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Tagesgang der Temperaturgradienten

Im Dokument Wind- und Temperaturverhältnisse (Seite 37-43)

Zum besseren Verständnis der Temperaturverhältnisse innerhalb des Hochgebirgs-tales ist es wichtig, den stündlichen oder noch besser den halbstündlichen Verlauf der Temperaturgradienten zwischen den einzelnen Stationen zu berechnen, denn nur bei halbstündlichen Intervallen verwischen sich die Spitzenwerte bei Sonnenauf- und -unter-gang weniger. Zur Besprechung eignet sich aber ein über die verschiedenen Schönwet-tertage der einzelnen Monate gemittelter Tagesgang besser als die Betrachtung der Ein-zelfälle.

Aus den Temperaturdifferenzen zwischen je 2 benachbarten Stationen wurde der Gradient auf 100 m Höhenunterschied berechnet und als positiv bezeichnet, wenn die Temperatur mit zunehmender Meereshöhe abnimmt. Aus den Beschreibungen des Tem-peraturverlaufs im Abschnitt 3 ist anzunehmen, daß dieser Wert großen Schwankungen unterworfen ist. Wir finden denn auch vor allem zwischen der Talstation und den Hang-stationen einen sehr ausgesprochenen Tagesgang der Temperaturgradienten (Figuren 15 und 16).

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Figur 15

Tagesgang des Temperaturgradienten zwischen Hangstation und Talstation im Juni

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Tagesgang des Temperaturgradienten zwischen llangstation und Talstation im September

1 Sonnenaufgang stetig. Aber nicht einmal die Mittelbildung über 5 Fälle vermochte die kleineren Schwankungen ganz zu verwischen, die auf die große Temperaturunruhe in der Teufi zurückzuführen sind und daher auf beiden Talseiten parallel gehen. Im ein-426

zelnen Fall, besonders gegen den Morgen zu, betragen diese Schwankungen bis fast 0,5 ° C/100 m, genügen aber niemals, um die Temperaturumkehr in Isothermie, ge-schweige denn in Temperaturabnahme mit der Höhe, zu verwandeln. Es kann sich also nur um einzelne isolierte Luftpakete handeln, die sporadisch von den Hängen zur Talsohle abgleiten, aber niemals um ein kontinuierliches seitliches Einströmen!

Von Mitternacht bis 5.30 Uhr fällt der Gradient von - 0,35 auf - 0,75. In den 2 Stunden, die auf den Sonnenaufgang an der Stillbergalp folgen, während denen der Talgrund aber noch im Schatten liegt, wird nun die Temperaturumkehr besonders stark ausgeprägt: im Mittel über 5 Fälle sinkt der Gradient auf - 1,4° C/100 m; im Einzel-fall kann er - 1, 7° C/100 m betragen! Bei der dem Hang entlang aufsteigenden Luft kann es sich also niemals um solche handeln, die aus dem Grunde des Tales kommt, weil sonst ja der Gradient ungefähr + 1,0° C/100 m betragen müßte, sondern um sol-che, die aus der freien Atmosphäre im Talinnern stammt und die vielleicht vom Gegen-hang her ergänzt wird.

Auf der rechten Talseite tritt bis 7 Uhr praktisch keine Änderung ein. Doch dann geht der Wechsel auf positive Werte des Gradienten ½ Stunde vor der linken Talseite vor sich. Ungefähr um 8 Uhr wird die Isothermie überschritten, und der Gradient steigt rasch auf + 0,5 und sogar + 0,8 °C/100 m an. Auf dieser Talseite ist dies allerdings der höchste Wert; denn schon von 10 Uhr an fällt der Gradient langsam wieder ab.

Auf dem Hang mit der Nachmittagssonne beträgt der Temperaturrückgang mit der Höhe nur rund 0,5° C/100 m, wird also nicht etwa adiabatisch, geschweige denn über-adiabatisch, Defant (1949), wie dies erwartet werden dürfte, wenn der Hangaufwind auf Lucksalp seinen Ursprung in der Talsohle nähme.

