• Keine Ergebnisse gefunden

Theoretischer Hintergrund

5 Moleküldynamik des humanen Adenosin A3 Rezeptors

5.1 Theoretischer Hintergrund

Gegensatz zum Lennard-Jones-Potenzial fällt das Coulomb-Potenzial nicht so schnell ab, sondern nur mit dem Quadrat der Entfernung.

V= 1

40r

Q1Q2 r

V: elektrostatisches Potential; Q1/2 : Punktladungen; ε0 = 8,854 · 10-12 Fm-1; εr : Dielektrizitäts-konstante des Mediums; r : Abstand der Punktladungen [m]

Damit stellt die Berücksichtigung dieser Kräfte die größte Herausforderung in einer Molekül-dynamik dar. Die einfache Verwendung eines Cut-Offs führt, selbst bei großen Werten, zur Ausbildung von Artefakten.123

5.1.3 Ewald-Methode

Daher sollte eine verbesserte Methode verwendet werden, wie die 'Particle-Mesh-Ewald'-Methode (PME). Dieses Verfahren beruht auf den Untersuchungen von elektrostatischen Kräften in Kristallen, die Ewald 1921 durchführte.124 Hierbei interagiert jedes Teilchen mit allen anderen Teilchen in der Einheitszelle, sowie deren Kopien in einer unendlichen Zahl von periodisch angeordneten Zellen. Die Gleichung zur Berechnung der Interaktionen lautet:

V=1 2

n

i=1

N

j=1

N QiQj

40

rijn

V: elektrostatisches Potential; n: Ursprungsvektor der Einheitszelle; N: Summe aller geladenen Teilchen in der Einheitszelle; Qi/j: Punktladung; r : Abstand der Punktladungen Diese Gleichung konvergiert jedoch für kleine Einheitszellen nur sehr langsam. Unter der Annahme, dass jede Ladung von einer neutralisierenden Ladung mit umgekehrten Vorzeichen umgeben ist, kann man die Gleichung in zwei Serien aufspalten, die jeweils schneller konvergieren. Dabei wird zum einen eine direkte Summe gebildet (wirkt wie ein Cut-Off bei einem festgelegten Abstand) und zum anderen eine reziproke Summe (Anwendung der Fourier-Transformation, um alle übrigen Interaktionen zu erfassen). Für größere Systeme ist die Berechnung der Ewald-Summe jedoch zu aufwändig, da der Rechenaufwand mit N² steigt.

Eine Lösung für dieses Problem stellt die Verwendung der Fast Fourier Transformation (FFT) dar, bei diesem Algorithmus steigt der Rechenaufwand nur noch mit N ln N. Damit die FFT angewendet werden kann, müssen die Koordinaten der Ladungen jedoch ersetzt werden durch eine gitterartige Verteilung der Ladungen.125

5.1.4 Phospholipidmembranen in der Moleküldynamik

Wie in der Einleitung schon beschrieben, handelt es sich bei dem hA3 Rezeptor um ein membranständiges Protein. Daher ist es für eine realistische Simulation zwingend erforder-lich, ein Modell für die

Phospholipidmem-bran zu integrieren. Diese ist nicht homogen aufgebaut, sondern besteht aus verschie-denen Phospholipiden. Diese lassen sich in vier Gruppen einteilen: Phosphatidylcho-line, Phosphatidylethanolamine, Phosphati-dylserine und Sphingomyeline. Mit Aus-nahme der Sphingomyeline sind diese auf-gebaut aus einem hydrophoben Teil

be-stehend aus zwei mit Glycerol veresterten Fettsäuren und einer stark hydrophilen Kopfgruppe (Cholin, Serin, Ethanolamin), die über die Phosphatgruppe mit dem Glycerol verbunden ist.

Daneben enthalten tierische Membranen noch Cholesterol, Glykolipide, Glykoproteide und Lipoproteine. Die Zusammensetzung kann dabei je nach Gewebe unterschiedlich sein. Daher ist es (noch) nicht möglich ein absolut naturgetreues Modell einer Biomembran in silico zu er-stellen.

Da in dieser Simulation vor allem das Verhalten des Rezeptors untersucht werden soll, wird die Membran nur benötigt, um eine realitätsnahe Umgebung für das Protein zu schaffen. Da-her wird nur ein Phospholipid zum Aufbau der Membran verwendet, für gewöhnlich eines aus der Gruppe der Phosphatidylcholine, da diese nach aussen hin immer neutral sind (negativ ge-ladene Phosphat-Gruppe und permanent positiv gege-ladenes quartäres Amin im Cholin-Rest).

Neben der polaren Kopfgruppe kann auch noch der Fettsäurerest variieren, hier kann man vor allem zwischen gesättigten und ungesättigten unterscheiden. Diese haben einen ent-scheidenden Einfluss auf die Phasenübergangstemperatur vom Gelzustand in den flüssig-kristallinen Zustand. Der Zustand der Phospholipidmembran ist wichtig für die Funktion von Zellen. Unter physiologischen Bedingungen besitzen lebende Zellen eine Phospholipidmem-bran, die in der flüssigkristallinen Modifikation vorliegen. DPPC (Dipalmitoyl-phosphatidyl-cholin) besitzt eine Phasenübergangstemperatur von 41,5°C und würde bei Körpertemperatur somit kein flüssigkristallines Verhalten zeigen, hingegen hat POPC (Palmitoyl-oleyl-phosphatidylcholin) eine Phasenübergangstemperatur von -6°C. Die Doppelbindung führt zu einer Störung der Ordnung in den langen Alkylketten der Fettsäurereste, so dass schon niedrigere Temperaturen ausreichen, um den Phasenübergang zu bewirken.

