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2 Material und Methoden

2.4 Kristallographische Methoden .1 Kristallisation

2.4.7 Strukturverfeinerung und Modellbau

Sobald die richtige Orientierung und Position des Suchmodells in der Einheitszelle gefunden sind, muss das resultierende initiale Modell weiter den experimentellen Daten angepasst werden, ein Vorgang der als Verfeinerung bezeichnet wird. Die Übereinstimmung der berechneten Strukturfaktoramplituden (Fcalc) und gemessenen Strukturfaktoramplituden (Fobs) kann zu diesem Zeitpunkt noch bei 50% liegen.

Während der Verfeinerung werden durch abwechselnde Korrelations-Berechnungen und manueller Koordinaten-Manipulation, die Koordinaten und B-Faktoren (Temperaturfaktor, [Å2]) des Modells langsam den experimentellen Daten angepasst, so dass eine möglichst hohe

Übereinstimmung der berechneten mit den gemessenen Strukturfaktoramplituden erzielt wird.

Dazu existieren eine Reihe von Algorithmen, wie z.B. „least-square“ oder „maximum likelihood“ Verfahren, mit deren Hilfe die Korrelation zwischen Modell und experimentellen Daten vergrößert werden.

Alle Verfeinerungen wurden mit dem Programm-Paket CNS durchgeführt. Während der Verfeinerung muss darauf geachtet werden, dass die Anzahl der verfeinerten Parameter die Anzahl der gemessenen Parameter (Reflexe; abhängig vom Kristallaufbau, der Auflösungsgrenze und der Vollständigkeit der gemessenen Daten) nicht überschreitet. Der erste Schritt ist häufig eine sogenannte rigid body Verfeinerung, bei der Atomgruppen (zum Beispiel das ganze Molekül, einzelne Domänen oder Sekundärstrukturelemente) als starre Körper definiert und verfeinert werden. Dabei werden zunächst nur eine geringe Anzahl an freien Parametern eingeführt, die dann im Verlauf der Verfeinerung langsam erhöht werden sollte (Kleywegt und Jones, 1995). Es folgen simulated annealing und die Verfeinerung der einzelnen Atompositionen (Unterprogramm minimize). Schließlich erfolgt die Verfeinerung der B-Faktoren in Gruppen (bgroup) oder individuell (bindividual). Ein mittlerer B-Faktor von 30 Ų entspricht einem mittleren Verschiebungsquadrat von 0.62 Å.

Verfeinerung von Temperaturfaktoren

Auf Grund thermischer Bewegungen und statistischer Fehlordnungen der Atome im Kristall kommt es zu einer auflösungsabhängigen Änderung der Reflexintensitäten. Diese wird durch Temperaturfaktoren nach der Methode des kleinsten quadratischen Fehlers modelliert. Die Anzahl der verfeinerten Parameter richtet sich wieder nach der Anzahl der gemessenen Parameter und dadurch auch nach der Auflösungsgrenze der Daten. Bei Auflösungen oberhalb 3 Å wird nur ein mittlerer B-Faktor für das gesamte Protein bestimmt, bei Auflösungen zwischen 3 Å und 2.5 Å werden dagegen meist zwei B-Faktoren pro Aminosäure verfeinert (jeweils ein B-Faktor für alle Atome der Hauptkette und der Seitenkette). Individuelle isotrope B-Faktoren lassen sich erst unterhalb einer Auflösung von etwa 2.5 Å sinnvoll verfeinern. Dabei wird einschränkend angenommen, dass sich die B-Faktoren benachbarter Atome nicht beliebig stark voneinander unterscheiden. Bei einer Auflösung kleiner als 1.5 Å können anisotrope thermische Bewegungen einzelner Atome verfeinert werden.

Molekulardynamik-Simulation (simulated annealing)

Einen wesentlich höheren Konvergenzradius als die least squares Methoden besitzt die Molekulardynamik-Simulation. Hierbei werden den Modellatomen zunächst Anfangsgeschwindigkeiten zugeordnet, die einer Maxwell-Verteilung bei Temperaturen von 2000 bis 3000 K entsprechen. Die Temperatur des Systems wird anschließend in Schritten von 25 K erniedrigt. Auf Grund des hohen Konvergenzradius können Atome lokale Minima auch ohne manuelle Korrekturen verlassen.

Prinzipiell zeigen Verfeinerungsmethoden, die auf einem maximum likelihood Algorithmus basieren, einen größeren Konvergenzradius als least squares Methoden. Ein weiterer Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die σA-Werte nur aus Reflexen des Testdatensatzes abgeschätzt werden, wodurch sich der model bias in (2Fobs-Fcalc)-Elektronendichtekarten verringert.