Nachdem auf der linken Talseite der Ausgleich zwischen Talgrund und Hang sehr rapid eingetreten ist (kurz nach 8 Uhr), wächst nun der Unterschied zwischen Tal und Hang allmählich und stetig, und dies bis zum Wert von + 1,3° C/100 m. Von etwa 15 Uhr an wird dort also die Trockenadiabate eindeutig überschritten, so daß man be-rechtigtermaßen annehmen darf, daß zwischen beiden Stationen ein Luftmassenaus-tausch zustande kommt. Während der Sommermonate ist in den Anemogrammen davon allerdings nicht viel mehr zu beobachten als ein gelegentlicher Seitenwind in der Teufi und ein ganz allmähliches Abdrehen des talparallelen Windes auf Stillbergalp in einen NW-Wind. Wie wir noch in den Beispielen für den September sehen werden, kommt trotz des überadiabatischen Gradienten hier nicht ein Hangauf-, sondern vielmehr nur ein Hangabwind in Betracht.

Erst von 19 oder 20 Uhr an steht auf Stillbergalp die Windfahne auf W. Zu dieser Zeit aber nähert sich der Gradient zwischen Teufi und Stillberg bereits rasch der Iso-thermie und Temperaturumkehr. Die Hangpartie mit labilem Gleichgewicht, die durch gleiche potentielle Temperatur aufrechterhalten wird, schließt sich eben erst oberhalb der Inversion an. Beim Hangabwind an den Bergflanken und dem Talauswind im Tal-grund handelt es sich also erwiesenermaßen um voneinander getrennte Strömungen, die neben- respektive übereinander bestehen (vergleiche Abschnitt 41).

Aus dem Gradienten von + 0,5 bis höchstens + 0,8° C/100 m auf der rechten, be-sonnten Talseite allein wird es nicht ganz klar, ob der Hangaufwind auf Lucksalp tat-427

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sächlich seinen Ursprung im Talgrund nimmt oder erst weiter darüber. Bei einigen Autoren findet sich die Vermutung, daß der Hangab- und Hangaufwind nicht adiabati-sche oder gar überadiabatiadiabati-sche Gradienten besitzen müsse (M. B o u et), weil sich zwar beim Aufsteigen die Luft adiabatisch abkühlt, aber zusätzlich durch den Untergrund stets etwas erwärmt, beim Absinken wohl adiabatisch erwärmt, aber durch den Unter-grund auskühlt. Nach A. Wagner (1938) wäre dagegen der Hangwind an die Bedingung eines überadiabatischen Gradienten geknüpft.

Vielleicht deutet auch der Temperaturgradient von 0,5 bis 0,8° C/100 m darauf hin, daß die effektive Windrichtung am rechten Talhang die Resultante zwischen dem Talaufwind (advektive Strömung) und dem Hangaufwind (Bedingungen überadiaba -tisch) darstellt, woraus sich die Behauptung ergäbe, daß unteradiabatische Gradienten das Vorhandensein eines Luftmassenaustausches nicht zu widerlegen brauchen.

Schließlich bleibt uns noch mit Hilfe der ausgewerteten Schlechtwettertage die Mög-lichkeit, ganz generell den Temperaturgradienten zwisc;hen den einzelnen Stationen bei horizontalem Lufttransport (zum Beispiel bei Kaltluftadvektion und ähnlichem) zu be-rechnen. Wenn sich also an Schönwettertagen die Gradienten jenen Werten nähern, so dürfte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß es sich auch dort um groß-räumige Luftversetzungen, Strömungen vom Alpenvorland zum Kulminationspunkt des Gebirges, handle.

Bei advektiven Strömungen errechnen sich die Temperaturgradienten (° C/100 m) zu:

+ 0,65 zwischen Brämabüel und Stillbergalp + 0, 7 4 zwischen Stillbergalp und Teufi + 0,81 zwischen Teufi und Lucksalp + 0, 71 zwischen Lucksalp und Basler Kopf

Die Diskussion bleibt also noch offen, ob mittags die Luft auf der östlichen Talseite vom Talboden herrührt oder nicht. (Inzwischen haben wir die Beobachtungen im Dischmatal weiter noch auf die Feuchtigkeit ausgedehnt und hoffen, mit Hilfe der äquivalentpotentiellen Temperatur den offenen Problemen besser auf die Spur kommen zu können.)