Abbildung 83: Strukturformel der Phospha-tidylcholine. Auf der linken Seite ist der lipophile Teil (mit den Fettsäureresten R) zu erkennen, rechts der hydrophile Teil mit dem geladenen Cholin-Rest.

5.1.5 Aktivierung von GPCRs

Wie die Aktivierungsinformation vom Agonisten auf das G-Protein auf molekularer Ebene übertragen wird, ist weitestgehend ungeklärt. Angenommen wird, dass der Rezeptor durch eine Konformationsänderung das G-Protein aktiviert. Agonisten haben eine höhere Affinität zur aktiven Konformation des Rezeptors und stabilisieren diese, so dass die Wahr-scheinlichkeit stark ansteigt, dass sich der Rezeptor im aktivierten Zustand befindet.

Kompetitive Antagonisten haben eine gleich hohe Affinität für die beiden Rezeptorzustände und blockieren somit die Bindungstasche für Agonisten, ohne eine Rezeptoraktivierung auszulösen (die über die Grundaktivität hinaus geht). Inverse Agonisten haben eine höhere Affinität zur inaktiven Rezeptorkonformation und stabilisieren diese. GPCRs liegen bei Ab-wesenheit von Agonist und inversen Agonisten bevorzugt in der inaktiven Konformation vor, zeigen jedoch eine gewisse ligandenunabhängige Grundaktivität.126

Am besten untersucht ist die Aktivierung des Rhodopsins, die spektroskopisch verfolgt werden kann. Sie beginnt mit der Aufnahme eines Photons durch 11-cis Retinal, das dadurch die stark verdrehte “Photo” all-trans Form annimmt, die bisher jedoch nicht isoliert werden konnte. Über das Batho- und Lumi-Intermediat entsteht meta-I Rhodopsin. Durch Deprotonierung der Schiffschen Base wird meta-II Rhodopsin gebildet, dies ist die aktive Form des Rezeptors, die das Transducin aktiviert. Schließlich erfolgt die Hydrolyse des Retinal-Restes.127

Abbildung 84: Spektroskopisch bestimmte Intermediate, die im Verlauf der Photoaktivierung des Rhodopsins gebildet werden. Zu jedem ist das Absorptionsmaximum angegeben, und zu jedem Schritt die ungefähre Übergangsdauer.127

N H

N H

hv

11-cis 498 nm

< 200 fs

Photo 570 nm

ps

Batho 543 nm

ns Lumi497 nm meta-I µs

480 nm ms

+H+ -H+ meta-II

380 nm Opsin

O

all-trans Retinal 385 nm

+ min

Einen Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge bei der Rezeptoraktivierung liefern Rezeptormutationen, die zu konstitutiv aktiven Rezeptoren (auch als CAM = 'constitutively active mutant' bezeichnet) führen. Zum ersten Mal wurde ein solcher CAM bei dem α1B

-Adrenozeptor durch Mutation von Ala293 (im C-terminalen Teil des 3. intrazellulären Loops) gefunden, wo jede Veränderung zu einem konstitutiv aktiven Rezeptor führte.128 Später wurden zahlreiche weitere CAMs in verschiedenen GPCRs entdeckt.129 Dabei wurde festgestellt, dass vor allem das am zytoplasmatischen Ende von TM3 lokalisierte

“DRY”-Motiv (benannt nach dem Ein-Buchstaben-Code für Asparaginsäure-Arginin-Tyrosin) eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Dieses Motiv ist in den GPCRs konserviert, wobei Tyrosin am wenigsten für die Rezeptorfunktion wichtig zu sein scheint und auch nur in 67%

der GPCRs erhalten ist.130,131 Asparaginsäure, die auch durch Glutaminsäure ersetzt sein kann, reguliert die Rezeptoraktivierung und Kopplung an das G-Protein.130,131,132,133 Das Arginin im DRY-Motiv gehört zu den am stärksten konservierten AS der GPCRs. Es gibt keinen funktionsfähigen humanen GPCR, der an dieser Stelle kein Arginin (oder Lysin) besitzt.134 Es wird angenommen, dass die Mutationen der CAMs stabilisierende Kontakte zwischen den TMDs stören, und so die ansonsten bevorzugte inaktive Konfomation des Rezeptors destabili-sieren. Anhand des Rhodopsins kann man erkennen, dass es sich hierbei sowohl um polare Wechselwirkungen, als auch vdW-Wechselwirkungen handeln kann. So führt eine Störung der Salzbrücke zwischen Glu113 und Lys296 zu einem CAM135, ebenso wie die Mutation von Met257 in TM6.136

Es wird angenommen, dass sich bei der Aktivierung die TMDs 5, 6 und 7 relativ zu den TMDs 1, 2, 3 und 4 bewegen. Für TM6 wird eine Rotation gegen den Uhrzeiger (betrachtet von der extrazellulären Seite) postuliert.137 Des weiteren geht aus 'Site directed spin labeling'-Experimenten hervor, dass sich die zytoplasmatischen Enden von TM3 und TM6 während der Aktivierung voneinander entfernen. Die oxidative Verknüpfung dieser beiden Enden durch Bildung einer Disulfidbrücke verhinderte eine Aktivierung des Transducins.137