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1. K

URZE

E

INFÜHRUNG IN DIE

R

AHMUNG DER

S

TUDIE

: V

ERORTUNG IN DER

G

ESUNDHEITSSOZIOLOGIE

/ -

PSYCHOLOGIE UND

A

RBEITSSOZIOLOGIE

/ -

PSYCHOLOGIE

„Der Mensch als soziales Wesen ist von Geburt bis zum Tod in ein Netz unterschiedlicher Sozialbeziehungen eingebettet“

(U. Marquard 1999,S. 57)

Nachfolgend werden knapp die Grundzüge der Gesundheitssoziologie und –psychologie sowie der Arbeitssoziologie und -psychologie dargelegt, um eine fachliche Einordnung der vorliegenden Arbeit vornehmen zu können. Dem Anspruch einer umfassenderen Darstellung kann an dieser Stelle nicht nachgekommen werden.

1.1. G

ESUNDHEITSSOZIOLOGIE

Hurrelmann grenzt die Gesundheitssoziologie von der Medizinsoziologie ab (K. Hurrelmann 2010, S. 8) und definiert sie mit folgenden Worten:

„Mit ‚Gesundheitssoziologie‘ soll [...] das Teilgebiet der Soziologie bezeichnet werden, das sich mit der Analyse der gesellschaftlichen (sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen) Bedingungen für Gesundheit und Krankheit von Menschen befasst. Diese Bedingungen bilden die ‚Gesundheitsverhältnisse‘ und üben einen starken Einfluss auf das individuelle Gesundheitsverhalten aus. Mit zu den Aufgaben der Gesundheitssoziologie gehört die Entwicklung von Strategien der Optimierung der Gesundheitsverhältnisse und der Stärkung des Gesundheitsverhaltens, um einen möglichst großen Gewinn an individueller Lebensqualität aller Gesellschaftsmitglieder und kollektiver Leistungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft zu erreichen.“ (K. Hurrelmann 2010, S.8)

Unter anderem setzt sich die Gesundheitssoziologie mit der Fragestellung auseinander, in wie weit Systeme wie Bildung, Arbeit, Familie, Freizeit etc. sich auf die Gesundheits- bzw.

Krankheitsdynamik auswirken (K. Hurrelmann 2010, S. 13). Systeme, denen – beispielsweise im Rahmen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages – ebenfalls in der vorliegenden Studie Beachtung geschenkt werden wird. Die Gesundheitssoziologie „geht dabei von der Annahme aus, dass potentiell alle gesellschaftlichen Teilsysteme und alle Macht- und Sozialstrukturen einer Gesellschaft zumindest indirekt für das Gesundheits- und Krankheitsgeschehen in der Bevölkerung von Bedeutung sind.“ (K. Hurrelmann 2010, S. 14)

1.2. G

ESUNDHEITSPSYCHOLOGIE

Folgende Definition legt Schwarzer seinen Ausarbeitungen zur Gesundheitspsychologie zugrunde:

„Die Gesundheitspsychologie befasst sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten angesichts gesundheitlicher Risiken und Beeinträchtigungen sowie mit der Optimierung von Gesundheit (im Sinne von Fitness oder Wellness). Die Forschung fragt danach, wer krank wird (und warum), wer sich von einer Krankheit wieder gut erholt (und warum), und wie man Erkrankungen von vornherein verhütet.“ (R. Schwarzer 2004, S. 1)