Beim Sonnenuntergang in der Teufi, das heißt um zirka 18 Uhr, fallen beide Gra-dienten steil ab, wobei derjenige der rechten Talseite danach für Stunden eine lso-thermie anzeigt. Dies ist aber nur durch Mittelbildung zufällig so herausgekommen; ~n den einzelnen Fällen sinkt der Gradient mehr oder weniger rasch und stetig oder auch mit Rückfällen. Von zirka 21 Uhr an gleichen sich die beiden Talseiten wieder an, weil nun auch der Gradient zwischen Teufi und Stillbergalp in allen 5 Beispielen von + 1,2 oder+ 1,5 auf nahezu 0 absinkt.

Noch sind wir bei dieser bestimmten Verteilung der Registriergeräte im Gelände nicht in der Lage, genaue Angaben über Höhe und Betrag der Inversion zu machen.

Um wieviel uns eine Aufstellung aller 5 Wetterstationen auf einer Talseite allein auch in dieser Frage weiterbringen wird, soll sich in den folgenden Versuchsperioden er-weisen.

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Bis zum September (Figur 16) hat sich prinzipiell nicht viel geändert. Trotzdem die Variationen der Gradienten tagsüber auf kürzere Zeit zusammengedrängt werden, sind die Extremwerte nicht etwa kleiner, sondern zum Teil größer geworden. Die Tempera-turzunahme von der Teufi zur Stillbergalp kann am frühen Morgen in gewissen Fällen bis+ 2,0° C/100 m ausmachen! Am Nachmittag findet sich wieder eine Zeitspanne von 2 Stunden, während welcher der Gradient die Trockenadiabate übertrifft. Dieses Mal aber finden wir zum selben Zeitpunkt - meist schon von einem Gradienten von + 8° C/100 m an - tatsächlich auch den Einsatz des Westwindes am Talboden unten.

Weil sich die Luft am Schattenhang rascher auskühlt als am Talgrund, wird sie oben bald potentiell kälter und sinkt, erwiesenermaßen, bis auf den Grund des Tales ab.

Die Darstellung des Gradienten im Tagesgang ließe vermuten, daß dies über-haupt der einzige Zeitpunkt des Tages sei, an dem das Windsystem an der Ober-fläche des Reliefs, in der sogenannten «Grundschicht», die Beobachtungsstation im Tal und gleichzeitig eine am Hang berührt, während in den übrigen Tagesstunden im Talgrund und am Hang voneinander unabhängige Windsysteme vorkommen! An die-sem W-Wind ist der nach W exponierte Hang möglicherweise gar nicht mehr beteiligt.

Wenigstens scheint die von Stillbergalp ins Tal gesunkene Luft am andern Hang nicht mehr emporzusteigen; denn zu dieser Zeit nähert sich der Gradient zwischen Teufi und Lucksalp bereits dem Wert O (lsothermie), der im einzelnen Fall vielleicht über einige Stunden beibehalten, häufig aber sehr rasch unterschritten wird.

Trotzdem sich an den Schönwettertagen, von Tau oder Reifbildung sowie Verdun-stung abgesehen, alle Vorgänge trocken abspielen, ist vorgesehen, in späteren Beobach-tungen auch die Luftfeuchtigkeit einzubeziehen, um mit Hilfe der äquivalentpotentiellen Temperatur herauszufinden, welche Verbindungen zwischen den einzelnen Strömungs-systemen am Hang und im Tal wirklich bestehen. Was die Temperaturgradienten ver-muten lassen, müßte der Tagesgang der äquivalentpotentiellen Temperatur beweisen.

Die Temperaturgradienten zwischen den Hang- und Kammstationen (Figuren 17 und 18) weisen vor allem einen viel ausgeglicheneren Tagesgang auf, und zwar nicht nur im Mittel, sondern in jedem einzelnen Fall. Temperaturumkehr kommt keine vor, und lsothermien über mehrere Stunden finden sich erst an den verschiedenen Tagen im September. Dafür finden sich häufig Werte von mehr als 1,0° C/100 m, so daß es uns mit deren Hilfe ein leichtes sein dürfte, herauszufinden, welche Windsysteme innerhalb des Tales bis zu den Graten hinauf reichen, was aus den nicht immer sehr eindeutigen Windrichtungen ja nicht hervorgeht.

