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2.3 Supply Chain Management

Ein umfassendes Redesign von Unternehmen und grundsätzliches Überdenken von dessen Prozessen führten unter anderem neben einer verringerten Fertigungstiefe durch Outsourcing Anfang der 90er Jahre zu einer größeren Anzahl von Stufen in der Supply Chain. Des Weiteren stieg der Vernetzungsgrad durch Global Sourcing und die Schnittstellen zwischen den in einer Supply Chain befindlichen Unter-nehmen nahm zu. Der daraus resultierende Grad der Komplexität ist schwierig zu beherrschen und kann zum Bullwhip-Effekt führen, sollten die Unternehmen nicht in die prozessorientierte Planung und Steu-erung integriert werden. (vgl. Alicke 2005, S. 3) Nach Göpfert (vgl. 2016, S. 67) besteht in nahezu allen Publikationen Konsens darüber, dass der primäre Beweggrund für den Übergang zum Supply Chain Management die Lösung des Bullwhip-Effekts ist, um die Flüsse von Gütern, Informationen, Geld und Finanzen zwischen Unternehmen besser beherrschen zu können.

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Bei dem durch den amerikanischen Wissenschaftler Jay Forrester nachgewiesenen Phänomen des Bull-whip-Effekts, oder auch Peitscheneffekt, führen bereits kleine Nachfrageveränderungen zu großvolumi-gen Schwankungroßvolumi-gen auf den nachgelagerten Versorgungsstufen. Seine Untersuchungroßvolumi-gen haben beispiels-weise ergeben, dass eine 40-prozentige Zunahme des Produktionsausstoßes am Ende der Supply Chain auf eine Zunahme der Bestellungen im Einzelhandel von lediglich 10 Prozent zurückzuführen sei. Das Resultat dieser Betrachtung ist die Tatsache, dass sich die Amplitude der Schwankung aufschaukelt, je weiter eine Stufe in der Supply Chain vom letzten Glied, dem Einzelhandel, entfernt ist. (vgl. Klaus, Krieger und Krupp 2012, S. 186) Zurückführen lässt sich unter anderem auf einen mangelhaften und zeitverzögerten Informationsfluss oder auch auf ein überhöhtes Sicherheitsdenken der Akteure entlang der Supply Chain (vgl. ten Hompel und Heidenblut 2011, S. 224). Nach Simchi-Levi, Kaminsky und Simchi-Levi (vgl. 2000, S. 91) ist einer der häufigsten Vorschläge, dem Bullwhip-Effekt entgegenzu-wirken, die Informationen über die aktuelle Nachfrage zu zentralisieren und somit jeder Stufe der Supply Chain transparent bereitzustellen.

Als Absicherung gegen die Nachfrageschwankungen sicherten sich die Unternehmen Anfang der 90er Jahre mit Überbeständen, bzw. Überkapazitäten ab, was allerdings den Anforderungen einer Supply Chain, auf kurze Lebenszyklen und wechselhafter Nachfrage passend zu reagieren, widerspricht. Die Tatsache, dass die meisten Unternehmen ihre eigenen Prozesse wie die Minimierung der Rüstzeiten oder die Ausreizung der Maschinenleistung weitestgehend optimiert haben, führt dazu, dass auch angren-zende Unternehmen in die Planung integriert werden mussten, um die Durchlaufzeit eines Produkts weiter zu verringern. Die Beherrschbarkeit der dynamischen Prozesse am Markt und der Komplexität durch die gestiegene Vernetzung der Unternehmen gehört zu den vorrangigen Aufgaben des Supply Chain Managements, da der Erfolg eines Produktes unmittelbar von der Flexibilität und Reaktionsfä-higkeit der Supply Chain abhängt. (vgl. Alicke 2005, S. 3 f.)

Wie auch schon bei der Logistik besitzt das Supply Chain Management eine Vielfalt an Definitionen (vgl. Hausladen 2020, S. 10). Auch zu der Beziehung zwischen Logistik und Supply Chain Management herrscht kein Konsens. So werden die beiden Begriffe teilweise als Synonyme verwendet oder die De-finition des Supply Chain Managements geht über den Begriff der Logistik hinaus. (vgl. Schulte 2017, S. 21) Laut Göpfert (vgl. 2016, S. 62) reduzieren sich die zahlreichen Definitionsvorschläge der Litera-turanalysen zu der Interpretation des Supply Chain Managements und dessen Inhalt auf zwei Gruppen von Standpunkten.

Von der ersten Autorengruppe wird das Supply Chain Management als neue Entwicklungsstufe der be-triebswirtschaftlichen Logistik gesehen (vgl. Göpfert 2016, S. 62). Vertreter dieser Auffassung ist We-ber (vgl. 2012, S. 19), der im Supply Chain Management eine Ergänzung der Logistik um die Kompo-nente der flussorientierten Verknüpfung aller in der Wertschöpfungskette befindlichen Unternehmen sieht. Die zweite Definitionsgruppe sieht die Logistik nicht als Führungslehre (vgl. Abschnitt 2.1), son-dern als Funktionenlehre. Die Logistik wird von dieser Gruppe entweder gar nicht mit dem Supply Chain Management in Beziehung gesetzt oder aber als Teilmenge von dessen gesehen. So ist die Logis-tik für Christopher (vgl. 2011, S. 3) nichts weiter als eine Planungsorientierung und Rahmenwerk, wel-ches auf die Erstellung eines einheitlichen Plans für den unternehmensinternen Produkt- und Informati-onsfluss abzielt. Larson, Poist und Halldórsson (vgl. 2007, S. 5) identifizieren einen weiteren Definiti-onsansatz, nach dem nur einzelne Überschneidungen zwischen der Logistik und dem Supply Chain Ma-nagement existieren.