Der Bereich der Gesundheitspsychologie, in welchen die vorliegende Arbeit ebenfalls eingebettet ist, lässt sich Schwarzer zufolge in zwei Gegenstandsbereiche unterteilen: Einen, welcher Stress und Krankheit umfasst, sowie einen weiteren, welcher sich mit den Thematiken Gesundheitsverhalten sowie Gesundheitsförderung befasst (R. Schwarzer 2004, Vorwort). Der Untersuchung der Bewältigung von Krankheiten, dem Einfluss und der Auswirkung des psychischen Erlebens der Krankheit auf den Krankheitsverlauf werden ebenfalls Beachtung geschenkt (K. Hurrelmann 2010, S. 15). Aktive emotionale Auseinandersetzung, kognitive Bewertung und soziale Unterstützung sind zentrale Begriffe hierbei. Geleitet wird die Gesundheitspsychologie von einer biopsychosozialen Modellvorstellung. In Abgrenzung zum biomedizinischen Modell werden in diesem die psychischen und sozialen Einflussgrößen und ihre Wechselwirkungen auf Gesundheit und Krankheit in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt (R. Schwarzer 2004, S. 1) (Siehe Kapitel: Biopsychosoziales Krankheitsmodell).

Die Gesundheitspsychologie – und soziologie stellen sich als disziplinär in ihrer Beziehung zueinander angrenzende Gebiete dar. Hurrelmann bringt die Unterschiede wie folgt auf den Punkt:

„Der Gesundheitspsychologie geht es vorrangig um die Analyse der psychischen, vor allem innerpersonalen Faktoren für die Gesundheits- und Krankheitsdynamik, während die Gesundheitssoziologie den Akzent auf die außerpersonalen gesellschaftlichen Zusammenhänge legt [...] Der Schwerpunkt der Gesundheitspsychologie [liegt] auf der Beeinflussung der Wahrnehmungen und der Verhaltensdispositionen eines Individuums, um die Gesundheitspotentiale zu stabilisieren und sich mit Krankheitssituationen auseinander zu setzen, wohingegen die Gesundheitssoziologie den Akzent auf die Beeinflussung der sozialen Rahmenbedingungen und der gesundheitsrelevanten Teilsysteme der Gesellschaft legt. In neueren Ansätzen beider Gebiete wird die wechselseitige Beziehung zwischen den psychischen und den sozialen Bedingungsfaktoren für Gesundheit und Krankheit betont.

Hierdurch ergeben sich Berührungspunkte zwischen Gesundheitssoziologie und Gesundheitspsychologie, die symptomatisch für eine zunehmende interdisziplinäre Orientierung sind.“ (K. Hurrelmann 2010, S. 15-16)

Dieser interdisziplinären Ausrichtung soll auch in der vorliegenden Studie nachgegangen werden. Aus diesem Grund setzt die Rahmung sowohl bei der Gesundheitssoziologie als auch bei der Gesundheitspsychologie an.

1.3. A

RBEITSSOZIOLOGIE UND

PSYCHOLOGIE

„Arbeit hat alleine aufgrund der Zeit, die sie bei einem Großteil der Bevölkerung täglich und im Verlauf eines Lebens einnimmt, eine zentrale Bedeutung.“ (W. Bürger 1997, S. 49)

schreibt Bürger. Die Zusammenhänge, welche zwischen der jeweiligen Arbeitstätigkeit und dem Gesundheitszustand einer Person bestehen, werden u.a. in der Arbeitspsychologie untersucht (W. Bürger 1997, S. 50). In Ergänzung sollen daher die Felder der Arbeitssoziologie sowie der Arbeitspsychologie in die Betrachtungen der Studie einbezogen werden - besonders in Bezug auf die Gratifikation von Arbeit und die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Belastung sowie Arbeit und Familie. Schließlich ist

„Arbeit [...] nicht nur als Belastungsquelle zu begreifen. Sie erfüllt über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinaus viele Funktionen und kann als zentrale Lebensfrage und Herausforderung begriffen werden, in der der Mensch sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt und vergegenständlicht, persönlichen Wert und Identität erfährt sowie seine Potentiale erfahren und entwickeln kann.“ (W. Bürger 1997, S. 49)

Aufgrund der Verortung der vorliegenden Arbeit in die Soziologie, werden vorwiegend die soziologischen Betrachtungsweisen (nicht die psychologischen Sichtweisen) von der Arbeit akzentuiert werden.