Bei der Lösung von Proteinstrukturen besteht das Problem, dass die Anzahl der beobachteten Parameter (Reflexe) deutlich geringer ist als die der zu optimierenden Parameter (Koordinaten, Temperaturfaktoren).

Um die Anzahl der zu verfeinernden Parameter einzuschränken werden beispielsweise Vorzugsorientierungen von Seitenketten (Bindungsabstände, Bindungswinkel, Chiralität oder Torsionswinkel) in die Verfeinerung mit einbezogen (Engh und Huber, 1991). Diese Einschränkungen (restraints) wirken dabei während der Verfeinerung wie zusätzliche, beobachtete Parameter.

Zur weiteren Reduktion der Parameter kann auch, wenn vorhanden, die Nicht-kristallographische Symmetrie (NCS) herangezogen werden. NCS oder lokale Symmetrie bedeutet, dass innerhalb der asymmetrischen Einheit eine Form von Symmetrie auftritt, die nicht mit einer kristallographischen Symmetrie übereinstimmt. Zu Beginn der Verfeinerung wurden NCS mit hoher Gewichtung verwendet, die im Verlauf der Verfeinerung gelockert und später vollständig weggelassen wurden. Dies ist sinnvoll, da in den hochauflösenden Bereichen auch bei einem Homodimer kleine Unterschiede existieren, z.B. die Konformation einzelner Seitenketten.

Als Maß für die Qualität einer Proteinstruktur wird meist der kristallographische R-Faktor Rcryst verwendet. Er gibt Auskunft über die Korrelation zwischen den gemessenen Strukturfaktoramplituden und den berechneten Strukturfaktoramplituden (Fcalc). Der R-Faktor alleine ist wenig aussagekräftig, da experimentelles Hintergrundrauschen durch fehlerhafte Modellparameter interpretiert werden kann, was zu einer nicht realistischen Senkung des R-Faktors führen kann (Überinterpretation; „overfitting“). Dies ist besonders bei

der Methode des Molekularen Ersatzes der Fall. Deshalb wird der sogenannte freie R-Faktor Rfree (Brünger, 1992) über 5% zufällig gewählter Reflexe (Testdatensatz) berechnet. Wichtig ist, dass das Modell während der gesamten Verfeinerung gegen die übrigen 95 % der Reflexe berechnet wird. Der Rfree für die Strukturfaktoren des Modells wird gegen die speziell markierten 5 % Reflexe berechnet. Singt der R-Wert während einer Verfeinerung ab, der Rfree sich jedoch nicht verändert oder ansteigt, liegt eine Überinterpretation der Elektronendichte vor.

Die Größe des Rfree korreliert außerdem mit dem mittleren Fehler der Modellphasen und kann daher als Kriterium für den Fortschritt der Verfeinerung herangezogen werden (Kleywegt und Brünger, 1996). Die Differenz von R und Rfree sollte 3-6% nicht überschreiten.

(Fobs-Fcalc)-Elektronendichtekarte

Diese Karten zeigen die Differenz zwischen der Elektronendichte des Modells und der tatsächlichen Elektronendichte. Fehlende Bereiche des Models werden als positive Differenzdichte dargestellt, falsch positionierte Bereiche mit negativer Differenzdichte. Die Differenzen sind ab einem Differenzdichteniveau von etwa drei Standardabweichungen der durchschnittlichen Elektronendichte (3 σ) signifikant. Über diese Dichtekarten wurden fehlende Bereiche des Modells sowie Wasser und Ligandenmoleküle eingebaut.

(2Fobs-Fcalc)-Elektronendichtekarte

Sie wird üblicherweise oberhalb eines Differenzdichteniveaus von etwa 1 σ dargestellt und zeigt neben der Elektronendichte des Modells die Differenzdichte in voller Höhe. Diese Dichtekarten sind stark vom Modell beeinflusst (sogenannter model-bias) und eignen sich deshalb zur Modellierung nur in eingeschränkter Weise. Sie erleichtern allerdings die Interpretation der (Fobs-Fcalc)-Karte, da sie das gesamte Modell und damit einen durchgehenden Elektronendichte-Strang zeigen.

Die Karten wurden mit dem Programm COOT (Emsley und Cowtan, 2004) dargestellt. Der Modellbau erfolgte ebenfalls mit diesem Programm.

Einbau von Wassermolekülen

In alle nicht modellierten Elektronendichten über 0.7 σ in der (2Fobs-Fcalc)-Karte wurden Wassermoleküle eingebaut. Dabei mussten realistische Wassermoleküle einen Abstand von mindestens 2.2 Å zu anderen Atomen aufweisen, sowie sich innerhalb eines 2.2 bis 3.5 Å Radius zu einem Wasserstoffdonor- oder Akzeptor befinden.