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Grundsätzlich ist sich die Literatur unter anderem einig, dass das Supply Chain Management analog zur Logistik die Fluss- und Prozessorientierung zur Grundlage hat und die Logistikkonzeption für das Ver-ständnis des Supply Chain Managements herangezogen werden kann (vgl. Schulte 2017, S. 21). Göpfert (vgl. 2016, S. 67) untersucht die inhaltlichen Abläufe einer Supply Chain, um die beiden Definitions-gruppen gegeneinander abzuwägen. Wie bereits in Abschnitt 2.1 beschrieben, entstehen Leistungsbe-ziehungen zwischen Wertschöpfungspartnern erst durch einen funktionierenden Fluss von Informatio-nen. Außerdem gelten Objektflüsse in Form von Gütern, Informationen, Geld oder Finanzen als Ver-bindungselemente der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette. Die Komplexität der Leis-tungsbeziehungen lässt sich im Falle dieser flussorientierten Betrachtung der Wertschöpfungssysteme auf die Objektflüsse reduzieren, welche traditionell in den Objektbereich der Logistik gehören. Somit entspringt das Supply Chain Management einer zentralen logistischen Problemstellung und ist mit der Entwicklung der Logistik verbunden. (vgl. Göpfert 2016, S. 67 ff.) Die Interpretation der zweiten Gruppe entfernt sich „zu weit vom Kerninhalt der mit Supply Chain Management herausgebildeten neuen Managementqualität“ (Göpfert 2016, S. 69).

Als Ergebnis dieser Abwägung konstatiert Göpfert (vgl. 2016, S. 71), dass das Supply Chain Manage-ment eine qualitativ neue Phase der Logistikentwicklung annimmt. Auch Weber (vgl. 2012, S. 20 f.) sieht die Einführung des Supply Chain Management als eigene Stufe der Logistikentwicklung und be-gründet dies in der Tatsache, dass die Verwirklichung der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Supply Chains mit den bisherigen Methoden zu vielschichtigen Führungsproblemen führte. In der vorliegenden Arbeit gilt die folgende Definition:

„Das Supply Chain Management bildet eine moderne Konzeption für Unternehmensnetzwerke zur Er-schließung unternehmensübergreifender Erfolgspotenziale mittels der Entwicklung, Gestaltung, Len-kung und Realisation effektiver und effizienter Güter-, Informations-, Geld- und Finanzflüsse.“ (Göpfert 2016, S. 71)

Nach Schulte (vgl. 2017, S. 25) zielt das Supply Chain Management auf „die Erreichung eines Gesam-toptimums in der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette anstatt lokaler, unternehmensindi-vidueller Optimierung“ ab. Das Gesamtoptimum bezieht sich dabei auf Vorteile in den Bereichen Kos-ten, Zeit und Qualität. (vgl. Pfohl, Logistiksysteme: Betriebswirtschaftliche Grundlagen 2018, S. 338) Konkrete Vorhaben können die schnellere Anpassung an Änderungen des Marktes oder die Reduktion der Bestandskosten durch die Reduzierung der Bestände in der Supply Chain sein. Weitere Beispiele sind die Verringerung der Auftragsdurchlaufzeiten oder auch die Erreichung einer effizienteren unter-nehmensübergreifenden Produktionssteuerung und Kapazitätsplanung. (vgl. Vahrenkamp und Kotzab 2012, S. 26) Des Weiteren sind Angebot und Nachfrage über alle Stufen der Supply Chain aufeinander abzustimmen, um die Wirkung des Bullwhip-Effekts zu minimieren (vgl. Göpfert 2016, S. 67).

Ein Konzept, das sich dem Supply Chain Management ähnelt, ist das Logistikmanagement. Pfohl (vgl.

2016, S. 22 f.) definiert den Begriff als „die Gesamtheit der Managementaktivitäten, die sowohl zur Realisation einzelner Logistikprozesse als auch zur Realisation eines umfassenden, ggf. mehrere Unter-nehmen überspannenden Gesamtprozesses der Logistik erforderlich ist“. Nach Muchna, et al. (vgl. 2018, S. 38) korrespondiert diese Definition gut mit der Entwicklungsstufe der Logistik als Führungslehre, ist aber dennoch gegenüber dem Supply Chain Management abzugrenzen. Allerdings existiert keine klare Abgrenzung der Definitionen zum Logistikmanagement und zum Supply Chain Management, da sie überwiegend davon abhängt, wie umfassend die Definition der Logistik ist. Greift diese beispielsweise die unternehmensübergreifende Flussorientierung auf, wird das Supply Chain Management als die

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umfangreichere Disziplin zum Managen von Liefer- und Wertschöpfungsketten angesehen, da sich die unternehmensübergreifende Kommunikation und die Kooperationsfelder beim Supply Chain Manage-ment im Gegensatz zum LogistikmanageManage-ment nicht nur auf die logistischen Bereiche beschränkt. Es stellt sich heraus, dass das Logistikmanagement durch die Konzepte des Supply Chain Managements durch kooperative Ansätze ergänzt wird und sich in die Richtung einer unternehmensübergreifenden Flussorientierung weiterentwickelt. (vgl. Muchna, et al. 2018, S. 19 f.)