2. G

ESUNDHEIT

„Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“

Arthur Schopenhauer

Im folgenden Kapitel sollen der Gesundheitsbegriff in seinen verschiedenen Betrachtungsweisen, Gesundheitsvorstellungen und –konzepte, der Begriff des Gesundheitsverhaltens sowie Gesundheitsrisiken im Vordergrund stehen.

2.1. D

EFINITION DES

G

ESUNDHEITSBEGRIFFS

“We spend so much time and money on preventing death, that we loose track of what makes us live.”

Geir A. Espnes

„Der Begriff ‚Gesundheit‘ spielt im Lebensalltag eine große Rolle. Er bezeichnet eine Befindlichkeit, die wohl jeder an die Spitze seiner persönlichen Wünsche setzt. Dennoch gibt es kaum eine realistische Vorstellung, was genau hierunter zu verstehen ist. Wenn wir uns

‚Gesundheit‘ wünschen, dann meinen wir etwas Schönes und Positives, konzentrieren unsere Vorstellung aber im Wesentlichen auf die Abwesenheit von Krankheit. Wir tun so, als ob Gesundheit nur existieren kann, wenn keine Beeinträchtigung unserer körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit gegeben ist. Was ‚krank‘ ist, meinen wir genau zu wissen, aber vom Status ‚gesund‘, den wir so hoch schätzen, haben wir nur sehr diffuse Vorstellungen. Wir leugnen auch, wie viele Übergänge zwischen gesund und krank es in Wirklichkeit gibt.“ (K.

Hurrelmann 2010, S. 7)

„,Fühlen Sie sich gesund? Was verstehen Sie persönlich unter Gesundheit? Was tun Sie, um Ihre Gesundheit zu erhalten, wiederherzustellen oder zu fördern?‘ Diese oder ähnliche Fragen werden in Studien mit dem Ziel gestellt, den Begriff von Gesundheit einzugrenzen, denn das Definieren von Gesundheit ist ein schwieriges Unterfangen. Die scheinbare Eindeutigkeit des Begriffs täuscht. Sind es doch viele Aspekte und Dimensionen, die es zu berücksichtigen gilt.

Hinzu kommt, dass sich eine Vielzahl von Wünschen und Hoffnungen zum Begriff Gesundheit mischen. Er ist kein starrer Begriff, vielmehr unterliegt seine Bedeutung vielfachen Wandlungen, die sowohl durch Änderungen der allgemeinen, gesellschaftlichen Lebensbedingungen als auch durch spezifische Veränderungen der persönlichen Lebenssituation bedingt sind.“ (H. Milz 1994 zitiert nach T. Hitzblech 2005, S. 27)

Diese beiden vorangestellten Zitate sollen Einblick in die Ausgangslage der vorliegenden Studie geben. Gesundheit ist einer der zentralen Begriffe der alltäglichen Sprache und wird in unterschiedlichsten Kontexten verwendet. Doch was wird genau unter Gesundheit verstanden? Setzten wir alle die gleiche Bedeutung des Begriffes stillschweigend voraus?

„Bei genauerer Betrachtung zeigt sich [...], daß sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich die Begriffe Gesundheit und Krankheit sehr unterschiedlich definiert sein können. Für manche ist Gesundheit gleichbedeutend mit Wohlbefinden und Glück, andere Verstehen darunter das Freisein von körperlichen Beschwerden. Wieder andere betrachten Gesundheit als Fähigkeit des Organismus, mit Belastungen fertig zu werden. Diese subjektiven Vorstellungen entwickeln sich in der Sozialisation jedes einzelnen und in einem spezifischen gesellschaftlichen Kontext und Klima; die Wahrnehmung körperlicher Beeinträchtigungen wird durch die soziale und individuelle Einschätzung beeinflusst.“ (J. Bengel u.a. 1998, S. 15)

Der Duden umschreibt Gesundheit als „Zustand oder bestimmtes Maß körperlichen, seelischen oder geistigen Wohlbefindens“ (Dudenredaktion 2003, S. 646) sowie als

