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Struktur und Eigenschaften von Korallen

1.2 Marine Organismen und ihre Naturstoffe

1.2.1 Struktur und Eigenschaften von Korallen

Korallen (Anthozoa, Blumentiere) bestehen aus zahlreichen winzigen Einzeltieren, den sog. Polypen, die einen gemeinsamen Organismus bilden [49]. Sie sind Hohltiere (Coelenterata) und gehören zu dem Stamm der Nesseltiere (Cnidaria) [50].

Coelenterata leitet sich aus den griechischen Worten koilos (Höhle) und enteron (Darm) ab [48]. Diese Bezeichnung beschreibt sie recht gut.

Abb. 8: Schematischer Querschnitt eines Polypen (Anthozoa), Bp: Basalplatte, Te: Tentakel, Sr:

Schlundrohr [233]

Ihr Körper ist aus zwei Schichten Ektoderm und Entoderm aufgebaut, die eine riesige Körperhöhle einschließen, in der hauptsächlich die Verdauung der Nahrung stattfindet. Das Ektoderm (die Außenhaut) besteht größtenteils aus Muskelzellen, die die Kontraktion und Expansion der Koralle ermöglichen. Diese Bewegungen sind für den Gas- und Wassersaustausch wichtig. Das Entoderm (die Innenhaut) grenzt im Körperinneren an den Hohlraum an. Es besteht ebenfalls aus Muskelzellen, die aber ausschließlich der Nahrungsaufnahme dienen. Sie werden daher auch Nährmuskeln genannt. Über dem Hohlraum befindet sich die einzige Öffnung der Koralle – der Mund – durch den Nahrung aufgenommen wird und Abfallstoffe ausgeschieden werden. Um die Mundöffnung sind Fangarme (Tentakeln) angeordnet, mit denen die Beute gefangen wird. Charakteristisch für die Nesseltiere sind die Nesselkapseln (Cnidocysten) an den Tentakeln. Werden diese berührt, platzen sie auf und ein dünner spiralig aufgewickelter Faden, der ein stark lähmendes oder sogar tödliches Gift in seine Opfer injiziert, schießt explosiv heraus. Die unbewegliche Beute wird mit den Fangarmen zum Schlundrohr geschoben. Die Stärke des Nesselgiftes ist je nach Spezies verschieden und wirkt hauptsächlich nach zwei unterschiedlichen Prinzipien.

Einerseits ist es ein Nervengift, das die Beute lähmt. Anderseits kann es die Opfer töten, da es die Funktion der Zellmembran aufheben kann. Das Gift macht die Membran für chemische Verbindungen durchlässig und hebt dadurch den osmotischen Druck in der Zelle auf. Die Nesselzellen dienen nicht nur zum Beutefang sondern auch als Verteidigung gegenüber Feinden [51].

Flagellum

Abb. 9: Verschiedene Typen von Nesselkapseln, jeweils geschlossen (mit Auslöse-Flagellum) und entladen [234]

Neben Zooplankton und Phytoplankton ernähren sich die Korallen von Assimilationsprodukten, die sie von ihren Symbionten zu Verfügung gestellt bekommen. Die meisten Polypen gehen eine möglichst enge Lebensgemeinschaft (Symbiose) mit Algen (Zooxanthellen) ein. Diese siedeln sich im Entoderm der Polypen an, wo sie leben und sich vermehren [49, 52].

Abb. 10: Links: Ein Ausschnitt aus einer lebenden Tentakel der Pilzkoralle Cycloseris cyclolites, in dem man die zwei Zellschichten Ektoderm (oben) und Entoderm (unten) erkennt. Nur das Entoderm enthält Zooxanthellen, Verg. 300 X; Rechts: Einzelne Zooxanthellen als geißellose Kugeln. Durchmesser einer Zelle: 10 µm [171]

Zwischen Zooxanthellen und Polypen besteht ein wichtiger O2- und CO2-Austausch.

Die Algen betreiben mit Wasser und dem freigesetzten CO2 aus dem atmenden Korallengewebe Photosynthese. Dabei nutzen sie die Energie der Sonnenstrahlen.

Dies ist der Grund, warum der Lebensraum vieler Korallen die sonnenlichtdurchfluteten Flachwasserbereiche in 3-30 Meter Tiefe sind.

Abb. 11: Vereinfachtes Schema des Calcifikations- und Atmungsstoffwechsels von Korallen bei Licht unter Berücksichtigung der Rolle symbiotischer Algen [49].

