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Subjektiv empfundene Vorteile von Hausbesuchen Befriedigung der eigenen Neugier

3.2 Anreize und Hemmnisse für Hausbesuche

3.2.1 Subjektiv empfundene Vorteile von Hausbesuchen Befriedigung der eigenen Neugier

Einige Ärzte erwähnten, dass es spannend sei, auch das Zuhause der Patienten nicht nur auf einer professionellen Ebene, sondern auch aus schlichter menschlicher Neugier zu erleben.

Zitat (Interview 20):

„Es gibt natürlich auch Situationen, da möchte man auch mal wissen, wie sieht das bei denen eigentlich zu Hause aus?“

Der Patient könne hier als ganze Person in seiner „natürlichen“, von ihm selbst gewählten Umgebung wahrgenommen werden. Die Praxis als Behandlungsort erzeuge eine

„Künstlichkeit, die dem Laboreffekt nicht unähnlich sei“. Die Patienten würden sich häufig für ihren Arztbesuch in besonderer Weise anziehen und dadurch ein Bild erzeugen, das ihrer alltäglichen Realität nicht immer entspreche. Sie würden dabei durchaus gesundheitliche Einschränkungen verheimlichen oder auch Beschwerden, die sich bei einem Hausbesuch sofort offenbaren würden.

Allerdings wurde auch zugegeben, dass die Neugierde und das Interesse des Arztes sinke, wenn die häusliche Situation bei Hausbesuchswiederholungen bereits bekannt sei. Was zunächst neu und erhellend gewesen sei, wurde irgendwann zur immer wiederkehrenden, gleichen, manchmal sogar „langweiligen“ Situation. (vergl. Interview 13, 17)

Zitat (Interview 17):

„So dass man dann manchmal auch nicht so Lust hat, da hinzufahren, weil man sich schon zu gut kennt. Aber insgesamt finde ich Hausbesuche, gerade wenn man sich jetzt noch nicht so gut kennt, sehr interessant.“

Den Aspekt des Interesses am persönlichen Umfeld des Patienten erwähnten neun der 24 Ärzte in ihren Antworten. Überwiegend handelte es sich um Ärzte aus dem Stadtgebiet.

Abwechslung vom Alltag

Die Abwechslung vom Praxis-Alltag ist für manche Interviewte ein Vorteil der Hausbesuchstätigkeit. In einem Interview wurde sogar die Aussage gemacht, dies sei der Vorzug am Hausarztberuf.

Zitat (Interview 1):

„Das macht mir Spaß. Da ist auch etwas, was positiv ist an diesem Beruf.“

Persönliche Anerkennung

Eine weitere Motivation zu Hausbesuchen scheint die persönliche Anerkennung durch die Patienten und deren Freude und Dankbarkeit zu sein.

Zitat (Interview 21):

„…Einfach um den Kontakt zu halten. Die freuen sich dann, wenn man kommt.“

Die persönliche Dankbarkeit wird von fast der Hälfte der befragten Ärzte - in erster Linie von Frauen - erwähnt. Für viele Patienten stelle der Besuch des Hausarztes ein besonderes Ereignis dar. Er würde regelrecht erwartet. Mehrere Ärzte berichteten, dass insbesondere ältere Patienten sich bei regelmäßigen erwartbaren Besuchen „richtig fein machen“ würden.

Vertrauensbeweis für den Patienten

Ein weiterer wichtiger Aspekt für Hausbesuche sei der damit verbundene Vertrauensbeweis des Patienten an seinen Arzt. Ersterer gewähre Einlass in seine absolute Intimsphäre, in sein Persönlichstes, das Schlafzimmer. Dadurch fühlen sich Hausärzte geehrt und gleichzeitig dem Patienten verpflichtet.

Zitat (Interview 15):

„Aber ein Hausbesuch ist oft auch etwas viel Innigeres. Zu dem Patienten kannst du dann oft auch eine ganz andere Beziehung aufbauen.“

Übereinstimmend sagten alle Ärzte aus, der Hausbesuch biete einen anderen und neuen Zugang zu einem Patienten, und dieser besondere Zugang sei auf andere Weise, vor allem in der Praxis, nicht erreichbar.