„Nichtbeeinträchtigung durch Krankheit“ (Dudenredaktion 2003, S. 646). Gleichwohl weist die Dudenredaktion auf die Verwendung des Begriffs „in der Glückwunschformel:

Gesundheit und [ein] langes Leben!“ hin (Dudenredaktion 2003, S. 646). In verschiedenen Kontexten, beispielsweise in den Wendungen eine finanzielle, moralische Gesundheit sowie die Gesundheit der Wirtschaft, wird die Bedeutung von Gesundheit übertragen verwendet (Dudenredaktion 2003, S. 646). Das Klinische Wörterbuch Pschyrembel definiert Gesundheit, im Englischen health, der Definition der Weltgesundheitsorganisation folgend (Siehe Kapitel:

Gesundheit im Verständnis der WHO), als „Zustand völligen körperl[ichen], geistigen, seel[ischen] u[nd] sozialen Wohlbefindens“ (W. Pschyrembel 2004, S. 648). Weiterhin als

„das subjektive Empfinden des Fehlens körperl[icher], geistiger u[nd] seel[ischer] Störungen od[er] Veränderungen bzw. ein Zustand, in dem Erkr[ankungen] u[nd] pathol[ogischen]

Veränderungen nicht nachgewiesen werden können.“ (W. Pschyrembel 2004, S. 648), demnach im Sinne des naturwissenschaftlich-medizinischen Verständnisses. Kluges Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache weist auf die Ausgangsbedeutung des Adjektivs gesund als mächtig, stark hin (F. Kluge, E. Seebold 2002, S. 354). Abgeleitet wurde das Wort demnach von geschwind in der Bedeutung von mächtig, mit Macht versehen, Stärke, Macht, gewaltig, überlegen und ggf. Lebenskraft (F. Kluge, E. Seebold 2002, S. 354).

Opper sieht – genauer ins Detail gehend – im germanischen Wort (ga)sund den Ursprung des

Begriffes. Er beschreibt die Bedeutung – ähnlich wie Kluge - als „stark, kräftig und geschwind“ (E. Opper 1998, S. 21). Demnach verändert sich die Bedeutung von Gesundheit mit dem Blickwinkel oder der Epoche bzw. mit der wissenschaftlichen Perspektive, aus welcher sie betrachtet wird:

„Gesundheit ist in der kapitalistischen Gesellschaft Erwerbsfähigkeit, unter den Griechen war sie Genussfähigkeit, im Mittelalter Glaubensfähigkeit.“ (A. Trojan 1992, S. 9)

Wohlbefinden und Wohlfühlen sind zentrale Einflussfaktoren einer Person selbst bei der subjektiven Einschätzung als gesund (S. Rothgangel, J. Schüler 2010, S. 5). Einschränkungen des Wohlbefindens werden kritisch wahrgenommen. Des Weiteren spielen die erlebte Intensität der Symptome sowie die Einschränkung der Funktions- und Handlungsfähigkeit bei der Bewertung des eigenen Gesundheitszustandes eine Rolle. Eine Person schätzt sich selbst beispielsweise als kränker ein, wenn die Einschränkung des Wohlbefindens sie daran hindert, ihren Beruf auszuüben und somit ihren Alltag bewältigen zu können (S. Rothgangel, J.

Schüler 2010, S. 5). Somit kann die Lebensqualität durch Krankheit eingeschränkt werden.

Vier zentrale Komponenten kennzeichnen diese subjektiv wahrgenommene Einschränkung der Lebensqualität nach Rothgangel: (krankheitsbedingte) körperliche Beschwerden, psychische Verfassung, Funktionsfähigkeit im Alltag sowie die Ausübung sozialer Rollen (bspw. Leistungsfähigkeit im Beruf) (S. Rothgangel, J. Schüler 2010, S. 5).

Generelle Handlungs- und Bewältigungsfähigkeit; Leistungsfähigkeit für Beruf, Sport und andere Lebensbereiche; Stärke, Kraft und Energie auf körperlicher und seelischer Ebene;

körperliches und psychisches Wohlbefinden sowie Harmonie und Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt – dies sind laut Hurrelmann zentrale Bestimmungen für Gesundheit (K.