Des Weiteren wird durch den CO2-Verbrauch in den Skelett aufbauenden Zellen der Polypen die Gleichgewichtsreaktion vom löslichen Calciumhydrogencarbonat Ca(HCO3)2 zum schwerlöslichen Calciumcarbonat CaCO3, der der Hauptbestandteil des Korallenskelettes ist, verschoben. Das bedeutet, je mehr CO2 die Algen dem Stoffkreislauf der Koralle entnehmen, desto größer ist die Produktion von CaCO3. Die Zooxanthellen nutzen das CO2, um durch die Photosynthese Nährstoffe wie Glucose und Glycerin für sich und den Polypen zu produzieren. Im Austausch dazu erhalten die Algen neben dem interzellulären Schutz stickstoffhaltige Substanzen, die aus der Nahrung der Korallen stammen. Die Algen verwenden z. B. Ammoniumsalze um Aminosäuren herzustellen, die sie auch dem Wirtstier zuführen. Durch die Symbiose können die Korallen weit über 90% ihres Nahrungsbedarfs durch das Sonnenlicht decken. Die bräunliche Färbung des Körpergewebes der Koralle weist auf die Algen hin (zooxanthellate Korallen). Anders ist es bei den azooxanthellaten Korallen, die wunderschön leuchtende Farben haben und meistens in tieferen Zonen des Korallenriffs leben [53-54]. Sie besitzen keine Symbiosealgen, da diese wegen Lichtmangel zugrunde gehen würden. Die Nahrungsquelle der azooxanthellaten Korallen ist Plankton (Zoo- und Phytoplankton), das sie aus dem strömenden Wasser in großen Mengen fangen. Ebenso nehmen sie bereits gelöste Substanzen aus dem Wasser auf. Die azooxanthellaten Korallen wachsen im Vergleich zu den zooxanthellaten Korallen langsamer und ihre Koloniegröße ist dadurch kleiner.

Die Fortpflanzung der Korallen geschieht entweder auf geschlechtliche oder ungeschlechtliche Weise. Zwitter-Korallen (geschlechtliche Fortpflanzung) stoßen einmal im Jahr gleichzeitig Ei- und Samenzellen aus. Nach der Befruchtung bilden sich Larven, die an der Wasseroberfläche schwimmen und sich von ihrer Heimatkolonie fortbewegen. Nach einigen

Tagen setzen sich die Larven auf dem Meeresboden ab und können dort je nach herrschenden Umwelteinflüssen und Beschaffenheit des Untergrundes eine neue Kolonie gründen. Diese „Jungtiere“

können sich auch in bereits abgestorbenen Korallen einsiedeln und diese weiter

ausbauen. Bei der ungeschlechtlichen Abb. 12: Junge Weichkorallenkolonie mit ersten wenigen Polypen

Fortpflanzung (Knospung) teilt sich der Polyp und bildet durch weitere Teilung eine Kolonie. Diese befindet sich an dem Ort der Ursprungskolonie [55].

Nachdem Korallen und Schwämme sessile Lebewesen sind und einen kaum wirksamen morphologischen Schutzmechanismus haben, sind sie Fraßfeinden, Mikroorganismen und toxischen Substanzen ungeschützt ausgeliefert. Zur Abwehr bedienen sie sich eines hocheffizienten chemischen Verteidigungssystems [56].

Bioaktive Sekundärmetabolite schützen Korallen und Schwämme vor Fraßfeinden, wie Fischen, Schnecken und Würmern, oder verhindern Wachstum und Vermehrung von Bakterien, Pilzen und sogar Viren, die die marinen Organismen befallen [57].

Des Weiteren setzen sie bioaktive Metabolite zur Verteidigung ihrer heftig umkämpften Lebensräume im Riff ein. Korallen und auch Schwämme gehören unter den marinen Organismen zu den reichhaltigsten Produzenten von Naturstoffen sowohl im Hinblick auf die Vielfalt an chemischen Strukturen als auch an biologischen Aktivitäten; cytotoxisch, antibakteriell, entzündungshemmend, antiviral, fungizid und immunsuppressiv.

Bei der analytischen Untersuchung von Korallen und Schwämmen ist es notwendig den genauen Fundort anzugeben. Aufgrund der verschiedenen Nahrungsvorkommen und Wasserzusammensetzungen können in ihnen verschiedene Naturstoffe gebildet werden. Es kommt auch darauf an, gegen welche Gefahren sie sich schützen müssen. Beispielsweise kann aus den Korallen Sarcophyton sp., die bei Bonotsu, Kagoshima (Japan) gesammelt werden, das dreizehngliedrige Cembranoid Sarcotolacetat isoliert werden. Sarcotolacetat weist ichthyotoxische Wirkung gegen den japanischen Fisch Oryzia latipes auf [58]. In Sarcophyton sp. aus anderen Regionen konnte kein Wirkstoff gegen Oryzia latipes gefunden werden. Der Grund dafür ist, dass in den anderen Gebieten dieser Fisch nicht lebt und die Koralle sich gegen ihn nicht zur Wehr setzen muss.

OH

O

CH2OAc 1 4

8

11

Abb. 13: Sarcotolacetat, das ichthyotoxisch gegen Oryzia latipes wirkt