) oder den Schutz der Arbeitsumwelt bzw. den Umweltschutz gerechtfertigt sind.

Die jeweiligen nationalen Regelungen zum Umweltschutz oder dem Schutz der Arbeitsumwelt müssen sich aufgrund eines besonderen Problems, das für den konkreten Mitgliedstaat besteht und erst nach der Angleichung auftritt, ergeben und müssen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen (Abs. 5).

Gemäß Absatz 6 prüft die Kommission die nationalen Regelungen des Mitgliedstaates und entscheidet innerhalb von sechs Monaten nachdem der Staat die betreffende Vorschrift nach Absatz 4 und 5 der Kommission mitgeteilt hat, ob sie die jeweiligen nationalen Erlässe des betroffenen EU-Staates genehmigt ober ablehnt. Wird von der Kommission nach Ablauf von sechs Monaten kein Beschluss angeordnet, gelten die Vorschriften des Mitgliedstaates als bewilligt.108

107 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien BOKU, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, Nationale Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg (2019), S. 52.

108 Vgl. Art. 114 Abs. 4 bis 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), BGBl. III 86/1999 idF BGBl. III 132/2009.

Um ein komplettes Verbot von Glyphosat einzuführen, müsste sich Österreich daher auf Gründe des Umweltschutzes oder den Schutz der Arbeitsumwelt berufen, der Gesundheitsschutz wäre daher kein berechtigter Grund. Österreich bräuchte weiters neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die das Verbot begründen. Diesbezüglich würden starke Bedenken hinsichtlich der Effektivität der Bedingungen für die Anwendung von Glyphosat genügen. Außerdem müsste eine konkrete Problematik vorliegen, die nur Österreich betrifft. Zuletzt darf das Problem für Österreich erst auftreten, nachdem seitens der EU Harmonisierungen beschlossen wurden.

Österreich wird es derzeit wohl nicht möglich sein, all diese Voraussetzungen vorzuweisen, weshalb ein österreichisches Totalverbot von Glyphosat vermutlich nicht durchführbar ist.109

1. Derzeitige Rechtslage in Österreich

Am 02.07.2019 befasste sich der Nationalrat mit einem von der SPÖ eingebrachten Antrag für ein generelles Glyphosatverbot im Sinne des Vorsorgeprinzips110 und seitens der ÖVP wurde eine Initiative für ein Verbot von Glyphosat auf öffentlichen Arealen und bei privater Anwendung im Nationalrat vorgeschlagen. Die Initiative der ÖVP konnte nicht von einer ausreichenden Anzahl an Abgeordneten unterstützt werden. Das Totalverbot von Glyphosat, dass seitens der SPÖ beantragt wurde, konnte mit Zustimmung von NEOS, FPÖ und Liste JETZT im Nationalrat beschlossen werden.111

Durch das Bundesgesetzblatt I Nr. 79/2019, das mit 31.07.2019 kundgemacht wurde, kam es zu einer Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011.

Demnach hat der Nationalrat beschlossen, dass im § 18 Absatz 10 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 der Satz „Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist hinsichtlich der Indikation

109 Vgl. Obwexer (2017): Stellungnahme Unionsrechtliche Rahmenbedingungen betreffend Zulassungs- und Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat.

https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:38ef04e0-5212-406e-a8e7-c4d21998d1ed/Stellungnahme%20Oberwexer_Unionsrechtliche%20Rahmenbedingungen%20betreffend

%20Zulassungs-%20und%20Anwendungsbeschränkungen.pdf (Zugriff am 22.11.2019), S. 5f.

110 Das Vorsorgeprinzip kann angewendet werden, wenn eine mögliche Gefahr beispielsweise durch ein Produkt wie einem Pflanzenschutzmittel besteht, die wissenschaftlich eruiert wurde und das jeweilige Risiko nicht mit Sicherheit eingeschätzt werden kann. Dafür müssen eventuelle nachteilige Auswirkungen festgestellt werden, die wissenschaftlichen Informationen und die wissenschaftliche Unsicherheit bewertet werden (Vlg. Eur-Lex, Vorsorgeprinzip).

111 Vgl. Österreichisches Parlament (2019):

https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0767/index.shtml (Zugriff am 22.11.2019).

„Sikkation“ verboten, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist“ durch den Satz „Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten“

ausgetauscht wird. Das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 wird zusätzlich im

§ 17 um einen Absatz 5 erweitert. Gemäß diesem Absatz 5 tritt § 18 Absatz 10 nur unter jener Voraussetzung in Kraft, dass die Regelung gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 notifiziert wurde, eine Stillhaltefrist von drei Monaten verstrichen ist und keine Stellungnahme erfolgt ist und die Kommission innerhalb der Frist keine Bekanntgabe ausgesprochen hat. § 18 Absatz 10 nach diesem BGBl. tritt erst ein, wenn die Bedingung des § 17 Absatz 5 eingetreten ist – somit am 01.01.2020.112

Laut der Landwirtschaftskammer Oberösterreich soll dieses Verbot von Glyphosat aber eindeutig gegen das Europarecht verstoßen, was der EU Kommissar Andriukaitis schriftlich mitteilte. Glyphosat könne nämlich bei Erfüllen aller Vorgaben ohne jegliche Bedenken verwendet werden.113