Hurrelmann 2010, S. 116). Des Weiteren werden sieben Dimensionen von Gesundheit unterschieden: Gesundheit als Störungsfreiheit, als Leistungsfähigkeit, als Rollenerfüllung, als Gleichgewichtszustand, als Flexibilität, als Anpassung und als Wohlbefinden (R.

Viehhauser 2000, S. 17-18).

Viehhauser grenzt folgende Definitionsversuche des Begriffs Gesundheit voneinander ab:

„Gesundheit im positiven Sinn besteht in der Fähigkeit des Organismus, ein Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, das ihm erlaubt, mehr oder weniger frei von starkem Schmerz, Unbehagen, Handlungsunfähigkeit oder –einschränkung zu leben [...] Gesundheit ist ein Zustand, gekennzeichnet durch relativ gute Anpassung, Gefühle des Wohlbefindens und die Verwirklichung der eigenen Potentiale und Fähigkeiten [...] Gesundheit ist nicht das Nichtvorhandensein von Krankheit: Gesundheit ist die Möglichkeit, die physischen und psychischen Anlagen voll auszuschöpfen, d.h. die Fähigkeit, den eigenen Körper optimal zu gebrauchen.“ (R. Viehhauser 2000, S. 17)

Die Forschungsarbeiten über subjektive Vorstellungen von Gesundheit setzten bisher den Fokus primär oftmals auf Krankheit statt auf Gesundheit. Häufig wird Gesundheit über

somatische Merkmale, vor allem durch die Leistungsfähigkeit des Körpers, beschrieben (K.

Tielking u.a. 2003, S. 25). In medizinischen Definitionen wird Gesundheit vorwiegend als Abwesenheit von Krankheit definiert (S. Rothgangel, J. Schüler 2010, S. 3; R. Viehhauser 2000, S. 16). Liegen somit keine subjektiv wahrgenommenen körperlichen, geistigen und/oder seelischen Störungen vor und sind zudem keine pathologischen, demnach krankhaften, Veränderungen nachzuweisen, gilt die jeweiligen Person als gesund (S.

Rothgangel, J. Schüler 2010, S. 3).

Doch ist es ebenfalls entscheidend, dass es zu einer stärkeren Patientenorientierung kommt und sich der Patient selbst als Gesundheitsexperte kennen lernt: Als Experte für seine eigene Gesundheit (T. Hitzblech 2005, S. 2). Hierbei sollten auch Gesundheitsdefinition in laienverständlicher Sprache zum Tragen kommen – so eine Forderung (T. Hitzblech 2005, S.

3). Hitzblech zufolge sind die subjektiven Gesundheitsvorstellungen der Betroffenen (und auch Angehörigen und Freunde) entscheidend für die Einstellung zur weiteren medizinischen Behandlung. Zu welchem Zeitpunkt nimmt der Patient Hilfe des Gesundheitssystems in Anspruch? Welche individuellen Ressourcen kann er aufweisen, um seine Krankheit zu bewältigen? (T. Hitzblech 2005, S. 3)

Strittmatter verweist auf einen sich im Laufe der vergangenen Jahre vollzogenen Perspektivenwechsel:

„Der biomedizinische, auf körperliche Symptome ausgerichtete Gesundheitsbegriff hat sich in Richtung auf ein biopsychosoziales Gesundheitsverständnis verändert. Negative Begriffsbestimmungen, die Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definieren, werden durch positive Elemente wie Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit ergänzt. Gesundheit wird nicht länger als Zustand einer gegebenen Ist/Soll-Übereinstimmung betrachtet, sondern es wird ein prozessualer, dynamischer Charakter unterstellt“ (R. Strittmatter 1995 zitiert nach R.