Zitat (Interview 16):

„Der Kontakt beim Hausbesuch ist anders. Das ist für den Patienten ein Heimspiel.

Das ist anders.“

Präventive Wirkung von Hausbesuchen

Als Grund für Hausbesuche wurde deren potentiell präventive Wirkung genannt. Man könne viele Aspekte zu Hause besser beurteilen und zum Beispiel Stolperfallen rechtzeitig erkennen.

In einem anderen Interview wurde darauf hingewiesen, dass Hausbesuche als Kontrolle der Pflege durch ambulante Pflegeanbieter eine wichtige Rolle einnehmen würden. Außerdem sei die Pflege zu Hause oft auch nur mit den Hausbesuchen zur Sicherstellung der ärztlichen Überwachung möglich.

In manchen Fällen sei nur durch einen Hausbesuch die Indikation für eine Krankenhauseinweisung zu stellen und zu prüfen. Auf die Schilderungen der Patienten könne man sich in diesem Fall selten als sichere Quelle verlassen.

Zitat (Interview 4):

„Patienten schildern die Situation oft sehr dramatisch, und am Ende kann man das alles sehr gut handeln ohne Krankenhaus.“

Dies treffe besonders auch auf vermeintliche Notfallsituationen hin. Man müsse in manchen Fällen hinfahren, um sich ein eigenes Bild von der Situation machen zu können. Die zwingende Notwendigkeit für Hausbesuche sei im Vorhinein immer schlecht einschätzbar.

Zitat (Interview 23):

„Ich meine, man weiß ja vorher nie – ist das adäquat, dass man da hin muss oder nicht?“

Auch in diesem Zusammenhang wurde die Überprüfung der Medikamentencompliance wieder angeführt. In einem Interview wurde über diese Gründe hinaus auch von der positiven therapeutischen Wirkung des Hausbesuchs („der Arzt als Droge“) gesprochen.

Zitat (Interview 12, S. 1, Z. 29-30):

„Einfach durch den Besuch des Arztes entsteht ein positiver Effekt.“

Nähe zum Leben

Immer wieder wurde angeführt, Hausbesuche seien viel näher am individuellen Leben und würden Einblicke in die „eigentliche Umgebung“ der Patienten offenbaren.

Zitat (Interview 8):

„Na ja, viele Erkrankungen kann man erst verstehen, wenn man das soziale Umfeld kennt.“

Auch wurde immer wieder erwähnt, dass bei einem Hausbesuch die Familie und deren Beziehungen untereinander erfahrbar würden. Das eröffne wichtige und manchmal in Bezug auf Krankheitsverläufe erhellende Informationen über die Beschaffenheit des Alltags und die Ressourcen der Patienten.

Zitat (Interview 2):

„Man sieht, wie die da leben und miteinander umgehen. Meistens ist ja dann die Tochter oder die Schwiegertochter da.“

Darüber hinaus wurde angesprochen, dass ein Hausbesuch die Einschätzung zulasse, ob bei

Uneins waren sich die Befragten allerdings, ob die Informationen, die man auf einem Hausbesuch über die psychosozialen Strukturen des Lebens eines Patienten erhält, eigentlich medizinisch relevant sind oder nicht.

Von den 16 Ärzten, die Hausbesuche als Chance sehen, nannten acht medizinisch verwertbare Informationen, die sie durch einen Hausbesuch erhalten und als Konsequenz in der Therapie verarbeiten. Aber ein Interviewpartner sprach sich hingegen deutlich dagegen aus.

Als Beispiele für konkret wertvolle medizinische Information wurden genannt:

Umweltfaktoren wie Allergene (hat der Asthmatiker eine Katze?). Ist die in der Praxis verordnete Therapie im Alltag umsetzbar? Werden die Medikamente eigentlich auch eingenommen?

Allgemein wurde immer wieder erwähnt, dass durch Hausbesuche ein tieferes Verständnis des Patienten und seiner Lebenssituation entstehe, welches zur Ursachenklärung und suffizienten Behandlung von Erkrankungen beitrage.