Im Juni (Figur 17) pendeln die nächtlichen Gradienten um + 0,4 ° C/100 m, spre-chen also nicht für einen direkten Luftaustausch zwisspre-chen Kamnistation und Hang. Der an den Graten nur schwach wehende Hangabwind macht also nicht den Hauptanteil des Hangabwindes aus, sondern wohl eher das Absinken aus der freien Atmosphäre über den obern Partien der Hänge. Umgekehrt scheint der Hangaufwind, der nach Sonnen-aufgang zustande kommt, auch der obern Hanghälfte entlang aufwärts zu streichen;

denn rasch steigt der Gradient auf 0,8 bis 0,9 und später auf 1,0 und mehr an. Di~s wiederholt sich zwei Stunden später auch auf der rechten Talseite. Zu dieser Zeit stehen auf Brämabüel und am Basler Kopf die Windfahnen nicht unbedingt eindeutig auf ENE 429

Figur 17

Tagesgang des Tcmpcr!\turgradienten zwischen Hangstation und Kammstation jeder Talseite im Juni

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Tagesgang des Temperaturgradienten zwischen Hangstation und Kammstation jeder Talseite im September

respektive WSW. Vielmehr sind gerade in diesen Stunden die Verwirbelungen sehr groß. Es ist sehr wohl möglich, daß in der Kammnähe die Aufwinde auch aus dem Nach-bartal wehen und keine eindeutige Stellung der Windfahne aufkommen lassen.

Schon vor Mittag überschreitet der Gradient an dem nach E gerichteten Hang sein Maximum von wenig mehr als 1 ° C/100 m. Während der Wind eindeutig und mehr oder weniger gleichmäßig aus NNW talparallel weht, geht der Gradient allmählich wie-der auf 0,5° C/100 m zurück. Da ja auch auf Stillbergalp zu dieser Zeit die Richtung auf N bleibt, so darf man behaupten, daß sich der Gradient nicht ganz zufällig dem Wert von 0,5 bis 0,6 nähert, der ja in der advektiven Strömung normalerweise aufzutre-ten pflegt. Auch diese Tatsache beweist, daß die Konvektion über den Gipfeln von die-ser Talseite her keinen Beitrag mehr erhält.

Auf dem Gegenhang ist dafür mehr Energie vorhanden. Dort ist von 10 bis 20 Uhr der Gradient größer als 1 ° C/100 m. Die Windfahne steht allerdings nur in einem Fall von 10 bis 16 Uhr eindeutig auf West. Meist dreht sie während des ganzen Nachmittags und bis in die Nacht hinein auch in Kammhöhe auf N oder bleibt vollständig ver-wirbelt.

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Im September (Figur 18) sind die mittleren Temperaturgradienten zwischen Hän-gen und Kämmen in der Nacht kleiner als im Juni, und an gewissen TaHän-gen herrscht zwischen den beiden Stationen einer Talseite lsothermie. Die Temperaturdifferenzen werden gegen den Morgen kleiner, weil am Hang erst dann das Temperaturminimum eintritt, während es an den Graten um diese Zeit bereits wieder wärmer wird. Man darf sich also nicht etwa täuschen lassen und meinen, im September reiche die Talinversion bis über die Hangstationen hinauf und sei für die lsothermie zwischen Hangmitte und Kammhöhe verantwortlich! (vergleiche Figuren 9 und 12).

Die Erklärung für das frühere Wiederansteigen der Temperatur an den Gipfeln ist wahrscheinlich in großräumigen Absinkvorgängen zu suchen, die in der freien Atmo-sphäre vor sich gehen und in die auch die Gipfelregionen einbezogen werden.

Ein kleiner Unterschied zum Juni besteht darin, daß der Gradient auf der linken Talseite im Mittel nicht mehr über + 0,9° C/100 m hinauskommt, obgleich am späten Nachmittag im September auf Brämabüel sowohl als auf Stillbergalp die Windfahnen häufiger auf W stehen als im Hochsommer.

An den einzelnen Beispielen fällt auf, daß selbst an Tagen, während denen sich die Luftmasse als Ganzes erwärmt und die Temperaturen von einer Nacht zur nächsten stark zugenommen haben, der Gradient am späten Abend auf ungefähr denselben Wert zurückkehrt, den er am frühen Morgen angenommen hatte.

Im Dokument Wind- und Temperaturverhältnisse (Seite 37-43)