Viehhauser 2000, S. 19) (Siehe Kapitel: Biopsychosoziales Krankheitsmodell)

Gesundheit wird mit nachfolgenden Worten als ein lebenslanger Prozess beschrieben. Somit ist das Gesundheitsverständnis – wie auch in der vorliegenden Studie zunächst versucht – biographisch zu verorten:

“Health is not created and lived in Isolation. It results from an on-going process and interaction with the individuals’ socio-ecological environment throughout the whole life course. In this context, we all have to function as active participating subjects in our own life, making use of resources in order to maintain and improve health. Thus, health can be seen as a lifelong learning process where we reflect on what will create health and what are the options for life and quality of life.” (S.T. Innstrand 2012, S. 175)

Was folgt aus den bisherigen Ausführungen?

„Gesundheit ist [...] kein eindeutig definierbares Konstrukt; sie ist schwer faßbar und nur schwer zu beschreiben. Heute besteht in den Sozialwissenschaften und der Medizin Einigkeit darüber, daß Gesundheit mehrdimensional betrachtet werden muß: Neben körperlichem Wohlbefinden

(z.B. positives Körpergefühl, Fehlen von Beschwerden und Krankheitsanzeichen) und psychischem Wohlbefinden (z.B. Freude, Glück, Lebenszufriedenheit) gehören auch Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung dazu. Gesundheit hängt ab vom Vorhandensein, von der Wahrnehmung und dem Umgang mit Belastungen, von Risiken und Gefährdungen durch die soziale und ökologische Umwelt sowie vom Vorhandensein, von der Wahrnehmung, Erschließung und Inanspruchnahme von Ressourcen.“ (J. Bengel u.a. 1998, S.

16)

2.2. G

ESUNDHEIT IM

B

LICKPUNKT WISSENSCHAFTLICHER

A

NSÄTZE

„Es ist förderlich für die Gesundheit, deshalb beschließe ich glücklich zu sein.“

Voltaire

In den nachfolgenden Ausführungen soll die naturwissenschaftlich-medizinische, die psychische sowie die soziologische Definition von Gesundheit dargelegt werden. Das Gesundheitsverständnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird erläutert, um

schlussendlich einen integrativen Gesundheitsbegriff zu entwickeln.

2.2.1. D

ER NATURWISSENSCHAFTLICH

-

MEDIZINISCHE

G

ESUNDHEITSBEGRIFF

„Gesundheit – Die Summe aller Krankheiten, die man nicht hat.“

Gerhard Uhlenbruck

Das biomedizinische Krankheitsmodell (und mit diesem der naturwissenschaftlich-medizinische Krankheitsbegriff) bestimmt – trotz vielfältiger Kritik und dem fehlenden Einbezug von psychosozialen und kulturellen Faktoren – noch heute die Auffassung der Schulmedizin (J. Bengel u.a. 1998, S. 18). Das naturwissenschaftlich-medizinische Verständnis von Gesundheit ist entscheidend davon geprägt, sich an der körperlichen Leistungsfähigkeit zu orientieren (K. Tielking u.a. 2003, S. 26). Objektive Befunde scheinen

bedeutender als subjektive Empfindungen des Krankseins (K. Tielking u.a. 2003, S. 26). Im Fokus steht oftmals die Diagnostik und Therapie von Krankheiten (C. Trautner, M. Berger 1993, S. 26ff.). Objektiv mess- und beschreibbare körperliche Funktionen sowie die Beschreibung und Behandlung von Krankheitssymptomen stehen im Vordergrund (K.

Tielking u.a. 2003, S. 26). Liegen die Ergebnisse klinischer Untersuchungen im Normbereich, so wird von Gesundheit gesprochen. Verborgen ist hier die folgende Definition des Gesundheitsbegriffs: Gesundheit als Nichtvorhandensein von körperlichen Beschwerden (G.H. Brundtland, P. Felixberger 2000, S. 208ff.). Durch die Umschreibung der Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit wird deutlich, dass zwischen zwei Zuständen differenziert wird: Gesund und krank. Die Krankheit scheint hierbei im Vordergrund zu stehen, schließlich existieren weit mehr als 30000 Definitionen von Symptomen und Krankheiten derzeit (F.W.

Schwartz, V. Arolt 1998, S. 11).

Zunehmend lässt sich jedoch im Bereich der Naturwissenschaften und Medizin ein Wandel zu einem umfassenderen Begriff der Gesundheit erkennen. Die Auffassung: „Gesundheit ist die aus der Einheit von subjektivem Wohlbefinden und individueller Belastbarkeit erwachsene körperliche, seelische und soziale Leistungsfähigkeit des Menschen“ (K. Tielking u.a. 2003, S. 26) lässt erste Veränderungen erkennen.

2.2.2. D

ER PSYCHOLOGISCHE

G

ESUNDHEITSBEGRIFF

„Das Gefühl der Gesundheit erwirbt man durch Krankheit.“

Georg Christoph Lichtenberg

Im Unterschied zu dem im Vorfeld dargestellten medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesundheitsverständnis, stellt die Psychologie mit ihrem Gesundheitsbegriff nicht die körperliche, sondern die seelische Gesundheit in den Vordergrund(K. Tielking u.a. 2003, S.

27).

Krankheit wird als Abweichung von einer Norm verstanden, wobei zu beachten ist, dass Normen, wie auch Gesundheit, starken kulturellen Unterschieden unterliegen (K. Tielking u.a.

2003, S. 27). In der Folge kommt und kam es daher zu häufigen Veränderungen in dem, was als psychische Gesundheit wahrgenommen wird: Verhaltensweisen, welche vor zum Teil

wenigen Jahren noch nicht Aufsehen erregten, sind heute beispielsweise als psychische Störungen definiert(K. Tielking u.a. 2003, S. 27).

Die psychologischen Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit sowie die Reaktionen der Betroffenen und des Umfeldes auf das Kranksein samt der Ursachen dieser Erkrankungen stehen im Blickfeld der Gesundheitspsychologie (K. Tielking u.a. 2003, S. 27; P.G. Zimbardo u.a. 1992, S. 612).

Stehen bei der klinischen Psychologie die Ursachen von psychischen Leiden und Erkrankungen im Vordergrund, so befasst sich die Gesundheitspsychologie mit den Konditionen für Gesundheit sowie mit den Ansatzpunkten ihrer Förderung für Gesunde und Kranke (K. Tielking u.a. 2003, S. 27).

Den Erkenntnissen der Gesundheitspsychologie entsprechend, ist die psychische Gesundheit durch die Umwelt, das Sozialgefüge der Gesellschaft, die individuelle Lern- und Lebensgeschichte der Person sowie durch biopsychische Dispositionen bestimmt (K. Tielking u.a. 2003, S. 27; I. Vogt 1993, S. 46ff.).

2.2.3. D

ER SOZIOLOGISCHE

G

ESUNDHEITSBEGRIFF

: S

OZIALEPIDEMIOLOGIE

„Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“

Karl Marx

Talcott Parsons gilt als Begründer der medizinischen Soziologie. Er definierte im Jahre 1951 Krankheit als „Störung des ‚normalen‘ Funktionierens des Menschen“ (K. Tielking u.a. 2003, S. 28). Grundlage dieser Definition war sein Werk The Social System. 1981 definierte er weiterhin

„Gesundheit als [...] Zustand der optimalen Fähigkeit zur wirksamen Erfüllung von für wertvoll gehaltenen gesellschaftlichen Aufgaben.“ (K. Hurrelmann 2010, S. 115)

Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Gesellschaft wurde schon von Sigmund Freud und Karl Marx beschrieben (K. Tielking u.a. 2003, S. 27). Zuvor hatte bereits Jean-Jaques Rousseau darauf verwiesen, dass die Gesellschaft dem einzelnen Bürger Verhaltensweisen zumute, welche sich „mit seinen angeborenen Verhaltenspotentialen nicht ohne weiteres

vereinbaren“ (K. Tielking u.a. 2003, S. 27) ließen. Im Fokus der Betrachtungen der Gesundheitssoziologie steht jedoch – in Abgrenzung zur Medizinsoziologie - die soziale Organisation moderner Medizin, nicht die gesundheitlichen Folgen sozialer Veränderungen (K. Tielking u.a. 2003, S. 27). Tielking grenzt die Betrachtungsweise der Gesundheitssoziologie von der im Vorfeld erläuterten medizinisch-naturwissenschaftlichen mit folgenden Worten ab:

„Während sich die Medizin hauptsächlich der naturwissenschaftlich-somatischen Krankheitsentstehung widmet, die pathogene Vorgänge im menschlichen Organismus, wie endogene Störungen und exogene Einwirkungen untersucht, beschäftigt sich die Sozialepidemiologie mit soziopsychosomatischen und verhaltensbedingten Krankheitsursachen und den sich daraus ergebenden Interventionsstrategien.“ (K. Tielking u.a. 2003, S. 28)

Die Sozialepidemiologie, als Bereich der Gesundheitssoziologie, versucht Verbindungen zwischen Gesellschaft, Gesundheit und Krankheit zu klären und zu analysieren. Kulturelle, ökonomische und politische Faktoren spielen hierbei eine zum Teil entscheidende Rolle.

Alltagsbelastungen, soziale Beziehungen u.a. üben ebenfalls einen nicht unerheblichen Einfluss auf die physische, aber auch psychische Konstitution der Betroffenen aus. Die Feststellung und Analyse dieser Einflussfaktoren ist eine der Aufgaben der Sozialepidemiologie (B. Bandura 1993, S. 69ff.). Unterschieden wird hierbei zwischen soziopsychosomatischen sowie verhaltensbedingten Faktoren. Erstere umschreiben Ereignisse und Situationen, welche Gefühle der Angst oder Hilflosigkeit bei den Menschen auslösen.

Verlust und Bedrohung sind zentrale Themen. Folgen können „Immunschwächen, erhöhte[r]

Blutdruck oder Blutfettgehalt“ (K. Tielking u.a. 2003, S. 28) sein. Zweitere, die verhaltensbedingten Faktoren, deuten beispielsweise auf Drogenkonsum (Tabak, Alkohol u.a.) oder schlechte Ernährungsgewohnheiten hin, welche die Gesundheit auf schädliche Weise beeinflussen können (K. Tielking u.a. 2003, S. 28). Entscheidende Determinanten in Bezug auf Gesundheit und Krankheit sind hierbei mitunter Soziale Ungleichheit, Geschlecht, Alter, Soziale Unterstützung und Stress.

Einen allgemeinen, schematischen Überblick gibt Abbildung 1 (Sozialepidemiologisches Modell der Krankheitsentstehung).

2.2.4. G

ESUNDHEIT IM

V

ERSTÄNDNIS DER

WHO

“Health is not only the absence of ills but the fight for the fullness of life.”

Piet Hein 1988, WHO 40th Anniversary

Im Gegensatz zu einer der vorangegangenen Definitionen des Gesundheitsbegriffs als Abwesenheit von Krankheit im Sinne des biomedizinischen Modells formuliert die World Health Organisation (WHO 1986) ihr Gesundheitsverständnis positiv: Gesundheit sei nicht ausschließlich als Zustand der Abwesenheit von Krankheit, sondern als Vorhandensein vollkommenen Wohlergehens zu sehen. Gesundheit ist demnach „der Zustand völligen

Im Gegensatz zu einer der vorangegangenen Definitionen des Gesundheitsbegriffs als Abwesenheit von Krankheit im Sinne des biomedizinischen Modells formuliert die World Health Organisation (WHO 1986) ihr Gesundheitsverständnis positiv: Gesundheit sei nicht ausschließlich als Zustand der Abwesenheit von Krankheit, sondern als Vorhandensein vollkommenen Wohlergehens zu sehen. Gesundheit ist demnach „der Zustand völligen